Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. |
Januar 2010 |
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Sektion 8.1. |
Prekäre Lebensbedingungen, unsichere Arbeitsverhältnisse – Expansion sozialer Ungleichheiten. Auf dem Weg von der Peripherie zum Zentrum? Sektionsleiter | Section Chair: Rolf-Dieter Hepp (Freie Universität Berlin) |
Teilzeitarbeit ein weibliches Desiderat?
Sabine Kergel (Berlin) [BIO]
Email: s.kergel@gmx.de
Abstract:
Während Vollzeitarbeit und reguläre Arbeitsverhältnisse eine männliche Domäne geblieben sind, waren die ergänzenden zuverdienenden Berufsverhältnisse in erster Linie weiblich besetzt. Der Arbeitsmarkt fragmentiert sich somit gemäß der Geschlechterachse. Wenn Frauen ihre Arbeitsplätze über die Zuverdienerrolle interpretieren, wählen sie entweder ein Schicksal in Abhängigkeit oder bestimmen ihre Rolle über eine Unterwerfung unter die dominanten Positionen männlicher Herrschaft, die über die Arbeitsteilung verteilt wird, da sie den hierarchisierenden Mechanismen männlicher Dominanz entspricht. Dabei haben die Männer die Position des Alleinverdieners spätestens seit den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts verloren. Hier stellt sich die Frage, wie sich Positionierungen gemäß einer geschlechtlichen Gruppierung weiterhin durchhalten können, wenn diese ihre Referenzebene und materielle Basis bereits lange verloren haben und welche Identitäten und Ansprüche Männern in prekarisierten und fragilen Lebenslagen aufrecht erhalten können.
Die Geschlechterachse bildet eine elementare Grundlage der sozialen Arbeitsteilung, die Männern und Frauen in unterschiedlich aufeinander bezogene Lebenszusammenhänge einbindet. Die Innen/ Außen Trennung hat in der bürgerlichen Gesellschaft Frauen auf die häusliche und private Ebene, Männer auf die öffentliche Sphäre und die außerhäusige Arbeit verwiesen. Diese Abhängigkeit korrespondierte insofern mit dem Weiblichen, als Frauen aus der Erwerbssphäre durch spezifisch weibliche Aufgaben potentiell ausgegliedert wurden. Ihre Einbindung in den Arbeitsmarkt lief unter den Vorzeichen des „Vorläufigen, Zusätzlichen, Erganzenden, Zeitweiligen", so dass Teilzeitarbeit und Zeitarbeitsverträge als Formen der Integration dem gesellschaftlichen Status des Weiblichen entsprachen. Das Diktat der Hegemonie der Arbeit in der Gesellschaft definierte somit bisher Zeitverträge, unsichere Arbeitsverhältnisse und Teilzeitarbeit als weibliche Zugangsformen zur Arbeitswelt. Unter den veränderten Prämissen des Arbeitsmarktes gelten aber auch zunehmend für Männer diese vormals den Frauen zugewiesenen Kategorien fragiler und prekärer Arbeitsverhältnisse, wobei zu diskutieren wäre, inwieweit diese Veränderung des Arbeitsmarktes potentiell auch das Geschlechterverhältnis modifizieren kann, wenn sich Zuschreibungen vom weiblichen Körper ablösen.
Immer noch wirken traditionelle Besetzungen innerhalb der Gesellschaft nach, wodurch das Beziehungsgefüge zwischen Männern und Frauen symbolisch aufgeladen wird bzw., ist. Émile Durkheim betrachtet die Entwicklung innerhalb der Gesellschaft über die Formen der Arbeitsteilung, innerhalb derer sich Gesellschaft entwickelt und ausdifferenziert. Relevant ist für ihn dabei auch die geschlechtliche Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau, bei der jeder jeweils verschiedene Aufgaben zugewiesen bekommt, die aber in ihrer Gesamtheit als Familie wiederum aufeinander bezogen sind. Die Ausdifferenzierungen der Arbeitsteilung in der Familie sind dabei entscheidendes Kriterium, da die Frauen durch ihre Position in diese integriert sind, da die Reproduktionstätigkeiten den Frauen zugeordnet werden.
Die Konsumtion enthält als Reproduktion der Arbeitskraft mehrschichtige Produktionsebenen. Die Reproduktionsstrategien innerhalb familiärer Zusammenhänge, die in erster Linie von der Frau verwaltet und geleistet werden, unterstreichen den produktiven Faktor auch und gerade innerhalb der Konsumtionsebene. Einerseits wird dort die Arbeitsfähigkeit produziert und außerdem trägt die Familie durch die Sozialisation der Kinder zur Produktion der Nachkommen, also neuer qualifizierter Arbeitskräfte bei. Hier werden durch die Sozialisation in der Familie die entsprechenden Fähigkeiten und sozialen Prädispositionen erarbeitet, die für die Produktion neuer Generationen von Arbeitskräften unabdingbar sind. Gerade auch die gängige Kritik am Versagen der Familie zeigt auf, welche gesellschaftliche Erwartungshaltung auf den Familien lastet.
Dadurch, dass die familiären (Arbeits-)Prozesse außerhalb der Erwerbsarbeit stattfinden, sind in ihnen die gesellschaftlichen Trennungen und Entgegensetzungen eingebunden, die die Besonderheit des häuslichen Bereichs kennzeichnen und im Gegensatz zu den gesellschaftlichen Produktionsbedingungen in Form von Vereinzelungen als unproduktiv gelten, da sie als nicht wertschaffend, geldverdienend, also außerhalb eines Lohnarbeitsverhältnisses stattfindend, gesetzt werden.
Häusermann/ Siebel setzen die Herausbildung eines geschlechtlich segmentierten Arbeitmarkt mit den traditionellen weiblichen Aufgaben unmittelbar in ein überpointiertes Verhältnis, inden sie herausstellen, dass der Weg in die Dienstleistungsgesellschaft der Weg der Frauen zusammen mit ihren Aufgaben aus dem Haushalt in das System von Markt und Staat sei. So betrachten sie auch den Dienstleistungsbetrieb unter den Prämissen der Entgegensetzung von Güterproduktion und Konsumdiensten oder Reproduktionsdiensten. Der männliche Arbeitsmarkt ist der der privatwirtschaftlich organisierten Güterproduktion, der weibliche ist der der öffentlich organisierten Konsumdienste. Man kann sagen, dass die Geschlechterachse derart gefasst wird, dass soziale Bezugspunkte den der Geschlechterachse immanenten Oppositionsbeziehungen zugeordnet werden und damit weitreichende soziale Bereiche unter diese Entgegensetzung männlicher und weiblicher Zuordnungen subsumiert werden. Julia Kristeva verweist darauf, wie Abstraktionen an den Körper der Männer und Frauen herangetragen werden und die scheinbar natürlichen Unterschiede gesellschaftliche Teilungen und Trennungen hervorbringen. Es werden hochkomplexe Abstraktionen dadurch vereinfacht, dass sie auf die geschlechtlichen Gegensätze reduziert werden. In unserem Beispiel ist die Differenz von Güterproduktion und Konsumdiensten entsprechend besetzt, so dass männlich/ weiblich homolog der Beziehung Güterproduktion/ Konsumdienste gefasst wird .
Das reale Beziehungsgefüge zwischen den Geschlechtern orientiert sich weiterhim an geschlechtsspezifischen Zuschreibungen und Besetzungen, so dass die diskursiven Besetzungsleistungen Elemente der Lebensvollzüge weiblicher Existenz bilden, die dann im Arbeitsleben eher durch eine Fragilität der Arbeitsverhältnisse charakterisiert werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Frauen in unsicheren Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, sondern nur dass eine spezifische Nähe zwischen Frauen, spezifischen Berufsfeldern und Berufsaufgaben existiert, die durch Formen der Arbeitsplatzunsicherheit gekennzeichnet sind. Weibliche Lebenszusammenhänge, die den geschlechtlichen Zuordnungen und Arbeitsteilungen entsprechen, versetzen die Frauen auf dem Arbeitsmarkt in Positionen, die auf einem schwierigen Arbeitsmarkt mit Unsicherheit korrespondieren. Dabei wird die Unsicherheit verstärkt und kodifiziert durch die Arbeitsverträge, wenn Frauen aus ihrer Lebensperspektive heraus atypische Arbeitsverträge wählen, bzw. gewählt haben.
Aus diesem Grund waren es gerade die Frauen mit ihrer Ausrichtung auf das Private und die geschlechtsspezifischen Lebenszusammenhänge, die in Formen atypischer Arbeitsverhältnisse Chancen sahen, die unterschiedlichen Bereiche miteinander zu verknüpfen, um sich in das Arbeitsleben integrieren zu können. Dass gerade dieses Zusammenwirken von Intentionen der Frauen sich in das Erwerbsleben zu integrieren, einen wichtigen Faktor bei der Durchsetzung atypischer Arbeitsverhältnisse bildet, stellen Dörre u.a. heraus.
„In einem dynamischen, hoch regulierten Arbeitsmarkt schienen vielen „Zuverdienerinnen“ unsichere Beschäftigungsverhältnisse und nicht Existenz sichernde Löhne akzeptabel. Das war der Grund, weshalb sich mit erlahmender Beschäftigungsdynamik und Deregulierungsmaßnahmen zeitgenössische Formen prekärer Arbeit leichter durchsetzen ließen. Tradierte geschlechtsspezifische Arbeitsteilungen suggerierten die „freiwillige“ Ausübung solcher Tätigkeiten. Dementsprechend sind atypische, nicht standardisierte Beschäftigungsformen bis heute eine Domäne von Frauen. (….) Hier ist es die Identifikation mit der Hausfrauen- und Mutterrolle, die das Arrangement mit dem prekären Job als notwendig und lebbar erscheinen läßt.“ (Brinkmann, Dörre, Rebenack 2006:79)
In den letzten Jahrzehnten versprachen sich viele Frauen von Teilzeitarbeit eine bessere Verbindung häuslicher Pflichten und Integration in den Arbeitsmarkt. Da die Teilzeitarbeitsstellen inzwischen aufgrund der Arbeitsmarktlage ebenfalls stark flexibilisiert worden sind, sind gerade die Hoffnungen auf eine bessere Koordinierung verloren gegangen.
Illustrieren möchte ich dies anhand eines Interviews mit einer Frau, die im Bereich der telefonischen Hilfe bei Computerproblemen bei einem Callcenter für Versicherungen tätig war, tätig ist. Zwischen 12 und 14 Uhr gab es eine unbezahlte Pause, da die Versicherungsvertreter während dieses Zeitraums aufgrund von Mittagspausen nicht bei dem Servicedienst anriefen. Gleichzeitig wurde implizit verlangt, dass bei Bedarf ohne vorherige Ankündigung Überstunden geleistet werden sollten. Die Interviewpartnerin meinte, dass sie diese Arbeit nur durchführen könne, da ihre Tochter schon 16 Jahre alt sei und alleine zuhause bleiben könne, wenn sie länger arbeiten würde. Gleichzeitig klagte sie darüber, dass sie Schwierigkeiten bei privaten Verabredungen hätte, da sie nie wisse, wann mehr Arbeit anfallen würde und sie schon des öfteren Verabredungen kurzfristig hätte absagen müssen. Durch diese Form der Arbeit würden ihre sozialen Kontakte eingeschränkt werden. Dadurch, dass ihr Vertrag jeweils halbjährlich verlängert werden würde, betrachtete sie ihre Existenz unter den Vorzeichen sozialer Verunsicherung, obwohl sie mit ihren Einkommen aus der Teilzeitarbeit 200 € überhalb des Hartz Regelsatzes mit ihrer Tochter lebte und meinte, dass sie finanziell auskommen würde. Da die Verträge nur halbjährlich verlängert wurden, musste sich die Frau jeweils 3 Monate vor Auslaufen des Vertrages bei Arbeitsamt melden, um eine potentielle Arbeitslosigkeit zu melden, da ihr sonst das Arbeitslosengeld bei Nichtverlängerung des Vertrags gekürzt werden würde. In ihrer beruflichen Situation fühlte sich die Frau im Castelschen Sinn„verwundbar“, da ihr trotz bisher immer wieder erfolgter Vertragsverlängerungen das Arbeitsverhältnis ungesichert und temporär begrenzt erschien. Außerdem agierte sie am Arbeitsplatz bei entsprechenden Anforderungen derart, dass sich sich zusätzlichen Arbeitsanforderungen nicht entziehen könne, da sie als Konsequenz eine Auflösung bei der nächsten Vertragsverlängerung befürchtete.
Nicole Tabbard stellte in ihrer Studie über Frauenarbeit heraus, dass unqualifizierte Frauen ihre Erwerbsarbeit eher als zusätzliche Belastung interpretierten, während qualifizierte Frauen eher eine starke Identifikation mit ihren Tätigkeitsprofilen hervorbringen, die auch Effekte auf die sozialen Räume außerhalb des Arbeitsplatzes ausüben. Während wenig qualifizierte Frauen eher ihre Tätigkeit mit den ökonomischen Zwängen in ein Verhältnis stellen, interpretieren qualifiziertere Frauen ihre Arbeit gerade auch als eine Form der Selbstbestätigung und ihres Unabhängigkeitsstrebens. Dabei flottiert der Qualifikationsbegriff, da dies nicht nur für Lehrerinnen oder Akademikerinnen zutrifft; - auch viele Frauen in traditionellen Ausbildungsberufen sehen ihre Erwerbsarbeitsleistungen inzwischen als Form einer Selbstbestätigung und Selbstverwirklichung an.
„Nicole Tabards Untersuchung der Haltung gegenüber Frauenarbeit hat dazu grundlegendes aufgewiesen: für die Frauen aus der Arbeiterklasse „ist Arbeit ein Zwang, der sich lockert, wenn der Lohn des Ehemannes steigt“; für die weiblichen Angehörigen der privilegierten Klassen dagegen stellt Frauenarbeit eine Wahlmöglichkeit dar, die die Tatsache belegt, wonach „die Quote der Frauenbeschäftigung auch mit steigendem Status nicht abnimmt.“ Diesen Befund sollte man beim Lesen von Statistiken ständig vor Augen haben, insofern die durch den homogenen Charakter der Befragung erzwungene nominelle Gleichheit wie meistens, wenn von einem Extrem des sozialen Raums zu einem anderen übergewechselt wird, grundverschiedene Realitäten kaschiert. Äußern sich arbeitende Frauen in dem einen Fall positiv zur Frauenarbeit, in dem anderen eher negativ, so deshalb, weil die Arbeit, die Frauen aus Arbeiterkreisen unausgesprochen vor Augen steht, die einzige ist, auf die sie spekulieren dürfen, und daß es unterbezahlte und mühsame Handarbeit, die mit jener, an die Frauen bürgerlicher Kreise bei dem Wort denken, wahrscheinlich nichts gemein hat.” (Bourdieu 1984: 291, , Zitat im Zitat, Nicole Tabard, Besoins et aspirations des familles et de jeunes, CREDOC und CNAF, o. J. S. 153).
Bei einer entsprechenden Berücksichtigung der unterschiedlichen sozialen Ausgangspositionen von Frauen der unteren bzw. der bürgerlichen Schichten oder Klassen, ergeben sich gravierende und manifeste Divergenzen in Hinblick auf die Erwerbsarbeit. Dass, was Frauen in Bezug auf Erwerbsarbeit äußern, wird jeweils nach sozialer Ausgangslage der Frauen mit anderen Inhalten, Perspektiven und Distinktionsmustern konnotiert. Hier müßte nach Bourdieu berücksichtigt werden, daß bei ungenügender Reflexion der konkreten Interessenlage, also wenn sozialen Kontexte und soziale Faktoren nur ungenügend miteinander verglichen bzw. abgeglichen werden, von dieser sozialen Differenz abstrahiert wird. Bei einer entsprechenden Berücksichtigung der unterschiedlichen sozialen Ausgangspositionen von Frauen der unteren bzw. der bürgerlichen Schichten oder Klassen, ergeben sich aber weiterhin gravierende und manifeste Divergenzen in Hinblick auf die Erwerbsarbeit. Dass, was Frauen in Bezug auf die Erwartungshaltung an Erwerbsarbeit äußern, wird jeweils nach sozialer Ausgangslage der Frauen mit anderen Inhalten, Perspektiven und Distinktionsmustern in Verbindung gebracht. In Anschluss an Bourdieu müsste berücksichtigt werden, dass bei ungenügender Reflexion der konkreten Interessenlage, also wenn sozialen Kontexte und soziale Faktoren nur ungenügend miteinander verglichen bzw. abgeglichen werden, von dieser sozialen Differenz abstrahiert wird. Aus diesen Gründen existieren auch keine vorgelagerten allgemeinen weiblichen Interessenlagen, da diese über die soziale Positionierungen gebrochen sind.
Trotz einer Feminisierung des Arbeitsmarktes orientieren sich die Berufsbilder immer noch stark an geschlechtsspezifischen Prämissen. Geisler stellt heraus, dass sich Mädchen weiterhin auf wenige Ausbildungsberufe konzentrieren, auch wenn sie über bessere Schulnoten verfügen.
“Trotz besserer Schulnoten und z.T. höheren Ausbildungsniveaus sind die jungen Frauen in der Bundesrepublik die Verliererinnen im Wettbewerb um qualifizierte Ausbildungs- und Arbeitsplätze.( ...) Mädchen sind - ähnlich wie die Studentinnen in den Hochschulstudiengängen - in wenigen Ausbildungsberufen zusammengedrängt. 1989 waren in der Bundesrepublik 55% der weiblichen Auszubildenden auf die zehn häufigsten Berufe konzentriert, von den männlichen Auszubildenden waren es lediglich 38%. Mädchen sind - wie schon vor zwanzig Jahren - hauptsächlich im Dienstleistungsberufen mit Tätigkeitsprofilen wie Pflegen, Helfen, Verkaufen, Assistieren, Betreuen zu finden und nur selten in der Produktion oder in technischen Berufen.” (Geisler S. 241, 1992)
Dass diese geschlechtszentrierten Verteilungen kein deutsches Sonderproblem darstellen, sondern in anderen zumindest westeuropäischen Ländern ähnliche Gruppierungen festzustellen sind, wird z. B. von Maud Maruani am Beispiel Frankreichs hervorgehoben, wobei stark feminisierte Berufswahlen weiterhin im Vordergrund stehen, so daß auf dem Arbeitsmarkt dieser Faktor weiterhin als eine dominante Konstante der Frauenbeschäftigung festzuhalten bleibt.
Die Oppositionsbeziehung Frau/ Privat- Mann/ öffentlich hat sich auf der Ebene symbolischer Repräsentationen bis heute durchgehalten. Die darauf basierenden Teilungen und Trennungen setzen sich in den gesellschaftlichen Einschätzungen und Einordnungen fest und gewinnen hierdurch in den symbolischen Markierungen eine Form von Unabhängigkeit und Autonomie. In diesen Auf- und Unterteilungen erlangen sie einen Status von Selbstverständlichkeit und Selbstreferenz, der nicht hinterfragt wird, da die geschlechtsspezifischen Bewertungen und Einschätzungen in die alltäglichen Lebenszusammenhänge eingeschrieben sind. Somit spiegeln sich noch immer in den demonstrativen Besetzungsleistungen der unterschiedlichen geschlechtsspezifisch zurechtstrukturierten Räume die sozialen und gesellschaftlichen Ein- und Zuordnungen der Geschlechter wider. Selbst wenn die Frauen zunehmend in das Arbeitsleben integriert worden sind und auch die öffentlichen Räume mit besetzen, so ist weiterhin der private wie auch der öffentliche Raum in seinen Besonderheiten und charakteristischen Feindifferenzierungen geschlechtsspezifisch besetzt. Einerseits scheint schon allein das Argument der quantitativen Ausbreitung der Frauenerwerbsarbeit drauf zu verweisen, wie stark die Frauen in den Wirtschaftsprozess in den letzten 35 Jahren integriert worden sind. So waren innerhalb der EU 1965 39,6 Millionen Frauen erwerbstätig, 1999 hingegen bereits 60 Millionen. Bei den erwerbstätigen Männern ging im selben Zeitraum die Erwerbstätigkeit leicht zurück. 1965 waren 83 Millionen berufstätig, 1999 waren es noch 81,8 Millionen (Maruani 52) Aber auch wenn sich dadurch die männliche Dominanz auf dem Arbeitsmarkt langsam aufzulösen scheint, so bleibt sie weiterhin bestimmendes Medium gerade bei einer Betrachtung der inneren Partizipationschancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt, gerade auch unter dem Aspekt der gegenwärtigen sozialen Situation auf dem Arbeitsmarkt.
In derartigen strukturierten Tätigkeitsprofilen orientieren sich Frauenberufe häufig weiterhin sehr stark an den häuslichen Tätigkeitsgebieten. Bei den Transformationsleistungen in die Sphäre der Ökonomie schwingen konnotativ die traditionellen Arbeitsteilungen mit, die durch eine geschlechtsspezifische Segregation innerhalb des Arbeitsmarktes verstärkt werden. Ein Weiterleben der weiblichen Räume wird auch gerade durch eine derartige Rekrutierungspraxis geschaffen, so dass in ihnen die traditionellen Geschlechterteilungen sich in der Sphäre der Erwerbsarbeit reproduziert und damit gesellschaftliche Teilungen und Trennungen zementiert werden.
„Nach den auch in der Arbeitsmarktforschung gängigen Vorstellungen gibt es spezifische Frauenarbeitsplätze, weil Frauen eben eine „Affinität“ zu weiblichen Tätigkeiten haben und, wenn sie „auf den Arbeitsmarkt drängen“, ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Arbeitsplätze suchen. Das bedeutet für den Entstehungsprozeß von Frauenarbeitsplätzen und weiblichen Segmenten des Arbeitsmarkts, dass im Grunde unterstellt wird, Frauen würden gewissermaßen ihre Tätigkeiten aus dem Haushalt “mitnehmen” in die nach Marktgesetzen regulierte Sphäre der Ökonomie und dort in Form von Erwerbsarbeit leisten.” (Krais 1993, 236f.)
Anhand derartiger Übertragungsleistungen findet trotz der quantitativen Ausdehnung weiblicher Erwerbstätigkeit eine Ein- und Anordnung statt, die sich weiterhin in letzter Instanz an den traditionellen Auf- und Einteilungen der Geschlechterachse orientiert und diese entsprechend fixieren. Eine Festschreibung dieser Trennungen und Teilungen und der ihnen inhärenten Effekte deutet an, dass konnotativ die geschlechtlichen Besetzungen als Parameter weiterhin ihre Wirkungen entfaltet. Auch in den Komponenten einer Einbindung von Frauen in den Prozess der Erwerbsarbeit fungieren diese Teilungen und Trennungen unter entsprechenden Transpositionen weiterhin als symbolische Machtmechanismen.
So stellen Brinkmann, Dörre und Rebenack in der Studie „Prekäre Arbeit“ heraus:
„Das Normarbeitsverhältnis war stets eine Domäne von Männern und es basiert wesentlich auf der Vorstellung eines komplementären Haushalts, der Männern die dominante Position zuwies. Bis heute bleiben weibliche Personen vorwiegend für Haus- und Familienarbeit zuständig; Erwerbsarbeit wird von ihnen eher sekundär, temporär und phasenweise ausgeübt.“ (Dörre,. 2006, 12)
Niedrige Löhne bei Frauen führen letztendlich zu einer Fundamentalisierung der Machtverhältnisse, da ihre Arbeitsleistung unmittelbar in Relation gesetzt werden zu denen der Männer, so dass das Normalarbeitsverhältnis die Funktion im Kampf der Geschlechter übernimmt, Unterschiede und Distanzen zu setzen und auszubauen. Obwohl die Frauen den öffentlichen Raum , bzw. die Arbeitswelt mit besetzen, so bedeutet ihre Tätigkeit in der Regel eine Form von Lohnarbeit, die gesellschaftlich als geringer geachtet wird als die des Mannes. Dies korrespondiert allerdings nicht mit dem Geschlecht, wie oben ausgeführt, sondern mit sozialen Zuschreibungen, die die Welt in eine männliche oder weibliche unterteilt.
Frauen sind häufig in Dienstleistungs- und Pflegeberufen anzutreffen, die nur gering entlohnt werden. So wird häufig davon gesprochen, dass die Frau „zu verdient“ oder „nebenher arbeitet“, selbst wen sie ganztägig an der Kasse eines Supermarkes oder im Büro arbeitet. Dadurch, dass heute in der Regel ein einzelnes Einkommen für die Lebenshaltungskosten nicht mehr ausreicht, haben die Männer den Legitimationsfaktor für ihre Dominanz verloren, obwohl sie im Allgemeinen weiterhin mehr verdienen als die Frauen. In diesen Kontexten ist dann allerdings auch und gerade das Problem anzusiedeln, wenn einerseits ein gemeinsamer Haushalt nur über das gemeinsame Einkommen finanziert werden kann, wieso dann das Einkommen der Frau nur einen Zusatzverdienst bedeuten soll. Entweder wird die quantative Distanz zum entscheidenden Merkmal der Macht oder aber es bilden sich subversiv Erklärungstendenzen und Legitimationsfaktoren heraus, die auf der alten Teilung und Trennung basieren, so dass das Verständnis über das gemeinsame Einkommen auf traditionellen Erklärungsmustern basieren, an denen sich die Männer und Frauen in ihrem alltäglichen Handeln noch weitgehend selbst in ihren Reibungsmustern orientieren und die in Konfliktsituationen aufgebrochen werden.
„Die Disziplin des Marktes kann z.B. dazu führen, dass tradierte Formen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung revitalisiert werden. So definieren sich Verkäuferinnen mitunter auch dann als Zuverdienerinnen, wenn ihr Einkommen aufgrund der Arbeitslsogkeit des Lebenspartners längste den Lebensunterhalt der Familie sichert (…). Als Hysteresis- Effekte über ihre Erzeugungsbedingungen hinaus wirksam, illustrieren derartige Haltungen die Verfestigung einer sozialen Lage, die sich über eine dauerhafte Betätigung in prekären Beschäftigungsverhältnissen konstituiert“ (Dörre 2005, S. 5)
Das Desintegrations- und Destruktionspotential, das der Flexibilisierung unter derzeitigen Marktbedingungen inhärent ist, wie Sennett (1998) eindrucksvoll herausgestellt hat, so sorgt dies dafür, dass ein bereits überwunden geglaubtes Maß an sozialer Unsicherheit wieder in die Gesellschaft eingedrungen ist. Abhängigkeiten, die unter anderen Allokationsmechanismen des Arbeitsmarkts noch abgefedert werden konnten, gewinnen neue Dimensionen, wenn diese ausgehöhlt sind. Dadurch wird der Druck auf die Akteure verstärkt. Um Arbeitsplätze aufrecht zu erhalten sind auch Betriebsräte inzwischen primär daran interessiert befristete Beschäftigung auch bei schrumpfender Stammbelegschaft zu sichern. Zugeständnisse bei der Flexibilisierung von Löhnen, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen sind zumeist der Preis für Beschäftigungsgarantien, über die prekäre und unsichere Lebensbedingungen in vormals gesicherte Arbeitsplätze eindringen und diese von innen her aushöhlen. Boltanski/ Chiapello (2003) haben aufgezeigt, wie durch Outsourcing und den Rückgriff auf Zeitunternehmen unter flexiblen Bedingungen Stammbelegschaften eingespart und abgebaut werden, so dass weitere Arbeitsplätze eingespart werden können.
Dies verstärkt den Druck auf die Beschäftigten und hierbei besonders auf die Frauen, die die Flexibilisierungsanforderungen der Arbeitsplätze wiederum mit ihren anderen Aufgabenbereichen koordinieren müssen. Als ein Beispiel möchte ich Angestellte im Dienstleistungsbereich wie Verkäuferinnen anführen, die wir im Rahmen einer Berliner Untersuchung befragt hatten. Im Zeitraum von 1998 bis 2002 hat sich im Lebensmittelbereich die Zahl der Angestellten um 30% reduziert. Hinzu kommt noch, dass knapp 60% der verbliebenen Stellen inzwischen Minijobs oder Halbtagsstellen sind. So berichtete uns eine Verkäuferin die in einer Filiale eines Marktes arbeitet, dass sie zeitweilig statt der bezahlten 20 Stunden nur 12-16 Stunden eingesetzt werden würde. Sie befürchtete, dass sie die Fehlstunden bei Bedarf nacharbeiten müsse und sie nicht wisse, wie sie das mit ihren familiären Pflichten dann koordinieren könne.
Literatur:
8.1. Prekäre Lebensbedingungen, unsichere Arbeitsverhältnisse – Expansion sozialer Ungleichheiten. Auf dem Weg von der Peripherie zum Zentrum?
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