Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften	17. Nr.	März 2010
Sektion 8.15.	New Approaches, Innovations and Research in Education | Neuigkeiten, Innovationen und Forschungen in der Erziehung SektionsleiterInnen | Section Chairs: Leyla Esentürk-Ercan and Melek Çakmak (Gazi University, Ankara, Turkey) Dokumentation | Documentation | Documentation

Eine Analyse der schulpsychologischen Beratung
im türkischen Bildungswesen

Leyla Esentürk-Ercan (Gazi Universität Ankara, Türkei) [BIO]

Email: leyla@gazi.edu.tr

Zusammenfassung

In dieser Studie wird die psychologische Beratung an türkischen Schulen unter Berücksichtigung der Schul- und  Schülerzahlen dargestellt und  analysiert .Die Geschichte der Schulberatung im türkischen Bildungssytem wird untersucht.

Psychologische Beratung  bietet Unterstützung von Menschen und Systemen in verschiedensten Situationen. Sie ist ein wichtiger Teilbereich der Psychologie *, der sich mit der wissenschaftlich-fundierten Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Beratungsmaßnahmen befasst, die aber ggf. auch durch andere psychologische Interventionen ergänzt werden (z. B. durch psychologische Trainingsmaßnahmen)
(www.psychologischeberatung.de)*.

Schulpsychologische Beratung ist ein Teil der Schulberatung in der Türkei und dient dem schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Die Schulberatung unterstützt Kinder, Eltern und Schulen auch in pädagogisch-psychologischen  Fragen, etwa bei stark abweichendem  Verhalten (Verhaltensproblemen wie z.B. Essstörungen, Gewalt, Mobbing usw. ) oder in pädagogisch-psychologischen Krisen, die ein gutes Management und Prävention erfordern.
(http://www.schulberatung.bayern.de/schulberatung)*

Neben der Beratung und Hilfe bei akuten und schwierigen Problemen kümmert  sich die Schulberatung auch um vorbeugende Maßnahmen sowie um die Verbesserung des Schulklimas und der gesamten Arbeit in der Schule.

Die Schulberatung in der Schule bietet Schülern, Eltern und Lehrern qualifizierte Ansprechpartner an den Schulen:

 

Der/Die Schulpsychologe/in

• kann bei schwierigen schullaufbahnrelevanten Entscheidungen und bei der Verhängung schwer wiegender Ordnungsmaßnahmen in der Regel hinzugezogen werden;
• unterstützt Schulleitung und Lehrkräfte, vor allem in den Klassen und Stufen, in denen die Schüler besonderer Beratung und Information bedürfen und
• bietet in geigneten Fällen Beratung in der Gruppe wie auch Gruppenarbeit an;
• wirkt mit bei Elternversammlungen zu pädagogisch-psychologischen Themen und
• kann Aufgaben praxisbegleitender psychologischer Beratung von Lehrkräften und Schulen übernehmen: Z. B. Supervision, kollegiale Fallbesprechungen, pädagogische Gesprächskreise (bei jeweils entsprechender Qualifikation und Berufserfahrung).
  (http://www.schulberatung.de)*

Die Schulberatung ist neutral, kostenfrei und vertraulich. Alle Mitarbeiter der Schulberatung sind freundlich, unvoreingenommen, geduldig, verschwiegen, zuverlässig und kompetent. Ein Team solcher Beratungsexperten steht als staatliche Schulberatungsstelle in jedem Bezirk und für jede Schulart zur Verfügung.

Es gibt in der Türkei ausserhalb der Schulen 103 Schulberatungszentren (RAM) (Kepçeoğlu, 2005; Yeşilyaprak, 2007)

Schulberater sind ausserhalb der Schule  u.a. in folgenden Themenbereichen tätig: Lebensberatung, Berufs- und Studienberatung, Bildungsberatung, Ehe- und Partnerschaftsberatung, Erziehungsberatung, Familienberatung, Jugendberatung und Drogenberatung, Gesundheitsberatung, Beratung zur Bewältigung spezieller Erkrankungen (z. B. Herzleiden, Krebs) oder auch von Schmerzpatienten, Dialysepatienten, u. Ä., sowie Menschen mit Behinderungen, aber auch Personal- und Führungskräfteberatung, Coaching, Supervision, Konfliktberatung, Entscheidungsberatung, Konfliktmanagement, Opferberatung, sowie allgemein Krisenintervention usw. und natürlich im Bedarfsfall auch eine Beratung in Bezug auf Möglichkeiten und Planung einer Psychotherapie (www.psychologischeberatung.de)*.

Das türkische Erziehungssystem

Das türkische Erziehungsystem ist in sich verschieden gegliedert.

• Die Vorschule (Pre-primary Education)  ist nicht Pflicht. Sie wird teilweise vom Staat, teilweise von privaten Institutionen gefördert und ist kostenpflichtig. Die Zahl der Vorschulen  betrug im Jahre 2006 / 2007  3.222; die Schülerzahl war 640.949 und davon sind 334.352 männliche , 306.597 weiblichen  Geschlechts.Die Zahl der Lehrer  war 10.016.
• Die Grundschule (Primary Education) ist Pflicht für alle Schüler. Seit 18.08.1997  dauert sie  acht Jahre. Alle Schüler bekommen am Ende der Schulzeit ein Diplom für die Primarstufe.
  • Im Schuljahr 2006 / 2007 gab es 34.655  Grundschulen, davon waren 33.898 staatliche  und 757 private  Grundschulen.
    İnsgesamt 10.846.930 Schüler besuchten die Grundschulen und davon sind 5.684.609 männliche, 5.162.321 weibliche Schüler. Die Zahl der Lehrer  war 402.829.
• Die Mittelschule  (Secondary Education) dauert nach der neuesten Veränderung vom Jahre 2005  vier Jahre und ist nicht Pflicht. Es gibt verschieden Arten von Mittelschulen:
  1. Allgemeine Gymnasien (General Secondary Education): Lise.
     Im 2006/ 2007 Lehrjahr lag die Zahl der  Allgemeinen Gymnasien bei 7.933, davon waren  7.216 staatliche  und 717 private   Gymnasien.
     İnsgesamt  3.386.717 Schüler besuchten die Gymnasien und davon sind 1.917.189 männliche und 1.469.528 weibliche Schüler. Die Zahl der Lehrer  war 187.665.
  2. Berufsschulen (Vocational and Technical High School):
     Es gibt verschiedene Arten von Berufschulen:
     1. Schulen für Mädchen    
     2. Schulen für Jungen   
     3. Schulen für Industrie  
     4. Schulen für spezielle Ausbildungen wie z.B. Flugtechnik, Radiotechnik
     5. Schulen für Religionslehre: İmam Hatip Lise    usw.
     Im Schuljahr 2006/ 2007 gab es  4.244 Berufschulen, davon 4.223 staatliche  und  21 private.
     İnsgesamt  besuchten 1.244.499 Schüler die Gymnasien und davon sind  760.771  männliche, 483.728 weibliche Schüler. Die Zahl der Lehrer  lag bei  84.276.
  3. Anatoliengymnasien (Anatolian High School): Gymnasien mit Fremdsprachenunterricht (z.B. Deutsch, Englisch, Französisch, Japanisch usw.)
     Im Schuljahr 2006 / 2007 gab es 10.576 Anatoliengymnasien, davon waren 1.833 staatliche  und 8.743  private Gymnasien.
     İnsgesamt  besuchten 4.508.564 Schüler die Anatoliengymnasien und davon sind 2.545.004 männliche und, 1.963.560 weibliche  Schüler. Die Zahl der Lehrer  betrug  79.370.
  4. Sonderschulen (Special Education):   
     Im Schuljahr 2006 / 2007 gab es  644 Sonderschulen, davon waren 489 staatliche  und 155  private   Sonderschulen.
     İnsgesamt  besuchten 39.520 Schüler Sonderschulen und davon sind  24.421 männliche, 15.099  weibliche  Schüler.Die Zahl der Lehrer  war  6.811.

Es gibt in der Türkei  laut der Statistik vom Jahre 2006 / 2007,  insgesamt 56.388 Schulen; die Schülerzahl ist 20.667.179. Davon sind 11.266.346 männliche  und  9.400.833 weibliche Schüler. Die Totalzahl der Lehrer ist  770.967 (s.Tabelle 1) (MEB,2007).

Tabelle 1: Zahl und Art der Schulen, Lehrer und Schüler in die Türkei

Quelle: Jahresstatistik, MEB,2007

Psychologische Beratung im türkischen Erziehungssystem

Wenn mann die Geschichte der psychologischen  Beratung im türkischen Erziehungssystem untersucht, sieht man, dass es sie erst ab 1950 gibt. Nach dem Marshallplan nach 1947, hat die Türkei mit den USA besonders im Bildungwesen verschiedene Projekte gestartet. In den Jahren zwischen 1952-53 besuchten viele auslandische Erziehungwissenschaftler (John Rufi, Ellswarth Tompkins, Mills und Lester Bills) die Türkei und initierten insbesonders Reformen in der Schulberatung. Im Jahre 1955 wurde an einer Grundschule (Demirlibahçe İlkokulu) in Ankara (Hauptstadt der Türkei) das erste Schulberatungzentrum gegründet.(Tan,1992; Kuzgun,1992)

Im Jahre 1962 hat das türkische Erziehungsministerium beschlossen, an allen Schulen Zentren für Schulberatung und psychologische Beratung  zu eröffnen. Im Jahre 1970 wurden an 24 Gymnasien Schulberatungzentren eingeführt. In der Mittelstufe hatte jede Klasse demnach in der Woche zwei Stunden Beratung im Wochenplan.(Yeşilyaprak, 2007)

Im Lehrjahr 1965-1966  wurde der erste Fachbereich an der Pädagogischen Fakultaet der Universitaet Ankara eingerichtet. Die Absicht war, die Schulberater und psychologischen Berater für alle Schularten zu auszubilden. Das Studium zum Schulberater bzw. psychologischen Berater dauert insgesamt 4 Jahre. Es gibt heute in der Türkei insgesamt an 27 Universitaten das Fach Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunktgebiet Schulberatung und psychologische Beratung.( Özgüven, 2000; Yeşilyaprak, 2007)

İm Jahre 1989 wurde der Verein Türkischer Schulpsychologen ( PDR-Der ) unter der Leitung von Prof.Dr. Ethem Özgüven in Ankara gegründet. Ziel des Vereins war, die psychologische Arbeit im ganzem Land zu erweitern und wenn nötig ,die Schulpsychologen  fort- und weiterzubilden. Der Verein veröffentlicht Bücher, Zeitungen, Broschüren und Zeitschriften, bietet verschiedene Kurse und Seminare für Schüler, Eltern, Lehrer und Schulpsychologen kostenlos an. Der Verein existiert heute noch und hat 3500 Mitglieder. (Yeşilyaprak, 2007; Kepçeoğlu, 2005)

• Heute arbeiten an den Grundschulen insgesamt 5.438 Schulpsychologen davon 2.338 männliche und 3100 weibliche Schulpsychologen.
• An Mittelschulen / Allgemeine Gymnasien arbeiten insgesamt 2523  Schulpsychologen, davon 1207 männliche und 1316 weibliche Schulpsychologen.
• An Berufsschulen arbeiten insgesamt  1700 Schulpsychologen, davon 771 männliche und 929 weibliche Schulpsychologen.
• An Sonderschulen arbeiten insgesamt   677   Schulpsychologen, davon 347 männliche und 330 weibliche Schulpsychologen.(s.Tabelle 2)
• Nach den Daten des Türkischen Bildungsamts, sind insgesamt   10.438    Schulpsychologen an Türkischen Schulen tätig. (MEB,1985 und 2007)

Tabelle 2: Zahl der Schulpsychologen nach Schularten in der Türkei

Quelle: MEB,1985 und 2007

Schulberatung

Schulpsychologinnen und Schulpsychologen unterstützen das Zusammenleben und die Zusammenarbeit in der Schule durch psychologische Erkenntnisse und Methoden.

Sie beraten und helfen bei Lern- und Lehrproblemen, wirken mit bei der Fortbildung von Lehrern und Schulleitern und unterstützen die Weiterentwicklung der Schule. Mögliche Beratungsziele sind Vorbeugung, Lösung, Klärung oder Linderung von Lebensproblemen, Krisen aller Art, Konfliktlösung; allgemein berufliche oder familiäre Neuorientierung und Karriereplanung (www.psychologische beratung.htm)*.

Die Schulpsychologen/innen in der Türkei sind für bestimmte Schularten spezialisiert und mit der Schulpraxis aus der Lehrerperspektive gut vertraut, kennen aber gleichzeitig auch die Anliegen sowohl der Schüler als auch der Eltern.

Schulpsychologen/innen sind Teil der Schule und verfügen über gute persönliche Kontakte zum Kollegium, zur Schulleitung und Schulverwaltung. Sie sind in besonderer Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet und deshalb unabhängige und verlässliche Partner der von ihnen betreuten Personen. Schulpsychologen können mit einzelnen  Klienten arbeiten,

• professionelle Hilfe durch Beratung bei Lern- und Leistungsstörungen (z. B. Teilleistungsstörungen, Motivationsprobleme, Arbeitsverhalten);
• spezielle Schullaufbahnentscheidungen (z. B. besondere Förderbedürfnisse oder Begabungen);
• bei akuten Krisen (z. B. plötzlicher Leistungsabfall oder Schulverweigerung, Selbstaggression) geben.
• Schulpsychologen können mit Gruppen arbeiten, können Gesprächskreise und Arbeitsgruppen mit Schülern, Klassen und/oder Eltern (z. B. Lernen lernen);
• Entwicklungskonflikte, soziale Spannungen in der Klasse) leiten;
• Fortbildung und Supervision für Lehrerinnen und Lehrer (z. B. zur Zusammenarbeit im Kollegium, zur Unterstützung der Professionalität) geben.
• Weiterhin können Schulpsychologen im System  Schule bei pädagogischen Konferenzen (z. B. zu den Themen Schulklima, Gewalt an Schulen, Leistungsbewertung) mitwirken und bei
• Beratungen von Schulleitung und Schulverwaltung (z. B. Personalführung, Konferenzgestaltung) teilnehmen

Schulpsychologen arbeiten zusammen mit den Schulen und der Schulverwaltung, den Schulberatungsstellen, den Erziehungsberatungsstellen, den Arbeitsämtern, den Jugendämtern und sozialen Diensten, frei praktizierenden Psychologen und Ärzten, Kliniken u. a.

 Schlussfolgerungen:

• Das türkische Erziehungssytem ist in sich kompliziert:z.B. gibt es viele verschiedene Arten von Mittelschulen, so dass es für den Schüler und seinen Eltern schwierig wird eine Entscheidung zu treffen. Daher ist der Bedarf an Schulpsychologen hoch.
• Die Schülerzahlen an den verschiedenen Schularten sind zu hoch z.B.lernen in einer Grundschulklasse ca.40-50 Schüler
• Die Schulzahlen sind immer noch gering
• Die Zahl der Schulpsychologen an den verschiedenen Schularten ist immer noch ungenügend. Die Zahl der Hochschulabsolventen liegt pro Jahr bei ca. 950.
• Die Schulpsychologen werden zumeist an Schulen geschickt, da deren Anzahl nicht reicht, gehen sehr wenige Psychologen in die Industrie oder arbeiten in anderen Arbeitsgebieten.
• An den Schulen erhöhen sich Gewaltprobleme und Präventionsmassnahmen nehmen zu.

Literatur

• Kepçeoğlu,M. (2005) Psikolojik Danışma ve Rehberlik, Alkım yayınları, İstanbul
• Kuzgun,Y. (1992) Rehberlik ve Psikolojik Danışma,ÖSYM Yayınları, Ankara
• M.E.B. (www.meb.gov.tr/milli.egitim.istatistikleri. 2006/2007)
• M.E.B. (1983) ”Okul Rehberlik Hizmetleri Yönergesi ”Milli Eğitim Basımevi, İstanbul
• M.E.B.(1985) ”Rehberlik Hizmetleri Yönetmeliği ”Tebliğler Dergisi, sayı 1805,s.351
• Özgüven,E. (2000) Çağdaş Eğitimde PDR, Ankara
• Shertzer, B. And Stone, S. C. (1981) Fundamentals of Guidance,4.th ed., Boston
• Tan,H. (1992) Psikolojik Danışma ve Rehberlik (Teori ve Uygulama), İstanbul
• Yeşilyaprak,B.(2007)Eğitimde Rehberlik Hizmetleri, Nobel yayınları, Ankara
• http://www.schulberatung.bayern.de/schulberatung/bayern/fragen_paed_psy/ *
• http://www.schulberatung.de/ *
• http://www.psychologischeberatung.de *

* alle Links: Letzter Zugriff:20.11.2007

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