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Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | März 2010 |
Sektion 4.4. | Wege über Grenzen – Studium in Europa? Sektionsleiterinnen | Section Chairs:Silvena Garelova (Rousse/Rustschuk) und Dagmar Kostalova (Bratislava) |
Was heißt Studieren in Europa für osteuropäische StudentInnen?
Definitions-Macht und Wissens-um-Brüche
Galina Stadtlbauer-Baeva (Linz)
1. Situation in Europa –
die osteuropäische Studentinnen – relevante Migrantinnengruppe in Europa
Mit dem Ende der Ära des Kommunismus in Ost- und Südosteuropa Ende der 80-er Anfang der 90-er Jahre, ergab sich die Chance für viele aus dem Osten nach Europa zu immigrieren. Die Migrationsmotive waren und sind verschieden, allerdings stellte sich Europa als ein Endziel dar - ein Mal dort ankommen und alle Probleme sind gelöst! Einen großen Teil der Migrantinnen stellten jene jungen Menschen dar, deren Ziel ein Studium in Europa zu erwerben war. Die meisten davon entschieden sich für Deutschland und Österreich. Für bulgarische StudentInnen war Österreich besonders interessant, denn zwischen Österreich und Bulgarien wurde schon in den 70-er Jahren ein bilaterales Abkommen geschlossen, nachdem die bulgarischen Studentinnen das Recht auf einen Studienplatz in Österreich bekommen, so bald sie einen an einer staatlichen Universität in Bulgarien haben. Dieselbe Regel galt auch für die österreichischen Studentinnen in Bulgarien. Da damals noch keine Studiengebühren an den Universitäten in Österreich bezahlt werden mussten und auch die Deutschkenntnisse nach der Inskribierung nachgewiesen werden konnten, entschieden sich über 2000 Studentinnen im Zeitraum zwischen 1990 und 1999 für Österreich(1). Ergo die Gruppe der bulgarischen Studentinnen formte eine relevante Migrantinnengruppe, die nicht ignoriert werden konnte- nicht von der eigenen Community, sowie auch nicht von der österreichischen.
Was das Studium für diese jungen Menschen in Europa bedeutet, was für Ziele sie erreichen wollen und welche tatsächlich erreicht werden können - die Antworten aus der Erfahrung zu finden – sollte der Zweck des Referates sein.
2. Meine Erfahrungen
Meine Erfahrungen als Studentin aus Bulgarien in Europa, habe ich an vier verschiedenen Universitäten gesammelt – Universität Sofia - Fachrichtung Kulturologie (vom 1996 bis 1997), Universität Wien - Fachrichtung Kunstgeschichte(vom 1997 – bis 1998), Università degli Studi di Firenze, Florenz- Studienrichtung Kunstgeschichte(vom 1998 bis 2001) und Katholisch-Theologische Privatuniversität in Linz - Kunstwissenschaftlich-Philosophisches Diplomstudium mit Schwerpunkt Kunstwissenschaft (seit 2005).
3. Rahmenbedingungen meiner Reflexion
Die Reflexion, die ich hier versuchen werde zu vollziehen hat und braucht Rahmenbedingungen, die zum großen Teil für die Studentinnen aus Bulgarien noch gelten und oder für die Studentinnen aus anderen osteuropäischen Ländern, jedoch auch für diese aus dem Kaukasus.
Alle diese Bedingungen, die für die Entscheidung nach Österreich zu kommen entscheidend waren, waren mir damals nicht bewusst. Aus diesem Grund betone ich sie jetzt, um klar zu machen, welche Privilegien die Studentinnen „genießen“ sollen, um in Europa studieren zu können und damit auch in welchen Machtverhältnisse sie sich befinden, so bald sie am Zielort ankommen.
4. Bewertung der Universitäten
(Vor- und Nachteile aus Sicht der Studienstruktur, aus finanzieller und sozialer Sicht)
a. Sofia
Das Studium in Bulgarien, speziell dieses an den staatlichen Universitäten, zeichnete sich mit dem starren System, dass sehr bulgarische Oberschulen ähnelt:
Die Bibliothek, die Infrastruktur überhaupt (Internetzugang, Zugang zu anderen Bibliotheken oder Datenbanken aus dem Ausland) war damals, in den Jahren 1996 und 1997 extrem begrenzt. Die Pflichtlektüre bestand damals fast nur aus russischen AutorInnen, was keine Abwertung bedeuten sollte, sondern wir bekamen einen sehr einseitigen Blick auf die Materie. Eine obligatorische Exkursion, wie sie im Studienplan für Kunstgeschichte in Österreich, in Deutschland oder in Italien verankert ist, wurde nicht angeboten.
Dafür war die Sprache auf der das Studium erfolgte meine Muttersprache, was das Lernen leichter machte. Als Studentin in Bulgarien hatte ich den Vorteil mein soziales Netz fast zur Gänze behalten zu können, inklusive auch meine Familie in der Nähe zu haben. Um Kontakte zwischen den Studentinnen zu knüpfen, war nicht viel nötig; diese wurden fast immer auch zu echten Freundschaften, sie gingen über den alltäglichen Uni Gesprächstoff hinaus. Ein Leben außerhalb der Universität, sei dieses kulturell oder ehrenamtlich, war leicht zu genießen. Dasselbe galt auch bzgl. der Kontakte zu den ProfessorInnen und AssistentInnen – die direkt und unmittelbar waren. Zu einer Vorlesung gehörten auch Diskussionen, manchmal sogar Auseinandersetzungen zwischen ProfessorInnen und StudentInnen.
In meinem Fall war das Studium vom Staat gefördert, aber im Allgemeinen war die Finanzierung des Studiums relativ einfach. Zusätzlich war die Beantragung eines staatlichen Stipendiums eine Unterstützung zum Studiumsbudget. (Wenn allerdings eine Notwendigkeit zu einer Teilfinanzierung gegeben war oder in einer Situation wie z.B. „Studieren mit Kind“ war es die Studentinnen sehr schwer:
b. Wien
Um nach Wien studieren gehen zu können, habe ich außer der üblichen Zulassungsdokumente der Universität Wien und Unterlagen - Papiere begonnen vom Familienbudget bis hin zum Firmenbudget meines Vaters aus den letzten drei Jahren vorlegen müssen. Außerdem gab es etliche Stunden von Warten an langen Schlangen und zum Schluss fast ein Jahr Warten auf mein erstes Studentenvisum.
Was ich sehr an der Universität Wien schätzte war die Gestaltungsfreiheit des Studiums, aus Sicht der eigenen Interessen, sowie die Wahl der leitenden Person und der Zeit der Lehrveranstaltung. Die StudentInnen hatten viel größere Möglichkeiten von anderen Studienrichtungen zu profitieren. Die bessere Infrastruktur – Bibliotheken, Internetzugang, Zugang zu wissenschaftlichen Datenbanken, war vom großen Vorteil. Die Möglichkeit international bekannte Eruditen aus dem fachlichen Bereich hören zu können, außeruniversitären Institutionen (Museen) gratis jeder Zeit besuchen zu können, all das sind einige der Vorteile, von denen die Studierenden profitieren konnten. Nun die oben genannten Möglichkeiten blieben für viele Studierende aus dem Osten nur Möglichkeiten, denn sie waren mit Zeitressourcen verbunden. Das Angebot an kulturellen, ehrenamtlichen Betätigungen(etwa in der ÖH) war groß, aber auch mit Kosten verbunden, daher wurden diese auch begrenzt wahrgenommen. Die studentische Infrastruktur, im Sinne von Studentenheimen und Studentenjobs war allerdings zu Beneiden. All das war dann erreichbar, wenn andere wichtigere Kriterien erfühlt waren –etwa Aufenthalts- und finanzielle Sicherheit. Der Aufenthaltstatus war direkt an die finanzielle Sicherung für das jeweilige Jahr gekoppelt (damals um die Verlängerung beantragen zu können, musste jeder/jede 70.000 Schilling nachweisen). Als Osteuropäerin hatte ich keinen Anspruch ein Stipendium zu beantragen (das gilt auch heute noch teilweise). Wenn schon nicht zur Gänze, so musste ich jedoch bedingt das Leben selbst finanzieren können. Dabei galt ein Arbeitsverbot für Studierende aus dem Osten, was eine sehr starke Belastung für diese darstellte. Der Lebensstandardunterschied machte es für viele Familien unmöglich eigene Kinder im Ausland finanziell zu unterstützen. Der Studienerfolg war auch ein wichtiges Kriterium, von dem das Visum abhing. (Meines Wissens nach, ist das momentan sogar noch viel wichtiger geworden.) Diese stellten die strukturellen Diskriminierungsformen in Österreich dar.
Daher erstreckte sich die Studiumsdauer bis zu 10 Jahren und mehr, was die Lebensplanung erschwerte – einerseits; andererseits bedeutete das auch den Verlust von Anhaltspunkten in der Heimat; der Schritt im Ausland zu bleiben war daher vorprogrammiert.
Gleichzeitig verlor ich mein soziales Netz; ich musste mich in einer anderen Sprache artikulieren können damit ich neuen Bekanntschaften schließen konnte. Meine Sprachfähigkeiten genügen heute noch nicht vielen Österreichern um leicht Bekanntschaften zu schließen … Die Sprache – der Wirklichkeitsvermittler und -erzeuger stellte sich als Kommunikationsinstrumentarium, aber auch als große Diskriminierungswaffe dar, mit der ich heute noch klassifiziert werde, nach der meine mentalen und geistigen Fähigkeiten klassifiziert werden. Die Konnotationen, mit denen die Menschen aus dem Osten verbunden werden, die sich im bekannten und oft geförderten Antislawismus in Österreich überspitzen, waren schon damals für mich eine Plage.
Auch auf dem Campus waren Bekanntschaften mit österreichischen Studierenden sporadisch und gingen kaum über das Schema „Damit-Ich- die Mitschriften-sammeln- kann“ hinaus. Mit den ProfessorenInnen hatte man kaum einen Kontakt, außer in den Sprechstunden und bei den Prüfungen.
Der Prozess der Gettoisierung hängte und hängt unter anderem mit der Unfähigkeit vieler mit Differenzen umzugehen ab, die in Österreich sehr verbreitet war und ist.
In der Hinsicht war die Situation in Italien besser.
c. Florenz
Ja, als Studierende in Italien musste ich meine Sprachkenntnisse nachweisen, allerdings bestand die Prüfung in einem unformalen mündlichen Gespräch mit dem Professor oder der Professorin, die für die Studienrichtung zuständig war. Im Allgemeinen schien es den ItalienerInnen unwichtig, ob ich perfekt sprechen konnte oder nicht. Es bot sich die Möglichkeit auch die Prüfungen in einer anderen Sprache, außer der italienischen, belegen zu können. Der Aufenthalt war gewährleistet, nach dem ich inskribiert hatte, eine Unterkunft und die finanziellen Mittel nachwies. In Italien musste ich Studiengebühren bezahlen, dafür war es allen Studierenden, unabhängig ihrer Staatangehörigkeit, gestattet ein staatliches Stipendium zu beantragen. Damit konnte man die Studiengebühren und einen relativ kleinen Teil des Lebensunterhalts decken. Auch in Italien musste ich mein Leben finanzieren, nun war es in Italien erlaubt zu arbeiten, wenn man einen Job finden konnte… Die studentische Infrastruktur – Heime und Studentenjobs –stellten die größten Probleme selbst für die ItalienerInnen dar. Es gab keine Studentenvertretung und keine Vernetzung der Studentinnen, von wo man benötigte Informationen schöpfen konnte. Ganz den Klischees entsprechend, war die Universität viel zu bürokratisch – lange Schlangen, langes Warten, Abschiebung von Serviceleistungen, etc.
Ich hatte in Italien äußerst selten Kontakte mit Bulgarinnen gehabt, denn es gab keine studentische bulgarische Community, so wie ich sie in Wien gekannt hatte. Dafür war es um einiges leichter Kontakte zu knüpfen, seien diese mit den StudentInnen oder mit anderen Menschen. Ähnlich wie in Bulgarien war auch der Kontakt zu den Lehrenden – unmittelbar und direkt, oft zu direkt…
Die Gestaltung des Studiums war und ist noch immer den Studentinnen überlassen. Allerdings für Seminare und Proseminare waren die Auswahlkriterien untransparent und unklar.
Um Kultur in Italien genießen zu können, genügte es einfach hinaus zu gehen; aber Konzerte und Museen standen in der Sparte Luxus – es gab keine studentischen Ermäßigungen. Reisemöglichkeiten, in Form von Exkursionen, wurden angeboten, aber mit höheren Kosten verbunden. Über Bekannte und Freunde bot sich die Chance Bella Italia zu bereisen! An der Universität von Florenz hatte ich die einmalige Chance Prof. Maria Duprè - die Miniaturexpertin – zu hören und bei Prof. Stefano Manzoni – einem Theaterwissenschafter eine Prüfung zu belegen. Die Universität genoss einen enormen Fluss von Austauschstudentinnen, was eine besondere Atmosphäre schaffte.
d. Katholisch-theologische Privatuniversität in Linz
Vor meiner Bewertung der KTU in Linz, muss ich mitteilen, dass sich mein Status in der Zwischenzeit geändert hatte – ich habe geheiratet. Daher sind die größten Probleme die es für die Studierenden aus dem Osten gibt – Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis hinfällig geworden.
Nach dem neuen Fremdenrechtspaket seit 01.01.2006 in Österreich sind diese noch schwieriger, für viele unmöglich, geworden. Die Verlängerung des Visums soll in manchen Fällen, öfter beantragt werden; bei Statusänderung soll der neue Status im Heimatland beantragt werden; es wird sehr genau auf den Studienerfolg geschaut, auch wenn man mit dem Studium fortgeschritten ist. Die Studiengebühren sind auch eine Neuheit für die osteuropäischen Studentinnen (an manchen Universitäten bezahlte man bis zum Beitritt Bulgariens zur EU die doppelte Summe); man darf jetzt arbeiten, aber nur geringfügig und nicht das Limit von 344,- Euro Gehalt pro Monat überschreiten. Die staatlichen Förderungen, seien sie Studienbeihilfe oder Leistungsstipendium sind direkt an den Studienerfolg gekoppelt; dafür fehlen aber die Zeitressourcen, die man eher in Arbeit investiert, um sich das Leben finanzieren zu können.
Darüber hinaus taucht in Linz ein schon bekanntes Problem auf - die Sprache- nun in diesem Fall ist ihre Wirkung noch restriktiver und ausgrenzender. Über die Mundart werden die Eigenen Leute gekennzeichnet, daher fungiert hier die Sprache als einer der Diskriminierungsgründe für die ausländischen StudentInnen. (Es heißt, man muss Deutsch lernen, aber auf der Strasse, so wie oft an den Universitäten in Linz, wie an der JKU und Bruckner Uni, sprechen auch die Professoren in den Vorlesungen und Seminaren auf Dialekt!)
Die Katholisch-Theologische Privat Universität ist eine relativ kleine Universität (im WS haben insgesamt 491 Studentinnen inskribiert, davon sind 65 StudentInnen mit nicht-deutscher-Muttersprache(2) und das bringt einerseits viele Vorteile mit sich, aber auch Nachteile – das Institut für Kunstwissenschaften und Philosophie an der KTU Linz bietet keine große Auswahl an Veranstaltungen, einen wesentlichen Teil davon stellen die Pflichtfächer (20 Lehrveranstaltungen werden im WS angeboten, alle 20 sind als Pflichtfächer angegeben(3). (Die trotz der Vereinbarungen mit anderen Linzer Universitäten nur an der KTU abgelegt werden dürfen.) Es wird kaum ein Fluss von AustauschstudentInnen wahrgenommen. Aber immerhin gelingt es der KTU bedeutende GastprofessorenInnen und LektorenInnen für Blockveranstaltungen oder Vorlesungen zu gewinnen. Das Kleinformat „erlaubt“ einen intensiveren Kontakt zwischen den Studentinnen und mit den ProfessorInnen. Begrüßenswert sind die Gesprächsabende die vom „Zentrum der Theologie Studierenden“ für StudentInnen und ProfessorInnen organisiert werden, so wie das Skriptenreferat, wo Mitschriften erworben werden können (manchmal nicht zur „großen“ Freude der ProfessorInnen). Die meisten von den Aktivitäten bestehen schon länger und werden hauptsächlich von Theologie Studierenden organisiert und wahrgenommen, ein spezifisches Angebot für Kunstwissenschaft Studierende direkt an der KTU gibt es nicht. In dieser Richtung sind Veranstaltungen, wie das Kunstprojekt „Im Vorbeigehen“ sehr hilfreich. (Die sollten von den StudentInnen selbst gefordert und veranstaltet werden.) In der Hochschülerinnenschaft, die in dem Uni Leben sehr involviert ist, sind die IKP Studierende vertreten, aber ein Ressort, nach dem Vorbild der ÖH, speziell für Studentinnen mit Nicht-Deutscher-Muttersprache gibt es nicht. Die Kandidaten für die StudentInnenvertretung werden selbst von und unter den Studentinnen ausgesucht und da haben die nicht-österreichischen Studentinnen wenig Chance und wahrscheinlich auch Lust zu partizipieren: sie wollen an den Prozessen teilnehmen, aber sich nicht exponieren lassen; sie wollen sich nicht helfen lassen, sondern Unterstützung bekommen; sie wollen sprechen gelassen werden, aber beim Sprechen nicht korrigiert werden; sie wollen, dass ihr Wesen und Verhalten nicht nach angeblichen Mentalitäts- und Identitätsvorstellungen interpretiert werden, seien diese positive oder negative - nach dem Motto „Sie sind so: sie kochen gut, sie tanzen gut, sie sind prinzipiell aggressiv etc“. Das universitäre und außeruniversitäre Leben sollte von allen StudentInnen gestaltet werden und zwar bewusst im Sinne eines politischen Antirassismus, nicht aus karitativen Hintergründen!
5. Nach all dem taucht automatisch die Frage
„Wieso kommen Die dann nach Europa zu studieren?“ auf
Die Gründe teilen sich in kultur-historische, mit einem starken symbolischen Charakter und in pragmatische, mit einem eher ökonomischen Charakter auf.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von sehr pragmatischen Gründen fürs Kommen nach Europa, die aber aus oben genannten Motiven resultieren: das Gewissen, dass in Europa ein Studium mit besserer Qualität erworben werden kann, was einen Arbeitsplatz im Heimatland sichern kann. Die freie Gestaltung des Studiums erlaubt dessen Selbstfinanzierung, wenn auch schwierig, weil es in Europa Arbeit gibt. Noch ist für viele das Studentenvisum eine gute und angesehene Möglichkeit um zu immigrieren und sich in Konsequenz ein Leben hier zu gestalten. Für andere ist dies eine Reise mit dem Ziel einen Mann oder eine Frau zum Heiraten zu finden.
Die Gründe überlappen sich natürlich, aber auf jeden Fall finden sie in einem größeren Prozess statt - in der Migration. Die Bewegung von Menschenmassen durchdringt heute jeden Lebensbereich. Im Fall von Migration mit dem Ziel des Studiums stellt sich die Frage wie gehen die Wissensvermittlerinstitutionen – die Universitäten und die StudentInnen miteinander um?
6. Wissens-Um-Brüche
Es bedarf einer Reflexion über die Vermittlungsfunktion von den Universitäten und dem Wissensbegriff.
„Wissen ist zur entscheidenden Produktkraft moderner Ökonomien geworden“, so die Heinrich-Böll-Stiftung; „Die Zukunft gehört der Wissensgesellschaft.“ - fast ein Slogan gewordener Satz(5).
Die Diskussion über Wissens-Um-Brüche mündet in die Diskussion über die Informationsgesellschaft und die Definition von Information, die sich mit der Entwicklung der neuen Technologien einem technischen Informationsbegriff entzieht. Heute nach der sozialen Bewegung aus den 60-er und 70-er Jahren wird zum Begriff des Wissens dessen Expertise aus der Praxis , das Erfahrungswissen und das Laienwissen der Betroffenen einbezogen, ähnlich wie der Begriff des „organischen Intellektuellen“ von Antonio Gramsci sieht diese Definition eine stärkere Verbindung zwischen Theorie und Praxis. Da scheint mir der Slogan „Niemand ist Tabula Rasa!“ sehr passend.
7. Definitions-Macht
Nun wie kommt es dazu, dass dem französischen Impressionismus der Raum im Metropolitan Museum of Art gewidmet und die afrikanische Kunst in der Ethnologischen Museum in NY zu finden ist(6)?
Wie kommt es dazu, dass kritische Ansätze, wie Gender Studies 30- 40 Jahre gebraucht haben, um überhaupt in Diskurs zu kommen? Ausgenommen blieben die Queer Studies, die Black Studies, die Diversity Studies.
Ergo der Universität als Wissensvermittler und Träger wird die Rolle des Definitors, des Selektioners zugeordnet. Damit übt sie ihre Macht aus, voll im Sinne von Macht als eine Technik oder ein Verfahren, zu Definieren, ganz nach Michel Foucault(7).
Daher – wie wirkt sich diese Macht auf den Studierenden aus und speziell auf die StudentInnen aus benachteiligten Gruppen, wie diese der Migrantinnen? Werden sie indirekt gezwungen schon erworbenes Wissen zu verdrängen, um den Platz für das „wirkliche“ Wissen frei zu machen? Wo bleiben all diejenigen, die nicht studieren können oder dürfen? Wo bleiben diejenigen denen die am Anfang des Vortrags erwähnten Privilegien fehlen und es nicht nach Europa geschafft haben?
WissenschaftsvermittlerInnen und -institutionen sollen eine Plattform bieten und sein, wo Ausbildung und die Technik zu derer Anwendung erworben werden kann, aber vor allem ein Labor, wo das gewonnene niedergelegt werden kann und darf und neues bekommen wird, wo Raum für Experimentieren und Partizipation gegeben ist.
Anmerkungen:
1 Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Auswirkungen der Studien bulgarischer Studenten und Studentinnen in Österreich, Institut für angewandte Soziologie, Österreichische Institut für Bildungsforschung, Wien, 2000 http://oeibf.at/_TCgi_Images/oeibf/20061212184726_oeibf_98-23_Bulgarien.pdf [Stand. 06.12.2007]
http://www.fwf.ac.at/de/info-archiv/200301/cover.html
Für die Vizepräsidentin Juliane Besters-Dilger, Professorin für russische Sprachwissenschaft am Institut für Slawistik der Universität Wien, ist Österreich Zielland junger mittel- und osteuropäischer ForscherInnen: "Wenn wir etwa an die 1.600 bulgarischen Studentinnen und Studenten an den österreichischen Universitäten denken, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass slawischsprachige Staaten ein ausgesprochen positives Verhältnis zu Österreich haben und dieses Land als Eintrittsland in den Westen sehen."
2 http://www.ktu-linz.ac.at/
3http://www.ktu-linz.ac.at/cms/media/PdfFolder/studienfuehrer/LVVZ%202007_08-hp-ohne-ins1.pdf [Stand. 06.12.2007]
4 Mayr Lisa,“Wissen als Betriebsgeheimnis“ in: Kulturisse, Wien, 2004
5 Kocyba Hermann „Wissen“ in: Glossar der Gegenwart, Hsg. Bröckling U., Krassmann S., Lemke Th., Frankfurt am Main, 2004
6 Bal Mieke, „Exposing the public“ in: Die Spur durch den Spiegel. Der Film in der Kultur der Moderne, Hsg. Hagener Malte, Berlin,2004
7 Foucault M., „Analytik der Macht“, Frankfurt am Main, 2005
4.4. Wege über Grenzen – Studium in Europa?
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Webmeister: Gerald Mach last change: 2010-03-08