Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | Februar 2010 | |
Sektion 3.10. | Komparatistik und Weltliteratur in der Epoche der Globalisierung Sektionsleiterin | Section Chair: Mária Bieliková (Matej-Bel-Universität Banská Bystrica, Slowakei) |
Der europäische Roman der literarischen Moderne
„Das Feld des Möglichen“ in der Moderne des 20. Jhs
Mária Bátorová (Slowakische Akademie der Wissenschaften, Bratislava) [BIO]
Email: m.batorova@mail.t-com.sk
Abstract:
- theoretische Ausgangspunkte für Komparation zweier oder mehrerer Werke
- basale Forschung (Text im Kontext), historischer Hintergrund, Archive, Korrespondenz, die Zeitphilosophie, die Zeitsoziologie, Analyse des Textes in eigenem Kontext (Geschichte), Bestimmung der Gewebe der Stoffe, der Idiome
- Kontextualisierung des Textes
- Ergebnisse der Komparation und ihr Beitrag zur näheren Bestimmung der Poetik, des Denkens, des `Geistes der Zeit` in einer bestimmten literarischen Epoche (in unserem konkreten Fall der literarischen Moderne)
1. Die theoretischen Ausgangspunkte eines von den Typen der zeitgenössischen Komparatistik in der slowakischen vergleichenden Literaturwissenschaft.
Die These die als Grundlage für die theoretischen Ausgangspunkte der Komparatistik dient, ist die zuerst als banal erscheinende Aussage, daß der Kunst, ihrer Wert und ihrer Wirkung keine Grenzen gesetz werden, daß sie mit der geschichtlichen Entwicklung, d.h. mit dem geographischen Gebiet und mit den Bedingungen, in welchen sie entsteht, zusammenhängt.
Das, was Goethe `Weltliteratur` nannte, verbindet sich über alle Entwicklungsetappen der Komparatistik hinaus (1) mit dem modernen Begriff `Raum des Möglichen` von Pierre Bourdieu, der Schüler von M. Foucault war.
Es handelt sich um ein gewisses `Netz`, das bestimmte Gedanken und Poetiken ohne Rücksicht auf die geographischen Grenzen bilden. Diese werden von den Künstlern in ihren künstlerischen Werken projiziert, die den Rhythmus der Zeit, ihre Gedanken und die Gefühlsatmosphäre wahrnehmen, wobei die einzelnen Künstler gar nicht voneinander wissen müssen. (2)
Die Komparatistik oder die vergleichende Literaturwissenschaft enstand gleichzeitig mit der Literaturwissenschaft in der Zeit des Positivismus, unter dem Einfluß von A. Comte und dem Nachfolger seiner Ästhetik H. Taine.
Die ersten Fragen der Wissenschaftler über die Gesetze der Entwicklung der Literatur und über die Struktur des literarischen Werkes entstanden also unter dem Einfluß der Philosophie. Komparatistik bildet auf diese Weise den wesentlichen Bestandteil der Literaturwissenschaft von Anfang an und heutzutage wird die Tendenz deutlich, die klassische Literaturwissenschaft zu ersetzen. Die erwähnte erste Phase der Entwicklung wird hier betont, weil die von uns präsentierte Methode (abgesehen von den verschiedenen Tendenzen, die man in der Komparatistik anwenden kann), einen dynamischen Typus des Vergleiches in der zeitgenössischen slowakischen Komparatistik darstellt.
Es handelt sich ebenso nicht um die Suche nach den möglichen Einflüssen, oder nach den genetischen Zusammenhängen, die in der klassischen Komparatistik als einziger Faktor bevorzugt werden, der verifiziert werden kann. Um die Interpoetizität in einem Raum, wie sie von I. Pospisil präsentiert wurde, handelt es sich hier auch nur im Hintergrund oder imanent. Es wird die Interpoetizität auch in den Räumen untersucht/erforscht, die voneinander entfernt sind. Bei diesem Vorgang verlassen wir bewußt die theoretische Instruktion von Dionyz Durisin, welche die sog. `typologischen Zusammenhänge` nur am Rande zuließ. In sieben Punkten - wissenschaftlichen Schlußfolgerungen, Anregungen zum Denken setzte sich I. Pospisil mit der Theorie von Durisin schon im Jahre 1993 auseinander.
Die Kontextualisierung der künstlerischen Werke kann unserer Ansicht nach nicht ohne Analyse der Texte zum Stande kommen. Wir knüpfen hier bewußt an zwei folgende Linien: einerseits an die Ästhetik der Kommunikation, d. h. Hermeneutik und Semiotik und andererseits an die Erfahrung der Dekonstruktion, die vor allem von der Skepsis gegenüber den allgemein gültigen/formulierten Begriffen gekennzeichnet ist. Im praktischen Verfahren konzentriert sich der hier vorgestellte Prozess der Komparation auf ein Motiv, ein Detail (in verschiedenen Literaturen). Diese theoretische Instruktion formulierte präzis I. Pospisil: `...Interliterarität als die Vereinigung der Einsichte auf die Weltliteratur sollte nicht die Grenzen der Präzision eines Details überragen. (-) Im Detail, manchmal sogar in einem Werk oder Erscheinung spiegelt sich wie in einem Tropfen Wasser das ganze Beziehungsproblem/die ganze Beziehungspalette/-breite/-skala wider und hier werden die Topoi, anders gesagt die Stützpunkte der Struktur und des Aufbaus der Weltliteratur konzentriert.` (3)
2. Die grundlegende Forschung (4)
hängt von dem Ziel der analytischsynthetischen Operation des Forschers ab. Ab dieser Stelle an, werden wir uns auf den konkreten Typus, bzw. zwei Typen der Komparation konzentrieren. Diese Forschung wurde in den letzten Jahrzehnten unsererseits ausgearbeitet und publiziert. Sie weist wiederum an bestimmte neue Theorien der Komparatistik bei uns zurück.
Im Allgemeinem konzentriert sich diese komparative Forschung auf die Zeit der literarischen Moderne. (5) – neisto určený pojem, rôzne paradigmy, čiastočne sa kryjú mená)
Die Komparatistik setzt voraus die Fähigkeit, in mehreren Sprachen kommunizieren zu können, sowie literaturhistorische Ausbildung und Interesse am breiten kulturologischen Kontext der Kunst. Wenn die Forscherin sowohl Germanistin als auch Slavistin ist, wie es in der hier presentierten Forschung der Fall ist, heisst es, dass sie in der Lage ist den westlichen und auch den östlichen Kontext wahrzunehmen. Selbstkritisch sollte man auf dieser Stelle bemerken, daß unsere östlichen Studien nicht über die Grenzen der russischen Literatur hinausragen, auf die asiatischen, afrikanischen u.a. Literaturen wird verzichtet. Der Eurozentrismus wird hier ganz offen present.
Das Ziel des ersten Typus der hier vorgestellten Komparationsmethode war, eine unbekante (in diesem Fall slowakische) Literatur in ein Paradigma der schon kodiffizierten, allgemein bekannten und akzeptierten Literaturen, Autoren, Werke der literarischen Moderne der Weltliteratur einzugliedern. Dieser Prozess wurde dadurch kompliziert, daß bis zum J. 1989 in der slowakischen Literaturwissenschaft die Forschung der Moderne allgemein Tabu war. Der von uns verglichene Autor Jozef Cíger Hronský (6) wurde vor 1989 aus ideologischen Gründen schematisch für Schriftsteller des Realismus, höchstens Gründer der sog. Lyrisierten Prosa gehalten und als Nationalist eingestuft/bezeichnet.
Diese ideologischen Parolen und die schon erstarrten Charakteristika wurden gerade durch die grundlegende Forschung aufgehoben (Erforschung des Archivmaterials und die literaturwissenschaftliche Analyse seiner Texte).
Bewußt wurde unser Forschungsthema gerade ein Autor, der viele Gattungen gepflegt hat. Hronský schrieb Poesie, Novellen, Sagen, Romane, Märchen, Lehrbücher und Lesebücher für alle Lehrgänge und widmete sich aktiv der Malerei, die ihm in der Emmigration Lebensunterhalt gewährte. Hronský gehörte zu den bedeutendsten Autoren der slowakischen Literatur der Zwischenkriegszeit und wurde dermaßen beliebt, daß man nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wagte seinen Namen von den Lehrplänen abzuschaffen.
Das erneute Lesen seiner Werke, deren Analysen sein Schaffen neu interpretierten, klassifizierten diesen Autor als Modernist im Rahmen der heimischen literaturwissenschaftlichen Paradigma.
Die grundlegende Forschung der ausgewählten, zu Hronský parallelen Autoren beruhte auf einer eingenständigen Analyse ihrer Werke. Zusätzlich war das Studium der sekundären Literatur von Bedeutung, die jeweils zu den einzelnen Problemen/Themen zitiert und auch verglichen wurden. (7)(
Das Ziel bzw. Vorhaben des zweiten Typus der vorgelegten Komparation war im Rahmen des heimischen Paradigmas noch komplizierter zu erfassen da in diesem Fall der Autor Pavol Strauss fast unbekannt war (8). Er gehörte zu der sog. `inneren Emmigration`. Das neue Lesen und die Analysen seiner Werke bedeuten gleichzeitig das Entdecken eines vollkommen neuen Phänomens in der Entwicklung der slowakischen Literatur. (9)
In diesem Fall zeigte die grundlegende Forschung (Tagebücher, Korrespondenz usw.) auch genetische Zusammenhänge. In diesem Sinne gehörte diese Komparation zu dem klassischen Typus der Komparation.
Zu der grundlegenden Forschung der beiden Typen/Arten der Komparation gehörte auch die Untersuchung des historischen Kontextes, der damaligen Philosophie, Soziologie, Psychologie (Psychoanalyse), sowie des Kontextes der bildenden Künste der Moderne.
Beide oben genannten Typen der Komparation sind stark anthropologisch geprägt. Es wird durch den Charakter der Moderne selbst, durch die Wahrnehmung der Wirklichkeit durch die einzelnen Autoren mit starker metaphysischer Prägung und durch die Bearbeitung der Impulse des Lebens selbst bedingt.
3. Die Kontextualisierung der literarischen Werke
Beide Typen der Komparation, die oben beschrieben wurden, kann man zur Konzeption der „littérature générale“ und der „littérature comparée“ von van Tieghem einordnen. Van Thieghems Einsicht beruht auf der Tatsache, daß die Weltliteratur ein abstraktes Ganzes ist. Man kann sie dem entsprechend nur als eine abstrakte Struktur der irationellen Zusammenhängen und miteinander korrespondierenden Gemeinschaften erforschen.
In diesem Punkt knüpft diese theoretische Instruktion an die von M. Vajda, der die Geschichte der Weltliteratur als das Produkt der Forschung der Geschichte der Ideen, Geschichte der Formen, Geschichte der künstlerischen Strömungen sieht.
S. Wollman fügt dazu, dass die literarischen Prozesse auch in den natürlich gestalteten morphologischen Ganzen existieren. Wollman nimmt die Konzeption der Geschichte als monistisch wahr, d. h. als Einheit der intellektuellen Entwicklung der Welt eingeschloßen der Äußerungen der Folklore.
D. Ďurišin sieht als Objekt der vergleichenden Forschung die Beziehungen und Zusammenhänge, die sich gegenseitig determinierend, d. h. die genetisch und typologisch bedingte literarische Erscheinungen, die in dem interliterarischem Prozess fungieren. Statt der `genetischen Einflüsse` und `Kontakte` sah Ďurišin im Einklang mit V.M. Žirmunsky die Möglichkeit sich an die typologischen Analogien zu konzentrieren. Diese Analogien bezeichnete er mit dem Begriff Konvergenz. (10) – česká škola Posp. S. 11) Ďurišin akzeptiert aber die interliterare Gemeinschaft, die auf einem objektiven, geographischem Prinzip, in einem soziokulturellen Raum mit einer bestimmten literarischen Tradition und Poetik. In diesem Punkt unterscheidet sich unser Aspekt der Forschung auf die Möglichkeiten der Kontextualisierung des literarischen Werkes von dem von D. Ďurišin wesentlich.
Ďurišin zeigte zugleich die Möglichkeit und den Bedarf der sich durchdringenden sprachlichen, kulturellen und etnologischen Aspekte der vergleichenden Literaturwissenschaft, die den Raumaspekt (wenn auch begrenzt) einschließt. Dies führte Ivo Pospíšil zum Entwurf der sog. Arealstudien, die auch unserem Begreifen der Komparatistik nahe stehen.
Auf dieser Stelle sollte nochmals der `Raum des Möglichen` von Pierre Bourdieu betont werden, der auf die Bewegung der Ideen ohne Rücksicht auf jegliche Grenzen hinweist. Dieser Hinweis zeigt das Allmenschliche und zugleich in den konkreten Bedingungen Wesentliche und Symptomatische, das in einer bestimmten Zeit das Denken und den Geist der Epoche durch künstlerische Werke in Zusammenhang hält. (tu mapa)
Die konkrete theoretische Intention unserer Forschung wurde von dem Bedarf bestimmt, die Forschung der Moderne, die im Sozialismus Jahrzehnte lang unterschätzt wurde, zu durchführen und zu ergänzen. Dies geschah durch Textanalysen aufgrund welcher die Symptome der einheimischen Moderne an konkreten Beispielen/Autoren aufgezeichnet werden konnten. Dank diesem Verfahren ist es gelungen, die slowakische Moderne in den breiteren europäischen Kontext einzugliedern.
Dieser Prozess der Forschung und Komparation beinhaltete auch zwei paralell und zugleich gegeneinander stehende wissenschaftliche Vorgänge:
Das Forschungsverfahren verlief vor allem durch Untersuchung der Details - d.h. der Ideen und Motive in den konkreten Texten. Die Forschung selbst überragte allerdings das Feld der Literaturwissenschaft und wurde interdisziplinär. Dies betraf vor allem die Kategorie des Autors und auf diese Weise auch die Geschichte der Weltliteratur.
Die Ergebnisse der Komparation und ihr Beitrag zu der näheren Bestimmung der Poetik, des Denkens, des `Zeitgeistes` in der literarischen Moderne.
Die Problematik der Moderne und des Romans als Genre in der literarischen Moderne ist so kompliziert, daß man immer wieder nur eine Mosaik der einzelnen Merkmale anhand der einzelnen Texte zusammenstellen kann. (11)
Aus den Analysen ergeben sich bestimmte Merkmale des Romans der literarischen Moderne – ihre Phasen: 1. Protomoderne, 2. klassische Moderne, 3. Moderne an der Grenze zur Avantgarde/Postmoderne.
Die einzelnen Phasen sind nur chronologische Bestimmungen, d. h. betreffen einzelne Autoren chronologisch von der Hälfte des 19.Jhs bis zur Hälfte des 20. Jhs. Die Themen, Motive usw., die sich als Resultat der Analysen der einzelnen Werke der einzelnen Autoren ergaben, zeigen aber deutlich, das die Chronologie fast keine Rolle spielt.
In unserem Paradigma stützen wir uns auf das Jahr 1900 (12), als sich das ganze Erbe des Fin de siecle (mit dem Hintergrund der Technisierung seit der Hälfte des 19. Jhs. ) in das 20. Jh überträgt, um es zu prägen.
Die einzelnen Schriftsteller werden existenziell von den historischen Bedingungen Betroffen. Sie haben erlebt, wie der am Anfang vitalisierende Faktor der Volkskunst (13) mißbraucht wurde ( in der Zeit des Nationalsozialismus sowie vom Sozialismus der kommunistischen Zeit). Die früher mehr oder weniger objektiv gesehene Wirklichkeit wechselt in den Werken der Moderne zur subjektiv – objektiven Reflexion der 30., 40. Jahre des 20. Jhs. Es entstehen autoreflexive Werke mit der großen historischen Leine im Hintergrund – wie Die Welt von gestern von S. Zweig, Dr. Faustus von Th. Mann, Andreas Búr Majster von J. Ciger-Hronský, Ferdydurke von Gombrowicz usw. Diese Werke suchen wieder nach einem Ausweg in dem ganzen Panorama der Beziehungen, des Paradigmas ‚das Individuum – das Volk – die Masse’ und betreffen in ihren Refflexionen auch das Wesen und eigentliche Existenz der Kunst. S. Zweig löst diese Frage ganz identisch mit der Deffinition von W. Hofmann (14) ‚im Erwachen zum Tode’, Gombrowicz und Hronský mit der Flucht nach Argentienien, wobei Hronský das Verlassen des eigenen Landes als seinen imaginären Tod und Tod der Kunst betrachtet, T. Mann mit der Emigration in die ČSR, nach England und Amerika, wobei seine reale, pessimistische Sicht (noch im Dr. Faustus) den Optimismus, sowie auch den Glauben an das Wiedergeburt der humanistischen Kultur in Deutschland, überwindet. (15)
Das existierte Problem der Nicht – Kommunikation unter den Menschen bedingt ungewollt eigentlich die Forschung der Psychoanalytiker. Die Schlüsselgestalt dieser Forschung S. Freud begann seine Forschung anhand der Information von seinem älteren Kollegen und Freund Josef Breuer, der durch ein Gespräch (Kommunikation) die Patientin Berta Pappenheim heilte.(16) Obwohl S. Freud, sich selbst zu den Künstlern zählend (vor allem sein Werk Traumdeutung) in seinem ‚Kabinet’ das Leben verbrachte, war das künstlerische Milieus Wiens um 1900 (17) vorbereitet, in den künstlerischen Werken aller Art die untersten Schichten der menschlichen Seele zu entdecken und auf diese Weise sich vom psychischen Druck der Nichtkommunikation zu befreien. Dazu zählen die Novellen von S. Zweig, die Dramen, vor allem Einakter des Zyklus Anatol, von A. Schnitzler und andere Werke der Wiener Moderne.
Mit der Frage des Unterbewußtseins, der Erotik aber auch der Einschaltung der Frau in das öffentliche Leben hängt auch die Entfaltung der Fragen der Welt der Frauen zusammen, wie sie in den großen Romanen Tolstojs, Flauberts, in den Dramen von Ibsen, Strindberg, in der Malerei von E. Munch u. a. begonnen hat. In der Moderne wird die Frau voll emanzipiert. Ihre innere darunter auch sexuelle Welt ist kompliziert – überwiegend Drei- Viereck Beziehungen, wobei diese tragisch gelebt werden und tragisch enden (18). Das Unterbewußtsein verbreitet in andere Schichten der Beziehungen der Romangestalten (d. h. Ödipuskomplex oder sadomasochistische Beziehungen ) spielt hier eine wesentliche Rolle.
Ein wichtiges Merkmal der Moderne ist die Emanzipation der Kinderwelt ( K. Čapek, E. Kästner, J. Cíger- Hronský).
Mit der Entspannung der Nichtkommunikation durch Psychoanalyse, d. h. durch die Sehnsucht nach der Ausgewogenheit und Norm, hängt auch das Suchen nach einem Ausweg aus dem Chaos und Labyrinth zusammen. (19)
Für lieterarische Gestalten heißt der Ausweg aus dem Chaos und Labyrinth Sich-selbst – finden, die Angst aus eigener existenzieller Verlorenheit und Sich – selbstentfremdung loswerden. Das Motiv des Marionettenspiels ( u. a. vor allem neben dem Motiv der Angst eines der Hauptmotive des Expressionismus) (20) d. h. der Wehrlosigkeit gegenüber dem Schicksal, bedingt die Geburt einer dynamischen Gestalt, die den eigenen Weg sucht. Diese Bewegung hat vier Lösungen: 1. endet tragisch ( Faulkner, Zweig, T. Mann, Hronský), 2. endet im positiven Sinne in der Alltäglichkeit (Hamsun, Hronský), 3. mündet in die christlich – mystische Beziehung zum Gott ( ein Strom der Expressionisten wie F. Werfel, Barlach aber auch Dostojevskij, Hronský), 4. findet den Ausweg aus dem Labyrinth nicht ( Kafka, Gombrowicz). Die letztgenannte Stufe deckt sich mit der Postmoderne.
Mit der Verlorenheit eines Menschen im Labyrinth und mit dem Chaos der Welt ist das Motiv des Aussenseiters verbunden, einer wesentlichen absoluten Einsamkeit der literarischen Gestalt, die ihr Schicksal bestimmt: hier erwähnen wir den identitätslosen Outsider Joe Christmas im Werk Faulkners, der tragisch endet, den genialen dämonischen Adrian Leverkühn von Th. Mann, Andreas Búr Majster von Hronský, Hamsuns Roolandsen, Zweigs Arzt im Amok, deren Weg zu den Menschen scheitert. Auf der anderen Seite befindet sich die Einsamkeit einer Gestalt, ‚eines Menschen – Million’ eines Jozefs Maks ( Josefs Mohns – symbolischer Name), der einfach wie ‚Gras, das überall und in allen Bedingungen wächst’ (Hronský), eine Gestalt, die jede Not und jedes Leiden übersteht und überwindet. Diese einfache Menschen ‚übliche’ Gestalten zeigen sich mit der Entwicklung des Inhalts als seltsame Menschen vor allem durch ihre Geduld und Fähigkeit alles auszuharren. Dabei zeigen sich die ‚Genies’ als ganz normale Menschen. Bei beiden Typen der literarischen Gestalten der Moderne bestimmen wir ihre Taten – d. h. die sich spontan durchgesetzte vitale Kraft für das Bauen nach Archetypen ( Haus, Baum, Erde, Familie, Gut, Eigentum usw.) oder für ganz neue Projekte und Erfindungen als Mythos der zivilisierten Tat. Dieser Provenienz ist auch die Gestalt eines Isaks aus Knut Hamsuns Werk Segen der Erde. (21)
Die nichtsbedeutenden Gestalten wie Josef K. in Kafkas Werk, deren einzige Rettung ihrer Existenz in der ‚Verwandlung’ ( Kafka führt die Verlorenheit oder unbedeutendes Weiterdauern in dem Paradigma Mensch – Insekt zu Alles- und Nichts- bedeutung ad absurdum) steckt, sind einer anderen Provenienz.
Die postmoderne Lösung bei Gombrowicz und Kafka im Absurden, das Auslachen des Suchens nach dem Ausweg, die Lage an der Grenze des Tragischen und Komischen, die heimliche Kraft der Verwandlung auf Nichts und Alles, war am Anfang des 20. Jhs. prophetisch.
Gras, das überall wächst, ist genauso unzerstörbar wie das kaum sichtbare Insekt in das sich ein Mensch verwandeln kann. Das Symbol an sich ( das einige- Fokema z. B. – nicht zu Moderne zählen ) erhält eine Vorstellung der Einheitlichkeit, der Ganzheit der Welt (das Leben gebende, erneuernde Energie der Erde) und zugleich ihrer partiellen Wirklichkeit. (22)
In diesem Sinne findet die Moderne, in ihrem Rahmen vor allem Expressionismus und Kubismus mit der Tendenz zur Avantgarde, den Ausweg in der Orientierung auf die Volkskultur.
Die Orientierung auf das Individuum, die Subjektivisation der objektiven Wirklichkeit ( in der Wissenschaft durch die Relativitätstheorie aller Werte von Einstein ) d. h. die Verinnerlichung der objektiv existierten Welt, sowie Rohheit der menschlichen Beziehungen ( in den Naturwissenschaften durch Darwin – Theorie diagnostiziert und präsentiert), die in den nächsten Jahrzehnten in zwei Weltapokalypsen mündet usw.: das alles zerstört den Anschein der Einheit, der Ordnung, der allgemeinen Verbindung und Ganzheit. Die traditionelle Wahrnehmung der Weltordnung existiert nicht mehr nach der Skepsis von A. Schopenhauer, nach dem Misstrauen Nietzsches an Menschen in seinem Satz: ‚Gott ist Tot und wir haben ihn getötet’, sowie nach dem immer weiterkommenden Missbrauch der Technik für den materialistischen Gewinn und nicht zugunsten des Menschen. Das alles spiegelt die Kunst wieder.
Die Kommunikation wird zum Zentralbegriff. Kommunikation, besser gesagt die Nicht- Kommunikation der Vertikale im Werk von Franz Kafka, wo zum Beispiel die Instanz Gottes fehlt, wo man von dem ‚Tier-werden’ und von dem ‚Maschinensystem’ spricht ( d. h. lebendige, abstrakte, oder sogar fertige – tote Maschinen auf die Szene bringt ) (23) Ein anderer Autor der Paradigma R. Maria Rilke verinnerlicht für sich auch die Kategorie Gottes. Bei Rilke steigt man zu Gott nicht hinauf, sondern man verfällt sich zu Gott in sich selbst.(24)
Im Bezug auf die Kategorie des Gottes aber auch auf den Zerfall der objektiven Welt und das Sichverfallen ins eigene Innere, wodurch die Polyphonie der Stimmen in den Romanen entsteht, kommen wir in dieser Frage zum Werk Dostojevskis zurück, zu den Fragen der Schuld und Sünde, zu seinem fieberhaften Suchen nach der Wahrheit dieser Werte im alltäglichen, kleinen Leben (25)
Symptome der Moderne:
Anmerkungen
3.10. Komparatistik und Weltliteratur in der Epoche der Globalisierung
Sektionsgruppen | Section Groups | Groupes de sections
Inhalt | Table of Contents | Contenu 17 Nr. |
Webmeister: Gerald Mach last change: 2010-02-23