TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehungionstitel
Sektionsleiterin | Section Chair: Tamara Janssen-Fesenko (Bad Zwischenahn, Deutschland)

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Kreativität als translatorische Strategie
bei der Übersetzung der kulturellen Besonderheiten

Elena Kuzmina  (Universität Tambov, Russland)

E-Mail: elkusm@rambler.ru

 

In der modernen Gesellschaft ist der Begriff Kreativität besonders populär. Die meisten Wörterbücher definieren Kreativität als schöpferische Neuerertätigkeit. Es ist zu betonen, dass dieser Begriff auch Vernunft, Anerkennung, Übereinstimmung mit einer bestimmten Anfrage enthält. In erster Linie tritt die Kreativität in derLinguistik durch Restrukturierung und Integration der akkumilierten Kenntnisse in Erscheinung. Das sprachliche Schaffen entsteht um die Wende des gewohnten Alten und des unbekannten Neuen (Фесенко 2005). Beim Schaffen des Übersetzungstextes beginnt zuerst der Übersetzer    die Bestandteile auszusuchen, die besonders kompliziert für die Translation in eine andere Sprache und in eine andere Kultur sind. Zuallererst sind das die Elemente, die  Eigentümlichkeit der kognitiven Grundlagen von zwei linguokulturellen Gemeinschaften markieren. Die größten Schwierigkeiten entstehen bei der Wiedergabe in ZS der spezifischen Objekte und Erscheinungen, die man sehr oft als „kulturelle Besonderheiten“ bezeichnet. Es ist zu bemerken, dass die Verschiedenheiten in kognitiven Grundlagen der linguokulturellen Gemeinschaften meistens durch das Fehlen eines bestimmten Konzeptes wegen des Nichtvorhandenseins des entsprechenden Referenten in der aufnehmenden Kultur hervorgerufen werden. Aber auch gleichartige Konzepte können in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Inhalte und Strukturen haben.

Die Übersetzung der kulturellen Besonderheiten ist ohne Zweifel ein kreativer Vorgang, weil die Lösung dieser translatorischen Aufgabe zu einem neuen unerwarteten Ergebnis bringen kann, das, nach der Meinung der Experten, einer bestimmten Kultur iin einem bestimmten Zeitabschnitt entspricht (Фесенко 2005).

Es ist hinzuweisen, dass die Kultur das spezifische Verfahren der Organisation und der Entwicklung der menschlichen Lebenstätigkeit ist, die in Erzeugnissen der körperlichen und geistigen Arbeit, im System der sozialen Normen, in geistigen Werten, in der Gesamtheit der Verhältnisse eines Menschen zur Natur, zu anderen Menschen und zu sich selbst in Erscheinung tritt. V.N. Telija schlägt vor, aus den vielfältigen Eigenschaften dieses Phänomens nur die wesentlichsten vom Standpunkt seiner Darstellung in der linguokulturellen Analyse auszusuchen. Nach ihrer Definition ist die Kultur ein  Teil des Weltbildes, das durch  das menschliche Bewusstsein widergespiegelt wird und das sich unter dem Einfluss der Bedingungen vom natürlichen, sozialen und geistigen Dasein eines Menschen ständig verändert (Телия 1996).

I.G. Olschanskij glaubt, dass das Phänomen der Kultur über drei Grundkennzeichnungen verfügt: erstens  ist das eine nationale Erscheinung, weil sie neben der Sprache ein wichtiges Attribut der Nation, des Volkes, ist.   Zweitens ist die Kultur eine ethnozentrale Erscheinung, weil jedes Volk meint, das es das Zentrum des Weltalls ist; und drittens  ist das eine prototypische Erscheinung, weil es neben den Stereotypen auch Prototypen der Kultur gibt, das sind ihre typische Muster, bedeutungsmäßige Symbole, Etalons als Vertreter des gemeinsamen Unbewussten (Ольшанский 2000).

Es ist bekannt, dass die Sprache und die Kultur in einem ständigen Dialog sind. Man muss betonen, dass die national-kulturelle Spezifik immer mit den Elementen des materiellen und geistigen Lebens des Volkes, mit seiner Geschichte, mit seinen Bräuchen, mit der Religion usw. verbunden ist. Und die Sprache, deren Aufgabe es ist, die Gestalten des Bewusstseins zu übertragen, kann getrennt von der Kultur einer bestimmten linguokulturellen Gemeinschaft nicht existieren. Man muss dabei akzentuieren, dass „die Existenzform einer Kultur ein nationaler kultureller Raum ist, in dem immer zwei Grundlagen handeln: eine reale und eine mentale. In der realen Grundlage gibt es Körper der kulturellen Zeichen, ein bestimmtes System der Werte, der national-kulturellen Stereotypen, Anschauungen und Normen. Die mentale Grundlage, die im menschlichen Bewusstsein unter Berücksichtigung der Hierarchie der Systemverhältnissen von sich widerspiegelten kulturellen Phänomenen strukturiert ist, ist das Ergebnis der Konzeptualisierung des realen kulturellen Raums (Фесенко 2002). Jede verbale Abbildung der Gestalt des Bewusstseins ist kulturell markiert, d.h. es trägt jedes Zeichen die zusätzliche ethnokulturelle Information.

Bei der Kommunikation der unterschiedlichen Kulturträger sowie auch beim Bekanntmachen mit jedem Aspekt einer fremden Kultur entstehen ständig Hindernisse, die mit den Schwierigkeiten der Übersetzung verbunden sind, d.h. es kommen Probleme in der Kodierung und Dekodierung der Information auf, weil die Übersetzung eigentlich nicht nur die Ersetzung der Zeichen einer Sprache durch die Zeichen einer anderen Sprache ist. Die Aufgabe der Übersetzung ist die Wiedergabe des Sinns, der im Text steckt, der sich hinter dem Text verbirgt. Dieser Sinngehalt ist für die Vertreter der Kultur des Urtextes ganz offensichtlich, doch für die Vertreter der Kultur des Übersetzers ist er meistens  verschlossen (Сорокин 2003). Die Aufgabe des Übersetzers besteht in der Objektivierung der Konzepte mit den Wörtern der ZS.

Der Übersetzer kann  den Sinn des AT in vollem Umgang natürlich nicht übertragen,  weil jede Kultur viele Besonderheiten, sowie auch das ein eigenes System der sozialen Stereotypen, der Gestalten und der kognitiven Schemen, hat. Die Kultur kann sich nur durch die Übersetzung der fremden Objekte „öffnen“. Die Übersetzung als der ununterbrochene Vorgang der Interpretation der Zeichen einer Kultur durch die Zeichen einer anderen Kultur gewährleistet die Errichtung der gleichwertigen Verhältnisse zwischen den zusammenwirkenden Objekten (Kulturen) (Сорокин, Фесенко).

Jedes verbale Zeichen markiert einen kleinen Teil der Realität von der Kultur des Autors. Der Übersetzer trägt ins Verständnis für diesen Teil der Realität etwas Eigenes, was mit seiner eigenen Kultur verbunden ist (Фесенко 2002). Er versenkt uns in einen fremden ethnokulturellen Raum und wird für Leser zu einem Führer in der Welt der fremden Kultur. Er versucht uns ein objektives Weltbild einer fremden linguokulturellen Gemeinschaft darzustellen.

Es ist wichtig hervorzuheben, dass konzeptuelle Systeme bei der Übersetzung des Textes in eine Fremdsprache eine grundlegende Rolle spielen, weil wir keine Wörter, sondern Konzepte transliterieren. Es ist bekannt, dass die Methoden der Interpretation eines Konzeptes vom Autor und Übersetzer nicht so oft zusammenfallen. Das ist damit zu erklären, dass es wichtige Unterschiede in der Kategorisierungs- und Konzeptualisierungsweise der Wirklichkeit gibt. Jedes Volk verfügt über verschiedene moralische und sittliche Orientierungspunkte. Die universellen Kategorien des Lebens sind in verschiedenen Kulturen mit unterschiedlichem Inhalt gefüllt. Die Translationsschwierigkeiten werden in erster Linie durch Inkongruenz der assoziativ-bildlichen Vorstellungen der einzelnen linguokulturellen Gesellschaften hervorgerufen. Deshalb ist die Übersetzung ein kreativer Vorgang, der etwas ganz Neues und Schöpferisches im Vergleich zum Urtext darstellt.

Besonders komliziert sind die Fragen der Übersetzung der schöngeistigen Literatur, weil diese Texte „möglichen Welten“ sind, in denen sich usuelle Sinne verändern können. Manchmal entsteht dabei das Spiel der Sinne, das für den Übersetzer die Suche nach neuen Lösungen bedeutet. “Die möglichen Welten“ versteht man als etwas Denkbares, was die Realität nicht widerspiegelt und keine Kopie der wirklichen Welt ist. Der Autor des AT (Ausgangstextes) bildet seine eigene begrifflich-bildliche Welt, die den künstlerischen Inhalt des Originals bildet. Sein Gedanke schafft ein Bild der „irrealen Realität“. Gelingen oder Mißlingen der übersetzerischen Strategie hängt davon ab, welches Bild der „irrealen Realität“ der Übersetzer in seiner Variante darstellt und das hängt davon ab, wie er Kreativität interpretiert (Бабушкин 2001).

Es wird oft postuliert, dass sich der Übersetzer in erster Linie auf die fremde Kultur stützen und die Zeichen des fremden Verhaltens sehr buchstäblich wiedergeben soll. Aber es gibt auch eine andere Meinung: der Übersetzer soll nicht nur den Inhaltssinn des AT richtig rekonstruieren, sondern auch auf die Sprachnorm seiner Murretsprache, auf die Durchschnittswahrnehmung der Leser Rücksicht nehmen.

Als Kreativitätsausdruck kann man die Entstellung der strukturellen und kompositorischen Besonderheiten des AT, die Beseitigung der ungewöhnlichen stilistischen Verfahren, Allusionen, Vergleiche usw. interpretieren. Aber diese Entscheidung hat als gültig und erfolgreich zu gelten, wenn der Autor des ZT (Zieltextes) ein gelungenes stilistisches Verfahren, eine glückliche Allusion etc., als Ersatz für die Leser bietet.

Man muss betonen, dass der Begriff „kulturelle Besonderheiten“ nicht homogen ist. Die kulturellen Besonderheiten teilt man gewöhnlich in getrennte Gruppen: ethnographische Besonderheiten, territorial-administrative Besonderheiten, soziale Besonderheiten und andere.

Besonders interessant sind ethnographische Besonderheiten, weil das Vorhandensein der Bezeichnungen von spezifischen nationalen Kleidern, Lebensmitteln, Gegenständen etc. jedem literarischen Werk ein bestimmtes Kolorit verleihen kann. So muss der Übersetzer bei der Translation  ethnokultureller Besonderheiten eine sehr komplizierte Aufgabe lösen. Er muss einerseits die kulturelle Eigentümlichkeit des Urtextes bewahren und einen fremdsprachigen Leser in die spannende, ungewöhnliche Welt einer fremden Kultur einführen. Anderseits muss er diese Welt für einen ausländischen Leser begreifbar machen. Das bedeutet, dass der Übersetzer diese Erscheinungen interpretieren, erklären, und kommentieren soll. Er kann auch passende Äquivalente in seiner eigenen Kultur finden.
Vgl.: И ведомо каждому, Варенька, что бедный человек хуже ветошки и никакого ни от кого уважения получить не может, что уж там ни пиши! Они-то пачкуны-то эти, что уж там ни пиши [Достоевский 1987: 68]. Jeder weiß, ein Armer gilt weniger als ein alter Lappen und keiner achtet ihn; , was sie auch schreiben, die Federfuchser [Dostojewski 1986: 91] (Übers. Wilhelm Plackmeyer und Georg Schwarz).

Also, ветошка bedeutet „Abfälle der Textilindustrie, alte Sachen“. Der Übersetzer benutzt in diesem Fall das funktionale Analogon alter Lappen, das die denotativ-signifikative Bedeutung der lexikalischen Einheit wiedergibt Aber die konnotative Bedeutung, die auch mit dem Suffix к betont wurde, bleibt außerhalb des Blickfeldes des Rezepienten. Hier gibt es eine Umkodierung der Information. Man kann diese Übersetzungsvariante für unkreativ halten.

Die Übersetzer wählen verschiedene Methoden der Interpretation von kulturellen Besonderheiten. Sehr oft hängt die Wahl davon ab, welche Rolle diese Besonderheit für das Verständnis des Textes spielt.

Eine zusammenfassende Analyse der bekannten Klassifizierungen ermöglicht  5 Hauptmethoden der Translation der kulturellen Besonderheiten auf zu stellen: Transkription, Lehnübersetzung, Benutzung des funktionalen Synonyms, Generalisierung und die Methode der Beschreibung. Die Kompliziertheit der Wahl ist mit der Notwendigkeit verbunden, die ethnokulturelle Eigentümlichkeit des Urtextes zu bewahren. Die wichtigste Aufgabe der Übersetzung ist, uns zu helfen in die Welt einer fremden Kultur einzudringen. Deshalb müssen die Transformationen des AT minimal sein.

Die spezifischen Elemente der Kultur des Autors können durch die Transkription (oder durch die Transliteration für Eigennamen) bewahrt werden, doch diese Methode ist zu benutzen, wenn es eine translatorische Tradition der Wiedergabe solcher Bezeichnungen gibt. Vgl.: Schtschi, Pirozhki, октоберфест, автобан.
Vgl. Die Stadt bietet auch heute drei Opernhäuser (Deutsche Oper, Deutsche Staatsoper Unter den Linden, Komische Oper), mehrere große Orchester (darunter die weltberühmten „Berliner Philharmoniker“), Dutzende von Theatern, zahlreiche Museen von Weltrang, zum Beispiel die Alte und die Neue Nationalgalerie, das Bode-Museum oder das Deutsche Historische Museum im ehemaligen Zeughaus Unter den Linden. [Tatsachen über Deutschland 1996: 96]
В городе насчитывается три оперных театра (Германская опера, Германская государственная опера на Унтер ден Линден, «Комише опер»), имеется несколько крупных оркестров, в том числе всемирно известный Берлинский филармонический оркестр, десятки драматических театров, множество музеев мирового ранга, например, Старая и Новая национальные галереи, «Боде-музеум» или Германский исторический музей, расположенный в здании бывшего Арсенала на улице Унтер ден Линден. [Германия. Факты. 1998: 90] (Пер. В. Григорьев, А. Семёнов).

Die oben genannten Eigennamen wurden durch die Transliteration übersetzt. Diese Entscheidung ist erfolgreich, weil es eine alte translatorische Tradition der Wiedergabe solcher Bezeichnungen ist.

Die Lehnübersetzung (semantische Entlehnung) ist auch ein bekanntes Verfahren der Umkodierung der Information aus der Ausgangssprache in die ZS (Zielsprache). So ist z.B. die russische Wendung целикомиполностью die Lehnübersetzung der deutschen Wendung im Großen und Ganzen. .

Bei der Wiedergabe der kulturellen Besonderheiten kann der Übersetzer die kulturell markierten Elemente einer Kultur durch die kulturell markierten Bestandteile einer anderen Kultur ersetzen und  bei der Übersetzung  funktionale Synonyme benutzen. Diese Synonyme unterscheiden sich durch eine ganze Reihe von wesentlichen Kennzeichnungen. Funktionalen Merkmale aber, die in diesem Kontext besonders relevant sind, fallen zusammen.
Vgl.: Вы не смотрите на то, что я такой тихонький, что, кажется, муха меня крылом перешибёт. Нет, маточка, я про себя не промах, и характера совершенно такого, как прилично твёрдой и безмятежной души человеку [Достоевский 1987: 8]. Achten Sie nicht darauf, dass ich so schüchtern bin und den Eindruck erwecke, eine Fliege könnte mich umpusten. Nein, mein Herz: Ich bin nicht auf den Kopf gefallen und von Gemüt ganz so, wie es einem Menschen von festem, unerschütterlichem Sinn ansteht [Dostojewski 1986: 10] (Пер. Wilhelm Plackmeyer und Georg Schwarz).

Dieses Beispiel ist sehr kennzeichnend. Der Übersetzer schafft etwas Neues, Kreatives, weil die Konzepte (тихонький, мухаменякрыломперешибёт, непромах, твёрдаябезмятежнаядуша), die er zu übertragen versucht, mit den russischen Konzepten nicht in vollem Umfang zusammenfallen. Aber nicht jede Entscheidung des Übersetzers gilt als gelungen. Die Vertreter von zwei verschiedenen Kulturen verfügen über eigenartige Vorstellungen, über verschiedene Assoziationen und Gestalten. So hat die russische Wendung япросебянепромах mehr als eine Bedeutung, die der Übersetzer durch die Wendung nicht auf den Kopf gefallen sein äußern will. Die Rede ist hier nicht nur von den geistigen Fähigkeiten des Helden, sondern es geht auch um seine anderen Charakterzüge: Findigkeit, Gerissenheit, Kühnheit (der Held will daran glauben, dass er über diese Züge verfügt). Die Konzepte, die durch die Wendungen твёрдаябезмятежнаядуша und der feste unerschütterliche Sinn verbalisiert werden, fallen auch nicht zusammen, und nicht nur die Bestandteile душа und Sinn, sondern auch безмятежный и unerschütterlich. Безмятежный bedeutet, durch nichts beunruhigt sein. In der russischen Kultur haben diese Fähigkeit nur die Menschen mit sehr reiner Seele oder die Kinder. Unerschütterlicher Sinn hat eine andere konnotative Bedeutung: Festigkeit, Kaltblütigkeit. Solche Charakterzüge werden in der russischen Tradition nicht eindeutig eingeschätzt.

Wir können aber den ZT als Erfolg gelten lassen, weil die Aufgabe des Übersetzers nicht nur darin besteht, die Konzepte und kulturelle Besonderheiten einer anderen Kultur durch die Zeichen eigener Sprache zu übertragen, sondern auch darin, diese Besonderheiten verständlich für die Vertreter eigener Kultur zu machen. Diese Aufgabe ist erfüllt worden, weil der Übersetzer die passenden funktionalen Synonyme gefunden hat.
Vgl.: Ihr Wasserpatzer, ihr Dickköpfe, ihr Klotzaugen, ein großes Maul habt ihr und könnt schreien, dass einem Ohren weh tun, aber sieben Taler könnt ihr nicht zählen [Brüder Grimm 1970: 45]. Эй вы, квакушки, большеголовые да пучеглазые! Ротища-то у вас большие, вы так кричите, что вас послушать – уши заболят, а семи талеров сосчитать всё-таки не сумели [Братья Гримм 1983: 25] (Übers. Г. Петникова).

In der russischen Übersetzung ist das deutsche Konzept Wasserpatscher als квакушки konzeptuell verbalisiert. In diesem Fall gelang es der Übersetzerin, den Sinn der Aussage und das Verhältnis des Haupthelden zu seinen Gesprächspartnern (den Fröschen) ganz exakt zu übertragen. Bei der verbalen Projektion dieser Gestalt wurde aber ein anderes Merkmal des Konzeptes „Frosch“ aktualisiert: der Wasserpatscher – das ist ein Lebewesen, das patscht; квакушка – das ist ein Lebewesen, das quakt. Das Fehlen des russischen Analogons für das deutsche Wort Wasserpatscher bestätigt nur die Korrektheit der Wahl der russischen lexikalischen Einheit квакушка. Beide Varianten (und auch die Lexeme Dickköpfe / большеголовые, Klotzaugen / пучеглазые) betonen das verächtlich-negative Verhältnis des Helden zu diesen handelnden Subjekten. Deshalb kann man behaupten, dass Wasserpatscher und квакушка funktionale Synonyme sind.

Die Übersetzung der kulturellen Besonderheiten kann man auch durch eine Generalisierung realisieren. Das bedeutet, dass der Übersetzer einige spezifische kulturelle Elemente fortlässt. Diese Methode kann man dann rechtfertigen, wenn ausgelassene kulturelle Besonderheiten eine  geringe inhaltliche Belastung haben oder wenn sie für die meisten fremdsprachigen Leser unbekannt sind. Eine geringe inhaltliche Belastung bedeutet, dass der Autor des AT diese kulturelle Besonderheit in seinem Text nicht ausgezeichnet hat. Der Übersetzer kann bei der Interpretation in seinem Text die Transkription oder der Beschreibung nicht benutzen, weil es  das Vorhaben des Autors brechen könnte: diese Besonderheit würde zu bemerkbar, sie könnte eine zusätzliche inhaltliche Belastung bekommen. Die Übersetzer bemühen sich meistens, solche Fehler zu vermeiden.
Vgl. Da schien der Mond ganz helle, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen, glänzen wie lauter Batzen [Brüder grimm 1970: 77]. На ту пору ярко светила луна, и белые камешки, лежавшие перед избушкой, блестели, словно груды серебряных монет[Братья Гримм 1983: 48] (Пер. Г. Петниковой).

Als kulturelle Besonderheit ist hier Batzen – das ist die Münze, die im südlichen Deutschland und in der Schweiz verbreitet war. In jedem Wörterbuch können wir die Übersetzung dieser lexikalischen Einheit (бацен) bekommen. Doch die Übersetzerin bevorzugt den generalisierenden Begriff «серебряная монета» zu benutzen. Diese Entscheidung kann man deshalb für erfolgreich halten, weil sonst die Übersetzung durch die Transkription für die meisten Leser nicht klar wäre: Das Wort бацен ist den meisten Rezepienten unbekannt. So wäre es in diesem Fall nötig, die Methode der Beschreibung zusätzlich zu gebrauchen. Aber diese Besonderheit hat im AT keine spezifische inhaltliche Belastung und so wäre es falsch, die Aufmerksamkeit der Leser auf dieses Element zu richten. Deshalb ist die translatorische Entscheidung der Übersetzerin erfolgreich und kreativ.

Bei der Übertragung der kulturellen Besonderheiten wird auch die Methode der Beschreibung gebraucht; so kann man den Begriff durch eine Definition ersetzen:
Vgl. Встал я сегодня таким ясным соколом – любо-весело! [Достоевский «Бедные люди» 1988: 8]. Aber als ich heute aufstand, verspürte ich Kraft und Mut in mir wie ein junger Falke! [Dostojewski «Arme Leute» 1987: 6].
Ясныйсокол ist ein Klischee für die Vertreter der russischen Kultur, das in nationalen Märchen sehr verbreitet ist und deshalb für jeden Russen gewohnt und bekannt ist. Klar ist, dass es sich hier um ein wunderschönes Befinden des Helden handelt. Er indentifiziert sich mit einem Märchenheld, der sich immer kräftig und munter fühlt. Aber für deutschsprachige Leser ist diese Gestalt unbekannt, sie ruft keine Assoziationen hervor. So sollte der Übersetzer lieber die Methode der Beschreibung benutzen, um dieses Element den Vertretern seiner Kultur zu erklären. Diese Entscheidung ist erfolgreich und kreativ.

Zusammenfassend ist es zu betonen, dass nicht jede translatorische Entscheidung erfolgreich ist, aber fast jede kann als kreativ gelten, weil die Kreativität die Neuheit, die „Nichtübereinstimmung“ mit bekannten Behauptungen, Normen und Einstellungen bedeutet, aber die Annehmbarkeit im Kontext der bestimmten Erwartungen und Vorstellungen impliziert. Man glaubt, dass eine Übersetzung kreativ ist, wenn sie ihrer Bedeutung entspricht. Es wird angenommen, dass jede Übersetzung immer eine implizite oder explizite Bedeutung hat; dabei spielen die Bedürfnisse und Erwartungen der Rezipienten eine wichtige Rolle (Фесенко 2005). Die Übersetzung jeder kulturellen Besonderheit vermittelt etwas Neues für Rezipienten und befriedigt ihr Bedürfnis nach der Erkenntnis einer fremden Kultur.

 

Literatur:


5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehung

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For quotation purposes:
Elena Kuzmina: Kreativität als translatorische Strategie bei der Übersetzung der kulturellen Besonderheiten - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/5-6/5-6_kuzmina17.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-03-05