TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehungionstitel
Sektionsleiterin | Section Chair: Tamara Janssen-Fesenko (Bad Zwischenahn, Deutschland)

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Kreative Intelligenz und Authentizität
aus Sicht des modernen gesellschaftlichen  Standards

Tamara Janssen-Fesenko (VHS Bad Zwischenahn, Deutschland) [BIO]

Email: Janssen-Fesenko@t-online.de

 

Das Thema, das wir zu unserem Beitrag gewählt haben, gehört zum sprachwissenschaftlich – kognitiven „Urwald“. Ich möchte mich mit dieser Problemstellung auseinandersetzen und meine subjektive Auffassung erörtern, weil es zu ihrer Bewertung keine objektiven Kriterien gibt: Könnte es sie überhaupt geben, um Kreativität  einzuschätzen? Meinem Erachten nach nicht, weil sogar das Forschungsobjekt selbst nicht eindeutig und präzise zu fassen oder zu verstehen ist. Um meine eigenen Erörterungen zu vergleichen oder zu verifizieren, versuchte ich meine Kollegen aus der Russischen Föderation, Ukraine, Weißrussland und Polen (Professoren und Dozenten) zu testen (es sollte dabei wie ein assoziativer als auch ein fachberuflicher Test  sein – je nach der „Selbsteinstellung“ der Testpersonen).

Die Frage war: Wie interpretieren / wie verstanden  Sie den Inhalt  (oder genauer: Wie sememisierten Sie den Inhalt) folgender Begriffe:

Zusammenfassend kann man sagen, dass ich sehr interessante Antworten erhalten habe, die in sich sowohl Fachkenntnisse (die meisten untersuchten Personen sind Philologen und Sprachkulturologen) als auch freie Assoziationen oder sogar Angaben des logischen Denkens vereinigen, wie zum Beispiel:

  1.  befreites Denken – das ist:
  2.  emotionale Intelligenz  -  das ist:
  3.  kreative Intelligenz – das ist:

Also, der Begriff „kreative Intelligenz“ scheint von den Testpersonen besonders schwer zu interpretieren zu sein. Bedeutungsrelevante Seme dafür sind „schöpferisch“, „neu, nicht standardisiert“, „geistig begabt“.

Doch Kreativität ist  nicht nur im Denken und Handeln verankert (also der mentalen Dimension), sondern auch in der medialen Dimension („Hellsichtigkeit“), intuitiven Dimension (Seelenaspekte) etc, mit anderen Worten, Kreativität wirkt sich genauso in physischen, geistig-seelischen und emotionalen Dimensionen aus.

Welche Rolle spielt bei der Kreativität  befreites Denken? Dieser Begriff ist ziemlich schwer kurz und exakt zu definieren, korrekt  scheint es in diesem  Fall  diesen Begriff zu sememisieren. Sinnerschließende  Seme vom  befreiten Denken sind „unabgedroschen“, „stereotypfrei“, „befreit von Vorschriften und Dogmen“, „institutionell und doktrinär nicht eingeschränkt“, „einflussfrei“, „flexibel“, „klischeefrei“, „frei von Ängsten“.

Der Mensch mit befreitem  Denken soll sich in seiner Position ganz frei und unabhängig von subjektiven Meinungen und Einschätzungen anderer Menschen fühlen; in seinen Handeln muss er sich auch in erster Linie nach  seinen eigenen Ansichten und  Überzeugungen richten, unabhängig von Regeln, Dogmen, Vorschriften, „Strafpredigten“ etc.

Ist befreites Denken immer ein „positives“ Denken? Was ist das im Prinzip –  „positiv denken“? Die meisten von uns hören fast alltäglich dieses Klischee „Denke Positiv!“ Das ist eine der gebräuchlichsten Spielregel der modernen Gesellschaft, welche uns anordnet positiv zu denken. Dieses moderne Schlagwort „Denke positiv“ prasselt auf die Menschen aus allen Richtungen, Fernsehsendungen, Werbungen etc. ein, begleitend diesen Druck mit lachenden, jungen, gesunden, unbeschwerten und erfolgreichen Menschen als Imagemuster: „Denke positiv, lächele, lass keinen Platz für negative Gefühle und dann wirst du erfolgreich und glücklich!“ Ernste, nachdenkliche, traurige, sorgenschwere „Gesichtsträger“ werden in der „Spaßgesellschaft“ nicht begrüßt, sie stehen fast unter Verbot, als ob die gute Laune und ein ständiges Lächeln zu obersten gesellschaftlichen und persönlichen Tugenden erhoben sind. Das wäre doch möglich, wenn das Leben zu einer einzigen Vergnügungsstätte geworden wäre, wo der Mensch nach dem ausgewählten passenden Unterhaltungsprogramm Glück und Erfolg erleben könnte.

Kann der Mensch immer nur nach Erfolg, Glück, guter Laune und strahlendem Lächeln vorprogrammiert werden?  Nach meinem Dafürhalten ist es nicht möglich, und das Leben selbst ist nicht immer nur eine heile und schöne Welt aus Glamour.

Doch keinem soll angesehen werden, was er wirklich empfindet, obwohl seine Gefühls- und Emotionsfarbpalette nicht immer positiv gefärbt ist; nicht nur Vergnügen, Freude, Glück, Genugtuung etc., sondern auch Wut, Ärger, Zorn, Frust, Zweifel und Niedergeschlagenheit gehören zu unserem „Persönlichkeitszuhause“ und lassen unser Leben nicht eintönig „rosa“ färben. Von Markenimages und Gesellschaftsspielregeln sind aber meistens das ewige „Gut-drauf-Sein“ und „gutgelaunte“ Maske vorgeschrieben/ empfehlenswert, darum bleibt es dem Menschen nichts übrig zu tun, als hinter dieser ständig lächelnden Maske seine diesem Markenimage nicht passenden Gefühle und Emotionen zu verbergen. Solche „emotionale Lügen“ (Bezeichnung nach der Psychologin Alice Miller) entspricht der Gesellschaftsforderung nach dem ständigen „Gut-drauf-Sein“ und zwingt den Menschen wahre Gefühle und Emotionen hinter der Maske der gutgelaunten „positiv denkenden“ Glücksperson zu verbergen, so dass er die Fähigkeit oder Lust verliert, seine Gefühle richtig und ruhig einzuordnen, zu verstehen und bei der Kommunikation (oder „Selbstkommunikation“), auch in der Familie und im Privatleben optimal/ korrekt zu vermitteln.

In der Spaßgesellschaft mit ihrem Motto „Lächle und denke positiv“ wird in erster Linie der schöne Schein gewahrt, aber das wahre Sein ist nicht begrüßenswert. Keiner will darum offenherzig zeigen, dass er Angst, Zweifel, Schwächen oder Niederlagen hat, enttäuscht oder deprimiert ist, obwohl – wie oben schon gesagt ist – zum Leben sowohl positive als auch negative Gefühlsfarbenpalette gehört. Die dauerhaft unterdrückten Emotionen und Gefühle kommen irgendwann zum Ausdruck, nur in noch tieferen Schichten und unerwartet verhärtet

Solche gesellschaftlich akzeptierte Situation könnte durch befreites Denken geändert werden, weil befreites Denken zu  einem radikalen gesellschaftlichen und persönlichen Wertewandel bringen kann. Befreites Denken „erlaubt“ dem Menschen diesen Spielregeln, Wahrnehmungs- und  Handlungsstereotypen nicht obligatorisch zu folgen; befreites Denken lässt sich den eigenen Gefühlen und Emotionen widmen, sie richtig einordnen und auch rechtzeitig begreifen, dass schöne Gefühle durch die Sperre der negativen auch geblockt  werden; Ohne Trauer und Schmerz lassen sich Glück und Freude auch nicht zu spüren. Wie der berühmte libanesische Denker und Schriftsteller Khalil Gibran schreibt, ist das Zerbrechen der Schale, die unser Lebensverstehen umschließt, auch Schmerz, aber nur dadurch wird der Zugang zum Verständnis aller Gefühle und des wahren Lebens selbst möglich. Dieser Zugang wird in erster Linie durch unser von allen Dogmen, Schablonen und Ängsten befreites Denken bestimmt.

Analysieren wir aber diese Situation aus anderer Sicht: Was wäre, wenn alle Menschen sich befreit von allen Regeln und Normen fühlten? Nur Chaos, weil der Mensch ein gesellschaftliches, kollektives Wesen ist und zu einem bestimmten sprachkulturellen Sozium gehört. Wenn er den gesellschaftlich akzeptierten Konventionen nicht  folgt, seine negativen Gefühle ganz offensichtlich zeigt, so können die anderen ihn mit Recht für unkontrolliert, überzogen reagierend, hysterisch etc. halten und das kann die soziale Kommunikation stören: Das Funktionieren des Soziums ist durch bestimmte optimal erwählte Konventionen geregelt und bestimmt, ohne die sonst Willkür und Chaos herrschen würden.

Relevant bei der Wahl von sozialen Regeln und Konventionen und ihre Akzeptanz ist auch unser befreites Denken: Nur solches von Doktrinen und Dogmen befreites Denken ermöglicht es uns, unsere Gefühle und Ansichten konstruktiv auszudrücken, ihre Intensität zu beeinflussen, denn es gibt viele Skalenteilungen zwischen den Extremen „Gefühle unterdrücken, nicht zeigen“ und „sich in alle Gefühle unkontrolliert hineinsteigern, Gefühle unkonstruktiv zeigen“. Befreites Denken ermöglicht oberflächliche Spielregeln der „Spaßkultur“ zu vergessen, außer Acht zu lassen und uns mit unseren negativen Gefühlen und schlechten Stimmungslagen auseinanderzusetzen, statt sie einfach zu verdrängen. Wenn wir uns in kleinen Schritten und auf eine konstruktive Art unseren negativen Gefühlen nähern und sie überprüfen, so können wir dann Enttäuschung, Unzufriedenheit, Ärger, Misstrauer, Ängste und Zweifel als Warnsignale für „Etwas-nicht-in-Ordnung-in-unserem-Leben“ verstehen und wahrnehmen, als Information über unser Innenleben und unser wahres Sein.

Befreites Denken gehört zur kognitiven Basis der menschlichen Intelligenz und Authentizität; man soll nur ruhig und ehrlich über unsere Gefühle und Innenleben reflektieren; erst dann können Lernprozesse in Gang kommen  und positive Veränderungen nach sich ziehen. Also, die Gefühlswelt des Menschen, seine emotionale Intelligenz ist von großer Bedeutung.

„Können Emotionen intelligent sein?“ fragen wir nach Daniel Goleman (5: 67 ff). Viele Wissenschaftler versuchten bei der Forschung dieses Problems entweder

  1. den “Sitz“ der Emotionen und Leidenschaften zu bestimmen, oder
  2. Emotionen und Gefühle mit der Intelligenz eindeutig zu vereinbaren.

So hat der amerikanische Neurowissenschaftler Joseph Le Doux als erster die Rolle des Mandelkerns als „Produzenten“ von unkontrollierbaren Gefühlen entdeckt und beschrieben. In die gleiche Richtung ziehen auch die Forschungen von anderen modernen Neurowissenschaftlern, die bestätigen, dass der Mandelkern „der Hauptspezialist“ für Emotionen und Gefühle ist und es im Falle seiner Abtrennung vom übrigen Gehirn zur „Affektblindheit“ kommen kann, mit anderen Worten – zur „Entpersonifizierung“ und  zum Verlust des persönlichen Sinngehaltes.

Der Mandelkern bestimmt die impulsive unbewusste emotionale Reaktion und bewahrt emotionale Erinnerungen. Also, nach ihrer Natur sind Leidenschaften, Gefühle und Emotionen impulsiv und unbewusst, doch Gefühle und Intelligenz stehen zueinander auf keinen Fall im Widerspruch. Als kognitive Grundlage des „bewussten“ emotionalen Handelns – wie wir oben geschrieben haben – dient unser Denken, darunter auch unser befreites Denken, das eigentlich Intelligenz in unsere Gefühle und Emotionen hineinbringt.

Von den Psychologen (vgl., R. Sternberg, E.L. Thorndike, P. Salovey u.a.) wird postuliert, dass die emotionale Intelligenz dem Menschen ermöglicht, andere Leute besser zu verstehen und in gesellschaftlichen Beziehungen „klug“ zu handeln. Die emotionale Intelligenz ist individuell, sie entspricht dem pragmatischen gesunden Menschenverstand und leuchtet intuitiv ein.

Zusammenfassende Erläuterungen über die emotionale Intelligenz von R. Sternberg  und P. Salovey kommen auf fünf Punkte hinaus, die im Großen und Ganzen mit D. Golemans Gliederung übereinstimmen.

Emotional intelligent sein bedeutet:

  1. Die eigenen Emotionen gut kennen. Man muss sich selbst verstehen, eigene Gefühle erkennen und sich seiner Gefühle und Emotionen sicher sein. Das ist die Grundlage der emotionalen Intelligenz.
  2. Die eigenen Gefühle und Emotionen zu handhaben, anzumessen und auf diesem Grund sich besser wahrzunehmen.
  3. Emotionen und Gefühle in die Tat umzusetzen und optimal zu steuern, was zur Selbstmotivation und emotionalen Selbstbeherrschung beiträgt.
  4. Gefühle und Emotionen anderer Menschen zu kennen, rechtzeitig die versteckten sozialen Signale zu vernehmen.
  5. Mit Beziehungen und Emotionen anderer Menschen optimal umzugehen.

Später wurde das Modell der emotionalen Intelligenz von J.D. Mayer, P. Salovey und D.R. Caruso weiterentwickelt, auf vier Teilkonstrukte minimisiert und als Test zur Messung der emotionalen Intelligenz benutzt, vgl.:

  1. Wahrnehmung von Emotionen
    1. Emotionen in Gesichtern identifizieren
    2. Emotionen in Landschaften/ Designs identifizieren
  2. Verwendung von Emotionen zur Unterstützung des Denkens
    1. Emotionale Empfindungen mit anderen taktilen oder sensorischen Stimuli vergleichen
    2. Emotionen identifizieren, die bestimmte Denkaufgaben bestmöglich unterstützen
  3. Verstehen von Emotionen
    1. Wissen, unter welchen Umständen emotionale Zustände wechseln und wie ein emotionaler Zustand in einen anderen übergeht
    2. Mehrere Emotionen in komplexeren affektiven Zuständen identifizieren
  4. Umgang mit Emotionen
    1. Maßnahmen zur Veränderung des eigenen emotionalen Zustandes in hypothetischen Szenarien vorschlagen
    2. Maßnahmen zur Beeinflussung des emotionalen Zustandes anderer Personen zur Zielerreichung vorschlagen.

In dieser Hinsicht möchten wir betonen, dass die Menschen nicht gleich gut in allen diesen Bereichen sein können (oder sie können es nur sehr selten), das ist aber bestimmt erreichbar, weil sich alle diesen Bereichen weitgehend aus unseren Erfahrungen, Reaktionen, Gewohnheiten und Wissen zusammensetzen. Man soll sich nur bestimmte Mühe geben, um Fortschritte machen zu können. In erster Linie trägt dazu unser Gehirn bei, weil es ständig lernt und von bemerkenswerter Plastizität ist.

Also, im Prinzip umfasst die emotionale Intelligenz die Fähigkeiten des Menschen, seine eigenen Gefühle und Emotionen zu verstehen, auch die Gefühle anderer zu erkennen und „motiviert“ und „gut“ mit diesen Emotionen umzugehen. Das heißt, die Emotionale Intelligenz ist als eine komplexe Fähigkeit zu verstehen, die Negativität vermindern und die Positivität fördern kann.

Die emotionale Intelligenz ist sehr stark von der Definition des Wertbegriffs abhängig. Was bedeutet z.B. in diesem Sinne „gut“? Das Bewertungssystem ist in diesen Fällen immer sehr subjektiv gefärbt. Wie es oben schon geschrieben wurde, ist die emotionale Intelligenz  in meisten Fällen nicht nur als Fähigkeit sich mit eigenen und fremden Gefühlen rechtzeitig und korrekt auseinanderzusetzen, sondern auch als eine moderne Spielregel, die darauf abzielt andere Menschen zu manipulieren – im Sozium, in der Gemeinschaft etc.

Zu Tage tritt also eine bestimmte Unschärfe des Begriffes der emotionalen Intelligenz, die für eine Vielzahl von Konstrukten verwendet wird, wie für Innovationsfreude,  Vertrauenswürdigkeit, Motivationsfähigkeit, Takt, Höflichkeit etc.  Die  emotionale Intelligenz soll unserem Erachten nach mit größerer konzeptueller Vorsicht bewertet und als Bestandteil der menschlichen geistigen Wesens nicht übertrieben werden. Als Selbstmanagement spielt sie bestimmt eine große Rolle, damit der Mensch optimal seinen „Handlungsraum“ benutzt. Die emotionale Intelligenz ist ein Bestandteil der menschlichen Intelligenz überhaupt, die solche „Teilintelligenzen“ einschließt, wie Ästhetische Intelligenz, Praktische etc., die zum Dienste des menschlichen wahren Seins unter „kritischer“ Kontrolle des Bewusstseins gebraucht werden .Verfügt der Mensch über (mindestens) emotionale Intelligenz, so kann man sagen, dass er sein wahres Sein erhalten kann.

Es ist zu bemerken, dass der ausschlaggebende Faktor für die Erforschung der Kreativität die Intelligenzforschung war. Kreativität und Intelligenz sind miteinander verknüpft: Damit der Mensch überhaupt denken und verstehen konnte, sind Kreativität und Intelligenz unabdingbare Voraussetzungen, obwohl bisher jedoch vor allem auf Intelligenz geachtet wurde. Warum? Wodurch unterscheiden sich  Intelligenz und Kreativität?

Erstens ist Intelligenz im Unterschied zur Kreativität eher zielgerichtet;  zweitens lässt sie sich leichter als Kreativität instrumentalisieren. Es ist allgemein akzeptiert, dass man mit der Intelligenz leichter das Alte stabilisieren kann und dass sie kaum eine Gefahr für bestehende Ordnungssysteme darstellt, weil es der Intelligenz im Prinzip egal ist, zu welchem Zwecke  sie gebraucht wird. Kreativität dagegen macht Entwicklung und Bewegung möglich, da sie immer aufs Neue gerichtet und darum offen und frei ist. Sie sprengt alte Ordnungssysteme und entspricht dem dynamischen Entwicklungsprozess des Lebens. Intelligenz bleibt oft in Rahmen von Ordnungen und Kategorien und bezieht sie in den Denkprozess mit ein; sie suggeriert das Alte. Intelligenz lässt sich relativ leicht bemessen: als Maßstab dient die Menge (Volumen) der Information, welche zielgerichtet auf einer bestimmten Bahn einsortiert bewegen kann. Bei der Kreativität bewegen sich Informationen möglichst breit, flexibel, auf vielen Wegen, meistens ohne eindeutig klares Ziel, und diesen Vorgang kann man nicht leicht und eindeutig bewerten. Kreativität ist an sich ein völlig freies Denkprinzip, erzeugt Unruhe und liegt dicht am Irrtum. Intelligenz ist dagegen auf die Vermeidung sowohl der Fehler und Irrtümer als auch der Unruhe und Verrücktheit gerichtet.

Zusammenfassend kann man den bekannten Forschungskonzeptionen zustimmen, dass  Intelligenz ein bewertendes logisches Denken ist, gezielt auf eine richtige Aufgaben- und Problemlösung (konvergentes Denken), während  Kreativität  originelles, flüssiges und flexibles Denken ist,  gerichtet auf eine problemangemessene, nützliche und ästhetische Leistung (divergentes Denken). Daraus folgend kann man das kreative Denken als Zusammenspiel zwischen konvergentem und divergentem Denken auffassen, weil als Voraussetzung für das intuitive und schöpferische Erfassen der Lösungsidee die Wissensbasis gelten kann. Mit anderen Worten, Intelligenz und Kreativität ergeben eine fast  ideale Paarung: was ist attraktiver als kreative Ordnung und intelligentes Chaos?

Kreative Intelligenz ist Basiskomponente der Authentizität sowohl von Personen als auch von Kulturen.
Trotz seiner modernen Gebräuchlichkeit ist dieses spätionische Wort über 2 500 Jahre alt.

 Im Kontext unserer Problemstellung verstehen wir den Begriff der Authentizität nicht wie Charles Taylor als „moralisches Ideal des Individualismus“ sowie nicht im Sinne „Echtheit von Glaubenzeugnissen“ (aus theologischer Sicht). „Authentizität“ bedeutet „Echtheit“ und den Inhalt der Authentizität interpretieren wir als Gesamtheit von menschlichen Gefühlen, Leidenschaften, Emotionen, Kompetenzen, Fähigkeiten etc., die sein  wahres echtes Sein bestimmen und zu erhalten/zu bewahren ermöglichen. Authentische Personen sind zu bewundern: ihre Worte und Handeln stammen aus ihnen selbst und sind durch externe Einflüsse oder Manipulation nicht bestimmt. Authentische Persönlichkeiten wirken echt und ein Bild, welches sie von sich vermitteln, wird von Kommunikanten, Partnern, Beobachtern als ungekünstelt und real wahrgenommen.

Kann ein Mensch immer 100%- ig urwüchsig, unverbogen und echt sein, oder können Eindrücke, die er auf den Betrachter macht, etwa auch ein Teil einer gelungenen Inszenierung darstellen? Das kann auch sein, doch die Inszenierung soll in solchen Fällen als ungekünstelt wahrgenommen werden. Ist aber die Inszenierung übertrieben und künstlich, so wirkt sie klischeehaft (oder wird zum Kitsch). Können authentische Menschen klischeehaft oder stereotyp wirken?  Was sind „Klischee“ und „Stereotyp“ aus Sicht der Authentizität?

Ein der gebräuchlichsten Klischees ist „Die Russen sind immer unpünktlich“, obwohl diese Eigenschaft rational unabhängig von den Eigenschaften einer ganzen Menge von Russen ist, welche mehr pünktlich als die Deutschen sind (die Pünktlichkeit der letzten ist  meistens nur klischeehaft). Klischees werden häufig nach den Eigenschaften negativer Natur ausgemacht, werden dann zu einem Vorurteil verschärft und sind in die Umgangssprache in Form von Redensarten eingefasst. Sehr häufig wird das Wort „Klischee“ synonym zu „Stereotyp“ gebraucht. Ohne Zweifel überschneiden sich diese Begriffe in den Aspekten  vereinfachend, typisierend, schablonenhaft, generalisierend etc. Nur im Bereich der Sozialpsychologie steht „Stereotyp“ in keinem Zusammenhang zum Klischee.

Wir stimmen den bekannten Konzeptionen in dem Aspekt bei, dass der Stereotyp sowohl auf mentaler als auch auf sprachlicher Ebene funktioniert, während sich das Klischee in vielen Darstellungen überwiegend auf sprachlicher Ebene befindet. Bei zunehmender Verbreitung kann der Stereotyp zum Klischee werden, das seinerseits sprachlich / sozial weitergegeben werden kann.

Und nun zurück zu unserer Frage: können authentische Menschen stereotyp / klischeehaft handeln? Was zeichnet authentische Menschen aus?

Authentische Menschen entwickeln ihr eigenes Selbstverständnis, sie sind sich ihrer eigenen Persönlichkeit und ihrer Wertemaßstäbe bewusst und unterdrücken nicht ihre inneren Bedürfnisse. Sie wirken aber in einer bestimmten Gesellschaft, in einem bestimmten Sozium und hier liegt das Problem: Die Menschen fügen sich in das Ordnungssystem, übernehmen die in dieser Gesellschaft herrschenden Einstellungen, um einfach dazuzugehören und ihren Platz hier zu finden. Die meisten Gesellschaftsorganisationen (die westlichen Gesellschaftssysteme sind keine Ausnahme) sind hierarchisiert  und behalten eine Atmosphäre der Unterordnung; mehr honoriert werden nach Vorschrift angepasster Gehorsam und Dienst. Darum kann man schlussfolgern, dass authentische Persönlichkeiten in den Unternehmen erscheinen, wo keine starren hierarchisierten Ordnungssysteme herrschen oder wo Akzeptanz für notwendige Veränderungen geschaffen ist. In meisten Unternehmen begegnet man öfter gut gelungenen Inszenierungen der Authentizität.

 

Literatur


5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehung

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For quotation purposes:
Tamara Janssen-Fesenko: Kreative Intelligenz und Authentizität aus Sicht des modernen gesellschaftlichen Standardsl - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/5-6/5-6_janssen-fesenko17.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-03-05