Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 5. Nr. Juli 1998

Rede für die Konferenz "Internationalisierungen, Konflikte, Kulturwissenschaften"
am Mittwoch, 25. März 1998

Begrüßung namens des Friedenszentrums der Burg Schlaining und der Österreichischen UNESCO-Kommission durch Gerald Mader

Gestatten Sie, daß ich Ihnen kurz das Friedenszentrum Burg Schlaining vorstelle, daß sich einer friedenspolitischen Zielsetzung und dem UNESCO-Konzept einer Kultur des Friedens in besonderer Weise verpflichtet fühlt.

Schlaining ist heute Sitz zweier Institutionen: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) und Europäisches Universitätszentrum für Friedensstudien (EPU). Beide sind private, überparteiliche Vereine, deren Aufbau aus eigener Kraft erfolgt ist.

Die UNESCO hat uns 1995 den Friedenspreis für Menschenrechte verliehen und außerdem einen UNESCO-Chair für Frieden, Demokratie, Menschenrechte und Toleranz an der EPU in Schlaining eingerichtet.

Im April dieses Jahres werden die Vertreter aller UNESCO-Chairs zu einer großen Konferenz nach Schlaining kommen, die mit einem Schlaininger Appell an die akademische Welt abschließen soll, soweit sie sich mit Frieden, Menschenrechte, Demokratie und Toleranz befaßt. Im Mittelpunkt dieser Konferenz sollen aus Anlaß des 50-jährigen Jahrestages die Menschenrechte stehen, die einen wichtigen Beitrag zu einer Kultur des Friedens bilden. Hiebei geht es nicht nur um die Universalität der Menschenrechte, sonder auch um ihre Unteilbarkeit. Der Zwillingspakt der UNO-Menschrechtskonvention sieht gleichberechtigt mit den politischen und individuellen Menschenrechten die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten vor, die einen sehr geringen Bewußtseinsgrad gerade im Westen haben. Darüber hinaus steht aber auch die sogenannte Dritte Genration der Menschenrechte zur Diskussion. Das Recht auf Frieden, das Recht auf Entwicklung und das Recht auf gesunde Umwelt.

In diesem Zusammenhang ein Wort auch zur UNESCO:
Die UNESCO hat viele Aufgaben, aber nur eine Mission, nämlich "to built the defense (?defence) of peace in the minds of men and women", also zur friedlichen Bewußtseinsbildung in den Köpfen der Menschen beizutragen. Mit ihrem Schwerpunktprogramm "Culture of Peace" hat sich die UNESCO wieder auf ihre ursprüngliche und primäre Aufgabe besonnen und ich glaube, daß dies in einer Zeit, in der Gewalt und Militarisierung zunehmen, auch dringend notwendig ist. Wir sind mit einem Zeitgeist konfrontiert, in dem Egoismus gut, Nächstenliebe schlecht, politische Ethik unmodern und pazifistisches Denken als kriegsfördernd hingestellt wird. Die Zeiten stehen nicht auf friedliches Zusammenleben, sondern die Aposteln der Gewalt, der Macht und der Stärke haben Aufwind, obwohl die Gewalt immer noch versagt hat. Wir sollten daher immer wieder sagen: Violence has failed.

Hinzu kommt, daß die Politik immer mehr an Bedeutung verliert und die internationalen Konzerne immer mächtiger werden bzw. überhaupt an Stelle der Nationalstaaten treten, ohne eine soziale oder kulturelle Verantwortung zu tragen.

Das hindert die Bannerträger einer liberalen Marktwirtschaft, eines zügellosen Kapitalismus aber nicht, gleichzeitig zu beklagen, daß in unserer Gesellschaft nur mehr das Materielle zählt. "Money makes the world go round" singen unsere Musical Stars, doch Geld läßt auch Humanität verdunsten, wie ich es vor kurzem in einem Zeitungsartikel las. Wer dieser Entwicklung gegensteuern will, muß sich bemühen, daß Politik und eine Kultur des Friedens eine größere Bedeutung in unserer Gesellschaft erhält. Daher ist beides notwendig: Bewußtseinsbildung und Alternativen.

Das "Culture of Peace-Konzept" der UNESCO stellt zweifellos eine wichtige Initiative in Richtung Bewußtseinsbildung dar. Der Inhalt dieser Konzeption einer Kultur des Friedens wurde in einer mittelfristigen Strategie für 1996-2001 wie folgt erläutert:

"Der Kult des Krieges bedeutet, Konflikte werde mit physischer oder symbolischer Gewalt gelöst. Eine Kultur des Friedens hingegen zielt auf Konfliktlösung durch Dialog und Vermittlung. Sie basiert auf der Anerkennung der gleichen Rechte der anderen vor dem Gesetz und der Achtung seiner Würde. Das gilt für Konflikte, nationale wie internationale, zwischen Regierung und ihrer Bevölkerung sowie zwischen Frauen und Männer. Eine Kultur des Friedens läßt sich folglich als Gesamtheit aller Werte, Verhaltens- und Lebensweisen definieren, die auf der Achtung vor dem Leben, der menschlichen Würde und den Menschenrechten, auf der Ablehnung von Gewalt sowie auf die Achtung der Prinzipien der Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Toleranz und Verständigung zwischen Völkern, Bevölkerungsgruppen und Individuen beruht."

Ich glaube, daß diese UNESCO-Konzeption einer Kultur des Friedens sowohl eine Antwort auf die Todesbotschaft Fukuyamas vom Ende der Geschichte als auch auf die kulturfeindliche Vision Huntingtons vom Kampf der Kulturen darstellt. Anstelle des Kampfes zwischen den Kulturen sollte die endogene Entwicklung jedes Mannes, jeder Frau und jedes Landes treten.

Ich habe Ihr Programm mit großem Interesse gelesen, das sich mit globalen Fragen auseinandersetzt, die schon im Titel "Internationalisierungen, Konflikte, Kulturwissenschaften" zum Ausdruck kommen. Es sind darunter viele Fragen, die auch die Tätigkeit unserer beiden Institute betreffen. Es wäre jedoch vermessen, in einer Begrüßungsansprache auch nur zu versuchen, auf diese Fragen eine Antwort zu geben. Vielleicht kann ich aber einige Fragen aufwerfen, die von besonderer Bedeutung für unsere Aufgabenstellung sind und mit Kulturprozessen und Weltpolitik zusammenhängen.

Ich möchte mit den Fragen Moderne und Postmoderne, Optimismus – Pessimismus beginnen.

Unser Jahrhundert war blutig, grausam und barbarisch wie keines zuvor. Dennoch möchte ich nicht ein eine Vormoderne zurückfallen. Ich kann mich aber auch an einer Postmoderne nicht begeistern, die davon ausgeht, daß alles entschieden ist, daß eine fundamentale Veränderung der Politik nicht möglich ist. Dies hieße das politische Denken auf Alternativlosigkeit festzulegen.

Daher sollten wir fragen, was können wir von der Aufklärung übernehmen, was hat sich als irrig herausgestellt? Welche Rolle spielen Vernunft, Emotion, Macht? Stimmt es, daß unsere Gesellschaft nicht mehr verbesserungsfähig ist? War sie immer schon so schlecht oder wurde sie erst so schlecht? Das cogito ergo sum gehört der Vergangenheit an. Vielleicht könnten wir aber zu der Aussage kommen: "Wir sind, daher bin ich".

Ich glaube jedenfalls, daß Krieg nicht gottgewollt ist, nicht Schicksal des Menschen sein muß. Die menschliche Geschichte muß nicht ein ewiges permanentes Schlachtfeld sein, sondern die Menscheitsgeschichte zeigt, daß es nicht nur Kriegs-, sondern auch Friedensursachen gab. Es ist daher wichtig, sich stärker mit den Friedensursachen zu beschäftigen, wenn wir zu mehr Frieden kommen wollen.

Frieden ist sicherlich eine Sisyphusaufgabe. Es wäre auch verfehlt, mit einem kurzsichtigen Optimismus an die gewaltigen Herausforderungen unserer Zeit heranzugehen. Unsere Gesellschaft ist unübersichtlich, die Verhältnisse sind komplexer geworden. Diese Komplexität läßt sich weder durch Vereinfachung, noch durch das Prinzip des Gordischen Knotens auflösen. Ebenso gilt es aber auch festzustellen, daß der Aufbau einer Kultur des Friedens nicht mit schwarzer Philosophie oder Apokalypse erfolgen kann.

Ein Wort zu Pazifismus, Friedenskonzept und Sicherheit.

Ich bin persönlich seit dem Jahre 1945 Anhänger eines pazifistischen Denkens und würde es sehr begrüßen, wenn sich dieses ausweitet. Daneben muß es aber auch ein Friedenskonzept geben, das als Alternative der heutigen Realpolitik entgegengestellt werden kann. D.h., es muß ein Friedenskonzept sein, das Vorsorge gegen die Mißachtung des Friedensgebotes durch einen Angreifer trifft, d.h. daß jeder Staat, jede Staatengemeinschaft und jeder Kontinent sollte nur über so viel militärische Kräfte verfügen, die zur Verteidigung des eigenen Territoriums benötigt werden. In der Praxis würde dies bedeuten, daß die Verteidigungsdoktrin der neutralen Staaten auf Weltmaßstab ausgedehnt wird. Da heimliches Rüsten oder Aufrüsten heuten nicht mehr möglich ist, gebe es auch kein Sicherheitsdilemma.

Die heutige Sicherheitspolitik geht jedoch noch immer den Weg der Maximierung der Sicherheit, der durch Jahrtausende immer wieder zu Krieg geführt hat. Es wird versucht, größere Sicherheit dadurch zu erlangen, daß man über mehr Militär und Waffen und qualitative Rüstung als andere Staaten verfügt. Die Staaten bereiten sich nicht auf den Frieden, sondern auf den Krieg vor. Dadurch ist nicht nur die Gefahr, daß es tatsächlich zu Krieg kommt, größer, sondern hinzu kommt, daß der Preis für den Krieg viel höher ist als der Preis, der für den Frieden zu bezahlen ist. Die heutige Real- und Sicherheitspolitik stellt daher nicht nur eine obszöne Verschwendung von natürlichen und menschlichen Ressourcen dar, sondern die Maximierung der Sicherheit erzeugt eine beispiellose Unsicherheit als Folge ihres Bemühens, zu immer größerer Sicherheit zu gelangen.

Zum Abschluß möchte ich Sie noch über ein Projekt informieren, von dem wir hoffen, daß es ein einzigartiger Beitrag zu einer Kultur des Friedens wird. In der Welt gibt es etwas 35 Friedensmuseen, die aber immer nur einen lokalen oder regionalen Teilaspekt eines Friedensmuseums darstellen. Wir wollen daher die Burg Schlaining in ein Europäisches Museum für Frieden verwandeln, in dem im großen Keller der Burg Realitäten der Gewalt, des Krieges, der Umweltzerstörung, der Ungleichheit gezeigt werden, während im übrigen Teil der Burg der Versuch unternommen werden soll, den Frieden in all seinen Möglichkeiten und Ansätzen zu visualisieren. Durch Werkstätten des Friedens, durch Schatzkammern des Friedens, durch die Darstellung von Frieden und Sinneswelten und durch das Aufzeigen der verschiedenen Visionen des Friedens. Die Eröffnung dieser großen Ausstellung findet am 8. Mai 2000 statt und ich darf Sie jetzt schon herzlich einladen.

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