TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. Februar 2010

Sektion 4.3. Die Zukunft der Hochschule
Sektionsleiter | Section Chair: Thomas Rothschild (Universität Stuttgart)

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Bachelor-und Master DaF-Ausbildung und das Problem der Qualitätssicherung
im Rahmen des Bolognaprozesses

am Beispiel der innovativen linguistischen Privatuniversität Aarmavir, Russland

Rimma S.  Sakiewa [BIO], Fatima N. Awanesowa (Linguistische Privatuniversität Armavir, Russland)

Email: alsi@itech.ru

 

Die Privatuniversität in Russland ist ein Kind der Perestroikazeit. Eine private Bildungsinstitution war, wie bekannt, in der ehmaligen Sowjetunion auf Grund der politisch-ideologischen Prinzipien und Vorstellungen überhaupt nicht möglich. Mit der ersten Welle der deklarierten breiten Demokratie in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens des neuentstandenen Russland wurde schon in den ersten Jahren der Perestroikazeit die Gründung von privaten Bildungsanstalten, darunter auch von privaten Universitäten möglich. Es handelt sich um die Jahre 1990-1991. Um diese Zeit gab es allein und nur in der Hauptstadt der Russischen Föderation Moskau drei bis vier private Hochschulen, die von im politischen und wirtschaftlichen Leben des Landes einflussreichen und der Leitung des Landes nahstehenden  Personen gegründet wurden.

Die Linguistische Universität  Armavir war im Jahre 1993 die einzige private innovative Bildungsanstalt im Süden der russischen Föderation. Sie wurde von einer der Autorinnen des Artikels, von Frau Prof. Dr. habil. Rimma S. Sakiewa, gegründet und sie wurde gleichzeitig auch zur ersten Rektorin der neugegründeten Universität. Dank der hohen beruflichen Vorbereitung und Fachkompetenz der Absolventen unserer Universität gelang es, die weitere erfolgreiche Existenz der Universität innerhalb der nächsten fünfzehn Jahre zu sichern. Und in diesem Zusammenhang wollen wir im weiteren das Problem  der Qualitätssicherung  bei der Bachelor-und Master-DaF-Ausbildung im Rahmen des Bologna-Prozesses am Beispiel unserer Universität besprechen.

Die Qualitätssicherung gehörte, wie bekannt, schon zu den klassischen Sorgenkindern des Hochschulwesens in der ehemaligen Sowjetunion und war dazu ein unabdingbarer Bestandteil ausgiebiger Hochschulkontrollen seitens des Ministeriums für Hochschulwesen und sehr oft verwandelte es sich zum kollektiven Druckmittel im uni- und lehrstuhlinternen Kampf gegen niveaulose Kolleginnen und Kollegen.

Die Tradition der Qualitätssicherung wurde auch in der Perestroika erfolgreich fortgesetzt.

Die Prinzipien des sogenannten Bologna-Prozesses, dessen Ziel die Schaffung einer “European Higher Education Area”, eines europäischen  Hochschulraumes, ist, wurden an unserer Universität seit dem Jahre 2006 wiederholt ernsthaft besprochen und  allmählich schrittweise eingeführt und das ganze soll 2010 abgeschlossen sein. Das Bild des Verhaltens zu diesem alleuropäischen Unternehmen in der Vereinheitlichung und Systematisierung der Wege und des Inhalts des Bildungswesens prägten in den letzten Jahren Reaktionen der absoluten Ablehnung, des Abwartens oder  der klaren und eindeutigen Zustimmung, was auch sehr charakteristisch für Russland ist. Unsere Universität war unter jenen Universitäten Russlands, an denen dieser Prozess von Anfang an  eine klare und eindeutige  Zustimmung fand. Dabei gingen wir davon aus, daß DaF als ein grenzüberschreitendes Fach für den europäischen Einigungsprozess einen willkommenen Anlass zur Diskussion bietet. DaF ist  in diesem Kontext ein besonderes Fach, da, wie bekannt, die Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache zu den bedeutendsten Aufgaben der europäischen Union gehört und jede Koordination im größeren Rahmen der Hochschulausbildung  willkommen ist, d.h. die Berücksichtigung verschiedener Lehrtraditionen und -erfahrungen kann für alle dafür Zuständigen und Interessenten  bereichernd und gewinnbringend sein.

Seit 2007 kann man behaupten, daß Russland Bologna-tauglich ist, was  das russische Hochschulwesen  vor extrem schwere Entscheidungen stellt. Es handelt sich dabei um das wertvolle nationale Organisationserbe der Vor-Bologna-Ära, das auch weiter gilt. In diesem Zusammenhang  wird in erster Linie an das in Russland erworbene Wissen um die Qualitätssicherung und -kontrolle gedacht, das der Ausbildung im Rahmen der Bachelor- und Masterprogrammen ( u.a. im DaF und der ausländischen Germanistik) zugute kommen soll.

Eine Besonderheit des russischen Hochschulwesens ist das Fehlen der Germanistik als universitäre Fachrichtung und es sei auch hier unterstrichen, daß Germanistik nicht allein die deutsche Sprache und Literatur bedeutet, sondern auch andere germanische Sprachen und Literaturen einschließt. Im weiteren werden wir aber in diesem Vortrag unter “Germanistik” nur die deutsche Sprache und Literatur bezeichnen. Man findet die Germanistik als einen Bestandteil  der Fachrichtungen “Philologie”, “Fremdsprache” bzw. “Linguistik und Interkulturelle Kommunikation” mit Angabe der konkreten Fremdsprache. Die Bezeichnung “Germanistik” fehlt  auch in den wissenschaftlichen Fachkatalogen, sie existiert als ein Bestandteil unter den Bezeichnungen “Sprachtheorie” oder “germanische Sprachen“ sui generis, “vergleichende Sprachwissenschaft” und neuerdings auch unter “Sprachen und Literaturen  ausländischer Völker Europas, Asiens, Eingeborenensprachen und Literaturen Australiens und Amerikas”. Die traditionelle westliche Unterscheidung zwischen DaF und DaZ ist für das russische Hochschulwesen ein Novum und ist immer noch nicht institutionalisiert.

Heutzutage ist die Qualitätssicherung ein Instrument der Sicherung der Konkurrenzfähigkeit der jeweiligen Hochschule im Rahmen der vom Ministerium angebotenen Bildungsprogramme. Sie ist aber für private Hochschulen von besonderer Bedeutung.

In Russland funktionieren drei Arten der Qualitätssicherung, die ebenfalls für BA/MA-Studierende gültig sind:

  1. Um ein staatlich anerkanntes Diplom bzw. einen staatlich anerkannten Bildungsgrad als ihre Bildungsleistung anbieten zu dürfen,  ist eine obligatorische staatliche Akkreditierung und Zulassung der Universitäten erforderlich. Das ist eine schwere Prozedur besonders für eine private Lehranstalt wie die Private Universität Armavir. Es wird eine Reihe von Papieren im Ministerium für Bildung und Wissenschaft eingereicht  und eine vom Ministerium bestimmte und zusammengestellte Kommission prüft die entsprechende Lehranstalt mit dem Ziel, abzuklären, ob sie im stande ist, die entsprechenden Studienangebote zu realisieren. Was unterliegt dabei alles der strengen Kontrolle? In erster Linie handelt es sich dabei um die Räumlichkeiten, Lehrkräfte (Professuren dürfen nicht weniger als 20% von gesamter Zahl der Lehrkräfte betragen), die technische und wissenschaftliche Basis, Studentenwohnheime usw. Dies alles ist erforderlich, um die erste Akkreditierung und Zulassung zu bekommen. Die Akkreditierung und Zulassung muss aber einmal in fünf Jahren wieder vom Bildungsministerium bestätigt werden. Dabei wird von einer aus entsprechenden führenden Fachleuten aus verschiedenen Teilen des Landes zusammengestellten Kommission ein Wissensdurchschnitt als besondere Kontrollmaßnahme ermittelt, die in Form einer schriftlichen Kontrolle der von Studierenden im Hauptfach erworbenen Kenntnisse durchgeführt wird. Für diesen “Wissensdurchschnitt”  werden von besonderen Teams im Auftrag der Kommission schriftliche Tests ausgearbeitet, die außerhalb der zu prüfenden Universität zusammengestellt und ausgewertet werden. Schlechte Ergebnisse dieser Testkontrolle haben die Schießung der jeweiligen Fachrichtung an der Universität oder ihre zeitlich beschränkte Zulassung mit der wiederholten Inspektion durch das Bildungsministerium zur Folge.
  2. Die zweite Art der Qualitätssicherung kann als akademische Qualitätssicherung und -kontrolle bezeichnet werden, die gewöhnlich eine mündliche oder schriftliche staatliche Abschlussprüfung und/oder mündliche Verteidigung der wissenschaftlichen Abschlussarbeit beinhaltet. Diese Prüfung und die Prozedur der Verteidigung der wissenschaftlichen Abschlussarbeit werden ebenfalls von einer Kommission beaufsichtigt, der ein/e vom Bildungsministerium bestätigte/r habilitierte/r VetreterIn einer anderen Universität oder spezialisierten wissenschaftlichen Anstalt vorsteht. Von dem Vorsitzenden wird am Ende der Prüfungszeit eine Rechenschaft in Form der Begutachtung des  wissenschaftlichen und der beruflichen Qualifikation der ausgebildeten Fachleute an das Ministerium geleitet. Schwache Ergebnisse der Abschlussprüfungen und eine schwache Verteidigungsprozedur können  zum negativen Ruf der jeweiligen Universität im bestimmten  Fachbereichen wesentlich beitragen, was ebenfalls ein wichtiger Impuls zur  ständigen Qualitätserhaltung ist.
  3. Die dritte Art der Qualitätssicherung ist die lokale Qualitätskontrolle. Auch wenn die privaten Universitäten von den lokalen Behörden nicht finanziert werden, sind sie von lokalen Bildungsdepartements gewissermaßen abhängig, da diese entsprechende Kontrollrechte und wesentliche Einflussmöglichkeiten haben. Das Positive an den Kontrollmaßnahmen seitens  der örtlichen Behörde für unsere  Universität  besteht in der Möglichkeit, an den Wettbewerben  bei der Vergabe verschiedener Preise wie “LehrerIn des Jahres” und der  in den letzten Jahren stattfindenden Wettbewerbe um Forschungspreise für herausragende HochschulkollegInnen  teilnehmen zu können, was außer der finanziellen Vorteile mit zahlreichen Hospitationen und deren  Auswertungen verbunden ist. Diese Art der Qualitätssicherung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung eines positiven Bildes der privaten Universität unter den Bildungsanstalten des Landes und der Region. Es muß aber unterstrichen werden, daß sie einen uniexternen Charakter hat, und die Universität bleibt in der Tat davon unbeeinflusst.

Über diese drei Arten der Qualitätssicherung  hinaus  gibt’s eine große Reihe der mit der Qualitätssicherung verbundenen uniinternen Maßnahmen, die wesentlichen unter ihnen sind die von der Universität  angebotenen germanistischen Sprachkurse für Schüler, der “Tag der  offenen Tür”, die Teilnahmekontrolle in Form der Auswertung der Ergebnisse der obligatorischen Einheitlichen Staatlichen Prüfung in Deutsch (mündlich und schriftlich in Form eines lexikalisch-grammatikalischen Tests), Russisch und Literatur (Aufsatz), turnusmäßige  Tests  bei den BA-Studierenden in Form verschiedener monatlicher schriftlicher Arbeiten und Jahresarbeiten, Semestertestate und Prüfungen, auch in Form von Wettbewerben in verschiedenen Teildisziplinen des Faches, die Entwicklung der studienbegleitenden hauseigenen innovativen Unterrichtsmaterialien für BA/MA-Studierende, PC-gestützte  Tests und Internetunterweisungen in germanistischen Fächern.

Die regelmäßigen gegenseitigen Hospitationen im Kollegium zusammen mit dem Unterrichtsbesuch des Lehrstuhlinhabers und des Dekans sehen wir als ein hilfreiches uniinternes Mittel der Qualitätssicherung an.

Sehr motivierend sind als Mittel der Qualitätssicherung auch die BA-Abschlusstests in moderner DaF-Didaktik in Kombination mit der Verteidigung einer BA -Dissertation und weiter auch die Verteidigung einer MA-Dissertation.

Abschließend soll festgehalten werden, daß  die erfolgreiche Einigung des gesamteuropäischen Hochschulbildildungsraumes auf der Grundlage der Erhaltung der positiven nationalen Bildungstraditionen und Erfahrungen verlaufen kann.


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Autor: Titel - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/4-3/

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