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Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften |
3. Nr. |
März 1998 |
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Elektronische Erfassung von Personalbibliographien unter
Berücksichtigung rezeptionsspezifischer Optionen
Nikolina Burneva (Veliko
Târnovo)
Der Begriff "Rezeption" ist spätestens seit den 70er Jahren intensiv in
Umlauf gekommen und hat langsam den recht weiten Sinn von "Bearbeitung vorliegender
Kunstprodukte" erlangt. In diesem weiten Sinne ist auch die Erstellung von
Bibliographien eine Rezeption insofern, als sie das Sammeln, Festhalten und Ordnen von
Informationen über ein konkretes Kunstobjekt darstellt.
Das Anliegen dieses Beitrags wird nicht sein, die Angemessenheit einer elektronischen
Erfassung von Personalbibliographien zu beweisen. Angesichts der zeit- und
materialiensparenden Technologien elektronischer Aufbereitung und Nutzung von Datenbanken
und - vor allem - derer prinzipiellen Offenheit für permanente Aktualisierung ist diese
Angemessenheit langsam zur zwingenden Notwendigkeit geworden. In diesem Zusammenhang gehe
ich im folgenden auf zwei Aspekte ein:
Der Übergang vom Zettelkatalog zum Hypertext
wäre ein guter Anlaß, manche traditionellen, bibliographischen Praktiken zu
hinterfragen und um die neuen Möglichkeiten, die das Medium Computer bietet, zu
erweitern.
- Es hat sich in der - schon ansehenswerten - Tradition der Personalbibliographien in
Buchform ein Schema als effektiv durchgesetzt, das die betreffende Information in Ko-
und Subordinationen strukturiert. Wie die Praxis zeigt, wird diese traditionelle
Struktur auch für die Oberfläche elektronischer Bibliographien übernommen. Der
Hypertext erbringt nunmehr die Möglichkeit, das notgedrungen lineare, aufzählende
Prinzip der Präsentation in die Tiefe zu verlegen, und das Prinzip der traditionellen
Sachkataloge ist in den Suchmasken aufgehoben, deren Anwendung eine
flexiblere Technik individueller Recherchen ermöglicht.
- Es erscheint mir wichtig zu beachten, daß das Verknüpfungs- und Vernetzungskonzept
eine möglichst weite Anwendungsfähigkeit in verschiedenen Netzwerken berücksichtigt.
Dabei dürften auch die Netzwerke nicht als festgelegte Konstruktionen, sondern als
diskret zu erwirkende Kombinationen gedacht werden.
Der Umstieg von der Buch- zur Online-Präsentation bibliographischer Daten bietet m.E.
die Gelegenheit, manche naiv-positivistische Selbstverständlichkeit der bibliographischen
Gründerjahre zu hinterfragen.
- Der Anspruch der Verfasser auf Vollständigkeit der Information wäre
selbstreflexiv zu thematisieren. (Zu diesem Stichpunkt sehe ich mich veranlaßt durch die
Lücken, die ich in Personalbibliographien festgestellt habe - z.B. nicht angeführte
Übersetzungen ins Bulgarische in sonst minutiös erstellten Rezeptionsdateien). Ein
Ausgleich wird damit angestrebt, daß die berücksichtigten Quellen der Information
in einem selbständigen Apparat angeführt sind, so daß der Nutzer eine Einsicht in die
Reichweite der präsentierten Datenbank erhält. Diese Praxis in der elektronischen
Datenerfassung weiterzuführen, erscheint mir als sehr sinnvoll.
- Eine weitere, für den Nutzer wichtige, methodologische Information wäre das
Aufnahme-/Auslassungskonzept, nach dem die Daten in der entsprechenden Bibliographie
präsentiert werden. Ein wesentliches Kriterium ist dabei die Informationsdichte der
angeführten Publikationen. Im Hypertext ließen sich Annotationen von
repräsentativen Veröffentlichungen einarbeiten, die den Nutzer in seiner Auswahl
unterstützen.
Das bibliographische Erfassen von Rezeptionsprozessen
ist in seiner Komplexität nicht leicht zu strukturieren. Hier widme ich mich einem
engeren Bereich - der "Rezeption österreichischer
Literatur in Bulgarien" (am Beispiel von Hermann Broch, Gustav Meyrink und Joseph
Roth sei das Konzept nur andeutungsweise und in einer ersten, experimentellen Phase
vorgestellt), um einige Überlegungen zum interkulturellen Hintergrund elektronischer
Erfassung von Personalbibliographien anzustellen.
- Für die Oberfläche wäre m.E. das traditionelle, alphabetische Aufzählungsprinzip der
originalen Autorennamen weiterhin zu behalten. Es stellt sich sogleich das kleine,
aber wesentliche technische Problem der Zitierbarkeit in Kyrilisch. Eine
"Transformationsmaschine" (d.i. Kurzschlüsse zwischen Originalnamen und ihrer
bulgarischen Version) aufzubauen, erscheint mir als wenig effizient, zumal im Bulgarischen
nur geringfügige Abänderungen der fremdländischen Personennamen vorgenommen worden
sind.
- Die auf den Personennamen folgende erste Tiefebene wäre also die Originaltitelliste,
der die Liste der Übersetzung(en) direkt unterzuordnen ist. Da die Autorenseiten vom
Umfang her recht übersichtlich sind, kann das Aufzählen der rezipierten Titel nach dem
Veröffentlichungsdatum des bulgarischsprachigen Textes erfolgen, womit schon eine Übersicht
der Rezeptionsereignisse angeboten wird. (Durch das Suchwort
"Erscheinungsjahr" wird die Erstellung einer "Jahresübersicht" der
Rezeption österreichischer Literatur in Bulgarien durch den Nutzer möglich.)
- Das Berücksichtigen der Textumgebung (im Buch als Einzelband bzw. Textsammlung
oder Reihe, in weiteren Medien), ließe eine Übersicht der Rezeptionsereignisse unter medienspezifischem
Aspekt erstellen. Dazu gehört im Falle von Theateraufführungen bzw. Lesungen die
Spezifik des jeweiligen Theaters, Fernsehprogramms u.ä. Eine besondere Beachtung
verdienten (un-)veröffentlichte Übersetzungen bzw. nicht institutionalisierte Formen von
Rezeption.
- Die editorische Praxis legt nahe, die Texte nach Genres bzw. nach ihrer dominierenden
soziokulturellen Funktion (Schöngeistige Literatur bzw. Briefe, Essays, Reden,
wissenschaftliche Texte u.a.) zu gruppieren. Das Aufnehmen dieses Kriteriums in die Liste
der Suchwörter könnte gerade bei fremdsprachiger Rezeption interkulturelle
Interpretationen unterstützen.
- Ein kurzer Kommentar zum Rezeptionsvorgang des jeweiligen Autors in Bulgarien
könnte den Rahmen für die Positionierung der einzelnen Rezeptionsereignisse vor dem
Hintergrund allgemeinerer, auf Bulgarien und auf den Autor bezogener Rezeptionspraktiken
bieten. Durch entsprechende Links ließe sich dieser Kurzkommentar zu anderen Suchwörtern
verknüpfen.
- Die fremdsprachige Rezeption im Ausland "verdoppelt" die s.g.
Sekundärliteratur, weil sie neben den direkten Auseinandersetzungen mit dem/der
jeweiligen AutorIn auch noch die Vermittlungsarbeiten mitenthält. Da die potentiellen
Nutzer dieser Datenbank größtenteils der bulgarischen Sprache nicht kundig sind,
empfiehlt sich ein Annotationenapparat zur Sekundärliteratur als besonders
nutzerfreundlich.
- Die Frage nach persönlichen Beziehungen des/r jeweiligen österreichischen AutorIn
zum bulgarischen kulturellen Kontext bzw. nach regionalspezifischen kulturellen
Ereignissen einschl. der Kontaktbeziehung bulgarischer Kulturproduzenten zu
österreichischen AutorInnen. Das wäre ein weiterer Apparat, der zwar von der
traditionellen personalbibliographischen Praxis abweicht, doch eine wesentliche,
rezeptionsspezifische Option darstellt.
- Die Rezeptionsträger (ob Verlage, Institutionen oder Kreise) sind ebenfalls ein
wesentlicher Faktor im interkulturellen Austausch. Die elektronische Präsentation der
Bibliographie ermöglicht u.a. auch das Erstellen von 'sekundären' Personalbibliographien
aktiver Rezipienten: ÜbersetzerInnen bzw. Autoren von Sekundärliteratur.
Abschließend läßt sich sagen, daß die Erfassung von Rezeptionsvorgängen im Ausland
ein wesentlicher Aspekt der Nationalbibliographien ist. Mir will es scheinen, daß dieses
lediglich über die elektronischen Medien möglich ist. Wir brauchen nur zu bedenken, daß
die Österreichische Bibliographie - Reihe C, bislang (so im http://grill.onb.ac.at/index/infr.htm)
nur die Veröffentlichungen der 80er Jahre erfaßt hat. Mit welcher Beschleunigung sich
das Unternehmen weiterhin auch realisiert, es ergeben sich neben der temporalen auch
einige sachliche Vorzüge, die mir die Erstellung von Datenbanken einzelner,
regionalspezifisch orientierter Informationen zur ausländischen Rezeption als
anstrebenswert erscheinen lassen.
© Nikolina Burneva (Veliko
Târnovo)
Inhalt: Nr. 3
Webmeisterin: Angelika Czipin
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