TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 3.11. Das Künstlerbild und das Künstlerproblem in der Ost-West-Literatur / The Idea of the Artist and the Problem of the Artist in Literature, East and West
Sektionsleiterin | Section Chair: Pornsan Watanangura (Chulalongkorn Universität, Bangkok, Thailand)

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Hermann Hesses Kunst zwischen Ost und West

László V. Szabó (Veszprém) [BIO]

Email: vszabol@btk.uni-pannon.hu

 

Wo Kultur ist, findet der Mensch
den Menschen.

(Rudolf Pannwitz)

 

Wenn es zu den Grundsätzen des echten Künstlertums gehört, in der Kunst eine Berufung zu sehen, so gehört Hermann Hesse (Nobel-Preis für Literatur 1946) zu den größten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Er war und ist ein großer und auch ein populärer Dichter nicht nur in Europa, sondern weltweit, was keine Selbstverständlichkeit ist. Es geht allerdings um keine billige Popularität seiner Kunst, sondern um, ein bestimmtes Etwas, eine Grenzen überschreitende Anziehungskraft, die ihn bei den Lesern aus allen Kulturen beliebt machte. Diesem Kulturen vereinigenden Inhalt seiner Kunst nachzugehen ist das Anliegen des vorliegenden Beitrags.

Kunst scheint allerdings beim frühen Hesse nicht zuletzt eine Kompensation des Lebens zu sein (Gertrud, Rosshalde), gemäß der Kunstauffassung bzw. Kunstkritik Friedrich Nietzsches. Sie wird aber immer mehr zur Berufung, indem sie die Rolle der Kulturvermittlung übernimmt. Aus einem Kompesationsakt wird die Kunst in Hesses späteren Schaffenszeit zu einem wertevermittelnden und -schaffenden Faktor, zu einer weltgestaltenden Komponente der Kultur. Weltgestaltung ist aber bei Hesse keine dogmatische Idee einer revolutionären Weltverbesserung – er erkannte früh die Gefahren, die in den verschiedenen Ideologien stecken –, sondern ein Imperativ, das an das Individuum gerichtet wird. Die Selbstgestaltung des Individuums – allerdings ein Grundsatz bereits der Weimarer Klassik aber auch Nietzsches – gestattet eine Veränderung seines Selbst und seiner unmittelbaren Umgebung, welcher innere Wandel schließlich die Veränderung der Gesellschaft bewirken kann. Eine „Verbesserung“ der Welt kann nie durch einen äußeren Zwang erreicht, sondern erst mit der inneren Wandlung des Individuums begonnen werden. Gesellschaftliche (sozial-politische, moralische, sogar religiöse) Normen, die dem Individuum lediglich aufoktroyiert werden, können zu dessen Zerstörung oder Degeneration führen, während aber ein Individuum, das ein Selbstgestaltungsprozess vollzieht, zu einem wertvollem Element der Gesellschaft werden kann. Nichts hatte einen größeren Wert in den Augen Hermann Hesses als das in der Kultur und durch die Kultur entfaltete Individuum. Er selbst verstand den „Sinn“ seiner Kunst, wie er in einem Brief vom März 1954 erklärte, als „eine Verteidigung (zuweilen auch als Notschrei) der Persönlichkeit, des Individuums“. Da der einzelne Mensch ein „zartes, gebrechliches Ding“ sei, könne er „wohl einen Anwalt brauchen“, der ihn vor den kollektiven Idealen von Staat, Schule, Kirche in Schutz nimmt.(1) Dabei ging es Hesse nicht um die Zerstörung der „Ordnungen und Bindungen“, sondern um ein menschliches Zusammenleben, in dem der Mensch nicht zum „Herdenvieh wird, sondern die Würde, die Schönheit und die Tragik seiner Einmaligkeit behalten darf.“ (AB: 419)

Diese Worte, die auch von Schiller stammen könnten, verdeutlichen, welche besondere Bedeutung und welchen unvergleichlichen Wert für Hesse das Individuum als individuelles Schicksal besaß. Hesses Vorliebe und Verpflichtung für den Menschen als Individuum darf indessen mit keinem egoistischen Individualismus verwechselt werden, wie das bereits zu seiner Zeit nicht selten geschah; denn Individuum ist für ihn kein Selbstzweck, sondern ein Kultur- und Wertträger, der sich eminent als Offenheit und Hingebung für den Anderen definieren lässt. Hesse war seinerseits bestrebt, dem negativ konnotierten Individualismus-Begriff seiner Zeit eine positive Semantik zu verleihen, indem er ihn vom „Odium des Egoismus“ (siehe unten) zu befreien suchte – etwa so, wie er auch den „Eigensinn“ als den „Sinn des Eigenen“ umdeutete und als Tugend bezeichnete. Allerdings lag für Hesse der Wert des Individuums nicht in dessen selbstgefälliger Isolierung, im Mimikry-Arsenal, mit dem es in der Welt des Scheins zu überleben sucht, sondern in seiner verantwortungsvollen Selbstwerdung und in seiner – von Hesse immer wieder betonten – Liebe zum Anderen.

In einem Antwortbrief an einen jungen Mann vom Sommer 1931 schalt Hesses die typische Haltung einer ganzen Generation: „Cynismus auf Grund von Verantwortungslosigkeit, Verzweiflung auf Grund von Anarchie.“ Ein Heilmittel dagegen fand er dabei nicht: „…Es werden Kriege und andre Schweinereien daraus entstehen, daß bei Euch keine Ehrfurcht, kein Wille zum Dienen, keine Lust zur Steigerung der Persönlichkeit durch große Aufgaben da ist. Als Ersatz für Religion und Kultur genügt das bißchen Boxen und Rudern nicht.“ Dem Jungen, in dem er ein Opfer des Zeitgeistes sah, riet Hesse, er solle zumindest sich selbst ernst nehmen, sonst verschwindet jeder Wert und jeder Sinn in seinem Leben. „Euer Leben hat genauso viel Sinn, als Ihr selbst ihm zu geben vermöget.“ (AB: 56) In den zahlreichen Briefen, Aufsätzen und Essays nicht weniger als in seinen Werken nahm Hesse den Wert des Individuums immer wieder vor dem vernichtenden (Un)Geist des Massenzeitalters in Schutz. Seine wiederholten Äußerungen über das Besondere und Einmalige des Einzelmenschen lassen keinen Zweifel darüber, welches Gewicht das Individuum in seiner Kunst hatte. Ein genuines Individuum, das in der Verantwortungslosigkeit und Sinnlosigkeit des Massendaseins nicht aufgeht, verfügt über Werte wie Glaube und Ehrfurcht, Willen zum Dienen und zur Selbstüberwindung, Bildung und Erkenntnisvermögen, Liebe und Opferbereitschaft. Nie hat Hesse seine Sympathie für die besonderen, differenzierten, entwicklungsfähigen Individuen verhohlen, die Werte schaffen und schätzen können, und von den Massen abkehren, um den eigenen Weg zu suchen. Hesse kannte Nietzsche genug,(2) um zu wissen, dass eine Differenzierung des Individuums von den Massen die Gefahren der Vereinsamung in sich trägt, die es zerstören können, wenn es die Stärke und den Willen nicht aufzubringen vermag, die ihm die Verfolgung der eigenen Ziele erst ermöglichen. Der Dichter Hermann Hesse empfand selbst die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens, das ihn in wiederholte Lebenskrisen trieb. Aber je mehr Krisen er erlebte, desto deutlicher wurde es ihm, dass die Treue zu sich selbst nicht weniger wichtig ist als die Liebe zu den Anderen.

Der alte Hesse schrieb noch im Juli 1961 an einen vierzehnjährigen ungewöhnlich frühreifen Japaner, der viel von Tolstoj und Hesse gelesen hatte und von weltanschaulichen und moralischen Problemen bedrängt war, er solle darauf verzichten, „sich an den unlösbaren Fragen müde zu werden“, denn: „Unlösbar sind die Fragen nach dem Wesen Gottes oder des Weltgeistes, nach Sinn und Lenkung des Universums, nach der Entstehung der Welt und des Lebens.“ (AB: 543) Hesse spricht hier im Namen einer kleinen Zahl „der zu einem persönlichen, individuellen Leben Befähigten und Berufenen“, die das Glück der verantwortungslosen Massen nicht teilen können, sondern stattdessen ihr Leben „in den Dienst der Vervollkommnung, der Selbstwerdung stellen“ sollen. „Wenn wir das tun“, schreibt er, „dann dienen wir zugleich auch der Menschheit, denn alle Werte der Kultur (Religion, Kunst, Dichtung, Philosophie etc.) entstehen auf diesem Weg.“ Auf diese Weise könne auch der „oft verlästerte ‚Individualismus’ zum Dienst an der Gemeinschaft“ werden und dabei „das Odium des Egoismus“ verlieren (AB: 544). Dass dadurch der Individualismus in ein günstigeres Licht gesetzt wird, ist nicht das Entscheidende; vielmehr scheint hier Hesses Begriff der Kultur eine klare Definition zu erlangen. Kultur, die Hesse eminent als geistige Kultur versteht, wird hier untrennbar von der kleinen Zahl der „Berufenen“ und deren „Vervollkommnung“ und „Selbstwerdung“, gepaart mit einer – obgleich von Hesse an dieser Stelle nicht explizit formulierten – außergewöhnlichen Kreativität und Einbildungskraft. Durch dieses elitäre Denken schließt er sich allerdings einer europäischen Tradition an, vertreten durch Goethe oder Nietzsche, unter seinen Zeitgenossen durch die Expressionisten, den George-Kreis, Rudolf Pannwitz, Ortega y Gasset und andere. Damit bleibt er ein Europäer par excellence, und zwar ein „guter Europäer“ im Sinne einer Abkehr von jedem Nationalismus und einer Hinwendung zu einem „entnationalisierte[n], übernationale[n] Menschenbedürfnis“,(3) der zur europäischen Kulturtradition Treue hält.

Aber diese Verpflichtung für die europäische Kulturtradition bedeutet für Hesse alles andere als ein sich Einsperren in der eigenen Kultur oder eine Vorrangstellung Europas unter den Kulturen der Welt. Bekannt ist Hesses lebenslange Offenheit für die Kulturen des fernen Orients, seine Vorliebe für den Buddhismus und Taoismus, die auf seine Kindheit und sein innerliches Verhältnis zum Großvater, der lange Zeit Missionar in Indien war, zurückgeht. Seine Affinität für die östlichen Kulturen hat Hermann Hesse lebenslang begleitet und sein Schaffen deutlich mitgeprägt; man kann deshalb im Einvernehmen mit Christoph Gellner, von einer „westöstliche[n] Weltoffenheit“(4) Hesses sprechen, von der mehrere seiner Werke zeugen. Zahlreiche Beispiele könnten aufgelistet werden, die Hesses Interesse für den Orient belegen, angefangen etwa mit der frühen Erzählung Anton Schievelbeyn’s ohnfreywillige Reisse nach Ost-Indien durch Gedichte wie Bhagavad Gita, An den indischen Dichter Bhartrihari oder Chinesisch,Aufsätze über Indien und China und altehrwürdige Vertreter dieser Kulturen (Buddha, Lao Tse, Konfuzius), bis zu den Prosastücken Siddhartha (mit dem Untertitel „indische Dichtung“) oder Das Glasperlenspiel (insb. „Der indische Lebenslauf“ als eine von „Joseph Knechts hinterlassene Schriften“ am Ende des Romans“). Einige seiner Figuren tragen orientalische Namen wie, selbstverständlich, alle in Siddhartha, Li Tai Po und Thu Fu (als chinesische Pseudonyme) in Klingsors letzter Sommer oder Dasa im genannten „Indischen Lebenslauf“. Diverse kulturelle Inhalte östlichen Ursprungs sind konstitutive Elemente von Texten wie Siddhartha oder Das Glasperlenspiel, aber auch in solchen wie Demian oder Der Steppenwolf hat man bereits den Einfluss des Daoismus nachgewiesen.(5) Es lässt sich mithin ohne Übertreibung behaupten, dass das Denken und Schaffen von Hermann Hesse stark mitgeprägt wurde von den traditionellen Kulturen Asiens, von ihren Religionen und ihrer Philosophie, von der Weisheit des alten Indiens und Chinas. Es geht bei Hesse um die Integration der östlichen und westlichen Kulturen in ein eigenes Denksystem und eine eigene ars poetica, die ihm eine Sonderstellung in der europäischen Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts gewährt. Allerdings gab es um die Jahrhundertwende auch andere Versuche einer Synthese der Kulturen, die im Grunde eine Aneignung der Kultur(en) Asiens durch Europa und damit ein Konzept der Überwindung der kulturellen Krise Europas anstrebten, so etwa bei Hugo von Hofmannsthal , Rudolf Pannwitz oder Theodor Lessing,(6) aber bei keinem anderen Dichter ist die Präsenz des östlichen Gedankenguts in den Werken (ich meine hier in erster Linie Kunstwerken) so markant wie bei Hermann Hesse. Sein Werk ist so stark geprägt durch diese Synthese von Kulturen wie kein anderes. Im Endeffekt behielt diese Synthese auch bei ihm einen europäischen Charakter, doch zeigte Hesse stets eine maximale Aufnahmebereitschaft für die Kultur des Orients. Mag sein, dass er etwa im Vergleich der christlichen mit der buddhistischen Religion der ersteren den Vorrang gab, doch bleibt er der Autor der Prosadichtung Siddhartha, die gerade dank einem seltenen Beisammensein von fernöstlicher kultureller Tradition und europäischen Fragestellungen ihren Weltruhm erlangte. Hesse gelang vor allem durch Siddhartha und Das Glasperlenspiel, kulturelle Grenzen zu überschreiten und eine Brücke zwischen Kulturen zu schlagen, wodurch seine Kunst einen transkulturellen Charakter erlangte.

Die Gründe seiner Hinwendung zum Osten sind mehrfach; neben den erwähnten Kindheitserlebnissen und -lektüren ist an dieser Stelle auch sein Interesse für die Philosophie Schopenhauers zu nennen. Doch dürfte gleichzeitig auch ein anderes Motiv bei seinem Entschluss gespielt haben. Einen Hinweis darauf enthält bereits seine Erzählung mit dem Titel Der Europäer (1918), in der sich der europäische Intellekt als unfähig erweist, „das Glück der Menschheit“ durch Aufgabenlösung zu fördern, wobei er als „eine Mahnung und ein Antrieb, als ein Gespenst vielleicht“(7) in den Augen der Repräsentanten anderer Kulturen erscheint. Glück ist offenbar mehr als logisch-strukturiertes Wissen und Denken, das überall lediglich zu lösende Aufgaben und unaufhaltsamen Fortschritt sieht. Europa war schon immer stolz auf den Fortschritt seiner Kultur, der im Grunde ein „Fortschreiten“ seiner (von Rousseauisten schon immer abgelehnten) Zivilisation bedeutet, insofern die Kultur nichts anderes ist als ein Kreislauf, wie das bereits von Spengler(8) angenommen wurde.

Glück lässt sich auf keine mathematisch-logische Formel bringen. Mit dieser Idee nimmt Der Europäer bereits jenen Entschluss von Joseph Knecht in Hesses Großroman vor, die Kulturwelt des ständigen Rechens und Kombinierens, die „Glasperlenspieler“ Kastaliens hinter sich zu lassen. Für Hesse erschien die Kultur Europas oft zu eng, die streng pietistische Erziehung war ihm ebenso zuwider wie die Klosterschule zu Maulbronn oder der exaltierte Nationalismus vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Er hoffte immer darauf, dass es nicht nur ein kriegerisches und konfliktreiches Europa und Deutschland gibt, sondern auch „ein latentes anderes Deutschland [...], das nicht nur Goethe, Hölderlin und Nietzsche innig kennt und liebt, sondern auch Laotse, und das ganz vom instinktiven Wissen seiner Aufgabe durchdrungen ist: Chaos und mütterliches Asien nach Europa hereinzutragen.“(9) Mit anderen Worten: Hesse fühlte sich einer universellen Kultur, einer Gleichzeitigkeit der Kulturen verpflichtet, die sich über ihre Grenzen und Differenzen erhebt. Asien bedeutete für ihn einen inneren Frieden, ein kontemplatives Glück, das dem unaufhörlichen Treiben und der inneren Zerrissenheit der europäischen Kultur gegenübersteht. Den glänzendsten Ausdruck dieser Glücksvision findet man in Siddhartha, in dem Bild einer vom entpersönlichten Individuum erreichten Harmonie zwischen Ich und Universum.

Die Bedeutung von Hesses Universalismus hat man wohl bis heute nicht genug gewürdigt, obwohl es auch diesbezüglich markante Phasen seiner Rezeption gibt. Auf eine ganz wichtige, wenngleich bis heute vergessene Station in Hesses Rezeptionsgeschichte soll im Folgenden eingegangen werden. Es geht um den Dichter und Philosoph Rudolf Pannwitz, der noch 1917 in seiner Krisis der europäischen Kultur eine Annäherung zwischen der europäischen und der asiatischen Kulturen forderte, indem er seinen Standpunkt formulierte, nach dem sich Europa von Asien und besonders von der altchinesischen Philosophie befruchten lassen sollte, die nicht zuletzt durch ihren ethischen Gehalt eine Hilfe bedeuten könnte für eine in Krisis befindliche europäische Kultur. Die Bereitschaft für die Aufnahme orientalischer Kulturgehalte ist schon immer vorhanden gewesen in der europäische Tradition, selbst das Christentum ist ja orientalischer Herkunft, und die Aufklärer waren ebenso bereit, sich für den Orient zu öffnen (Montesquieu, Voltaire) wie etwa Schiller, über den Pannwitz notiert: „die besten gedanken von schiller sind rein konfuzianisch.“(10) Selbst Nietzsche, den Pannwitz und Hesse gleichermaßen schätzten, hatte mit seinem Zarathustra auf eine östliche Tradition zurückgegriffen, wenn er sie auch in eine eigene Philosophie – die für Pannwitz eine europäische Philosophie par excellence ist – integrierte. Eine Inspiration, die aus dem Orient kommt, könnte in den Augen von Pannwitz insofern eine produktive oder gar rettende Funktion für den Okzident erfüllen, als sie die in Europa herrschende „pöbelverehrung“ und die „magna charta libertatum“ als „das grosze system der libertinage“ durch eine „magna charta religionis“ ersetzen würde, deren Wesen er wie folgt definiert: „Was ist unsere magna charta religionis? irgend ein novum organon ein kosmos und grund einer wissenschaft des lebens in der wir uns erschöpfen und vollenden als menschentypus.“(11) Es geht nicht darum, dass Europa seine Kultur und Identität aufzugeben habe, um ganz asiatisch zu werden – darin sah auch Hesse eine Gefahr gerade um diese Zeit –, sondern gerade um eine „kosmische Religion“, die erst dadurch recht europäisch wird, dass Europa die eigene und die orientalische Tradition in sich integriert und in einem Prozess der Kultursynthese den gegenwärtigen – „postmodernen“(12) – Kulturzustand, der für Pannwitz mit „Krise“, „Chaos“, Dekadenz und Nihilismus gleichbedeutend ist, überwindet. Die Stufe einer solchen „kosmischen Religion“ hatte für Pannwitz bereits Friedrich Nietzsche erreicht,(13) der aus der Gestalt des iranischen Religionsstifters die eminent europäische Vision eines Übermenschen schuf (man bedenke, welche Wurzeln das Bild des Übermenschen etwa bei Hölderlin oder in Goethes Faust hat!). Europa braucht also Asien, um sich von der eigenen Krise zu heilen und durch die Synthese von Kulturen erst recht europäisch zu werden: Das ist das Rezept von Pannwitz für seine Zeit, die er in seinem späteren, von Nietzsche inspirierten Werk Zarathustras andere Versuchung die „Unzeit“ nennt.(14)

Vierzig Jahre nach seiner Krisis verfasste Rudolf Pannwitz ein Buch über Hermann Hesse, das gerade dank der Mitwirkung von Hesse selbst, der seine Werke ebenfalls beim selben Verlag veröffentlichen ließ, bei Suhrkamp erschien. Zu dieser Zeit waren Hesse und Pannwitz in einer engen freundschaftlichen Beziehung und führten eine intensive Korrespondenz, die bis zum Tode Hesses im Jahre 1962 andauerte.(15) Mit seiner bündigen Hesse-Monografie gelang es Pannwitz eine der originellsten Deutungen von Hesses Werk. Er konzentrierte sich dabei auf Hesses Siddhartha, Morgenlandfahrt und Glasperlenspiel (dem Steppenwolf widmete er noch einen Aufsatz im Jahre 1962), um gerade das Beisammensein und die Synthese der Kulturen, wie sie in diesen Werken Hesses vollzogen wurden, unter die Lupe zu nehmen. Pannwitz platziert zunächst Hesses Werk in einen breiteren Kontext, indem er davon ausgeht, dass die asiatischen Kulturen schon immer Einfluss genommen haben auf die europäische: Das Rokoko und die Aufklärung z.B. waren entscheidend von Iran und China, während die Romantik und die Philosophie Schopenhauers mehr von Indien beeinflusst worden. Aber selbst das Christentum geht auf asiatische Wurzeln zurück, was zur Folge habe, dass „keiner von uns, ohne jene Samen, im Denken, Fühlen, Handeln wäre, der er ist.“(16) Hinsichtlich der möglichen Einwirkungen der östlichen Kulturen auf den Westen unterscheidet Pannwitz zwischen zwei „echten“ Wirkungen, und zwar „je nachdem das Gewicht auf das Eigne oder Fremde fällt“. Zur ersten Variante zählt er etwa die Übersetzer orientalischer Texte, zur zweiten hingegen Autoren, bei denen das Östliche „das unzureichende Westliche“ ergänze, wie das bei Goethe der Fall sei. Werke wie Goethe West-östlicher Diwan oder Hesses Glasperlenspiel – das seinerseits an das Vorbild Goethes in mancherlei Hinsicht gebunden ist – betrachtet Pannwitz als solche, die zwar dem Orient verpflichtet, aber gerade dadurch auf eine neue Weise abendländisch, „erst recht europäisch sind.“ (HWÖ: 10) Hesses Roman sei eine „nur dichterisch mögliche Umsetzung eignen Lebens in alte Welten und alter Welten in eine neue Welt“, mithin eine Sich-Versetzung in alte Kulturtraditionen und gleichzeitig die Übertragung derselben in die eigene dichterische Vorstellungskraft. Vergangene Kulturen – im Glasperlenspiel allerdings nicht nur die altorientalischen, sondern etwa auch die des europäischen Mittelalters – werden dadurch lebendig, dass sie vom Dichter in die Sprache der eigenen Dichtung umgesetzt werden (Umsetzung ist für Pannwitz „jedes Mal das Gegenteil von einer Übersetzung“) und mit neuen Inhalten erfüllt werden. In Hesses Roman leben die alten Kulturen organisch nebeneinander und wirken aufeinander, woraus keine babylonische Kakophonie, sondern, ganz im Gegenteil, eine neue Symphonie entsteht, die gleichsam von einem Orchester aus verschiedenen Kulturen vorgetragen wird. Der Hintergrund dieser universal-symphonischen Musik bleibt allerdings ein europäischer: Es geht schließlich um die Krise und den Untergang der abendländischen Kultur nach der Formel Oswald Spenglers; um eine für das europäische Denken typische Zukunftsvision und Utopie, eine säkularisierte Welt, in der kirchlich und weltlich institutionalisierte Kultur nebeneinander, aber nicht miteinander und ineinander leben; um ein elitäres Denken (obzwar ein solches Denken im Kastensystem Indiens eine Analogie aufweisen könnte); um ein selbstsuchendes Individuum, das sein Glück außerhalb von institutionalisierten Gesellschaftsformen findet, usw. Aber gerade mit der Gestalt Josef Knechts lieferte Hesse ein Beispiel dafür, wie ein – im oben erläuterten Sinne besonderes, differenziertes – Individuum mitten im Chaos oder in der Krise der abendländischen Kultur einen neuen Sinn schaffen kann, wie – mit Pannwitz’ Worten – „ein betätigtes Tao fortwährend einem Chaos einen Kosmos abgewinnt“. „Tao“: Das ist für Hermann Hesse viel mehr als ein bloßer Begriff einer fernen und nie erreichbaren Kultur, es ist die Quintessenz einer universellem Wahrheit, oder, wie er 1921 in einem Brief an Romain Rolland notierte, der „Inbegriff jeder Weisheit“. Eine solche Weisheit soll aber erst errungen, erkannt werden; ihre Tore stehen zwar offen, aber nur Wenige trauen sich durch.

Für Hesse ist die Weisheit ein langer Weg des Geistes – ein Weg allerdings, der nach Innen, im Sinne einer „Einkehr“ führt. Diejenigen, die diesen Weg wählen, sind psychisch-geistig differenzierte, lebens- und leidenserfahrene, erkenntniswillige Individuen. Sie sind die selbstsuchende (aber nicht selbstsüchtige) Helden praktisch aller Prosawerke Hesses; einige davon, wie Klingsor, Siddhartha oder Joseph Knecht sind darüber hinaus Sinnträger eines von Pannwitz beschworenen neuen „Kosmos“, dessen Elemente sich aus mehreren Kulturen zusammensetzen. Diesen Kosmos stellt Pannwitz dem „Chaos“, d.h. der Krise seiner eigenen Zeit als eine errettende und erlösende Alternative entgegen. Er sieht die ästhetische Ausprägung eines solchen visionären Kosmos vor allem in Hesses Siddhartha, Die Morgenlandfahrt und Das Glasperlenspiel; Hesses „indische Dichtung“ entspricht in seinen Augen jener in der Krisis formulierten Idee der Verschmelzung europäischer „Halbkulturen“ mit den großen orientalischen Kulturen, die, wie er meint, auf eine „echte“ Weise, als Ergänzung westlicher Kulturelemente mit östlichem Gedankengut erfolgen soll. Der Brahmanensohn Siddhartha, der mit dem historischen Buddha nicht identisch, aber in der Erzählung sein Zeitgenosse ist, wird trotz offensichtlicher östlicher Herkunft, dadurch „recht europäisch“ und gleichzeitig „ein vom Rhythmus des Herakleitos bestimmter Europäer“, dass er die eigene Vollendung realisiert, indem er „in keiner gesetzlichen Ordnung und vorgeprägten Rolle verharrt.“ (HWÖ: 13) Die vollkommene Weisheit, die von Siddhartha mit Hilfe des Fährmanns Vasudeva realisiert wird, sei der „unwandelbare Stand und Gang allen Lebens, das ganze Wesen des Seins“, was für Pannwitz nichts anderes ist, als „das europäische Nirvana“. Dieses bedeutet aber kein anderes Dasein oder Nichtsein als das indische, nur ein anderes, für Pannwitz eminent europäisches Ziel. Es gelte nämlich, so Pannwitz weiter, „das ebenso illusionlos durch und durch erkannte Leben in seiner überindividuellen und überdimensionalen Komplexität als Vision zu erfahren und von diesem göttlichen Geschenk und Blick befeuert und gefriedet nicht anderes mehr zu wollen noch zu sein, in ihm, dem Ganzen, ganz zu ruhn.“ (HWÖ: 14f.) Nicht um das buddhistische Nirwana geht es also hier, das das Leben durch Negierung überwindet und sich davon zu befreien sucht, sondern die Erkenntnis der kosmischen Totalität des Daseins, welche Erkenntnis das Leben erst mit Sinn erfüllt. In dieser Erkenntnis des Lebens in seiner „überindividuellen und überdimensionalen Komplexität“ wurzelt gleichzeitig die Sinnerfüllung der von Herman Hesse immer wieder thematisierten Ichsuche, die in Siddhartha in einer allumfassenden Harmonie ihre Vollendung findet.

Wenn in Siddhartha die Zeit gleichsam „durchbrochen“, wenn auch nicht aufgehoben wird, um eine neue Wirklichkeit, eine, wie Pannwitz schreibt, „Überzeit“ und einen „Allzeitraum“ zu erschließen, so geschieht in der Morgenlandfahrt eigentlich das Gleiche: Es tut sich eine „vierte oder fünfte Dimension“ des Geistes auf, die aber von Hesse in der Realität menschlicher Dimensionen dargestellt werden musste, „so etwa wie man einen Körper auf einer Fläche perspektivisch darstellt.“ (HWÖ: 18) Diese neue Dimension ist diejenige des Mythos, den Pannwitz wiederum in einem dem „Chaos“ der Zeit entgegen gesetzten Sinne deutet, „sofern der Mythos allein imstande ist, Komplexes und Totales, ja das Universum selbst, dem Chaos zu entreißen und als kosmische Fuge, Überfuge, in vollendeter Form zu realisieren.“ (ebda.) Das „begrifflich kaum Ausdrückbare“ gewinnt auf diese Weise Gestalt. Die Dimension des Mythos, getragen in Hesses Erzählung durch den Bund der Morgenlandfahrer und insbesondere durch die Gestalt von Leo, dieses „Tao“ in Person, wird aber mir der Allmacht der Wirklichkeit konfrontiert, insofern jede Kultur früher oder später untergeht: Das ist die Überzeugung von Hermann Hesse nicht weniger als von Rudolf Pannwitz oder Oswald Spengler. Die „Krisen“ sind somit unvermeidlich, sie kehren immer wieder, sobald eine geistige Blütezeit überschritten wurde. Unter den vielen Attributen, die Pannwitz für seine Zeit verwendet, fungieren auch solche wie „naturalistisch“ oder „materialistisch“, mit denen er das Aufkommen der ökonomisch zentrierten angelsächsischen Kultur bezeichnet. Eine Überwindung der Krise der eigenen Zeit sieht er dabei in einem „rinascimentum europaeum“, in der Widergeburt der geistigen Kultur Europas, die er sich in der Widerbelebung der eigenen Tradition Europas unter Einbeziehung (alt)orientalischer Kulturinhalte vorstellte. Das „gemeinsame innere Heiligtum“, von dem er in seinem Kommentar zu Hesses Morgenlandfahrt spricht, wäre dann die zeitüberdauernde geistige Tradition, die vom „Kreis der Oberen“ im „Archiv“ der „Morgenlandfahrer“ zu bewahren und zu retten ist. Aber diese Rettungsaktion ist nicht einfach eine Anhäufung von archivarischem Wissen zu unbestimmten Zwecken, denn was von Hesse in Morgendlandfahrt oder auch im Glasperlenspiel erfordert wird, ist vielmehr eine Probe des Glaubens und des Dienstes, wodurch erst die Rettung der eigenen Seele erfolgen kann. Der Richter dieser Probe ist das eigene Gewissen, das dem Menschen hilft, sein Selbst wieder zu finden und ein anderer Mensch zu werden.

Der Untergang der geistigen Kultur wird im Glasperlenspiel durch den Orden Kastaliens dargestellt, in dem Pannwitz eine Verkörperung des Geistes und der (modernen) Zeit gleichermaßen sieht. Dieser Orden – deren Bezeichnung selbst ein orientalisches Kastensystem in Erinnerung ruft – gewinnt einen westöstlichen Charakter dadurch, dass er weltliches und kirchliches (s. die Rolle des Benediktiner-Ordens, mit dem Kastalien Beziehungen unterhält) und auch orientalisches Kulturgut (s. etwa die Übungen der Yoga-Meditation) in einem Spiel des ständigen Kombinierens in sich aufnimmt. Pannwitz greift bei seiner Analyse des Romans zu orientalischen Begriffen, erfüllt sie aber mit europäischem Inhalt, wenn er meint, dass der Orden sich zwischen Pol und Gegenpol, gleichsam zwischen Yin und Yang bewegt, in dieser Dynamik zunächst zu einer relativen Harmonie kommt, dann aber vom Zerfall (Verfall, Untergang, Krise, Nihilismus) bedroht wird. In der Sphäre und Atmosphäre des Glasperlenspiels sieht Pannwitz überdies einen niedergestiegenen indischen Himmel, in seiner Substanz aber einen europäischen, sogar einen „im schönsten Sinne“ deutschen Charakter (HWÖ: 36); der indischen Weltfremdheit gegenüber integriert sich Knecht in die Allheit aus seinem Wesen her, sein „Infinitesimal der Demut und der Dienste“ entspringt der „reinen Liebe“ (HWÖ: 37). Joseph Knecht ist ein Individuum, „dessen Allwesen stärker ist als sein Ichwille und dessen Liebe Weisheit geworden ist und die gesammelte Weisheit Liebe“ (HWÖ: 38). Er vermag durch seine unerklärliche, fast außermenschliche Kraft, durch seinen „schöpferischen All-Ursprung (…) das Neue um das Alte und das Alte um das Neue zu bereichern und ohne Zwang eine Kontinuität der Kultur wiederherzustellen“, wodurch er gleichsam zum Kosmos- und Kulturschöpfer im geistigsten Sinne wird. Er ist gleichzeitig Träger des Humanismus und Universalismus, sein Ursprung und Ziel ist das Überzeitliche.

Für Pannwitz integriert sich das Glasperlenspiel in die tektonische Bewegung der Kulturen, es nimmt „zwischen den Epochen des Untergangs und des Aufgangs einen harmonischen Kosmos vorweg.“ (HWÖ: 50) Es sind an ihm alle sinnlichen Sphären beteiligt, die zugleich vergeistigt werden. Das Spiel der Kastalier entspricht einer „kosmisch-harmonikalen Gesetzmäßigkeit, welche ja die aller Wachstümer ist.“ Wenn dem logisch-mathematischen (also eminent europäischen) Denken der Glasperlenspieler etwa das östliche Element der Meditation hinzukommt, so besteht seine Bedeutung darin, das Individuum fähig zu machen, die eigenen Vorstellungen „in eine höchste Freiheit“ umzuwandeln, „um so über sich hinaus in den sicheren Frieden der Allheit einzugehen.“ (HWÖ: 52) Es geht schließlich, lautet Pannwitz’ Konklusion, um eine „Religion der humanen Kultur“ (HWÖ: 53), um ein Spiel nicht mit Welten, sondern Weltspielen; um ein allerletztes Spiel „des Menschen mit der Welt und sich selbst.“

Bereits Schiller war der Meinung, der Mensch spiele nur, „wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Allerdings geht es hier um ein ernsthaftes Spiel: Der Mensch spielt mit seinem eigenen Leben, seiner Kultur, seiner Welt, wobei gerade in diesem Spiel sein Leben, seine Kultur, seine Welt einen Sinn erlangen können. Der „ewige ‚Sinn’ der Welt“, schreibt Hesse an einen jungen Künstler im Januar 1949, werde „nicht nach einem festen Maß gemessen“, sondern nach dem „persönlichen Gott“ in jedem einzelnen Menschen. (AB: 259) Hesse Kunst fordert das Individuum auf, diesen „persönlichen Gott“ in sich zu suchen. Auf dieser inneren Wegsuche kann das Individuum verschiedene Traditionen und Kulturen entdecken und in seine Person integrieren. Der Weg der Erlösung ist für das Individuum in allen Kulturen offen. Kultur und Religion – das sind keine Trennungslinien für Hermann Hesse. Es geht schließlich um den Menschen, wo immer er auch geboren wurde.

 


Anmerkungen:

1 Hermann Hesse: Ausgewählte Briefe. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1974, S. 418. (im Weiteren zitiert unter dem Kürzel AB).
2 Vgl. László V. Szabó: Der Einfluss Friedrich Nietzsches auf Hermann Hesse. Formen des Nihilismus und seiner Überwindung bei Nietzsche und Hesse. Veszprém: Universitätsverlag/ Wien: Präsens Verlag, 2007.
3 Brief vom Dezember 1934 an C. Brinkmann (AB: 132. Herv. im Orig.). Dazu László V. Szabó: Hermann Hesse, der „gute Europäer“. In: Gábor Kerekes/Orsolya Erdődy (Hrsg.): Hermann Hesse – Humanist und Europäer, 2005, S. 161–176.
4 Christoph Gellner: Weisheit, Kunst und Lebenskunst: fernöstliche Religion und Philosophie bei Hermann Hesse und Bertolt Brecht. Mainz: Matthias Grünewald, 1996, S. 79.
5 Vgl. dazu Mária Bieliková: Bipolarität der Gestalten in Hermann Hesses Prosa. Die Romane „Demian“ und „Der Steppenwolf“ vor dem Hintergrund der daoistischen Philosophie. Hamburg: Dr. Kovač, 2007.
6 Vgl. Paul Michael Lützeler: Die Schriftsteller und Europa. Von der Romantik bis zur Gegenwart. 2. Aufl. Baden-Baden: Nomos, 1998, insb. S. 255ff.
7 Hermann Hesse: Gesammelte Werke in zwölf Bänden (= GW). Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1987, Bd. 6, 429f.
8 In einer kurzen Rezension von 1924 nannte Hesse Spenglers Untergang des Abendlandes das „gescheiteste, geistvollste [Buch] der letzten Jahre“ (GW: Bd. 12, 472). Die „Vision eines individuellen, aber überzeitlichen Lebenslaufes“, eines Individuums, das „in mehreren Widergeburten die größten Epochen der Menschheitsgeschichte“ erlebt hätte, beschäftigte Hesse bereits drei Jahre später, nicht zuletzt unter dem Einfluss Oswald Spenglers. An diesem Konzept hat Hesse später wesentliche Änderungen durchgeführt, doch selbst der Roman Das Glasperlenspiel knüpft sich durch mehrere Fäden an Spenglers Werk an. Vgl. Materialien zu Hermann Hesses 'Das Glasperlenspiel'. Erster Band. Hrsg von Volker Michels. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1973, S. 9 und 94.
9 Hermann Hesse: Gesammelte Briefe. Hrsg. von Volker Michels. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1973. Bd. 1, S. 447.
10 Rudolf Pannwitz: Die Krisis der europäischen Kultur. 2. Aufl. Nürnberg: Hans Carl, 1947, S. 202.
11 Vgl. ebda. Die an Stefan George erinnernde Rechtschreibung ist bezeichnend für den frühen Rudolf Pannwitz.
12 Pannwitz verwendet in der Krisis der europäischen Kultur (1917!) die Bezeichnung „postmodern“ als Erster unter den Deutschen.
13 Vgl. Rudolf Pannwitz: Einführung in Nietzsche. Nürnberg: Hans Carl, 1920. (= Flugblätter 8)
14 Vgl. László V. Szabó: Nietzsche-Variationen in Rudolf Pannwitz’ „Zarathustras andere Versuchung“. In: Estudios Filológicos Alemanes 13 (2007), S. 421–429.
15 Vgl. Hermann Hesse und Rudolf Pannwitz. Zwei Kapitel aus der Geschichte der Kritik am europäischen Nihilismus der Moderne. In: Imre Szigeti (Hrsg.): Junge Germanisten aus Ungarn stellen sich vor. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2005, S. 103–119; dazu Gabriella Rovagnati: Ein vom Licht des fernen Ostens beleuchtetes Europa. Hermann Hesse und Rudolf Pannwitz. In: Gabriella Rovagnati (Hrsg.): „der geist ist der könig der elemente“. Der Dichter und Philosoph Rudolf Pannwitz. Overath: Bücken & Sulzer, 2006, S. 85–111.
16 Rudolf Pannwitz: Hermann Hesses west-östliche Dichtung. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1957, S. 8 (im Weiteren zitiert unter dem Kürzel HWÖ).

3.11. Das Künstlerbild und das Künstlerproblem in der Ost-West-Literatur / The Idea of the Artist and the Problem of the Artist in Literature, East and West

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László V. Szabó: Hermann Hesses Kunst zwischen Ost und West - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/3-11/3-11_szabo17.htm

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