Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | April 2010 | |
Sektion 5.7. | Fachsprachen – Kreativität und Verstehensprobleme Sektionsleiterin | Section Chair: Olga A. Kostrowa (Staatliche Pädagogische Universität Samara, Russland) |
Komposita im pädagogischen Fachdiskurs
Ekaterina Bespalova (Staatliche Universität Samara, Russland) [BIO]
Email: bespalowa@mail.ru
Der vorliegende Artikel widmet sich dem Problem der Kreativität bei der Bildung und Verwendung von Substantivkomposita in Texten aus dem Fachgebiet Pädagogik, die wir als Teil des Fachdiskurses akzeptieren. Der pädagogische Fachdiskurs wird repräsentiert durch Fachtexte von deutschen Wissenschaftlern zu Erziehungs-, Entwicklungs- und Sozialisationsproblemen in der modernen Gesellschaft. Ich habe insgesamt 20 wissenschaftliche Beiträge zur Analyse gezogen. Das sind Bücher und Artikel der deutschen Pädagogen-Wissenschaftler, die im Internet auf der Seite „Familienhandbuch“ zu finden sind. Als Texte sind sie Teil der wissenschaftlichen Kommunikation, die sich Produktion von Wissen, Wissenssystemen, Werten, Meinungen, Wissenstransfer und Wissensvermittlung als Ziele setzt.
Als Schaffen von Neuem verstanden, muss der Begriff der Kreativität der wissenschaftlichen Textproduktion immanent sein. Wissenschaftliche Texte lassen einen ziemlich hohen Grad an Kreativitätsvermögen vermuten. Denn kreativ mögen sowohl die Auswahl der sprachlichen Mittel zur Formulierung und Gedankenführung sein, als auch die Art und Weise, wie man seine wissenschaftliche Position vertritt, wie man Tatsachen darstellt, wie man bestimmte Überzeugungen behauptet. Die Sprache erweist sich als konstitutives Mittel für die wissenschaftliche Argumentation. Dabei wird jede Wissenschaftssprache durch spezifische sprachinterne Besonderheiten und Techniken des Formulierens gekennzeichnet. Im Artikel wollte ich zeigen, wie zusammengesetzte Einheiten (Komposita) als Repräsentanten, Marker, oder Mitgestalter von kreativen Prozessen auftreten können, und welche Verstehensprobleme sie den Nichtmuttersprachlern (am Beispiel russischsprachiger Leser) bereiten können.
Für die Entfaltung des Kreativitätspotentials von Komposita scheinen folgende Aspekte von Bedeutung zu sein: eine leichte Handhabbarkeit der Komposita (im Vergleich zu syntaktischen Konstruktionen) [Ortner, 84; Barz, 88]; die Möglichkeit, mit Hilfe von Komposita eine genauer differenzierte Begriffsbestimmung zu schaffen [Barz, 88; Stepanova, Fleischer, 84]; die Vielfalt der möglichen semantischen Beziehungen zwischen unmittelbaren Konstituenten des Kompositums [Barz, 88; Stepanova, Fleischer, 84; Ortner, H. 84; Stepanova, Tschernyscheva, 86], die Eigenschaften von UK. Unmittelbare Konstituenten des Kompositums werden von Stepanova und Fleischer „freie UK“ genannt [Stepanova, Fleischer, 84: 115], in der Dudengrammatik als „selbständig vorkommende Wörter“ bezeichnet, die sich in der Struktur eines zusammengesetzten Wortes zusammenfügen [Wellmann, 95]; Elke Hentschel und Harald Weydt definieren sie in ihrer Grammatik als Komponenten, die als freie Morpheme auftreten können [Hentschel, Weydt, 94: 23]. Nach Vladimir M. Pavlov repräsentieren die Komponenten eines Kompositums jeweils “ein einzelnes Lexem“, das außerhalb des Kompositums gebraucht selbständig sein kann [Pavlov, 85: 35]. Daher wird die Zusammensetzung manchmal als „Mikrosyntax“ definiert [Benvenist, 74: 241], Fleischer und Michel schreiben über die Konkurrenz zwischen Wortbildungskomplexen (WBK) und syntaktischen Konstruktionen [Fleischer, Michel, 77].
Dass das Kreativitätspotenzial von Wortbildungsprodukten und darunter substantivischen Komposita nicht zu unterschätzen ist, lässt sich auch dadurch erklären, dass sie in Texten oft als nichtusuelle Bildungen (Okkasionalismen) vorkommen. Sie werden vom Textproduzenten ähnlich wie Wortgruppen und Sätze, aber nach Wortbildungsregeln gebildet, und ihre Bedeutung läßt sich aufgrund des Kontextes erklären [Fleischer, 84: 190].
Den Gebrauch von Substantivkomposita in deutschen Fachtexten betrachten wir als ein spezifisches sprachinternes Merkmal der wissenschaftlichen Texte. Fachtexte sind informative Texte und „zwischen der Aktualität eines informierenden Textes und der Benennungsfunktion der Wortbildungsprodukte besteht ein direkter Zusammenhang“ [Schröder, 92: 78]. Für uns ist in erster Linie die Relation zwischen textueller Gestaltung und Wortbildung von Interesse, indem wir auf folgende Aspekte eingehen möchten:
1. Komposita und Kohärenz
In sprachwissenschaftlischen Studien hat man schon darauf verwiesen, dass Komposita als Kohärenzmittel in Mini- und seltener in Makrokontexten in literarischen, publizistischen und wissenschaftlichen Texten auftreten können [Stepanova, 84]. Für pädagogische Texte liegen in diesem Aspekt keine Studien vor. Nichtsdestoweniger kommt diese Tendenz klar zum Ausdruck.
Als Kohärenzträger tritt in jedem wissenschaftlichen Text der allgemeinwissenschaftliche Wortschatz auf. Es werden viele Komposita gebraucht, deren Komponenten, ihrer lexikalischen Bedeutung nach, zum Bereich „allgemeinwissenschaftlicher Wortschatz“ gehören. Sie nennen Begriffe zum Thema „Forschung“ von Ausgangsüberlegungen über Untersuchung, Verfahren, Methode bis hin zur Analyse und Interpretation, die den Prozeß der Forschung thematisieren, und die man als Begriffe der „wissenschaftlichen Meta-Sprache“ bezeichnen kann:
Forschung: Forschungskontext, Forschungstagebücher, Forschungshandeln, Forschungspraxis, Forschungsbeiträge, Forschungsfrage, Forschungszweck, Forschungsprogramm, Forschungsbemühungen [Mey].
Untersuchung: Untersuchungsgruppe Kinder, Untersuchungsfeld, Untersuchungssubjekt, Untersuchungsgegenstand Kind/Kindheit, Fragebogenuntersuchungen, Einstellungsuntersuchungen [Mey].
Wissenschaftlichkeitsansprüche [Mey].
Verfahren: Verfahrensskizze, Verfahrensfeld [Mey].
Methode: Methodenwahl, Methodenperspektive, Methodenanwendung [Mey].
Studie: Einzelfallstudien, Beobachtungsstudien, Selbstmordstudie, Sozialisationsstudien [Mey].
Thema: Themenspektrum, Themenfeld [Mey].
Verstehens- und Analysemöglichkeiten [Mey].
Interpretationsziel [Mey].
In diesem Fall könnte man über Kohärenz der wissenschaftlichen Darlegung sprechen.
Es lässt sich auch eine themabezogene Kohärenz unterscheiden, die in wissenschaftlichen Texten als objektbezogene Kohärenz bezeichnet werden kann. Der Artikel von Günter Mey „Zugänge zur kindlichen Perspektive – Methoden der Kindheitsforschung“ enthält im Titel schon das Textthema, ausgedrückt durch das Kompositum Kindheitsforschung. Im Text finden wir im recht großen Umfang Substantivkomposita mit den Komponenten Kind-, Kinder-, Kindheits-, -kinder, -kindheit:
Kindheitsforschung, Kindheitsphase, Kinderwelten, Kinderbiographien, Kinderdiagnostik, Kindersicht, Kinderstubenleben, Stadtkindheit, Großstadtkinder, Kindadäquatheit, Kindheitsforscher(innen), Kind-Gewesensein, Kinderperspektive [Mey].
Diese Komponenten repräsentieren einerseits das Objekt der Forschung, andererseits lenken sie die Aufmerksamkeit auf verschiedene Aspekte und Perspektiven der zu behandelnden Problematik.
In beiden oben erwähnten Gruppen können anhand des Diskurses Synonymiebeziehungen zwischen einigen WBK erkannt werden:
Kindersicht ↔ Kinderperspektive
Kindheitsphase ↔ Kind-Gewesensein
Untersuchungsgruppe Kinder ↔ Untersuchungsgegenstand Kind
Forschungstagebücher ↔ Vatertagebücher
Fragebogenstudien ↔ Fragebogenuntersuchungen
Innenwelt ↔ Seelenleben
Untersuchungssubjekt ↔ Kindheitsforscher(innen) [Mey].
Außerhalb des Kontextes können bei manchen Paaren keine Synonymiebeziehungen nachgewiesen werden. Durch Synonyme erzielt der Verfasser Textvariationen, vermeidet Wiederholungen und hebt feinere Bedeutungsschattierungen hervor.
Neben synonymischer Beziehung können im pädagogischen Fachdiskurs andere semantische Relationen festgestellt werden. So kann die semantische Kohärenz durch Isotopieketten gebildet werden [Schröder, 92: 75]. „Die Isotopie beruht auf verschiedenen Arten der semantischen Äquivalenz. Zwei semantisch äquivalente Wörter bilden ein Topik, mehrere Topiks eine Topik- oder Isotopiekette. Das gemeinsame Grundmorphem ist sprachlicher Ausdruck gemeinsamer semantischer Merkmale“ [Schröder, 92: 76]. So geschieht es, dass „WBK mit mehreren Grundmorphemen zu Knotenpunkten für mehrere Isotopieketten werden können“ (ebenda) Innerhalb dieser Ketten entstehen verschiedene semantische Beziehungen, die folgenden Paradigmen entsprechen:
So erfüllen Komposita thematische textbildende Funktion nicht nur dank der lexikalischen Bedeutungen der Konstituenten, sondern auch dank der Besonderheiten der wortbildenden Struktur, die Wortbildungsreihen erlaubt.
2. Komposita und informative Verdichtung
Kompositagebrauch führt zur informativen Verdichtung, denn Informationsblöcke verschiedener Länge werden impliziert. Man spricht von der kompressiven Funktion und unterscheidet zwischen grammatischer und semantischer Kompression. Im letzten Fall werden inhaltliche Einheiten eliminiert. Sie können durch Paraphrasen expliziert werden:
Großstadtkind → Kind, das in einer Großstadt aufwächst [Mey].
Fragebogenuntersuchungen → Untersuchungen, die mit Hilfe von Fragebögen vorgenommen werden [Mey].
„Puppenspielinterview“ → das Spiel, bei dem einem Kind vertraute Gegenstände in die Interviewsituation integriert werden“ [Mey].
Leitfadeninterview → „teilweise stark strukturiert, ...bei (dem) ... teilweise auf standardisierte Fragen zurückgegriffen wird“ [Mey].
Vatertagebücher → „Eine Besonderheit vieler Beobachtungsstudien in den Gründerjahren ... war, dass diese in den Familien der Forschenden stattfanden...“ [Mey].
In letzten zwei Fällen stehen rechts keine Paraphrasen, es sind Zitate aus dem näheren Kontext, die die im Kompositum kondensierte Bedeutung erklären. Die eliminierten Informationsblöcke werden im Text explizit dargestellt, wenn es sich um relevante Termini handelt.
3. Komposita und diskursiver Fachwortschatz
Viele Komposita funktionieren in pädagogischen Fachtexten als Termini. Unter Mechanismen der Terminibildung wird auch der morphologische Weg genannt, auf dem ein neuer Terminus durch Derivation oder Zusammensetzung entsteht. Die Tatsache, dass viele Termini Komposita sind, wurde in einigen Arbeiten erwähnt [Ризель, Шендельс, 75; Брандес, 83]. Wolfgang Fleischer nennt polymorphemische Komposita „eine Erscheinung geschriebener Sprache, und ein erheblicher Teil davon ist als Terminus in Fachwortschätzen fixiert“ [Fleischer, 92: 98].
Terminologische Systeme sind offene Systeme. Es gibt einen Korpus von Basistermini, es werden auch neue Termini gebildet.
Die Zusammensetzung (Determinativkomposita) ermöglicht in vielen Fällen eine weitere Spezifizierung der Basistermini, indem der Basisterminus als Grundwort in Komposita einer Wortbildungsreihe vorkommt. So gehören Fähigkeit und Rolle der Basisterminologie an, sie werden aber weiter durch Bestimmungswörter spezifiziert. Im pädagogischen Fachdiskurs spricht man vonverschiedenen menschlichen Fähigkeiten und von verschiedenen Rollen, in die die Menschen in ihrem Leben versetzt werden können/müssen:
Wahrnehmungsfähigkeit [Krombholz], Lernfähigkeit, Handlungsfähigkeit [Veith, Sozialisationsforschung; Keupp]; Konfliktfähigkeit [Keupp], Konfliktlösefähigkeit [Valtin]
Mutterrolle, Familienrolle, Erwerbsrolle, Statusrolle, Studentenrolle, , Altersrolle [Veith, Sozialisationsforschung], Geschlechtsrolle [Veith, Fried]
Sehr oft kommen Basistermini als Bestimmungswörter in nichtusuellen Komposita vor:
Verhalten: Verhaltenssteuerung durch Lernen [Veith, Sozialisationstheorie], beruhigende Verhaltensrituale [Wertfein], Verhaltensmarionetten des anderen [Biegert]
Die oben angeführten Beispiele zeichnen sich durch den unterschiedlichen Grad der Expressivität aus. Es sind Metaphern, die verschiedene Einstellungsmöglichkeiten zum Begriff Verhalten repräsentieren.
Nicht weniger interessant für den Diskurs sind Fälle, wo der Fachwortschatz durch Wörter aus dem Bereich „Alltagssprache“ erweitert wird. Durch diese Prozesse wird die Wechselbeziehung von verschiedenen Wortschatzebenen veranschaulicht. So wird das Wort Umwelt im pädagogischen Fachdiskurs als Terminus verwendet. Es hat nach Wahrig die Bedeutung „Gesamtheit der ein Lebewesen umgebenden anderen Lebewesen, Dingen und Vorgänge, mit denen er in Wechselwirkung steht, Milieu“ [Wahrig: 3814]. Auf den pädagogischen Diskurs bezogen bezeichnet dieses Lexem vor allem andere Personen, die einen Menschen umgeben, mit denen er kommuniziert, die für ihn ein Beziehungsgefüge bilden. Aber die Bedeutung der den Menschen umgebenden Dinge und Gegenstände ist auch mit dabei. So bedeutet Lernumwelt [Veith, Sozialisationsforschung] alle fürs Lernen relevante Beziehungen und Dinge; unter gezieltem Umweltarrangement [Veith, Sozialisationsforschung]meint man in erster Linie die vom Individuum zusammengestellten Beziehungen, aber auch das, wie er die Dingwelt um sich herum konstruiert. Mit Umweltproblemen [Mansel]dagegen spricht man ökologische Probleme der Verschmutzung von Boden, Wasser und Luft u.ä. an, wenn man Zukunftsängste von Jugendlichen diskutiert. Außerdem kann das Lexem Umwelt Prozesse in der Gesellschaft bezeichnen. Im Kontext die menschliche Umweltkontrollkompetenz [Veith, Sozialisationstheorie] kann die erste Konstituente alle drei Bedeutungen miteinschließen. So werden in Zusammensetzungen verschiedene Bedeutungen aktualisiert.
Der Fachwortschatz kann auch durch Wörterübernahme aus anderen Fachterminologien erweitert werden. So kommt der Terminus Kohärenz (jetzt auch in der Linguistik gebräuchlich) aus dem Bereich der Physik und Technik. In letzter Zeit wird er auch in Sozialisationsstudien übernommen. Man spricht von Kohärenzsinn, Kohärenzgefühl, Lebenskohärenz [Keupp].Unter Kohärenzsinn versteht man „die Fähigkeit, in seinem Leben Sinn zu entdecken oder zu stiften“ [Keupp: 8].
4. Komposita und metaphorische Prozesse
Der Gebrauch von Metaphern in wissenschaftlichen Texten war bereits Thema verschiedener Studien. Man hat versucht, Metaphorisierungsprozesse bei der Entstehung einiger Terminisystheme zu analysieren [Ивина]. Seitdem kognitive Bedeutung von Metaphern anerkannt worden ist, konnten metaphorische Bezeichnungen als Hilfsmittel der Gedankenführung, als Art und Weise zur Darstellung vom Weltwissen akzeptiert werden. Man spricht von konzeptionellen und kognitiven Metaphern [Lakoff, Jonson], metaphorischen Ausdrücken [Ченки]. Metaphern erlauben es, einen Gegenstandsbereich durch einen anderen zu betrachten.
Substantivkomposita bilden in vielen Fällen einen Kontext zur Entstehung von metaphorischen Bedeutungen, die aus der Dissonanz zwischen die semantischen Strukturen der Konstituenten resultieren. Zu einem zusammengesetzten, doch einem Wort verschmolzen, wirkt das metaphorische Kompositum manchmal sehr expressiv. Durch Dissonanzkombinatorik entstehen verschiedene Arten der kognitiven Metaphern: darunter auch strukturelle, ontologische, Orientierungsmetaphern.
In Artikeln zur pädagogischen Problematik nimmt die Metapher des menschlichen Lebens einen wichtigen Platz ein. Das Leben wird als ein linearer räumlicher Prozeß, als Weg (Lebensweg) verstanden. Wichtige Ereignisse im Leben werden Fixpunkte des Lebens oder Fixpunkte der Identitätsbildung [Veith, Sozialisationsforschung] genannt, für einzelne Individuen besteht eine bestimmte Lebensperspektive (Kinder-, Erwachsenenperspektive) [Veith, Sozialisationsforschung], die Leute, die mit Innovationsprozessen nicht Schritt halten können, stehen am Wegesrand des Lebens [Keupp]. Wenn man verschiedene Perspektiven vergleichen möchte, spricht man vom Vergleichshorizont [Mey]. Jede Persönlichkeit kann die Weichen der Lebensführung stellen [Mansel].
Der Mensch wird als ein aktives Subjekt seiner eigenen Lebensgeschichte verstanden, er steht seit der Geburt an im Mittelpunkt seiner Handlungen, initiiert wichtige Veränderungen seiner Position. Das können folgende Metaphern veranschaulichen: Ausdehnung der Handelsradien [Veith, Sozialisationstheorie], Gesamtkunstwerk Ich, Strategierepertoir [Wertfein], Lebensentwurf, dem geistigen Bauplan folgen, Selbstmanagement [Mansel]…
Der Natur- und Umweltmetaphorik kommt auch eine wichtige Rolle zu. Die Verhältnisse in der Familie und in der Schule werden Familien- und Schulklima [Einsiedler; Luef; Veith, Sozialisationsforschung] genannt, Lernbedingungen nennt man Lernumwelt. Man spricht von „Sonnenseiten“ und „Schattenseiten“ der Individualisierungsprozesse, indem man Chancen und Risiken meint [Mansel]. Wenn Kinder von verschiedenen Reizen überfordert werden, weist man auf Reizüberflutung hin [Textor].
Wissenschaftliche Metaphorik der Genauigkeit wird in den Fällen herangezogen, wo man versucht, zu Parametern der genauen Disziplinen zu greifen, um menschliche Phänomene zu erklären. Dann spricht man von Identitätstheoremen, Altersvariablen, Lebensverlaufsschema [Veith, Sozialisationsforschung], Assimilationsschemata [Spanhel], Begabungsreserven, gedanklichem Koordinatensystem [Noack], Parallelspiel [Viernickel], Rollensymmetrie [Schmid].
Metaphern der Grenze markieren mögliche Übergänge von einem seelischen Zustand zum anderen (Gefühlsgrenze, Hemmschwelle [Veith, Sozialisationsforschung]), von einer Haltungs-/Handlungsweise zur anderen (Verhaltensgrenze, Toleranzschwelle [Wertfein]). Allgemein spricht man von Grenzsituationen [Veith, Sozialisationsforschung], Grenzverletzungen in einer geordneten Welt [Keupp]. Zu dieser Gruppe der Metaphern können auch Zusammensetzungen mit den Komponenten Rahmen- / -rahmen gezählt werden: Rahmenbedingungen [Luef], Handlungsrahmen, Erziehungsrahmen, Aktionsrahmen [Spanhel].
Raummetaphern können begrenzte Bedingungen für verschiedene Tätigkeiten benennen. So werden Spielräume als Frei-, Bewegungs-, Handlungs-, Erfahrungs-, Lern-, Übungs- und Phantasieräume charakterisiert [Spanhel]. Zeitliche Phasen, „in denen das Gehirn für bestimmte Lernerfahrungen besonders empfänglich sei“, werden Entwicklungsfenster bezeichnet [Textor].
5. Komposita und rhetorische Mittel der Bewertung
Manchmal können Komposita auch als wichtige rhetorische Mittel auftreten, wobei sie die Einstellung von Forschern und Pädagogen zu jeweiligen Problemen repräsentieren.
Die Bewertung kann direkt oder indirekt ausgedrückt werden.
Die positive direkte Bewertung kommt in Komposita mit der Anfangskomponente Herz- (im Kohärenzsinn als Herzstück der Salutogenese [Keupp]). Solche Komposita nennt Wolfgang Fleischer Augmentativa [Fleischer, 92: 101]. Kompositionelle Erstglieder übernehmen in diesen Fällen die Aufgaben der im Deutschen fehlenden Augmentativsuffixe [Fleischer, 92: 100]. Ähnlich werden Anfangskomponenten Ideal-, Königs-, Schlüssel-, Leit- gebraucht:
im Idealfall, Königsweg (über narrative Interviews in der soziologischen Forschung), Schlüsselmethoden, bildungsrelevante Leitziele [Mey], „Idealbild“ (Regionen zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten) [Luef]
In diesen Komposita ist das Grundwort als besonders wichtig hervorgehoben und in ersten zwei Beispielen emotional positiv bewertet. In allen Fällen wird positive Bewertung dann explizit ausgedrückt, wenn es im pädagogischen Diskurs um besonders gelungene Untersuchungsmethoden, Forschungsaspekte, produktive Sichtweisen geht. Sie dienen allgemein Argumentationszwecken.
Negative direkte Bewertung wird durch Komposita mit Grundwörtern negativer Semantik repräsentiert:
Diese Komposita kommen bei der Schilderung von Problemen in der Gesellschaft vor.
In einigen Fällen wird die Bewertung nicht direkt ausgedrückt. Dann werden semantische und grammatische Aspekte der Relationen zwischen den UK in den latenten Bereich gesetzt (eliminiert). Auf diese Weise entstehen in Aussagen mit Komposita verschiedene Arten von Implikaturen. Unter Implikatur wird das Gemeinte und nicht Gesagte verstanden [Metzler, 93]. Dadurch erzielt der Textautor eine bestimmte stilistische Wirkung, indem er einen Subtext (Nebensinn) entstehen lässt.
In Beispielen Patchworkmoral und „Moral-Surfen“ [Keupp] werden konversationelle Implikaturen realisiert. Im ersten Fall wird die Moral mit der aus bunten Stückchen zusammengenähten Decke verglichen, im zweiten Beispiel mit dem Internet, wo man surfen kann. Beide Vergleiche weisen auf fast unendliche Vielfalt von möglichen Einstellungen hin, was in Bezug auf die Identitätsfragen negativ bewertet scheint. In Gratwanderung [Drößler]als Bezeichnung für die Übergangssituation von der vertrauten Kinderkultur zu einer Jugend- und Erwachsenenkultur spürt man die Gefährlichkeit dieses Lebensabschnittes, denn eine Wanderung auf einer Felsspitze bereitet viele Risiken.
6. Komposita als Verallgemeinerung
Die Verallgemeinerungsfunktion von Komposita möchte ich am folgenden Beispiel veranschaulichen:
Der Begriff "Kids" ist in der deutschen Umgangssprache tendenziell negativ besetzt. Wortverbindungen wie Crash-Kids, Monster-Kids, Ghetto-Kids usw. sind recht gebräuchlich.... Mit den in den verschiedenen "Bindestrich-Kids" versammelten Kategorisierungen... [Drößler: 1]
Die Verallgemeinerung erfolgt hier dadurch, dass das gemeinsame Merkmal von den in der öffentlichen Diskussion vorkommenden Bezeichnungen dieser Altersgruppe genannt wird. Die Expressivität beruht auf der Dissonanz „gesellschaftliche Problematik – grammatischer Terminus“.
7. Komposita als Intertextualitätsverweise
Die Komposita können in manchen Fällen Intertextualitätsverweise realisieren. Das gilt vor allem für Zusammensetzungen, wo als erste Konstituenten Eigennamen (von Wissenschaftlern) auftreten. Auf diese Weise wird auf ihre Arbeiten, Theorien, Entdeckungen Bezug genommen: Wernicke-Zentrum (Zentrum im Gehirn, das für das Lesen verantwortlich ist, benannt nach seinem Entdecker), Moro-Reflex (Umklammerungsreflex) [Krombholz].
Im nächsten Kontext treten Komposita im Zitat als Symbol für moderne Jugend im Slogan der Wahlkampagne auf. „Kinder der Freiheit“ ist auch ein Zitat, so heißt das Buch von Ulrich Beck, der diesen Begriff wiederum von einer anderen Forscherin (Helen Wilkinson „Freedom ׳s children“) [Keup: 2] übernommen hat. Diese Zusammenhänge werden vom Autor expliziert. Auf diese Weise nimmt er an der wissenschaftlich-gesellschaftlichen Diskussion teil:
Die „Kinder der Freiheit“ sollen sich hingegen mit Zukunftsoptimismus und dem „Laptop in der Lederhose“ (frei abgewandelter Slogan des CSU-Wahlkampfes 1998) auf die ungeahnten Möglichkeiten des neuen Kapitalismus einlassen. [Keup: 4]
Im folgenden Beispiel werden zur Erklärung von einem für den Autor wichtigen Begriff mehrere Intertextualitätsverweise herangezogen. Das Wort "Möglichkeitssinns" selbst stammt von Robert Musil, es werden auch Textstellen zitiert, Autoren, ihre Werke genannt. So wird der Prozeß der wissenschaftlichen Begriffsbildung in die allgemeinkulturelle Diskussion eingebettet.
Hier eröffnet sich ein subjektiver und gesellschaftlicher Raum für die Entwicklung jenes "Möglichkeitssinns", den Robert Musil im "Mann ohne Eigenschaften" entworfen hat. Er ermöglicht den Auszug aus dem "Gehäuse der Hörigkeit" (Max Weber) und führt uns an den Punkt, den Christa Wolf (1983) in ihrer Frankfurter Vorlesung zur Poetik so treffend formuliert hat: "Freude aus Verunsicherung ziehen". [Keup: 19]
8. Komposita: Verstehensprobleme für Nichtmuttersprachler
Für Vertreter anderer Sprachkulturen sind mit dem Phänomen „Kompositum“ bestimmte Verstehensprobleme verbunden, die auf die Verschiedenheiten der Konventionen im wissenschaftlichen Diskurs einerseits und morphologisch-syntaktische Charakteristika der jeweiligen Sprache andererseits, zurückzuführen sind. So werden im Russischen Komposita viel seltener gebraucht, dafür greift man viel öfter zu Genitiv-Konstruktionen oder Konstruktionen mit Adjektiven und Partizipien. Zu obligatorischen Bedingungen der erfolgreichen Dekodierung gehören außer Verständlichkeit der WBK, Sprach-, Welt-, Sach- und Fachwissen des Rezipienten. Da lassen sich die Verstehensschwierigkeiten dort vermuten, wo das Verständnisniveau der Nichtmuttersprachler sich von dem der Muttersprachler unterscheidet. Unterschiedlich können Leseerfahrungen sein, Weltwissen kann anders strukturiert werden, und, was das Sach- und Fachwissen angeht, können wissenschaftliche Paradigmen nicht ganz übereinstimmen. Ich versuche im Weiteren, einige Problemstellungen anzudeuten und zu veranschaulichen.
Für russischsprachige Rezipienten ist es nicht immer ganz verständlich, welche logischen Beziehungen zwischen Komponenten des Kompositums bestehen, bzw. welche Informationsblöcke impliziert sind. Noch schwieriger wird es, wenn Substantivkomposita mit Adjektiven attribuiert werden. „In der Regel bezieht sich das Attribut grammatisch und semantisch auf das Grundwort“ [Schröder, 1992: 79], es kann sich aber auch auf Bestimmungswörter beziehen. Im folgenden Kontext hat das Adjektiv kulturell eine allgemeine Beziehungsbedeutung, wodurch es mit vielen Substantiven verbindbar ist. Daher scheint es nicht eindeutig, ob es im folgenden Kontext um „Vielfalt möglicher Sinne in einer Kultur“ oder um „Vielfalt der Kulturen, die auch mehrere Sinne prägen können“ geht:
...die strukturellen Veränderungsprozesse in Richtung der Etablierung marktwirtschaftlicher Wettbewerbsprinzipien, demokratischer Repräsentationsformen, lohnabhängiger Erwerbsschichten und kultureller Sinnvielfalt, die heute pauschal als Modernisierung beschrieben werden...[Veith, Sozialisationsforschung: 21].
Der Dekodierungsprozeß wird durch häufigen Gebrauch von fremdsprachigen Komponenten erschwert. In Texten sind sowohl fremdsprachige Lexeme, die als Konstituenten im Kompositum auftreten, als auch fremdsprachige Suffixe zu finden. Komposita mit nicht deutschen Komponenten bilden [nach H.Ortner, 84] eine Klasse lexikalisch nicht usueller Komposita. Der Grad der Nicht-Usualität erhöht sich „entsprechend dem Kontrast, der durch unmittelbare Kombination von Fremdwort und heimischem Wort entsteht und die Erscheinung der Interferenz besonders deutlich macht“ [Ortner, 84: 173]. Es können also auch für Muttersprachler nicht ganz gewöhnliche Wörter sein.
Der Begriff Interferenz kann auch für die Interpretation solcher Fälle von Nutzen sein, wo man Arbeiten englischsprachiger Autoren zur Analyse oder Besprechung heranzieht und dessen terminologische Bezeichnungen in einen deutschen Text aufnimmt. So bedeutet der Terminus „social molding“- oder „parent effect“-Modelle [Papastefanou] eine bestimmte wissenschaftliche Position, bei der dem Familienmilieu eine entscheidende Rolle in der kindlichen Entwicklung beigemessen wird. Die denotative Bedeutung lässt sich aus dem Kontext erschließen, bei der Dekodierung der sprachlichen Bedeutung stößt man jedoch auf Schwierigkeiten, indem man ahnt, dass das Kompositum eine gewisse Motivation haben muss. Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet auch die amerikanische Form molding, die der englischen moulding entspricht.
Manchmal gebrauchen die Autoren fremdsprachige Komponenten als textuelle Synonyme. So bedeuten im Kontext Aktivitätsstadien und Aktivitätslevels [Krombholz] bei Säuglingen Schlaf-/Wach- und Erregungs- und Beruhigungszustände, die von verschiedenen Autoren anders strukturiert und anders bezeichnet werden. Das Vorhandensein zweier Oberbegriffe, die dasselbe nennen, lässt darauf schließen, dass das terminologische System in Entwicklung begriffen ist. Das Wort „Stadium“ wurde schon längst eingedeutscht, es kommt vom griechischen stadion, das ursprünglich ein Längenmaß bedeutete und in der medizinischen Fachsprache des 18./19. Jh. in der Bedeutung „Abschnitt im Verlauf einer Krankheit“ gebraucht wurde [Wahrig: 3490]. In Aktivitätsstadien wird „zeitlicher Abschnitt, Dauer einer bestimmten Aktivität“ gemeint, dieses Kompositum könnten wir ins Russische als „стадии активности“ übersetzen. Da das englische Wort level „Ebene“ heißt, werden bei Aktivitätslevels Bedeutungsakzente anders gesetzt, damit meint man die Gesamtheit der Aktivitätsmerkmale, die für einen bestimmten Zustand charakteristisch sind. Wenn wir das ins Russische aus den Bedeutungen der Konstituenten als «уровень активности» übersetzen, tritt die Bedeutung der Intensität hervor.
Verstehensschwierigkeiten entstehen manchmal da, wo lateinische Termini eingesetzt werden, obwohl Latein eine reiche Quelle für internationale Wörter bleibt und im Russischen auch viele Termini aus dem Lateinischen allgemeinverständlich sind. So scheint im folgenden Kontext die inhaltliche Seite nicht ganz klar zu sein:
Diskussionen über gesellschaftliche Stabilitäts-, soziale Integrations- und biographische Integritätsprobleme... [Veith, Sozialisationsforschung]
Dekodierungsprobleme können in diesem Fall teilweise von grafischer Homonymie der Wurzelmorpheme in Bestimmungswörtern bedingt worden sein. So sind Substantive Integration und Integrität lateinischer Herkunft, sie stammen aber von verschiedenen Wörtern. Integration kommt vom lat. integratio und bedeutet „Herstellung eines Ganzen, Zusammenschluß, Vereinigung“ [Wahrig: 1948]. Integrität kommt vom lat. integritas und bedeutet „Vollständigkeit, Unversehrtheit, Unberührtheit, Reinheit“ [Wahrig: 1948]. Während Integration auch im Russischen als Terminus funktioniert (интеграция) und dieselbe Bedeutung wie im Deutschen hat, ist es für Integrität nicht der Fall, das könnte mit einem russischen Wort «целостность» übersetzt werden.
Als weitere „Störfaktoren“ können kompositionelle Termini aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen auftreten, oft im metaphorischen oder metonymischen Gebrauch. In folgenden Beispielen sind es Termini aus dem Bereich der Biologie:
Das moderne Subjekt ist keineswegs ein „Einsiedlerkrebs“ [Keupp]
die Genom-Umwelt-Interaktion [Veith, Sozialisationsforschung]
Einsiedlerkrebs ist eine Gattung von Zehnfußkrebsen, die im Meer leben, Einsiedlerleben bedeutet weltabgewandtes Leben. Im Kontext wird die Unmöglichkeit der modernen Menschen, isoliert zu leben, metaphorisch charakterisiert. Im zweiten Beispiel ist der Mensch gemeint, der durch seine Gene (Erbinformation) metonymisch bezeichnet wird. Für die erfolgreiche Dekodierung braucht man in diesem Fall Kenntnisse aus dem Bereich anderer Fachgebiete (Weltwissen) und Kenntnisse deutscher Terminologie dieser Gebiete (Sprachwissen).
Einen besonderen Platz nehmen solche Fälle ein, wo es sich um kulturspezifisches Wissen geht. So können Bestimmungswörter eine kulturspezifische Bedeutung haben und von Nichtmuttersprachlern als Wissenslücken eingestuft werden. Es handelt sich hier um Realien, die wegen Erfahrungsunterschieden den Rezipienten anderer Kulturgemeinschaften nicht bekannt sein können.
Eigennamen weisen manchmal auf bestimmte Präzedenzphänomene hin, die für die jeweilige Kultur von Bedeutung sind. Nibelungen sind Personen aus dem altgermanischen Heldenepos, zu ihrer konnotativen Bedeutung gehört unter anderem auch Wagners „Götterdämmerung“. Im Artikel von Heiner Keupp „Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden – Jugend heute als „Kinder der Freiheit“ oder als „verlorene Generation““ setzt sich der Autor mit Selbstmord-Ursachen unter Jugendlichen auseinander. Der Artikel beginnt mit der Beschreibung einiger Fälle. Und da kommt der mythische Name auf einer Seite zweimal vor:
Wer sich nicht in Sport- und Trachtenvereinen oder in der kirchlichen Jugend integrieren kann und will, für den bleiben nur Parks, Passagen oder die Treppe der berühmten Nibelungenhalle. Damit sind wir also bei den "Straßenkindern von Passau" [Keup]
Wenig später ist der 16-Jährige vom obersten Stockwerk der innerstädtischen Nibelungen-Einkaufspassage gesprungen. [Keup]
Die Komposita Nibelungenhalle und Nibelungen-Einkaufspassage benennen im Kontext bestimmte Orte in der Stadt Passau. Dass Denotate den Lesern nicht bekannt sein können, ist dadurch zu erklären, dass nicht alle Passau kennen. Ich neige aber zur Annahme, dass die konnotative Bedeutung von Nibelungen hier auch wichtig ist, weil der Autor eine bestimmte stilistische Wirkung erzielt: die Dramatik des zu behandelnden Problems wird auf diese Weise hervorgehoben.
In Texten kommen auch Realien der modernen Welt vor. Das Kompositum Shell-Studie [Keupp] enthält den Namen eines Mineralölkonzerns, der einmal im Jahr in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld statistische Untersuchungen herausbringt, wo es um jugendliche Lebenswelten, Rollenverständnis sowie Einstellungen zur Politik geht. Das Kompositum BRAVO-Studie [Keupp] enthält den Namen einer Jugendzeitschrift für Musik, Stars und Aufklärung. Die Zeitschrift organisiert auch Umfragen zu Jugendproblematik. Für Erziehungsforscher, Pädagogen und Wissenschaftler sind Shell-Studie und BRAVO-Studien eine reiche Datenquelle, auf die man von Zeit zu Zeit hinweist. Im russischen Kulturkreis sind aber diese Realien nicht bekannt.
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Kompositaanalyse zusätzliche Möglichkeiten für die Beschreibung eines Fachdiskurses eröffnet. Im pädagogischen Fachdiskurs umfasst die Kreativität der Kompositabildung textuelle und intertextuelle Bereiche. Man kann vermuten, dass es in anderen humanitären Diskursen ähnlich ist.
Komposita beteiligen sich aktiv am Kreationsprozeß des Formulierens, indem sie ein terminologisches System, eine fachliche „Meta“-Sprache mitgestalten und bei der Vermittlung von Werten mitwirken. Durch Komposita können Informationsblöcke verschiedener Länge impliziert werden, was zur Textverdichtung führt. Metaphorische Komposita haben eine kognitive Funktion und gestalten oft Bildlichkeit und Expressivität des Textes mit. In Komposita wird in einigen Fällen eine direkte Einschätzung ausgedrückt. Eine nicht direkte Einschätzung beruht auf Assoziationsmöglichkeiten, die dank Komposita beim Leser entstehen können. Komposita können in manchen Fällen einen sinntragenden Subtext mitgestalten, was sich auf konversationale Implikaturen zurückführen lässt. Die genannte Funktionen von Komposita ermöglichen insgesamt eine kreative Gestaltung der Texte im pädagogischen Fachdiskurs.
Ein hohes Kreativitätspotential erschwert aber die Verstehensmöglichkeiten der Komposita in einer fremden Kultur. Im pädagogischen Fachdiskurs betreffen die Verstehensschwierigkeiten Fremdwörter und Realien im Bestand der Komposita. Ob dieselbe Schwierigkeiten für andere Fachdiskurse gelten, muss noch überprüft werden.
Literatur
Zitierte Quellen
5.7. Fachsprachen – Kreativität und Verstehensprobleme
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Webmeister: Gerald Mach last change: 2010-04-02