TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. April 2010

Sektion 5.7. Fachsprachen – Kreativität und Verstehensprobleme
Sektionsleiterin | Section Chair: Olga A. Kostrowa (Staatliche Pädagogische Universität Samara, Russland)

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Zur Rolle der Fachsprachen in Werbetexten

Anatoli Gorlatov (Minsk, Belarus) [BIO]

Email: gorlatov@tut.by

 

Wenn man sich näher mit der Werbesprache befasst, wird deutlich, dass sie neben den Elementen der Alltagssprache Jugendsprache, Gruppensprache und Fachsprache verwendet. Das ist dadurch zu erklären, dass die Werbesprache künstlich ist und keine Sprechwirklichkeit hat. Der Grund dafur, dass die Werbesprache sich an fast allen Varietaten bedient, ist das Ansprechen und Manipulieren einer bestimmten Zielgruppe. Dieter Flader beschreibt in seiner Arbeit „Strategien der Werbung" [1] Werbung als 'Manipulation' durch Sprache. Jede stimmige Manipulationstheorie muss, seiner Meinung nach, imstande sein, zwei Probleme ausreichend zu behandeln:

  1. Sie muss sich konkret oder prinzipiell mit der Manipulationsabsicht dessen befassen, dem 'Manipulation' zur Last gelegt wird.
  2. Sie muss der Frage nach der prinzipiellen Manipulierbarkeit des zu Manipulierenden nachgehen.

Die Theorie der Sprachmanipulation kann, seiner Meinung nach, zeigen, wie Sprache als Mittel der 'Manipulation' eingesetzt werden kann. Dieses Konzept sprachlicher Manipulation beruht auf drei Annahmen:

  1. Das Verhalten von Menschen wird weitgehend durch ihre unbewusste Persönlichkeitsstruktur bestimmt. Diese entwickelt sich in "der Interaktion mit den Bezugspersonen der frühen Kindheit".
  2. Diese "Grunderfahrungen infantiler Beziehungen" sind durch bestimmte soziale Situationen neu belebbar, was entsprechendes Handeln nach sich zieht.
  3. Daher kann man nach Flader annehmen, dass Individuen mit den Mitteln sprachlicher Kommunikation Interaktionsbeziehungen zueinander herstellen, bzw. voraussetzen, dass Situationen als soziale Situationen aufgefasst werden, die durch sprachliche Kommunikation eingeleitet und bestimmt werden.

Bekanntlich unterscheidet man in der Werbung zwischen Sachtexten und Ausdruckstexten. Sachtexte nennt man in diesem Zusammenhang denotative Texte, bei denen Sachinformationen an den Rezipienten weitergegeben werden sollen.

Ausdruckstexte dagegen nennt man konnotative Texte und sie sollen bei dem Verbraucher Emotionen wecken.

Die denotativen Werbetexte bauen ihre Kommunikation über den Inhalt auf und haben den Zweck, den Rezipienten sachlich uber das Produkt zu informieren. Zudem möchte der Werbende erreichen, sein Produkt positiv von anderen Produkten abzuheben. Diese Art von Text appelliert an den Verstand des Verbrauchers und wirkt dadurch, dass sie über die Funktionen und Fähigkeiten eines Produktes informieren. In diesem Zusammenhang wird Fachsprache nicht als „exakte Kommunikation unter Fachleuten" benutzt, sondern sie dient vielmehr dem Wecken/Erzeugen von Kaufinteresse. Technische Eigenschaften werden dabei aufgezählt, um den Qualitätsbeweis des Werbeproduktes zu verstärken.

Jedoch gibt es bei denotativen Texten einige Schwierigkeiten, die nicht zu übersehen sind, denn jede individuelle Persönlichkeit hat ein anderes Wort- und Sprachvermögen und somit muss der Text für jeden zugänglich sein. Aus diesem Grund ist die Verständlichkeit sehr wichtig, denn das Ziel einer Werbung ist es schließlich, eine hohe Anzahl von Käufern zu erreichen. Denotative Texte mussen auch eine gewisse Qualität aufweisen und das bedeutet, dass eine Mehrdeutigkeit verhindert werden muss.

Werbung präsentiert sich also als Kunst, die Wirklichkeit der Werbung als einer eigenständigen Kunstform wird in der Praxis allgemein anerkannt, auch wenn dies nicht explizit geschieht. Beispielsweise sind die amerikanischen Fernsehzuschauer genauso an den Werbespots interessiert, die wahrend der populärsten Sendungen gesendet werden, als am Football-Superbowl in jedem Januar. Später werden die Werbespots ebenso wie Romane, Filme, Konzerte oder Kunstausstellungen zum Gegenstand der Zeitungskritik. Und natürlich gibt es Preise für interessante Werbungen, beispielsweise die jedes Jahr verliehenen "Cleos".

Die Inszenierungsfunktion von Fachsprache in der Werbekommunikation geht einher mit der Herausbildung eigener Fachbegriffe aufgrund der Bedeutungserweiterung von schon existierenden Wörtern. Besonders zahlreich sind die "Werbetermini" zur Bezeichnung von Handelshäusern, Verkaufsplätzen u. a:

Depot, Institut; Station, Kate, Klinik, Scheune, Stadel.
Beispiele: Fliesendepot, Hörgerate-Akustik-Institut, Gyrosstation, Wollkate; Brotkate, Bekleidungsklinik (Kunststopferei), Puppenklinik; Fell-Scheune (Laden für Autositzbezüge); Brotstadel, Dirndlstadel u.a.m.

Ziemlich verbreitet sind auch Bezeichnungen von Gebäudeteilen, denen eine Verkaufsfunktion zukommt:

Ecke, Etage, Galerie, Passage, RampeBonsai-Ecke; CD-Etage; Schmuckgalerie; Bucherpassage, Briefmarkenpassage; Rudi's Reste Rampe (Hannover) u.a.m.

Die Erweiterung des Werbewortschatzes erfolgt hier durch konkretisierende Elemente allgemein gebräuchlicher Lexik.

Es lassen sich in deutschsprachigen Werbetexten auch Fachworter explizieren, die aus der Gesamtlexik durch Bedeutungseinengung gebildet wurden:
Insel, Land, Markt, Paradies, Park, Welt - Blumen-Insel, Opticland; Auspuffmarkt; Schnitzelparadies; Miet-Park, Teppich-Welt u.a.m.

Wichtiger Bestandteil der Werbelexik sind Lexeme, die Teilnehmer an Handels- und Wirtschaftsprozessen verkörpern:

Experte, Partner, Spezialist, Doktor, Profi, Team u.a:
Fernsehdoktor, Teppichbodenexperte; Sicherheitspartner (Alarmanlagen); Küchenprofi, Seniorenmobel-Profi (Hannover); Billigflug- und Reisespezialist, Brillenspezialist; Fahrschul-Team u.a.m.

Die Verleihung pseudowissenschaftlicher Autorität erfolgt neben dem Einsatz von Termini durch zahlreiche Grafiken, Fussnoten und "wissenschaftlich" klingende Produktnamen.

Fachbegriffe werden auch in konnotativen Texten verwendet, denn es wird damit versucht,  den Rezipienten durch die Textgestalt zu manipulieren. Das bedeutet, dass der Werbende sprachlich versucht, den Verbraucher anzusprechen, und das dabei nicht (nur) uber den Inhalt, denn bei konnotativen Texten werden die Produkte nicht als außergewohnlich dargestellt. Dabei weisen konnotative Texte viele unterschiedliche sprachliche Mittel auf. Hierzu zählen zum Beispiel Neologismen, Fremdwörter, Pretiosen, Onomatopoetika, Anglizismen und knappe Sätze. Neologismen sind beispielsweise Wörter wie pfirsichfrisch (Vernel Weichspuler) und sommerfrisch (Fa Duschgel). Diese Art von sprachlichen Mitteln wird verwendet, um sich von anderen Produkten abzuheben und um die Originalität unter Beweis zu stellen. Fremdwörter dagegen haben den Zweck, die Kompetenz des jeweiligen Herstellers zu zeigen. Pretiosen sind altertümliche Begriffe oder Redewendungen, wie zum Beispiel ,,mitnichten" und werden dann verwendet, wenn der Werbende gediegene Werte verdeutlichen will. Onomatopoetika zählen unter die Trend- oder Jugendsprache. Sie versuchen mit Begriffen wie ,,cool", ,,geil" und ,,genial" eine gewisse Modernitat darzustellen. Schnelle und kurze Sätze dagegen stellen eine Dynamik und schnelle Entwicklung eines Produktes dar. Auf solche Weise entstehen "Pseudotermini", die assoziativ auf die real existierenden Fachwörter zuruckgehen.

Da sich in der Technik nahezu monatlich Innovationen ergeben, sind zahlreiche Wortschöpfungen besonders in der Werbesprache des Wortfeldes Computer- und Kommunikationstechnik anzutreffen sowie notwendig, bekannt gemacht aufgrund der Assoziationsmöglichkeit von Elementen der Sprache, die dann aus sich selbst schöpfend in der Werbung benutzt sowie publik gemacht werden und aufgrund der semiotischen Zeichensetzung verstanden werden können –  auch ohne direkten empirischen Zugang des Rezipienten in das Fachgebiet.

Dieser spezifischen Fachsprache, die Wortbildungen und Wortschöpfungen einschließt, kommen verschiedene Funktionen zu: Zunächst ermöglicht sie in gewisser Weise eine Abgrenzung der Eingeweihten von den Unwissenden. Fachwissen im Bereich Computertechnologie wird in unserer Gesellschaft als besonders wichtig erachtet. Auf der anderen Seite ermöglichen Fachwörter und Kurzformen schnelleren Austausch von Informationen, indem sie den hohen Memorierungsaufwand hochkomplexer Wortbildungen oder Syntagmen unnötig machen, und vereinfachen damit die Kommunikation. Dabei treiben Wortschöpfungen in Form von Kürzungen die lexikalische Ökonomie besonders weit, sofern sie von allen Kommunikationsteilnehmern verstanden werden. Häufig werden komplexe Syntagmen zusammengefasst und mit wenigen Buchstaben ausgedrückt. In vielen Fallen ist den Benutzern die Ausgangsform unbekannt. Obwohl der betreffende Gegenstand so sehr verbreitet ist, dürften die wenigsten wissen, was sich hinter dem zweiten Teil des Begriffes CD-ROM verbirgt (gekürzt aus engl. compact disc)" (DUDEN Universalworterbuch:  CD); "ROM" (abbr. (Computing) read-only memory) (DUDEN OXFORD Englisch-Deutsch).

Wie an diesem Beispiel bereits deutlich wird, besteht ein großes Problem bei Einordnung und Verwendung besonders der Wortschöpfungen darin, dass der Großteil dieser Konstruktionen aus dem englischsprachigen Raum stammt und erst als Fremd- bzw. Lehnwort Aufnahme in den deutschen Wortschatz gefunden hat. Technische Entwicklungen im Computerbereich nehmen ihren Ausgang meist in Japan oder Amerika, und so gehen sie auch mit ihren international verwendbaren, englischen Bezeichnungen in den Markt ein. Im deutschen Sprachgebrauch werden diese ursprünglich englischen Wortschöpfungen auch nur teilweise eingedeutscht, einige Begriffe werden englisch ausgesprochen, bzw. es gibt beide Varianten (vgl. International Business Machines Corporation = IBM]). Die bevorzugte Verwendung der englischsprachigen Version in bestimmten Kreisen (z.B. unter jugendlichen "Computerfreaks") hat ihre Ursache auch im besseren "Image" der englischen Sprache.

Die Großzahl der Wortschopfungen gehört zu den multisegmentalen Kurzungen –  Akronyme, die aus zwei oder mehreren diskontinuierlichen Anfangssegmenten eines zugrunde liegenden Wortes oder Syntagmas bestehen – bzw. zu den unisegmentalen Kurzungen (Kurzwörter, Wortkreuzungen). Beispiele: PC, CD, CPU (Computing central processing unit), CAD (computer aided design), ISDN (Integrated Services Digital Network) u.a.m.

Die Gefahr  bei der Verwendung von Fachausdrücken  in Werbetexten  ist, dass man bei zu vielen  Insider-Vokabeln und Abkürzungen  beim Fachchinesisch landen konnte, so dass  sich der potenzielle  Kunde klein und überfordert fühlen würde. Man sollte also die Werbebotschaften der jeweiligen Zielgruppe anpassen.

 

Literatur:

Flader, Dieter. Strategien der Werbung. Kronberg: Scriptor, 1974.


5.7. Fachsprachen – Kreativität und Verstehensprobleme

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For quotation purposes:
Anatoli Gorlatov: Zur Rolle der Fachsprachen in Werbetexten - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/5-7/5-7_gorlatov17.htm

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