Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | Juni 2010 | |
Sektion 7.11. | Dokumentarfilme und -ausstellungen als kreatives Handwerk des Wissens Sektionsleiterin | Section Chair: Antoaneta Tcholakova (Wien) |
Sektionsbericht 7.11.
Dokumentarfilme und –ausstellungen als kreatives Handwerk des Wissens
Antoaneta Tcholakova (Verein „Freunde des Hauses Wittgenstein“, Wien)
Email: a.tcholakova@bfio.at
Eröffnet wurde die Sektion durch deren Leiterin, Antoaneta Tcholakova, mit einem Beitrag zur Problematik der Verbindung bildender Künste und Wissen. Die so entstehenden Dokumentationen werden immer zahlreicher, widerspiegeln die Geschichte und die Gegenwart einer Nation in ihrer Vielfalt, wirken in einer zugänglichen Weise auf ein breiteres Publikum ein. Dokumentationen werden auch immer wieder als Propagandamittel benutzt, um bestimmte Ideen oder Ideologien in einer Gesellschaft zu verbreiten. Wenn sie aber als ein Handwerk des Wissens dienen, dann bekommen sie eine wichtige Erziehungsrolle und können in den sich transformierenden Gesellschaften die Meinungsfreiheit und die Erneuerungsentwicklungen unterstützen. In Gesellschaften mit funktionierender Demokratie dienen sie als Anstoß für Diskussionen und sogar für die Gründung von neuen demokratischen Bewegungen.
Die wichtige Rolle der Dokumentarausstellungen in der Gesellschaft wurde in dem Bericht von Iliana Paskova (Zentrales Staatsarchiv, Sofia), Mitarbeiterin im Archiv und Kuratorin von mehreren Urkundenausstellungen, analysiert. Die Dokumentarausstellungen sind nicht an einen begrenzten Kreis mit wissenschaftlichen Nachforschungen direkt engagierter Fachleute adressiert. Die Aktualität und die Bedeutsamkeit der bearbeiteten Themenfelder provozieren ein lebhaftes, reges Interesse eines breiten, mannigfaltigen Besucherkreises. In diesem Sinne ließe sich schlussfolgern, dass die Urkundenausstellungen eine kognitive und erzieherische Rolle spielen. Sie beinhalten nicht unbedingt die für die wissenschaftlichen Werke typischen Analysen und Zusammenfassungen, leisten aber einen unbestrittenen Beitrag zur Rekonstruierung wesentlicher Geschichtsfragmente und zur Entwicklung der Geschichtswissenschaft.
Alle anderen Teilnehmer an der Sektion diskutierten in ihren Beiträgen die verschiedenen Seiten des Dokumentarkinos. Die Dokumentationen verwenden die Archivdokumente und nutzen die Errungenschaften der Wissenschaft. Durch diese aktive Visualisierung der Geschichte wirken sie noch aktiver auf noch größere gesellschaftliche Kreise als die Dokumentarausstellungen. Die Dokumentationen sind sehr oft im Zentrum des Abendprogramms von fast allen Fernsehprogrammen und gewinnen ein zahlreiches Publikum in den Kinosälen. Lubomur Stratiev (Bulgarisches Filmarchiv, Sofia) und Alexander Hecht (ORF – „Archive und Dokumentation“, Wien) beschrieben die Struktur und die Tätigkeit ihrer Institutionen, und die Nutzung der Filmarchive bei der Schaffung von Dokumentationen mit Wissens- und Erziehungszielen. Oksana Sarkisova (Russland - OSA Archivum, Ungarn) stellte einige Beispiele aus dem russischen und ungarischen Dokumentarkino vor - wie Archivdokumente benutzt werden können, um einerseits als „Waffen“ für die Durchsetzung von bestimmten Thesen, anderseits als unparteiliche Zeitzeugen der historischen Ereignisse eingesetzt zu werden.
Svetoslav Ovcharov (Nationale Akademie für Film- und Theaterkunst, Sofia) sprach zur Abhängigkeit der verschiedenen (Be)deutungen der Dokumentarfilme - einerseits von der Einstellung, dem unterschiedlichen Kulturgrad und dem historischen Wissen des Zuschauers, anderseits von der Interpretationen der Fakten durch die Autoren, von der Zeit und von der Situation, in der sie geschaffen wurden. Als Produkt des Menschen tragen die Dokumentationen den Ausdruck menschlicher Unvollkommenheit.
Die Dokumentarfilme, die wichtige Probleme der Gegenwart behandeln, können eine treibende Kraft in den Transformationsgesellschaften spielen. Die Kulturwissenschaftlerin Barbara Wurm (Vetrov-Sammlung, Deutschland) präsentierte einige der neueren russischen Dokumentationen. Peter Zawrel (Filmfonds Wien) präsentierte in seinem Beitrag viele Beispiele aus dem österreichischen Dokumentarkino - wie Dokumentationen wichtige Themen wie z.B. Ökologie, Armut, Ausbeutung der Dritter Welt u.a. für die Gesellschaft bildhaft machen und Bildungsaufgaben erfüllen.
Im Zentrum der lebhaften Diskussion am Ende der Sitzung stand die Frage, wie objektiv eine Dokumentation sein könne. Es besteht immer die Gefahr eines Missbrauchs der Fakten und der Dokumente in Folge von ideologischem, finanziellem oder künstlerischem Druck. Die Verantwortung der Gestalter von Dokumentarausstellungen und –filme ist noch größer als diese der Wissenschaftler, weil sie mit ihren Werken in kürzerer Zeit tausende, sogar Millionen von Menschen erreichen und beeinflussen können.
7.11. Dokumentarfilme und -ausstellungen als kreatives Handwerk des Wissens
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Webmeister: Gerald Mach last change: 2010-06-10