TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 8.18. Die mobile Gesellschaft
Sektionsleiterin | Section Chair: Penka Angelova (Universität Veliko Tarnovo / Rousse, Bulgarien)

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Wissensmobilität am Beispiel der Berufsgruppe
der Programmierer in Bulgarien(1)

Rumiana Stoilova (Bulgarische Akademie der Wissenschaften) [BIO]

Email: RStoilova@sociology.bas.bg

 

Abstract

The impact of mobility has been examined with regard to the case of software production, an economic sector characterized by a high level of knowledge consumption, and to one occupational group, that of the developers. The theoretical frame includes the process of reorganization as well as its influence on the biographies in the ICT sector. Discussed in the paper are interviews with developers and quality assurance specialists which give the opportunity to understand the rationalities behind the decision to return migration,  bounderless and organizational career paths. Diversity is discussed in connection to gender and age in its implications to the process called “waste of talents”.

 

Der Kontext

Transformation  ist der Grundbegriff in einer Zeit, in der „outsourcing“  von Software Firmen und Projekten nach Osten vorgeht. Die IT Spezialisten, die bis zum 2000 eine Erfahrung mit Emigration nach Westen haben, entscheiden sich für die Rückemigration nach dem Heimatland. Die familiären sowie beruflichen Entscheidungen werden immer individualisierter getroffen und nähern sich dem Metapher von Ulrich Beck für eine “Bastelbiographie“. Programmers werden als ein Beispiel für die Kategorie der hochausgebildeten Berufsgruppen im Lande erblickt, die während der Transformation dramatische Umwandlungen in ihren Arbeitsschancen und damit verbunden Lebensschancen erlebt haben. Die Berufsgruppe nimmt Platz innerhalb der Business Funktion Produktion und bezieht sich auf Entwickler von software applications (Developers), Coding Specialists und Database Engineers (Vendramin,Valenduc 2007). In dem Artikel wird die Wechselwirkung einerseits zwischen politischer und Wirtschaftstransformation und andererseits zwischen den beiden Ebenen Europäischen und nationalen untersucht. Die Frage wird verfolgt, wie die verschiedenen makro-sozialen Prozesse die Biographien der Programmers und ihre individuelle Berufsschancen beeinflussen.

Relevant für die Laufbahnen der Programmers  sind drei makro-soziale Perioden in Bulgarien:

1989 bedeutet für Bulgarien ein Rückkehr zu der Freiheit, die nur in einer Welt mit offenen Grenzen möglich ist, wie Ralf Dahrendorf es zutreffend formuliert hat: „Eine Welt ohne Grenzen ist eine Wüste; eine Welt mit geschlossenen Grenzen ist ein Gefängnis; die Freiheit gedeiht in einer Welt offener Grenzen“ (Dahrendorf 2002:15). Der Anfang der Transformation ist von aktiver Bewegung nach aussen gekenzeichnet, die als halb gewählt und halb gezwungen aus ökonomischen Gründen beschrieben werden kann. Seit dem Jahre 2002 beobachtet man die Tendenz zum Wachstum der Beschäftigung im Vergleich zu der vorigen Periode (Tab.1). Die Wachstumsrate ist höher als in den restlichen EU Ländern. Die Verbesserung der Arbeitsschancen ist ein Grund zu der Rückmigration.

Anzahl der Beschäftigten
(% Veränderung im Vergleich mit dem vorigen Jahr)

 

1999

2000

2001

2002

2003

2004

Europa-25

1.2

1.5

1.3

0.4

0.3

0.6

Bulgarien

-2.1

-3.5

-0.4

0.4

6.3

2.2

Tab.1: Pocketbook on Candidate Countries and Western Balkan Countries, 2005
– www.eds-destatis.de/de/publications/detail.php,p. 61.

Die europäischen vergleichenden Studien im Bereich der outsourcing, offshoring und Restrukturierung beweisen die Tendenz zum schnellen Wachstum im Bereich der IT in Ost und Zentral Europa (Huws et al. 2004).  Die Schlußfolgerungen besagen, daß Europa keine Arbeitsplätze in den IT Dienstleistungen verliert. Die Beschäftigung in Dienstleistungen wächst in allen Europäischen Ländern. In der  Tschechischen Republik ist dasWachstum sehr hoch und Bulgarien folgt an dritter Stelle. Verdienst zu dem Wachstum hat die Verschiedenheit in Bezug auf Wirtschafts Bedingungen und Sprachen, die eine große Vielzahl von Möglichkeiten zum Outsourcing and Offshoring in Europe eröffnen. Dabei bekommt Europa  ein Teil von diesen Aktivitäten von anderen Teilen der Welt darunter von den USA und für Bulgarien kann auch outsourcing von Israel explizit als nennenswert erwähnt werden.

Es ist wichtig von der unpersönlichen „Transformation“ den Übergang zu der Organisations- und weiter zu der individuellen Ebene zu untersuchen. Die Frage ist wie die Transformation der Gesellschaften  zu dem individuellen „sich verändern“ umwandelt. Veränderung und Adaptieren sind Notwendigkeiten sowie für die Unternehmen als auch für die Individuen. Es ist ein schmerzhafter Prozeß, wenige sind dabei fähig, die Möglichkeiten und die Chancen zu entdecken(2).  Für die individuelle Ebene ist die Untersuchung von Biographien gut geeignet, besonders in den Fallen „wo Organisationen zur Leistungserstellung und Bestandserhaltung die Flexibilität und das Handlungs- und Arbeitsvermögen lebendiger Menschen brauchen. Dieses nämlich wird nicht nur situativ aktualisiert, sondern ist biographisch konstituiert. Umgekehrt werden die Anforderungen und Zugehörigkeiten der Organisationsmitgliedschaft .....- biographisch eingebaut und verarbeitet“ (Holtgrewe 2006:105-106). Weiter im Text verfolgen wir sowie Biographien , die fester in einer längeren Zeitperiode mit einer Organisation verbunden sind, als auch „bounderless“ Tracks, die mit einem öfter vorkommenen Firmwechsel oder Landwechsel verbunden sind, trotzdem mit einem Verbleiben in der Berufsgruppe und im Netzwerk von beruflichen Kontakten und neuen Entwicklungen bleiben.

Die Organisationsebene ist wichtig für die Analyse der Prozesse der Umstrukturierung, die in der Transformationszeit erfolgen. Dabei bekommt man bessere Ergebnisse im Prozeß der Reorganisierung die Forschung , die sich nicht ausschließlich auf der Firm Ebene konzentriert, sondern diese, die in den Beziehungen zwischen den Firmen die Untersuchung macht (Huws 2007:19). Der individuelle Antwort auf der Restrukturierung der Organisation, kann zu verschiedenen  Entscheidungen führen, darunter in der gleichen Organisation zu bleiben und eine andere Arbeitsfunktion aufzunehmen, in der Organisation zu bleiben aber die Stadt oder doch das Land zu wechseln, oder eigentlich die Organisation zu wechseln. Diese Entscheidungen sind sowie mit  beruflichen Werten und Chancen als auch mit der Familiensituation abgestimmt.

Die Mobilitätsfähigkeit hängt weiter wesentlich mit  persönlichen Charakteristiken wie Gender, Alter, Geschlecht und Ethnizität zusammen (Stoilova, Slavova 2006). Die Untersuchnugen für Bulgarien bestätigen die These von Baumann, daß die Mobilitätschancen Schicht und Klassen spezifisch wirken. Zigmund Bauman plädiert, daß des Zugang zu der globalen Mobilität ist der wichtigste Stratifikationsfaktor heutzutage (2000: 111)  Die Mittelklassefrauen, mit einer akademischer Ausbildung sowie die jungen Frauen haben während der Transformation eine neue Lebensweise adoptiert in der Mobilität immer als möglich gehalten wird oder als aktuelle Erfahrung in Interviews berichtet wird. Innnerhalb der Mittel Klasse Frauen werden besser die Generationsunterschiede artikuliert, die in den unteren Klassen verschwiegen werden. Die Ursache kann in der größeren Individualisierung in der Mittelklasse bewiesen werden - die  Möglichkeiten freie Entscheidungen zu treffen sind mehr, Frauen identifizieren sich damit und sprechen darüber mit einer größeren Selbstverständlichkeit. Die Frauen von der Arbeiter Klasse oder Frauen, die der unteren mittleren Klasse zugehören, emigrieren öfter als Migrantarbeiterinnen in den fremden Familien, am häufigsten in einem späteren Alter, als sie bereits ihre eigene Kinder großerzogen haben. Frauen, die zu desintegrierten ethnischen Gruppen gehören, erleben die akutsten Formen der gezwungenen Migration. Ihre Mobilität wird am meisten verschwiegen. Frauen mit einer höheren Ausbildung, die zu jungeren Generation zugehören reflektieren daher  den privilegierten Standpunkt zur Migration und Mobilität gegenüber dem Rest der Frauen im Lande jedoch geraten in eine unprivilegierte Position gegenüber Männer, wenn sie die Entscheidung zur Familiebildung und Kinder treffen.

Wichtig für das Thema “Wissensmobilität“ ist die Frage: Werden alle potenziellen Talente in der nationalen Gesellschaft genutzt oder man verliert sie nicht nur durch Emigration sondern durch Hindernisse, die ihre Einbeziehung in einem spezifischen beruflichen Kontext stören. Man kann einen Rückgang des Anteils der Frauen in den hoch technologischen IT Firmen im Vergleich mit ihrer Präsenz in der Zeit der Ausbildung feststellen. Der Anteil der Absolventinnen in Informatik ist höher im Vergleich mit den Männern. Dieser Ausbildungsgrad gibt eine zusätzliche pädagogische Qualifikation (Tab. 2). Frauen wählen später öfter bei der gleichen Ausbildung wie Männer in der öffentlichen Sphäre als Lererinen als in der privaten als Programmers zu arbeiten. In der IT Firmen sind vorwiegend Männer und junge Leute vorzufinden. Die jungste Respondentin ist 26 der älteste Respondent ist 40 Jahre alt.

Studenten und Absolventen nach akademischen Fachbereichen, Sex in 2004/2005

Fachbereiche

Studenten Total

Darunter Frauen

%

Absolventen Total

Darunter Frauen

%

Informatik/Mathematik (Universität, man erwerbt zusätzliche pädagogische Qualifikation)

5 310

2 307

43

967

502

52

Ingenieurberuf (technische Universität)

40 273

11 582

29

6 098

2 102

34

Tab. 2: Statistical Yearbook 2005, p.430-433.

Die Chancen der Lehrer zu einer beruflichen Karierre und zu einer besseren Entlohnung sind deutlich kleiner im Vergleich mit den Programmers in den privaten IT Firmen. Im Lehrerberuf ist der Akzent nicht auf die Entlohnung sondern auf die freie Zeit gesetzt, die gerade im privaten Bereich knapp ist. Die freie Zeit wird im Lehrerberuf wegen der besseren Chancen zu einer Arbeit-Familie-Balance geschätzt. Auf dieser Weise wird die traditionelle Rollenaufteilung in der Familie verfestigt und weiter in der Gesellschaft integriert. Ungesprochen wird es geglaubt , daß für die Frauen berufliche Entwicklung sowie bessere Entlohnung eine kleinere Rolle im Vergleich mit Männern spielen. Die traditionelle Vorstellung, daß der Einkommen der Ehefrau zusätzlich zu dem Einkommen des Ehepartners ist, bleibt weit verbreitet. Sie entspricht auch der Mehrzahl der Familiensituationen. Der Lehrerberuf ist unattraktiv für Männer an erster Stelle wegen der niedrigen Entlohnung. Im Herbst von 2007 hat der längerdauernde Streik seit der Transformation in Bulgarien stattgefunden - es war der Streik der Lherer(innen). 

Die Einführung der gender Dimension erlaubt zu verstehen, was passiert mit den Individuen, wenn sie explizit als Männer und Frauen mit der gleichen Ausbildung oder am gleichen Arbeitsplatz betrachtet werden. Aus dieser Perspektive gewinnt an Bedeutung die Frage, was beeinflusst ihre Arbeitsentscheidungen während der verschiedenen Lebensphasen. Die Kombination zwischen der Restrukturierung und persönlichen Umständen ergibt verschiedene Möglichkeiten und führt zu ungleichen Entscheidungen seitens der Männer und der Frauen. Die individuellen Entscheidungen werden in dem spezifischen globalen, nazionalen und Organisationskontext betrachtet. Vorige Untersuchung auf dem Thema hat folgendes Modell zu der Erleuterung von dem  „gender gap“ in IT Berufen erarbeitet, das die Ebenen der Gesellschaft, der Familie und der Firm, sowie der Struktur und Kultur einbezieht(3).

Die gender Ungleichheiten sind unter den akademisch ausgebildeten Frauen und Männern wesentlich kleiner als unter den schlecht ausgebildeten Schichten im Lande,  trotzdem ist ihre behandlung angesichts der potentiellen verlorenen Talente .  Ein Bericht über die Frauen in Forschung in Zentral und Ost Europa weist darauf hin, daß die Talente in diesen Ländern verloren gehen, weil in der Region weit toleriert wird, Frauen in der Wissenschaft in einer Situation der doppelten Belastung niedrig bezahlte Positionen aufnehmen. Die Familien Fürsorge wird von der Gesellschaft als zugehörend zu dem privaten Bereich angesehen und daher wird den Anstrengungen in diesem Bereich keine öffentliche Annerkennung und Entlohnung anerkannt(4).

In Bulgarien existieren historisch entwickelte Praktiken, die die Arbeit-Familie-Balance für eine breite Kategorie von Frauen möglich macht(5). Dazu kommen spezifisch für die Gruppe der Programmers Vorteile wie die technische Zulässigkeit der Distanz-Arbeit sowie die bessere Entlohnung, die die bezahlte private Kinderfürsorge erlaubt. Trotzdem bleiben die Frauen mit Kindern und Familie in der analysierten Berufsgruppe unterrepräsentiert und die Forschungsfragen sind darin gezielt, die Ursachen zu thematisieren. Die Frauen in dieser minderpresentierten Situation werden absichtlich ausgesucht und das Thema für die Arbeit-Familie-Balance wird als relevant für die Berufssituation und der getroffenen Entscheidungen explizit nachgefragt.

 

Reorganisierung

Die Formen der Reorganisierung, die in den 10 Interviews behandelt worden sind können im Folgenden kurzgefasst werden(6) – Relokalisierung der Arbeit ausserhalb der nationalen Grenzen, Konsolidierung von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in einem Center und Schließen von diesen Abteilungen in den restlichen Betrieben. Die geographische Breite beinhaltet outsourcing von Unternehmen, die sich in USA, Israel, Griechenland, Deutschland, Iceland und Finland befinden. Im Folgenden ist eine Kurzfassung von Firmen Reorganisierungen, die die individuelle berufliche Entscheidungen von Programmers beeinflußt haben:

Aus den gennanten Beispielen für Organisierung / Reorganisierung kann man die Schlußfolgerung ziehen, daß die Restrukturierung der Organisationen in Richtung der Konzentration der Produktion in Ost Europa und der Forschung und Entwicklung in Richtung nach West Europa verläuft. Die individuellen Entscheidungen auf die Reorganisierung hängen von der Arbeitsmotivation und Werten aber auch von den individuellen Familien Situationen und den Chancen ab, flexibel im Raum und  Zeit  zu sein.

Auf der Reorganisierung, beschrieben im letzten Fall ergeben sich verschiedene individuelle Entscheidungen. Der technische Direktor überlegt die Möglichkeit zum Arbeitswechsel - er braucht mehr Arbeitsautonomie. Die Leiterin der Qualitätskontrolle (QA) Gruppe freut sich über die verbesserten Chancen in der Organisation zum Lernen. Eine dritte Mitarbeiterin  kämpft mit der Notwendigkeit zur Zeitsynchronisation mit der Projektleitung in den USA, mit der erschwerten Prozedur zur flexiblen Arbeitszeit im Rahmen des multinationalen Unternehmens und die Arbeitszeit des Kindergartens, wo ihre beide Kinder den Tag verbringen.

Die informellen Praktiken zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und Ort sind mehr im Vergleich zu den instituzionalisierten Formen der Unterstützung in den Arbeitsorganisationen in Bulgarien verbreitet – das beweist eine neuere Untersuchung (Kovacheva 2006). Die hier analysierte Berufsgruppe der Programmers hat einige Vorteile, die eine größere Flexibilität gewehrleisten können. Die potentiellen Möglichkeiten zur flexiblen Arbeit hängen jedoch wesentlich von der Firmkultur und der generellen Zulässigkeit von informellen Praktiken. Bei kleineren Arbeitsgruppen , wenn die Leistung im Rahmen der Woche und der Projektgruppe gut kontrollierbar ist, stellt Flexibilisierung kein großes Problem dar, was von Respondenten berichtet worden ist. Die Chance Arbeit und Beruf zu verbinden , hängt dann sehr viel von der Bereitschaft des Gruppenleiters flexible Arbeitszeit für entsprechende Mitarbeiter zu akzeptieren. Bei der Einordnung zu der größeren Organisation, bei der die meisten Entscheidungen ausserhalb der Tochterfirma getroffen werden, wächst die Rolle der geschriebenen Regeln, dadurch wird die Prozedur zur Flexibilisierung für die einzelnen Mitarbeiter erschwert, mindestens in der Anfangsperiode, während dessen die Untersuchung durchgeführt worden ist. Der Umstand der flexiblen Zeit wird meistens von Frauen als von Männern in den Interviews diskutiert worden. Die interviewte Mitarbeiterin überlegt sich die Firm zu verlassen, wenn es in kurzer Zeit keine befriedigende für sie Lösung der Zeitsynchronisierung Dilemma sich ergibt.

Weiterer Umstand, der nicht die gleiche Bedeutung für Frauen mit Familie und Kinder und für Männer hat, ist, daß die Mitarbeiter in den hoch-technologischen Firmen , die im Bereich der IT funktionieren, bereit sein müssen, mit großem Druck zu arbeiten und dabei in der freien Zeit weiter zu lernen. Das schaffen eher als Ausnahme Frauen mit Familie und Kinder. Die meisten Frauen in den Firmen sind jung und ledig. Diese Selektivität führt zu der Schlußfolgerung zum möglichen Verlust von Talenten. Die Lernmöglichkeiten werden von den Programmers hoch geschätzt. Sie neigen dazu Firmen zu verlassen, wenn sie diese gute Lernmöglichkeiten nicht finden. Dieses wird sowie von Frauen als von Männern in den Interviews belegt. Jedoch seltener von Frauen mit Kindern. Die letzte Kategorie schätzt zum Beispiel die Firmmöglichkeiten, in der Organisation Lehrkursen zu veranstalten, weil sie auf dieser Weise Zeit zum Fahren sparen können und genau die Zeit ist , was für sie zu knapp kommt.

Hohes Wert wird in der Berufsgruppe dem Erwerben von internationalen Zertifikaten beigemessen. Und das macht die jungen Leute ohne Familie und Kinder noch mobiler. Ihr das Streben nach internationalen Zertifikaten ist für sie auch als ein Antwort der nationalen Unischerheit und der fehlenden Stabilität verstanden.“Whether I remain here or go elsewhere will depend on the conditions a given country provides and how I feel. If I don’t like it, I want to know I’m free to go to work somewhere else”. (B.I., f, 28 years old.).

 

Die Konstruierung von Arbeitsbiographien

Theoretisch unterscheidet man verschiedene Karrieretypen, die mit ungleichhen Aussichten zur Mobilität verbunden werden. In den Interviews werden bounderless vs. Organisationskarrieren thematisiert, sowie gezwungene vs. gewählte Laufbahnen. Bei der Laufbahn über den Grenzen oder ohne Grenzen geht es nicht nur um hin und zurück sondern um die Herausbildung von Netzwerken, um die Entwicklung des Wissens und der individuellen Kompetenz. Gleichzeitig muß die „boundareless“ Karierre nicht immer gewählt sein (Vendramin, Valenduc, 2007). Bei ihr kommen auch Perioden der Arbeitslosigkeit, der prekären Beschäftigung und der gezwungenen beruflichen Entscheidungen vor.  Das Letzte hängt wesentlich von dem nationalen Kontext, von der Ausprägung des nationalen Marktes sowie von der Öffnung der entsprechenden Gesellschaft zu den Tendenzen der freien Bewegung von Waren, Dienstleistungen und Spezialisten.

Drei Beispiele werden im Folgenden besprochen, als exemplarisch für die verschiedenen Typen von Karrieren vom Gesichtspunkt der Mobilität – „boundareless“ sowie Organisationskarrieren erlauben uns die dementsprechende individuelle Motivation zu rekonstruieren. Die Interviews mit drei Männern von der gleichen Generation zwischen 34 und 38 Jahre erlauben die generations- sowie die gender Differenzen zu kontrollieren. Im Rahmen der „boundareless“ Karierre wird die zweite Dimension der Analyse gezwungene-gewählte Mobilität present.

 

„Boundareless“ Karrieren

D.D. beginnt das Studium  in 1989, während des Studiums arbeitet er als Schullehrer in Informatik. Gleich nach dem Studium trotz der guten Beziehungen mit den Schülern verläßt er das Bereich der sekundären Ausbildung wegen materiellen Gründen und wegen den mangelnden Perspektiven zur beruflichen Entwicklung. In 1994 beginnt er Forschungs Arbeit an der Akademie der Wissenschaften, an einem Kooperationsprojekt mit Deutschland. Diese Arbeit entscheidet er sich aus den gleichen Motiven abzubrechen - niedrige Entlohnung sowie mangelnde berufliche Entwicklungsschancen. In 1997 emigriert er zuerst nach Kanada, dann nach Belgien mit der Motivation “bessere Arbeitschancen zu finden”. Jedoch kann diese Entscheidung auch als gezwungen von dem nationalen Kontext gesehn werden, der durch eine Krise und Instabilität gekennzeichnet ist.

Die Entscheidung für Belgien ist nicht primär von beruflichen sondern mehr durch soziale und kulturelle Einwände begründet worden - der Respondent findet, daß die soziale Sicherheit für die Arbeitnehmer in Europa sowie die kulturelle Nahe zu Bulgarien wesentlich zu seiner Wahl des Landes beigetragen haben. In Belgien beginnt er in einer IT Firm als der erste Ausländer zu arbeiten. Vier Jahre später wird er technischer Direktor und organisiert outsourcing  für Ukraine. In 2001-2005 gründet D.D. eine selbständige Firm, die ihm das Gefühl für eine größere Arbeitsautonomie gibt. In 2006 kehrt er zurück nach Bulgarien mit einer doppelten Bürgerschaft - Bulgarischen und Belgischen. Die Motivation ist aus familiären Gründen. Er findet sofort Arbeit als technischer Direktor von einer führenden IT Firm. Die individuelle Arbeitsorientierung ist für ihn das Wichtigste. Er stellt ein hohes Wert auf Innovation, Dynamik, Autonomie. Seine naheste Pläne sind wieder in Richtung Selbstständigkeit dieses Mal in Bulgarien – und mit  der Gründung von eigener Firm verbunden. 

Das zweite Beispiel für eine „bounderless” Karriere enthält auch die Erfahrung mit Emigration als Antwort auf die politische und ökonomische Krise im 1997. Der Unterschied ist, daß die Arbeit in London nicht mit dem Beruf verbunden ist. Daher auch die Entscheidung im 2000 zum Rückkehr. In den folgenden 7 Jahren steigert der Respondent alle Treppen in einer führenden IT Firm in Bulgarien. Zur Zeit kann er, nach seiner Äusserung hier nichts Neues mehr lernen. Als nächste Herausforderung wählt er das Angebot aufzunehmen, für sechs Monate in Vietnam zu arbeiten, um dort die Leitung der Tochter “offshoring“ Firm zu übernehmen.

In dem Interview mit dem CEO der gleichen Firm, ein Australier, der in Bulgarien arbeitet, finden wir die Aussage, daß die Bereitschaft für eine längere Periode im Ausland zu arbeiten immer noch eine fehlende oder seltene Eigenschaft der Programmers in der Firma ist. Die Arbeitswelt entwickelt sich, die Arbeitsherausvorderungen ändern sich und es ist für die Arbeitsgeber immer wichtiger, daß die Arbeitskraft dementsprechend bereit und fähig ist, mobil zu sein.

 

Die Organisationskarriere

D.I. studiert in der Periode (1994–1999). Während des Studiums arbeitet er als junior Programmer (1996-1999). Nach dem Studium im Jahre 2000 startet er in einer neuegegründeten Firm in Bulgarien  für outsourcing nach Israel. Die Vorteile mit entscheidender Bedeutnung zu seiner Wahl ist die Möglichkeit für ein Beginn in der Firma vom Anfang an. Ihm wurde Arbeitssicherheit versprochen und dieses wurde auch gehalten. Sicherheit zu dieser Zeit war für ihn in dem Moment wichtig, weil seine Frau mit ihrem ersten Kind schwanger war. Weitere Gründe zu seiner Arbeitszufriedenheit heutzutage – acht Jahre später - sind: gute Beziehungen zwischen dem Management in Bulgarien und die Besitzer und Projektleiter in Israel; gute informelle Beziehungen mit dem Besitzer in Bulgarien – Möglichkeiten zum leichten Bekommen das Erlaubnis für ein Tag Elternurlaub, was von dem Responden hoch geschätzt wird, weil seine zwei Kinder unter 8 Jahre alt sind; die Arbeit wird immer kreativer mit der Öffnung von einer zweiten Tochterfirma in Rumenien, wo die Junior Programmer konzentriert werden; in der Firma werden Freundschaftsbeziehungen gepflegt – mit einigen Kollegen ist der Respondent in der gleichen kleinen Stadt in Bulgarien geboren, mit anderen hat er gemeinsam studiert. Er vergleicht sich im Interview mit der Situation von Freunden , die seit Jahren im Ausland arbeiten und viele Freundschaftsbeziehungen gebrochen haben und die Neuen sind nicht sehr intensiv. Er vergleicht auch die Arbeitssituation mit anderen Firmen in der gleichen Branche in Bulgarien und findet, daß die Sicherheit und Zuverlässigkeit seiner Arbeitssituation ihm viel wichtiger ist als die kurzfristige höhere Entlohnung in einer anderen Firm. In diesem Beispiel ist die Arbeitsmotivation wieder stark, wie bei den vorigen Beispielen von bounderless Biographien, jedoch wird sie von weiteren Familien sowie Arbeitsbeziehungen zusätzlich in Richtung zu Organisationsbiographie gefördert.

 

Diskussion

Die Entscheidung für oder gegen die Emigration für die hoch ausgebildeten Akademiker und für Berufe, die sich in einer positiven Arbeitskonjunktur befinden, hängt von der Richtung der Restrukturierung der globalen Firmen ab. Mit der Öffnung der ex-kommunistischen Gesellschaft ist die Berufssituation der akademisch ausgebildeten Leuten wesentlich davon bestimmt, ob sie in den globalen beruflichen Netzwerken eingebunden sind oder nicht. Ihre Arbeitssituation hängt nicht ausschließlich aus dem nationalen Arbeitsmarkt ab. Diese sich vermehrten Arbeitsschancen sind jedoch wieder nicht für alle sondern es ist  eine Differenzierung durch die Berufsmotivation, die Familien Situation und das Alter vorhanden. An erster Stelle in einer europäisch vergleichenden Meinungsumfrage stellen die Bulgaren das Alter (über 50 Jahre zu sein) als der wichtigste Diskriminierungsfaktor im Lande. Diesbezüglich besteht ein deutlicher Unterschied mit den Antworten, gegeben in den alten europäischen Mitgliedstaaten(7).

Aus diesem Tatbestand folgt an erster Stelle die Notwendigkeit sowie von einem Europäischen als auch von einem nationalen Konsens. Der Europäische Konsens betrifft die Zustimmung dafür, daß Forschung und Entwicklung in Zentral und Ost Europa gefördert werden als ein Gleichgewicht Maßnahme zu dem Anziehungseffekt der höheren Entlohnung und besseren Arbeitsbedingungen für Akademiker in West Europa. Die Richtung der Restrukturierung der globalen Firmen zeigt zur Zeit, daß vorwiegend Dienstleistungen und Produktion nach Bulgarien transferiert werden, was nicht immer attraktiv von den meist mobilen Leuten gefunden wird. Man braucht  auch einen nationalen Konsens über die Rolle der Forschung und den Status der Forscher in der Gesellschaft zu erreichen. Die Protesten der jungen Forscher und Doktoranden in Bulgarien liefen im Herbst von 2007 aber ihr materieller Status hat sich nicht wesentlich verbessert. Daraus folgt nicht nur die mögliche Emigration sondern auch die niedergehende Anziehungskraft des Berufs des Forschers im Lande.

Die Talente gehen nicht nur durch „brain drain“ verloren, sondern auch durch mangelnde Möglichkeiten in dem eigenen Lande sich beruflich zu entwickeln. Das Thema „Verlust von Talenten“ ist wichtig, damit mehr Frauen und reifere Leute gezielt in den IT Firmen gefördert werden. Der gesuchte Profil  sowie im Lande als auch im Ausland ist jung, ledig und ohne Kinder. Daher wirken die Mobilitätsschancen ausserordentlich selektiv. Die Frauen mit Kindern sind weniger mobil und konkurrenzfähig in einer Situation, wo ständiges Lernen nötig ist und dies geschiet in der freien Zeit, die für sie äußerst begrenzt ist. Es wurden in der Untersuchung solche positive Beispiele interviewed, sie reflektieren jedoch eine begrenzte Lebenssituation - wo beide Partner im gleichen Beruf sind, über Flexarbeitsschancen durch die technische Ausrüstung verfügen, die Gruppenleiter mit der Distanzarbeit einverstanden sind, die Entlohnung es erlaubt bezahlte Kinderhilfe neben der staatlich gewährte zu benutzen. Die praktische Frage ist , wie kann  sich die privilegierte Situation der erfolgreichen Balance zwischen Beruf und Familie sich auf mehere Familien mit Kindern ausdehnen. Das Zurückhalten über den Konflikt zwischen Arbeit und Familie zu sprechen bedeutet, einen wesentlichen Mechanismus zur Reproduktuion der Ungleichheiten zwischen Männer und Frauen zu akzeptieren. Die Thematisierung der gender Ungleichheiten in einer prosperierenden Berufsgruppe ist als notwendig konzeptualisiert worden, mit der Absicht die existierenden Überzeugungen zu verändern. In den Interviews neigen die Respondenten - Männer sowie Frauen – die bestehende horizontale Geschlechtersegregation mit den Arbeitsbedingungen und Erfordernissen zu erklären, die Männer und Frauen zu verschiedenen Arbeitsbereichen und Positionen führen, ohne zu verstehen oder sich daran zu interessieren, daß gender Verhältnisse sozial konstruiert sind und durch öffentliche Debatte sich verändern lassen.

 

Literatur

 


Anmerkungen:

1 Eine längere englische Version dieses Beitrages,  wird im Soziological Problems, Special Issue 2007, Sofia,  publiziert.
2 Ein Beispiel für den Firmappell, das auf die Notwendigkeit für Veränderung weist: “Change is a hard thing. Change is hardest for those whom it befalls suddenly. Change is hardest for those who change with difficulty. But it is something natural; not something new; change is an important phenomenon. The current debate about off shoring is heated to a dangerous degree… Of course it is hard for people to image that “work” is disappearing from here and to be carried out thousands of kilometers away by people who are paid thousands of dollars less. But now is the time to think not only about the pain but also about the opportunities, and the time to think not only about the chances but also about the need for off shoring.” (Zitiert nach Friedmann 2006:33-34).
3 Widening Women's Work in Information and Communication Technology, Synthesis report of the European project 2002-2004, European Commission 2004:34-35 (www-ict).
4 Waste of Talents: turning private struggles into a public issue. Women and Science in the ENWISE countries,2004,EC.
5 Das beansprucht eine gut entwickeltes Gemeinde System für Kindererziehung (tägliche Kinderstätten für kleine Kinder ab 1bis 3 und weiter ab 3 bis 6 Jahre alt); ein relativ langer Familienurlaub - 315 Tage (die Transformation von Mutterschaft zum Elternurlaub wurde neulich eingeführt); die Frauensozialisation ist in Richtung der Balance zwischen Arbeit und Familie und ist durch die Erfahrung der vorigen Generationen von Frauen überliefert worden; die traditionelle Unterstützung zwischen der Generationen in der Familie auch wenn sie in verschiedenen Haushalten leben.
6 Die empirische Arbeit ist im Rahmen des “Work organisation and restructuring in the knowledge society” - WORKS project gemacht worden´das Projekt ist von dem VI Rahmenprogramm der EK finanziert. Project number: CIT3-CT-2005-006193. 2007.
7 Eurobarometer 263, 2007.

8.6. Die mobile Gesellschaft

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For quotation purposes:
Rumiana Stoilova: Wissensmobilität am Beispiel der Berufsgruppe der Programmierer in Bulgarien - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/8-6/8-6_stoilova17.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-04-07