Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 5. Nr. Juli 1998

Konfliktlösung und Kultur in Afrika

D. Simo (Yaounde)
[BIO]

 

Am 21. November 1990 wurde bei der Konferenz für die Sicherheit in Europa das Ende des kalten Krieges ganz offiziell in Paris proklamiert. Die Europäer und die Amerikaner konnten aufatmen, weil das ständige Risiko einer apokalyptischen Konfrontation zwischen den zwei ideologischen Lagern somit verschwunden war. Der kalte Krieg war aber für die Europäer im Grunde eine Friedensperiode, und am Ende war das Risiko eines Krieges immer geringer gewesen. Einige sprachen schon vom Ende der Geschichte.

Aber nur für die unmittelbaren Protagonisten, nämlich die Sowjetunion und ihre Trabanten sowie die USA und ihre Verbündeten war der kalte Krieg kalt gewesen. Für die meisten Staaten des Südens ist er immer ein heißer Krieg gewesen. Die rivalisierenden ideologischen Lager konnten zwar den Krieg vom eigenen Boden verbannen, aber nur, um ihn umso besser in andere Länder zu verlagern. So waren viele Konflikte und viele Kriege in den 70er und 80er Jahren in Afrika Stellvertreterkriege. Der Krieg in Mozambique, in Angola wurde in mancher Hinsicht durch die westlichen und östlichen Staaten vielleicht nicht entfacht, aber zumindest gefördert und mit Waffen am Leben gehalten. Nach dem Ende des kalten Krieges konnten diese Kriege deshalb beigelegt werden.

Aber nicht alle Konflikte waren das Produkt des kalten Krieges. Mit dem Ende des kalten Krieges konnten sogar neue Konflikte entstehen, die durch die amerikano-sowjetische Hegemonie vorerst überdeckt werden konnten. So erscheint Afrika heute mehr denn je als ein Krisenkontinent. Mann könnte ohne Übertreibung behaupten, daß der ganze Kontinent ein Konfliktfeld mit unterschiedlichen Krisenherden in fast allen Ländern darstellt. Nur sehr wenige Staaten können heute behaupten, nicht Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung zu laufen. In fast allen gibt es eine offene, eine kriechende oder eine latente Kriegsgefahr. (Ayissi 1994)

Offene Kriege haben wir noch in Somalia, in Rwanda, im Sudan, in Burundi usw. Kriechende Kriege d.h. permanente Konfliktsituationen, die sporadisch in bewaffnete Konfrontationen ausarten, haben wir in Senegal, mit dem Casamanceproblem, in Niger und Mali mit dem Tuaregproblem, in Algerien usw. Latente Kriegsgefahr, die aus einer labilen soziopolitischen Situation resultiert, gibt es in den meisten Staaten.

Wie lässt sich das erklären? Wie kommt es, daß ein Kontinent, der so glücklich war, sich der Fessel der Kolonisation zu entledigen, eine solche Zerstörungslust entwickelt? Manche sind geneigt, eine hobbesianische Erklärung zu geben. Der englische Philosoph Hobbes vertrat im 17. Jahrhundert die Idee, daß der Mensch ein grundsätzlich aggressives Wesen ist und daß nur eine Regierung oder eine Macht diese Neigung zu unterbinden vermag. Das Fehlen einer Großmacht, die die Polizeifunktion übernehmen und aggressive Gelüste mit Gewalt unterbinden könnte, wäre in dieser Hinsicht das größte Problem. In den Ausführungen Huntingtons schwingen solche Annahmen mit: Aber auch verschiedene Versuche der Errichtung einer Peacekeeping Force in Afrika gehen von dieser ontologisierenden Erklärung aus. Andere Beobachter gehen von einer rassistischen Variante des Hobbesianismus aus und behaupten eine aggressive Natur nicht des Menschen schlechthin, sondern des Afrikaners. Solche Thesen werden neuerdings kaum mehr in der Öffentlichkeit proklamiert, sie bestimmen nichtsdestoweniger das Denken und das Handeln vieler Kräfte durch die Welt. Aus dieser Überlegung leitet man dann die Notwendigkeit einer außerafrikansichen Interventionskraft, die Konflikte mit Gewalt beenden könnte, ab. Das Beispiel Rwandas zeigt aber deutlich, daß der größte Genozid in den letzten Jahren vor den Augen französischer Truppen und unter Mitwirkung einiger Franzosen und Belgier geschehen konnte. Deshalb haben einige Politiker Anfang März 1998 die Bildung eines parlamentarischen Ausschusses zur Untersuchung der Rolle Frankreichs und seiner Armee bei den Massakern von 1994 in Rwanda durchgesetzt. Die Belgier hatten schon eine ähnliche Untersuchung angeordnet. Die Mitschuld dieser Länder, die als Ordnungsmächte im Land präsent waren, zeigt deutlich, daß ein rassistisches Erklärungsraster jeder Grundlage entbehrt.

Da bleibt nun die sozio-historische und politische Erklärung. Drei Typen von Konflikten können in Afrika identifiziert werden. Grenz-, Sezessions- und Sukzessionskonflikte. Grenzkonflikte resultieren entweder aus der nichtübereinstimmenden Interpretation der kolonialen Grenzziehung (Kamerun-Nigeria) oder aus der Infragestellung dieser Grenzen (Marokko). Sezessionskonflikte gründen auch auf die Infragestellung imperialer Staatsgebilde wie in Äthiopien, aber vor allem auf die Nichtanerkennung der neuen Staaten, die durch die Kolonialmächte ohne Berücksichtigung ethnischer oder sonstiger schon existierender politischer Einheiten allein aufgrund der Interessen der konkurrienden europäischen Mächte im 19. Jahrhundert künstlich gebildet wurden. Viele ethnische oder regionale Gruppen streben daher nach ihrer Loslösung von ihrem Staat (Casamance im Senegal, Südsudan usw.). Sukzessionskonflikte sind Streitigkeiten um die Macht. Sie sind oft ethnisch motiviert und drücken dem Willen einer Gruppe, die Macht an sich zu reißen oder zumindest daran teilzunehmen, aus. Sie sind also die Konsequenz nichtdemokratischer, nepotischer und patrimonialer Regierungssysteme, die große Teile der Bevölkerung aus der Machtausübung oder aus der Teilnahme an öffentliche Angelegenheiten ausschließen und sie bei der Verteilung von Pfründen und anderen Vergüngstigungen benachteiligen, was durch Ausübung einer strukturellen oder offenen Gewalt möglich ist. Diese Gewalt produziert dann früher oder später eine Gegengewalt seitens der Benachteiligten. Solche Konflikte sind die häufigsten.

Wer vor zwei Jahren Fernsehbilder aus der Hauptstadt Liberia sehen konnte, wo Jugendliche wie in einem fröhlich anmutenden Ballett von einer Straßenseite zu einer anderen im Tanzschritt hüpften, mit schweren Gewehren beladen, von denen ab und zu eine tödliche Salve losging, muß zu dem Schluß kommen, daß über die oben angeführten Gründe hinaus, durchaus psychologische Motivationen junge Leute in das Spiel mit Gewehren treiben müssen. Der Friedensforscher aus Äthiopien, Hizkias Assefa, hat dieses Verhalten der jugendlichen im liberianischen Bürgerkrieg analysiert und kommt zu dem Schluß, daß bei ihnen eine doppelte Frustration zum gewalttätigen Verhalten führt. Die durch die internationalen Medien im Zuge der Vernetzung und Verkabelung fast aller Ecken der Welt propagierten Bilder erwecken in ihnen Wünsche und Fantasmen. Gleichzeitig müssen sie feststellen, daß ihre Armut, der unterentwickelte Zustand ihrer Gesellschaft, schlimmer noch, was sie sind (ihre Nationalität, ihre Rasse) unüberbrückbare Barrieren zur Verwirklichung ihrer Fantasmen darstellen. Dies führt zu einem Selbsthaß, der in grenzenlose Gewalt ausartet. Assefa spricht vom Rambosyndrom, das dazu führt, daß sie gegen jeden, der sie an ihr eigenes gehaßtes Selbst erinnert, reagieren. Auch der Theoretiker der Befreiungsbewegungen Frantz Fanon hat auf solche selbstzerstörerische Gewalt in der Kolonialzeit hingewiesen. (Assefa 1997)

Konflikte haben also in Afrika verschiedene Gründe. Zu diesen Gründen gehört auch zweifelsohne der Prozeß der Internationalisierung, die heute Globalisierung genannt wird, und die sehr früh in Form der Kolonisation einsetzte. Diese Kolonisation hat eine willkürliche Umgestaltung des Raumes in Form von neuen Grenzziehungen vorgenommen, die heute viele Konflikte verursachen. Sie hat auch durch die Zementierung einer asymmetrischen Beziehung zwischen dem Norden und Süden Armut, Unterentwicklung und Frustrationen hervorgerufen, die eine permanente Gefahr für den Frieden darstellen. Die Unfähigkeit und der Egoismus der meisten Regierenden hat dieses Gewaltpotential verstärkt.

Formen der Internationalisierung von Konflikten

Eine systematische Analyse der internationalen Mechanismen der Konfliktlösung, die auch in Afrika funktionieren oder funktioniert haben, kann ich hier aus Zeit-, aber auch aus Kompetenzgründen nicht leisten. Ich möchte aber auf wichtige Prinzipien, die diesen Mechanismen zugrunde liegen, hinweisen.

Das Ende des kalten Krieges hatte für Afrika viele Konsequenzen, was seine Anbindung an die internationale Gemeinschaft betrifft. Es bedeutete das Ende der ideologischen Vormundschaft aber auch zugleich das Ende der forcierten Suche nach strategisch wichtigen Einflußzonen. Dadurch erfuhr Afrika eine geostrategische Abwertung. Gleichzeitig wurden neue Prinzipien der internationalen Politik entwickelt: Die Einmischung in die inneren Angelegenheiten wurde im Namen der "Menschenrechte", der "Interdependenz zwischen den Nationen" und des transnationalen Charakters der Friedensbedrohung immer stärker institutionalisiert.

Große und mittlere Mächte erlangten somit das Recht, die Souveränität kleinerer Staaten nicht mehr zu achten. In Afrika sind die Regierenden selbst sehr mißtrauisch gegenüber dieser Entwicklung. Aber auch sie mußten feststellen, daß die großen und mittleren Mächte immer weniger Interesse für innerafrikanische Konflikte zeigten.
Bei Huntington heißt es zynisch:

Die Gewalt zwischen Staaten und Gruppen aus unterschiedlichen Kulturkreisen jedoch trägt den Keim der Eskalation in sich, da andere Staaten und Gruppen aus diesen Kulturkreisen ihren "Brüderländern" (Kin Countries) zu Hilfe eilen werden. Der blutige Kampf der Clans in Somalia birgt nicht die Gefahr eines größeren Konflikts. Der blutige Kampf der Stämme Ruandas wirkt sich auf Uganda, Zaire und Burundi aus, aber nicht sehr viel weiter. Aus dem blutigen Kampf der Kultur in Bosnien, dem Kaukasus, Mittelasiens oder Kashmir könnten größere Kriege werden. (Huntington 1996, 24)

Vieles wäre über diese Aussage zu sagen. Aber hier wollen wir nur anmerken, daß mit dieser Typologie von Konflikten eine Begründung für eine diskriminierende internationale Intervention zur Beendigung von Konflikten gegeben wird. Der vorige Generalsekretär der UNO, Boutros Boutros-Ghali, der eine solche diskriminierende Haltung im Sicherheitsrat beobachtete, hielt sie für unhaltbar und gefährlich. (Vgl. seine Rede am 24.07.1992) Auch wenn die UNO weiterhin in Konfliktlösung in Afrika involviert bleibt, ist ihre Intervention sehr begrenzt. Dasselbe gilt auch für die USA und zum Teil auch für Frankreich. Dies führte dazu, daß die meisten afrikanischen transnationalen Organisationen selbst Mechanismen der Konfliktlösung entwickeln mußten. So zum Beispiel für die Organisation afrikanischer Staaten und die Organisation westafrikanischer Staaten. Diese letztere, ECOWAS (Economic Community of West African Staates) genannt, hat sich schon seit einigen Jahren ein bewaffnetes Organ, ECOMOG (ECOWAS Cease-fire Monitoring Group) genannt, zugelegt, um Konflikte innerhalb der Mitgliedstaaten zu beenden. Dieses Organ, das unter der Führung der Regionalmacht Nigeria steht, hat zunächst jahrelang versucht, die Bürgerkriegsparteien in Liberia auseinander zu halten und ihm ist es immerhin gelungen, Wahlen in dem Land abzuhalten. Und die Wahlen scheinen im Moment Frieden im Land gebracht zu haben. Die neueste spektakuläre Aktion der ECOMOG war die Wiedereinsetzung des durch Soldaten gestürzten Präsidenten Sierra Leones, der nach 9 Monaten sein Amt Anfang März wieder nach heftigen Kämpfen vorerst zurückerobern konnte.

Die Mechanismen dieser regionalen Organisationen setzen, genauso wie die meisten Maßnahmen der UNO erst an, wenn die Konflikte die Schwelle zur Gewalt überschritten haben. Man nennt sie "reactive conflict prevention" (Reaktive Konfliktverhütung). Sie zielen darauf ab, die Intensität, die Dauer und die geographische Ausdehnung der Konflikte zu begrenzen.

Grenzen dieses internationalen Konfliktmanagements

Diejenigen, die mit dem Management der Konflikte beauftragt sind, waren bis vor kurzem vor allem Diplomaten und Militärs. Die meisten Konflikt- und Friedensforschungszentren sind deswegen in den militärischen Akademien lokalisiert. Dies mag auch die Philosophie der Friedenspolitik erklären. Immer noch gilt das Prinzip: Wenn sie den Frieden wollen, müssen sie den Krieg vorbereiten. D.h. nur mit den Waffen kann man verhindern, daß der Krieg ausbricht und wenn der Krieg trotzdem doch noch ausbricht, braucht man erst recht Waffen, um ihn zu beenden. Friedenspolitik wird somit einfach zu einer militärischen Politik erklärt.

Die traditionelle Diplomatie ihrerseits geht mit ihren gewohnten Kategorien an Konflikte heran. Sie fragen zunächst nach dem unmittelbaren Interesse der Mächte für die sie arbeiten, oder der Organisationen, für die sie arbeiten. Die Argumentation von Huntington haben wir vorhin schon erwähnt. Der belgische Friedensforscher Luc Reychler schreibt auch dazu:

Africa is full of alarm bells and flashing lights. But as long as major countries or their international organizations do not perceive their vital interest at stake, proactive conflict prevention will remain a pipe dream. Moral or humanitarian concerns do not seem to guarantee effective conflict prevention measures. This leads to paradoxical results. Instead of more cost effective proactive efforts, justified by enlightened self interest, we see costly reactive measures, triggered by moral considerations. It will take a great effort to convince the international community that in a complex interdepent world conflict prevention is of vital interest. (Reychler 1996).

Militärs und Diplomaten, weil sie vor allem auf eskalierte Konflikte reagieren, sehen sich mit einer Situation konfrontiert, wo sie zunächst die Kämpfe stoppen müssen. Aber die Konfliktparteien müssen danach lernen, zusammen zu leben. D. h.: Der Frieden muß aufgebaut werden. Und da sind Militärs und Diplomaten meistens hilflos. Auch bei der Schlichtung der Konflikte zeigt die traditionelle Diplomatie sehr schnell ihre Grenze.

Luc Reychler weist darauf hin, daß sie ausgebildet sind, um zwischenstaatliche Konflikte zu lösen. Der neue Typus von Konflikt, der seit dem zweiten Weltkrieg dominiert, nämlich der sogenannte "Low Intensity Conflict" (LICS) stellt sie aber vor neue Probleme. Ethnische oder nationalistische Auseinandersetzungen erfordern eine komplexere Analyse der Konfliktdynamik und eine neue Philosophie der Konfliktverhütung. In dieser Hinsicht hat Boutros Boutros-Ghali in seiner Agenda for Peace Akzent auf einen neuen Begriff gelegt: peace-building or peace-rebuilding. Im Gegensatz zu zwischenstaatlichen Konflikten, wo am Ende des Krieges jede Partei sich hinter klar definierte Grenzen zurückziehen kann, müssen im Fall ethnischer und sonstiger Bürgerkriege die Feinde von gestern weiterhin als Nachbarn in derselben Stadt, im selben Dorf leben. Das Ende der kriegerischen Auseinandersetzung bedeutet also nicht den Frieden. Viele Anstrengungen müssen unternommen werden, damit neue Beziehungen zwischen den Gruppen wieder geknüpft werden. Die Anerkennung dieser neuen Dimension des Friedens und die Notwendigkeit, Strategien zur ihrer Realisierung zu entwickeln, betrachten viele in der Friedensforschung als Paradigmawechsel, der die Forschung und die Praxis vor neuen Herausforderungen stellt. Ich meine, daß bei der Bewältigung in diesem peace-building oder peace-rebuilding process aber auch bei der proactive prevention Kulturwissenschaften eine entscheidende Rolle zukommen soll.

Kulturwissenschaften und Friedensaufbau

Zum peace (re)building werde folgende Schritte genannt:

Natürlich kann ein solcher Versuch sehr langwierig und komplex sein, und keiner vermag ein Patentrezept zu liefern. Nur die Beiträge verschiedener Expertisen können zum Erfolg führen.

Das Versöhnungsmodell, das sowohl in der Literatur als auch in der Praxis entwickelt worden ist, ist ein christliches Modell. Es gründet auf Kategorien wie Wahrheit, Geständnis, Vergebung, Gerechtigkeit.

Die "Truth and Reconciliation Comission" in Südafrika funktioniert nach diesem Modell. Gruppen, aber vor allem Individuen bekennen vor einem Ausschuß ihre Verfehlungen gegen Menschenrechte in der Apartheidzeit, und dies soll zu einer allgemeinen Katharsis führen, die die Grundlage für eine neue Gesellschaft schafft.

Die Schwäche dieses Modells liegt darin, daß es Verfehlungen vor allem als individuelle Verfehlungen betrachtet. Diese Verfehlungen waren aber in einem gegebenen Denksystem, in einer gegebenen Kultur nicht als Verfehlungen, sondern als heroische Handlungen, als Pflichtübung, als Freiheitskampf, usw. verstanden. Über das individuelle Verhalten hinaus sind die bis dahin unhinterfragten Selbstverständlichkeiten, Wahrheiten, die das Verhalten bestimmten, zu untersuchen. Nur diese Steuerungsmechanismen, die das Verhaltensgebot, die Standardisierung und die Konventionen in einer gegebenen Kollektivität regulieren, können Auskunft darüber geben, wie Menschen andere so hassen oder so verachten konnten, daß sie ihnen manches ohne Gewissensbisse antun konnten.

Albert Memmi und Frantz Fanon haben genau gezeigt, daß sowohl der Kolonialherr als auch der Kolonisierte Produkte der Kolonisation sind. Auch der Bure war ein Produkt der Apartheid, genauso wie die ANC, die Townships usw. Erst eine genaue Untersuchung der Kultur, die die Apartheid produziert hatte, vermag Einsichten in die verschiedenen Rollen, in die Menschen sich gedrängt sahen, zu beleuchten. Nur eine solche Untersuchung kann kollektive Mechanismen der Abschottung, der Abgrenzung, der Ausgrenzung, der Selbstglorifizierung, des zerstörerischen Selbsthasses, der Widerstände, die schließlich das Zusammenleben unmöglich machen, sichtbar machen. Bei der Wahrheitsfindung reichen individuelle Bekenntnisse nicht aus. Kulturwissenschaftler müssen auch herausarbeiten, aufgrund welches Systems, aufgrund welcher Standardisierungen die einen die anderen nur als Feinde betrachten konnten. Dadurch werden Individuen nicht von jeder Verantwortung befreit, denn Abweichung, Aussteigen aus der Dynamik ist immer möglich gewesen. (vgl. Memmi 1968, Fanon 1961, Fanon 1971)

Die Kulturwissenschaften können nicht nur Mechanismen, die zur Eskalation der Konflikte führen, analysieren, sie können auch Modelle der Überwindung der daraus resultierenden psychologischen Wunden erarbeiten. Sie können Aufklärung und Erziehungsmodelle erarbeiten, die auf die Festigung der Grundqualifikation interkultureller Kommunikation hinwirken, die bei jedem Menschen immer vorhanden ist, im Prozess der Identitätskonstruktion und der Abgrenzung von dem Anderen aber verdrängt wird, nämlich: Empathie, Rollendistanz, Ambiguitätstoleranz und Kommunikationsfähigkeit.

Gewiß, auch Kulturwissenschatler vermögen kein Allheilmittel gegen Gewalt zu liefern, aber sie können bei den unabdingbaren, wenn auch oft wie Sysiphusarbeit erscheinenden Versuchen, die Eskalation von Konflikten zu verhindern oder das Zusammenleben nach den Konflikten zu organisieren, einen Beitrag leisten.

© D. Simo (Yaounde)

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Literatur:

Assefa, Hizkias: La philosophie de la paix et ses implications sur les conflits, la gouvernance et la croissance économique en Afrique. Document présenté à Bamenda -Cameroun Juillet 1997

Ayissi, Anatole N.: Le défi de la sécurité régionale en Afrique après la guerre froide: vers la diplomatie préventive et la sécurité collective. Nations Unies; New York et Genève 1994

Fanon, Frantz: Les damnés de la terre. édition Maspero; Paris 1961

Fanon, Frantz: Peau noire, masque blanc. édition du seuil; Paris 1971

Huntington, Samuel P.: Kampf der Kulturen. Europaverlag; München-Wien 1996

Memmi, Albert: L'homme dominé. édtion Gallimard; Paris 1968

Reychler, Luc: Field diplomacy: a new conflict paradigm? in: IPRA; Brisbane 1996


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