Alfred Schmidt (Wien)
[BIO]
Bereits 1981 beschrieb der polnische Science Fiction Autor Stanislav Lem in seinem Roman `Also sprach Golem´ einen dem menschlichen Denken bedeutend überlegenen Super-Computer `Golem´, der sich nicht mehr genau lokalisieren läßt, sondern in Computernetzen `verstreut´ existiert und sich beliebigen Zugriff zu allen in den Netzen gespeicherten Informationen verschaffen kann. Sind wir dabei, mit dem Internet eine Art 'Golem' zu schaffen?
Der österr. Schriftstellers Josef Haslinger sprach kürzlich in einem Essay zum Thema Informationsnetze und Künstliche Intelligenz sogar von einer `Rückkehr des Göttlichen´ - wenn auch in deutlich zynischen Ton:
"Es gibt wieder eine höhere Instanz als den Menschen. Das Göttliche, das solange aus der Welt vertrieben war, ist zurückgekehrt ... Der Tag der Rückkehr läßt sich angeben. Es ist der 10.Februar 1996. An diesem Tag wurde der regierende Schachweltmeister Kasparov in Philadelphia vom IBM Computer Deep Blue besiegt. Der kommende Gott ist allwissend, allmächtig und bestimmt die Conditio humana. Er wird ... wie Nicholas Negroponte schreibt, die bisherigen Machthierarchien zerstören und die Weltbevölkerung in eine neue Einheit integrieren" (Die Presse, 12.9.1998, Spectrum S. II)
Ich möchte diesen kühnen Visionen aus dem Cyberspace ein sehr nüchternes Zitat gegenüberstellen aus einem Vortrag am Österreichischen Bibliothekartag (St. Pölten 1998). Zu Wort kamen dabei - durchaus ungewöhnlich für derartige Veranstaltungen - auch Benützer, die ihre Probleme und Kritik gegenüber den Bibliotheken recht deutlich formulierten. In einem Vortrag hieß es, sinngemäß, die großen Bibliothek setzten ihren Ehrgeiz heute vielfach in die Publikation möglichst spektakulärer und prestige-trächtiger Web-pages und vergessen dabei oft, daß der durchschnittliche Bibliotheksbenützer meist nicht mehr will, als die von ihm benötigte Literatur möglichst schnell und einfach zu bekommen.
Es stellt sich die Frage: wo stehen Bibliotheken heute in diesem Spannungsfeld von rasant fortschreitender Informationstechnologie und den realen Bedürfnissen ihrer Benützer?
1. Internet als Chance
Das Internet ist modern, darüber kann es keinen Zweifel geben. Es ist zum Synonym für moderne Informations- und Kommunikationstechnologie überhaupt geworden. Zwischen 1990 und 1998 stieg die Zahl der Internet-hosts (also Rechner mit Zugang zum Internet) weltweit von etwas über 300.000 auf mittlerweile über 30 Millionen, also um den Faktor 100. Die Anzahl der Web-server, also jener Rechner, die aktiv Informationen im WWW zur Verfügung stellen ist von knapp 150 (1992) auf über 2,5 Millionen heute gewachsen. (Quelle: Hobbes' Internet Timeline)
Alleine in den USA gab es im Mai 98 bereits 57 Millionen Web User. Das ist über ein Fünftel der Gesamtbevölkerung, weltweit sind es etwa 150 Millionen. Demgegenüber liegt nach dem von der EU herausgegebenen Eurobarometer 47.0 (Mai 97) der EU-Durchschnitt der Zahl der Internetuser zu Hause erst bei 4,4% der Bevölkerung, wobei Österreich mit 5% ziemlich genau im Durchschnitt liegt.
Dahinter steht das globale Problem des gravierenden Ungleichgewichtes im Zugang zu den Informationsressourcen z.B. zum Internet, die uns immer mehr in eine `Informations-Klassengesellschaft´ der `information-rich´ und `information-poor´ führt. Daß eine Großteil der Informationen im WWW heute noch kostenfrei angeboten werden, ändert nichts daran, daß zunächst die technische Infrastruktur für einen Zugang zum Netz geschaffen werden muß, bevor dieses Informationsangebot nutzbar wird. Dieses gravierende Ungleichgewicht in der globalen Verteilung besteht freilich genauso bei PKWs, Kühlschränken, Handys usw. usf.; - es wäre naiv zu erwarten, daß gerade der Bereich der Informationstechnologie hier eine Ausnahme machen sollte.
Faktum bleibt aber: dieses Medium hat die traditionelle Informationslandschaft, unseren
täglichen Umgang mit Information zumindest in einem Teil der Welt bereits so grundlegend
verändert, wie zuvor vielleicht nur die Erfindung des Buchdrucks oder das Medium
Rundfunk/Fernsehen. Die wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen Folgen davon können wir
heute kaum noch absehen.
Der Umgang mit Informationen aus dem Internet ist bereits Routine geworden, und zwar nicht
nur im professionellen, also etwa wissenschaftlichen Bereich, sondern auch im Alltag: Ob
ich nach Fahrplanauskünften der Eisenbahn suche oder einer Telefonnummer, das täglich
aktuelle Kinoprogramm oder die aktuellen Ausgaben der Tageszeitungen, alles steht mir
bereits online im Netz zu Verfügung. Diese Aufzählung ließe sich noch beliebig
fortsetzen. Das Medium Email ist zu einem unentbehrlichen Kommunikationsmedium geworden
und wohl bereits mit Telephon und Fax an Bedeutung gleichzustellen.
Auch die politischen Entscheidungsträger haben längst die Bedeutung dieses Mediums
erkannt. In der `Entschließung
zur Informationsgesellschaft´ des Europaparlaments vom 19.6.1998 heißt es etwa:
In Erwägung unzähliger Umstände fordert das Europäische Parlament u.a. "alle
politischen und legislativen Körperschaften auf, das Internet als Mittel zur
öffentlichen Bekanntmachung der gefaßten Entschlüsse zu verwenden". Außerdem wird
die Notwendigkeit hervorgehoben, "umgehend Kontaktstellen für einen kostenfreien
Zugang zum Internet einzurichten, um die Bürger mit diesem neuen Instrument vertraut zu
machen und ihnen den Zugang zu Informationen über Institutionen oder öffentliche
Dienstleistungen zu vermitteln."
EXKURS:
Auf der anderen Seite aber steht das Negativ-Image des Internets: als eines
ungeordneten, chaotischen Haufens von Informationsmüll, vollgestopft mit Pornographie,
rechtsextremer Propaganda usf..
Die unüberschaubare Vielfalt der Informationsangebote im WWW und das daraus entstehende
Gefühl der Orientierungslosigkeit führt häufig zum dem Mißverständnis, seriöse
Information sei in diesem Medium gar nicht enthalten. Es ist es etwa so, als würde man
sich über die Unübersichtlichkeit einer Großstadt beschweren und darüber, daß es
neben, Schulen, Museen und Bibliotheken auch Vergügungsviertel und Sexshops gibt. Eine
Stadt wächst organisch über eine längere Zeit ohne eine zentrale Steuerung;
unterschiedlichste Interessen, Rahmenbedingungen steuern dieses Wachstum. Das Resultat ist
naturgemäß komplex und unübersichtlich. Genauso beim Internet bzw. WWW. Da in einem
Netz Informationen zu den verschiedensten Zwecken für die unterschiedlichsten Benützer
angeboten werden, darf eine unüberschaubar gewordene Komplexität nicht überraschen. Es
gibt keine zentrale Verwaltung, Steuerung dieses Informations-Wachstums im Internet. Tim
Berners-Lee, einer der technischen Väter des WWWs, meinte kürzlich in einem Interview,
eine der wesentlichen Ideen bei der Entwicklung des WWW-Standards sei für ihn gewesen,
daß "jeder der hypertext lesen kann, auch in der Lage sein sollte, hypertext zu
schreiben und zwar kreativ".
Daß das Informationsangebot im WWW daher praktisch unkontrolliert wächst, ist die
logische Folge.
Aber genauso wie für eine Großstadt gilt für das WWW: es genügt die richtige
Adresse zu kennen und man findet das gesuchte Ziel, auch ohne die ganze Stadt zu
überblicken. Es genügt, den von mir gesuchten Punkt - das Museum X etwa - in der
unübersichtlichen Vielfalt erreichen zu können, dann stört mich das Chaos ringsum
nicht. Es hieße aber wohl zu weit zu gehen, deswegen, weil jemanden nur seine eigene
Wohnung, sein Stammlokal und sein Büro interessieren, alle anderen Gebäude in der Stadt
für nutzlos zu erklären.
Niemand zwingt uns dort hinzugehen, wo wir nicht hingehen wollen, so wie auch im Web
niemand uns zwingt, Seiten anzusehen, die wir nicht sehen wollen. So wie es auch
Rotlichtbezirke in jeder Großstadt gibt - nicht nur Museen - , gibt es sie auch im
Internet. Dies sagt weniger über die Schlechtigkeit der Einrichtung Großstadt /bzw.
Internet aus, als über die allgemeine Interessenausrichtung der Menschen.
Fazit aus dem ersten Punkt: das Internet / WWW bietet einen so gewaltigen Fortschritt, sowohl im Zugang zu den vielfältigsten weltweiten Informationsquellen, als auch in der Möglichkeit auf einfache Weise weltweit Informationen zu publizieren, daß heute daran kein Weg vorbei führen kann; - gerade nicht für Bibliotheken, die ja seit Jahrhunderten als zentrale Orte der Bewahrung und Vermittlung von Information eine wesentliche Rolle spielten.
2. Bibliotheken und Internet
Die Frage ist: wie reagieren Bibliotheken auf dieses neue Medium? In welcher Weise verändern sich ihre traditionelle Funktion, ihre Aufgaben? Bibliotheken bildeten über Jahrhunderte die wesentlichen Knotenpunkte für die Informationsströme in der Gesellschaft. Die klassische Funktion einer Bibliothek - die Sammlung/Archivierung, Erschließung und Bereitstellung von Information - war dabei immer an den Besitz der physischen Informationsträger gebunden. Dieses Paradigma gilt heute im Bereich der elektronischen Medien nur noch teilweise für die sog. Offline-Medien wie CD-ROMs, die von den Bibliotheken selbstverständlich genauso gesammelt und archiviert werden wie Printmedien, nicht aber für den Bereich der Online-Medien. Wie also sollen die Bibliotheken mit einem so andersartigen Medium, wie es das Internet ist, umgehen? Hier scheint eine tiefgehende Neuorientierung notwendig, eine Selbstbesinnung und Selbstbestimmung, welche Rolle Bibliotheken in dieser ganz neuartigen Informationslandschaft spielen wollen oder sollen.
Zumindest drei Aufgabenbereiche, die zwar eng miteinander zusammenhängen, aber doch klar unterscheidbare Funktionen beschreiben, lassen sich angeben:
Es gibt heute wahrscheinlich kaum eine größere wissenschaftliche Bibliothek, die nicht ihre Homepage im WWW anbietet, wobei die erwähnten geographischen Ungleichheiten naturgemäß auch hier voll zum Tragen kommen. Klar ist, daß Bibliotheken einer unüberschaubaren Konkurrenz unterschiedlichster Informationsanbieter im Netz ausgesetzt sind. Worin könnte ihre Stärke liegen? Sie liegt wohl im Besitz von großen Mengen von traditionellen, oft historisch einzigartigen Dokumenten und im Besitz von systematischen Metadaten über diese Informationsträger, sprich ihrer Kataloge.
Ein WWW-Zugang zu möglichst allen Bestandskatalogen einer Bibliothek ist
aber nur ein erster, fast schon selbstverständlicher Schritt. WWW-fähige OPACs sind
längst zu Standardkomponenten moderner Bibliothekssysteme geworden.
Als Beispiel eines für einen vorbildlichen, technisch weit fortgeschrittenen WWW-Opac
möchte ich das sogenannte 'Experimental Search System' der Library of Congress erwähnen.
Die Suchmaske der sog. `Advanced
Search´ ist auf den ersten Blick verständlich, bietet aber gleichzeitig eine großes
Ausmaß an Suchkomfort. Es bestehen eine Reihe von Auswahlmöglichkeiten - etwa zwischen
exakter Wort-Suche und einer probabilistischen fehlertoleranten Suche, weiters ist eine
Einschränkung auf bestimmte Sprachen oder Erscheinungsjahre möglich, außerdem auf
Dokumentenarten wie Monographien, Periodika, Karten, Bilddokumente u.a. bis hin zu
Online-Dokumenten, außerdem werden die aktuellen Bestandszahlen für jeden Bereich
angezeigt.
Eine wirklich große Herausforderung in diesem Bereich liegt in der
Erstellung von gemeinsamen Web-OPACs, die entweder echten Verbundkatalogen mit gemeinsam
erstellten und verwalteten Datennachweisen entsprechen oder aber ´virtuelle Verbünde`
bilden, bei denen heterogene Daten nur unter einer gemeinsamen Web-Oberfläche
zusammengeführt werden, um mit einer Suchfrage in den verschiedenen Datenbanken
gleichzeitig suchen zu können.
Als Beispiel sei die Z39.50-Schnittstelle der
Deutschen Bibliothek erwähnt. Wichtige technische Vorarbeiten dazu wurden im
EU-Projekt ONE geleistet. Ein anderes Beispiel ist der Karlsruher Virtuelle Katalog
(KVK), der eine gleichzeitige Suche in einer ganzen Reihe großer bibliographischer
Datenbanken wie etwa der Library of Congress, der British Library und zahlreichen
deutschen Bibliotheksverbünden erlaubt. In welchen Datenbeständen gleichzeitig gesucht
wird, kann der Benutzer jeweils selbst bestimmen. Natürlich ergeben sich in der
Trefferanzeige Redundanzen, da die gleichen Treffer aus den verschiedenen Datenbanken
nacheinander angezeigt werden.
Im Rahmen von GABRIEL - dem
gemeinsamen Server der Nationalbibliotheken Europas - wird bereits über eine ´Virtual
European Library` diskutiert, in der alle Datenbanken der europäischen
Nationalbibliotheken auf der Basis des Z39.50 Standards in einem OPAC zusammengeführt
werden sollen.
Bibliotheken begnügen sich aber längst nicht mehr damit, Kataloge ins
Internet zu stellen. Ehrgeizige nationale Digitalisierungsprogramme verfolgen die Absicht,
ausgewählte, kulturhistorisch wichtige Dokumente und Sammlungen direkt via WWW
zugänglich zu machen.
Ich möchte relativ willkürlich auf einige Beispiele verweisen: Das American Memory Programme der Library of Congress
umfaßt mittlerweie etwa 40 Themen zur amerikanischen Geschichte zu denen eine große Zahl
digitalisierte Dokumente (Bilder, Texte, Tonträger) aus dem Bestand der LoC via WWW
angeboten werden. Es ist Teil eines umfassenden 'National Digital Library' Programmes, in
das auch wichtige Bestände anderer Institutionen einbezogen werden sollen und das zum
überwiegenden Teil aus Sponsor-Mitteln finanziert wird.
Eine ganz ähnliche Zielsetzung verfolgt etwa das französische Gallica-Projekt der Bibliothèque Nationale de France.
Bis zum Jahr 2000 sollen über 300.000 ausgewählte Texte und Bilder zur französischen
Geschichte via WWW zugäglich gemacht werden;
Auch in Österreich gibt es ein ähnliches, im Umfang allerdings bescheideneres Projekt,
die AEIOU-Kulturdatenbank. Sie enthält neben
einem Österreich-Lexikon mit über 13.000 Stichworten thematische Materialsammlungen zu
verschiedenen Themen, u.a ein S. Freud-Album.
Das Problem einer dauerhaften Archivierung und Benützbarkeit elektronischer Medien - speziell von Online-Publikationen - wird zu den zentralen bibliothekarischen Herausforderungen in nächster Zukunft zählen. Warnende Stimmen gibt es bereits zahlreich, wirkliche Lösungsansätze noch kaum. Prof. Klaus Lehmann von der Deutschen Bibliothek sprach in einer Publikation 1996 bereits von `kurzen Gedächtnis der digitaler Publikationen´ (Zeitschrift für Buch und Bibliothek 43 (1996) 3, S. 209 ff). Terry Kuny, ein Experte der Kanadischen Nationalbibliothek, warnt in einer jüngsten Publikation bereits vor den `Digital Dark Ages´:
"We are in my mind living in the midst of digital Dark Ages; ... Enormous amounts of digital information are already lost forever." (International Preservation News. Nr. 17, May 1998, a.a.O S.8)
Zu ähnlichen Befürchtungen kommt auch der 'Internet-Archivist' Brewster Kahle, Betreiber des sog. Internet Archive, das sich als private Initiative zur Ausgabe gestellt hat, zumindest Teile des frühen Internets zur dem Vergessen zu retten. In einem Artikel im Scientific American 11/4/96 `Archiving the Net´, nennt er erstaunliche Zahlen:
" While the Internet's World Wide Web is unprecedented in spreading the popular voice of millions that would never have been published before, no one recorded these documents and images from 1 year ago. ... the average lifetime of a document is 75 days and then it is gone".
D.h. in einem Monat verschwinden etwa die Hälfte der Inhalte aus dem WWW. Das ist aber eine ganz entscheidende Erkenntnis für den Umgang mit diesem Medium.
Im Bereich der sog. elektronischen Offline-Medien (also Publikationen die auf festen Datenträgern wie CD-ROM erscheinen) mag das Problem noch überschaubar sein, wenn auch der nötige Aufwand enorm ist. Um eine heute hergestellte CD-ROM in 50 oder gar 100 Jahren noch benützen zu können genügt es nicht, sie in ein Regal zu stellen wie Pergament-Kodices, die mühelos Jahrhunderte wohlbehalten überstanden haben. Entweder müssen wir versuchen, die heute üblichen Abspielgeräte + Software mitzuarchivieren, also eine Art technisches Museum einzurichten - ein wohl kaum realistischer Weg - , oder die Daten müssen laufend auf neue aktuelle Datenträger und Datenformate migriert werden, was einen erheblichen Aufwand bedeutet.
Im Bereich der reinen Online-Publikationen - also etwa Web-Publikationen - ist die Situation wesentlich dramatischer. Das Internet ist ein Medium, das wie kaum ein anderes auf aktuellen Informationsbedarf zugeschnitten ist. Ein Dokument, das einmal aus dem Netz verschwindet, weil etwa der Server abgestellt wird, ist praktisch inexistent. Eine Archivierung bringt hier wesentlich komplexere Probleme mit sich, da es sich um dynamische, im Prinzip jederzeit veränderbare Dokumente handelt. Und doch gibt es keine Alternative dazu, will man nicht diesen Teil unseres Kulturerbes bewußt dem Vergessen überlassen. Ändern sich die Datenträger, mittels derer Informationen verbreitet werden, so müssen Bibliotheken in ihrer Funktion des kulturellen Gedächtnisses notgedrungen diesen Wandel mitmachen. Es gibt längst - neben einer Flut von durchaus nicht unbedingt Archiviereneswertem - zahlreiche `Online-Publiaktionen´, die zweifellos `archivierungswürdig´ sind, und zu denen auch keine parallelen Printpublikationen mehr existieren.
Empfehlungen der Conference of Directors of National Libraries (CDNL) weisen
ausdrücklich in die Richtung, die Sorge für die dauerhafte Erhaltung elektronsicher
Publikationen inkl. der immer wichtiger werdenen Online-Publikation als Aufgabe der
Nationalbibliotheken anzusehen und in eine neue Gesetzgebung zum Legal deposit
einzubeziehen. (THE LEGAL
DEPOSIT OF ELECTRONIC PUBLICATIONS prepared by a Working Group of the CDNL,
unter dem Vorsitz von Brian Lang. Dez. 1996)
Zu einem im wesentlichen gleichen Ergebnis kommt auch die im Auftrag der EU erstellte
Studie von Mackenzie Owen und v.d. Walle `Deposit collections of electronic publications',
Luxembourg 1996.
Eine mögliche Alternative, nämlich die dauerhafte Archivierung den Herausgebern elektronischer Publikationen selbst zu überlassen, scheint mir wenig ratsam. Mögen die Verleger auch heute garantieren, daß in ihrem eigenen Online-Archiv alle Informationen auf alle Zeit hin erhalten bleiben, so bleibt erstens die Frage offen, wie lange es ein wirtschaftliches Interesse der Verleger an der Bewahrung veralteter Daten gibt, und zweitens, selbst dies vorausgesetzt, ist es durchaus unsicher, wie lange die Verlage selbst bestehen werden. Bibliotheken denken in anderen Zeitdimensionen. Wenn Sie heute eine Ausgabe der Neuen Freien Presse aus dem vorigen Jahrhundert suchen, sind Sie besser beraten, sich gleich an eine Großbibliothek, z.B. die ÖNB, zu wenden, als bei der Presse nachzufragen.
Ich möchte noch kurz auf ein damit zusammenhängendes Problem verweisen: Wie zitiert man wissenschaftlich korrekt aus Online-Publikationen, z.B. Web-Publikationen? Von den heute als Quelle zitierten URLs (Uniform Resource Locations) führen in 5 Jahren sicherlich 50% ins Leere, in 10 Jahren vermutliche alle. Welchen Sinn haben also solche Zitate - z.B. meine in diesem Referat - , wenn die zitierten Dokumente in 10 Jahren gar nicht mehr existieren, oder nicht mehr auffindbar sind?
Daß das hier angesprochene Problem als solches zumindest bereits erkannt ist, zeigt
die Fülle an Projekten, die in den letzten Jahren zu diesem Thema entstanden sind:
Ich erwähne einige Beipiele:
Einige Prinzipien scheinen mir trotz einer Vielzahl von ungelösten Problemen außer
Frage zu stehen:
Notwendig ist :
Ich glaube, daß diesen Versuchen, dem an sich gedächtnislosen WWW eine zumindest rudimentäre geschichtliche Dimension zu geben, und damit Kulturinhalte, die mittels dieses Mediums publiziert wurden, auch für nachfolgende Generationen zu erhalten, größte Bedeutung zukommen muß, wenn sie auch im besten Fall nur einen winzigen Ausschnitt der Netzpublikationen vor dem Vergessen werden retten können.
Auf der dritten Ebene, dem Versuch das Internet zu ordnen, Orientierungshilfen, verläßliche Navigations- und Suchwerkzeuge anzubieten, sehe ich die Bibliotheken zunächst ebenfalls nicht in einer bevorzugten Rolle, sondern nur als ein Anbieter solcher Navigationswerkzeuge neben vielen anderen. Vielleicht aber kommt den Bibliotheken hier doch eine besondere Rolle zu, weil sie seit Jahrhunderten Methoden der Ordnung von Wissen entwickelt haben, die sich auch in diesem neuen Medium bewähren könnten.
Die einfachste Variante dieser Navigationshilfen bildet hier das persönliche Bookmark-Verzeichnis am eigenen PC. Es mag zwar - je mach Charakter des Besitzers - mehr oder weniger unsystematisch angelegt sein, hat aber den enormen Vorteil, genau das zu enthalten, was man wirklich braucht. Am anderen Ende der Skala stehen die jedem bekannten, völlig anonymen Search-Engines, die das ganze WWW nach eingegeben Stichworten durchsuchen. So unverzichtbar sie sind, bleiben die Resultate doch oft unbefriedigend. Nach einer neueren Untersuchung, deckt keine der angebotenen Suchmaschinenn mehr als ein Drittel des Gesamtinhaltes des Webs ab, wobei sich diese Resultate durch die kombinierte Suche in mehreren Searchengines durch sog. Metasuchmaschinen verbessern lassen.
EINE andere Gruppe von Navigationshilfen im WWW bilden systematisch geordnete, sachbezogenen Einstiegsseiten zu den Internetressourssen eines bestimmten Bereiches oder auch universell. Das wesentliche Problem dabei: Link-Sammlungen dieser Art, die heute praktisch schon in jeder Homepage angeboten werden, veralten schneller, als man sie erstellen kann. Werden sie nicht laufend gewartet, sind sie bald unbrauchbar. Das Angebot reicht hier von ganz spezifischen, sachlich eingeschränkten Übersichtsseiten, wie etwa `Austria Media Pages´ - als ein Beispiel unter Tausenden - eine Übersichtsseite zu den im Netz verfügbaren österreichischen Medien oder der Übersicht zu den österr. Bibliotheken bis hin zu universellen Gesamtübersichten wie etwa der WWW Virtual Library. Die Ordnungswörter verweisen - nach dem Prinzip eines systematischen Kataloges - jeweils auf abhängige Unterbegriffe, zu denen schließlich im Web vorhandene Ressourcen aufgelistet werden.
Daneben stehen Versuche einer traditionllen Katalogisierung von Internetressourcen entweder durch Einführung von sogenannten Metadaten oder auch durch die üblichen bibliothekarischen Werkzeuge. So erschließt Die Deutsche Bibliothek die von ihr gesammelten Netzpublikationen formal auf der Basis der RAK-Non Book Materialien und inhaltlich nach RSWK.
In der Diskussion um die Einführung von speziellen zusätzlichen Kategorien zur Beschreibung von Online-Publikationen, sog. Metadaten, hat das heute favorisierte Modell, das Dublin Core Set bestehend aus 15 solcher Kategorien, bereits eine gewisse allgemeine Akzeptanz gefunden:
Dublin Core Set (Quelle)
Nach diesem Schema beschriebene Dokumente sind dann mit geeigneten Werkzeugen wesentlich gezielter suchbar als bisher; sofern - und das ist die wesentliche Einschränkung - sie noch auf irgendeinem Server online verfügbar sind.
Eines scheint abschließend wichtig anzumerken: jede aufwendigere, systematische Erschließung, von Web-Ressourcen ist nur solange sinnvoll, als sie mit einer Archivierung dieser Dokumente gekoppelt ist. Andernfalls stehen wir in zehn Jahren vor bibliographischen Informationsfriedhöfen, die auf Dokumente verweisen, die es wohl einmal im Netz gab, die aber längst wieder daraus verschwunden sind.
3. ONB-online: die Homepage der Österreichischen Nationalbibliothek
Vor dem Hintergrund dieses zwangsläufig recht kursorischen Überblicks zum Thema Bibliotheken und Internet, möchte ich Ihnen nun noch einige ausgewählte Punkte aus der Homepage der ÖNB vorstellen.
Eine erste Version der ÖNB Homepage gab es bereits im Herbst 1995. Ein Forschungsprojekt des BMUkA 1996/97 ermöglichte es, ein komplette Neustrukturierung und professionelles Neudesign der Homepage durchzuführen. Es wurde neben dem Webmaster ein Homepage-Redaktionsteam eingesetzt: verteilte Verantwortlichkeiten für die Inhalte wurden festgelegt, mit dem Ziel, eine selbständige Aktualisierung der Webpages durch die Redakteure zu ermöglichen, weiters wurde ein Web-Graphiker und ein Verantwortlicher für den Bereich Datenbanken und ein weiterer für die Öffentlichkeitsarbeit bestimmt.
Die Gesamtzahl der HTML-files beträgt zur Zeit etwa 2700, plus einige größere
Datenbanken, auf die ich noch zu sprechen komme.
Kurz zur Benützung: Die monatlichen Zugriffe liegen bei 250.000 - 270.000 benützten
files. Das entspricht einer täglichen Zugriffszahl von etwa 10.000 files.
Der Komponente der äußeren Erscheinung der Homepage wurde von vornherein ein hoher Stellenwert beigemessen. Gerade im Bereich der multimedialen Information kommt dem Informationsdesign, also der übersichtlichen und benutzerfreundlichen Präsentation der Inhalte eine entscheidenende Rolle zu. Außerdem gilt es selbstverständlich auch, durch eine Homepage ein bestimmtes Image, eine `corporate identity´ zu vermitteln.
Ein kurzer Vergleich mit den Einstiegsseiten der Homepages anderer europäischer
Nationalbibliotheken (Die Deutsche Bibliothek, British Library, Bibliothequé
Nationale/Paris) zeigt, daß die ÖNB
dabei ganz bewußt auf Tradition und ein fast `imperiales Auftreten´ setzt.
Das schon erwähnte Forschungsprojekt ermöglichte die Einbeziehung eines professionellen
Web-Graphikers. Es wurde zunächst ein Grunddesign für alle wichtigen Funktionsbereiche
entwickelt, das dann von hauseignenen Web-Betreuern weitergeführt werden konnte.
Die sich laufend wiederholenden Navigationssymbole wurden speziell ausgewählten,
hauseigenen Vorlagen entnommen. Die Navigationsinitialen
stammen aus einer Erasmusausagabe des bedeutendsten Wiener Frühdruckers Johann Singriener
aus 1519; die Bildsymole (Auge, Ohr, Hand)
entstammen der Kunstsammlung des Johann Caspar Lavater, die mit über 22. 000
Kunstblättern, Bildern z.T., hochrangiger Künstler, eine wesentlichen Teil des Bestandes
der Porträtsammlung / Bildarchiv der ÖNB ausmachen (Eine Ausstellung ist für 1999
vorgesehen.)
Eine Grundentscheidung betraf etwa auch die Verwendung der frames-Technologie, die neben
einigen Nachteilen so wesentliche Vorteile in der Präsentation komplexerer Inhalte
bietet, das man nicht darauf verzichten wollte.
Das semantische Konzept der frames hat folgenden Aufbau:
ÖNB-Logo: gleichbleibend auf allen Seiten | Hauptmenue, gleichbleibend auf (fast) allen Seiten |
Gliederung des gewählten Abschnittes | Haupt-Textfenster |
Das Hauptmenue umfaßt zehn Punkte; die
sog. `Specials´ greifen wichtige Einstiegspunkte heraus, die im Hauptmenue erst auf
einer hierarchisch tieferen Stufe erscheinen.
Die Titel der Abschitte sollten möglichst selbsterklärend sein:
Die SUCHE ermöglicht eine Volltextsuche
in allen files der Homepage;
Der INDEX bietet eine Übersicht über
alle Abschnitte der Homepage in einer alphabetischen Liste mit systematischen
Untergliederungen.
Die EXPLORE-Funktion bringt die
obligatorischen Außenlinks zu mehr oder weniger verwandten Informationen, wobei es noch
einmal spezielle Links der Sondersammlungen der ÖNB gibt.
Der Abschnitt PUBLIKATIONEN bezieht sich
ausschließlich auf ÖNB-eigene Publikartionen, auch hier wieder nach Sammlungen
gegliedert.
Der Abschnitt CONTACT bietet
Kontaktadressen von Kontaktpersonen zu allen Abteilungen und inklusive einer Emailliste.
Die Sammlungsseite verweist auf die
neun historischen Sondersammlungen der ÖNB, die Gliederungen innerhalb der Sammlungen
wiederholen tw. die Hauptgliederung auf Sammlungsebene.
Die Benützungsseite bündelt alle
Informationen zur Benützung der Bibliothek vor Ort.
Das Kapitel ALLGEMEINES schließlich
vereinigt wichtige Grundinformationen zu Geschichte, Bestandszahlen, Sammelgebieten u.a.m,
bietet aber auch Multimedia-Präsentationen und die ersten Ansätze zu einer Digitalen
Bibliothek.
Der Abschnitt NEWS & EVENTS
bietet neben einem laufend aktualisierten Veranstaltungskalender auch ein Archiv zu den
Web-Präsentationen vergangener Ausstellungen der ÖNB, die teilweise in recht aufwendiger
Weise gestaltet wurden. Sie bilden neben den gedruckten Katalogen zu den Ausstellungen
eine bleibende multimediale Präsentation ausgewählter themenbezogener Schwerpunkte der
vielfältigen Bestände der ÖNB. Als Beispiel herausgreifen möchte ich die Ausstellung
zum heurigen `Sisi-Gedenkjahr´, also zum 100 Todestag von Kaiserin Elisabeth. Das
Bildarchiv der ÖNB zeigte dazu im März/April dieses Jahres eine vielbeachtete
Ausstellung unter dem Titel: ´Elisabeth Kaiserin von Österreich [...] Wunschbilder oder
die Kunst der Retusche´. Im
Bildkatalog der Präsentation können Sie einen Teil des in der Ausstellung gezeigten
Bildmaterials in 9 Abschnitte unterteilt durchblättern. Aus der hier gebotenen Liste der
Images können die Einzelbilder angeklickt werden, um zu einer Bildbeschreibung und auf
Wunsch zu einerm vergrößerten Bild zu gelangen. Geplant ist der Ausbau dieser
thematischen Sammlung auf 700 Abbildungen, die auch elektronisch per Email bestellbar sein
sollen.
Auf ähnliche Weise wurde auch eine Galerie von Komponisten
eingerichtet, von denen die Musiksammlung der ÖNB die Originalpartituren besitzt. Die
entsprechenden Musikbeispiele zu den Autographen können - vorausgesetzt, sie verfügen
über das entsprechende plug-in - als audio-files auf dem PC abgespielt werden.
In den ONLINE-SERVICES , dem eigentlichen Zentrum der Homepage, finden Sie bereits einen großen Teil der Bestandskataloge der ÖNB. Im Bereich der Druckschriften ist die ÖNB seit Anfang dieses Jahres in der Lage, ihren Bestand vollständig via Internet zur Verfügung stellen zu können. Neben dem bib-o-pac, der WWW-Suchmaske zum gemeinsamen wissenschaftlichen Bibliothekenverbund in Österreich, der die Neuzugänge etwa ab 1989/92 enthält, sind dies die vier großen Zettelkataloge: Nominalkatalog alt (1501-1929) und neu (1930- 1988/91), sowie die zeitlich entsprechendne Schlagwortkataloge alt und neu.
Innerhalb von wenigen Monaten ist es im Vorjahr gelungen, diese Zettelkataloge mit einem Umfang von insg. über 6 Mio. Zetteln als Imagekataloge im WWW suchbar zu machen. Dabei wurde als einzige Fremdleistung das Einscannen der Zettel an eine externe Firma in Auftrag gegeben, die mit einer Tagesleistung von 60.000 die Katalogzettel vor Ort einscannte. Die Images wurden täglich auf eine CD-ROM gespeichert und der ÖNB übergeben. Alle weiteren Bearbeitungsschritte wurden vom Informatikdienst des Hauses vollzogen. Zunächst wurden die Images vom TIF Format mit 900 pixel pro Zettel in GIF-Dateien umgewandelt (400 pixel, mit vier Graustufen) und daraus eine Datenbank aufgebaut, wobei von entscheidender Bedeutung war, daß die ursprüngliche Reihenfolge der Zettel erhalten blieb. Das an der ÖNB entwickelte Rechercheprogramm zu diesen Images (KATZOOM) ermöglicht - im Unterschied zu ähnlichen Produkten, die am Markt sind - einen Zugriff direkt auf die Images, es funktioniert ohne Leitkarten, ohne eine einzige Umwandlung von Bild auf Text. Es basiert auf einer simplen mathematischen Teilung der jeweils einem Buchstaben entsprechenden Menge an Zetteln/Images, die solange wiederholt wird, bis der gewünschte Zettel in Vollanzeige erscheint. Als zusätzliches Service besteht nun die Möglichkeit, von der Vollanzeige direkt eine Bestellung des gewünschten Werkes via Email abzusetzen, das Buch wird dann im jeweiligen Lesesaal für den Besteller bereitgelegt. Den Weg in die Bibliothek können wir Ihnen allerdings noch nicht ersparen.
Neben den großen Druckschriftenkatalogen finden Sie im Abschnitt Online-Services
auch noch eine Reihe von Datenbanken zu Sonderbeständen. Mit Ausnahme des
Autographenkataloges der Handschriftensammlung, der ebenfalls auf Basis KATZOOM, also als
Imagekatalog, realisiert wurde, handelt es sich dabei um allegro-Datenbanken, in denen Sie
in gewohnter Weise eine Index-unterstütze Feldsuche durchführen können.
Einige Informationen dazu:
Ariadne-Datenbank: ist eine
Dokumentation zum Thema frauenspezifische Literatur, wobei ausschließlich Bestände der
ÖNB ausgewertet werden. Die Dokumente werden inhaltlich nach einem eigenen feministischen
Thesaurus erschlossen. Die Suche erfolgt entweder durch Browsing in einem von sieben
Registern oder durch Stichworteingabe und logische Verknüpfungen. Zur Zeit enthält
die Datenbank etwa 16.500 Einträge.
Autographenkatalog:
erschließt den Hauptbestand an Korrespondenzstücken, also Briefen u.ä., der
Handschriftensammlung der ÖNB. Es handelt sich um etwa 140.000 Katalogzettel zu
Autographen von über 43.600 Personen, darunter berühmte Persönlichkeiten aus den
Bereichen Kunst, Wissenschaft und Politik. Der Katalog ist ebenfalls auf der Basis KATZOOM
realisiert und gleich den erwähnten Druckschriftenkatalogen zu benützen.
Eine spezielle Auswahl aus diesen Autographen, nämlich die Musikerbriefe, werden noch gesondert mit einer
Inhaltsbeschreibung erschlossen; der Bestand ist zur Zeit erst bis zum Buchstaben E
erschlossen. Die Datenbank auf der Basis ACCESS bietet einen Einstieg über den
Briefschreiber oder einen gemischte Sachindex, der auch die Adressaten enthält.
Die Esperanto-Datenbank
Trovanto erschließt die umfangreichen Bestände des Internationalen
Esperantomuseums/ Sammlung für Plansprachen, eine Besonderheit an der ÖNB. Sie enthält
Druckschriften, Manuskripte, Autographen, graue Literatur und audiovisuelle Datenträger
aus den Bereichen Interlinguistik und Sprachplanung. Vollständig erfasst sind die
Bestände ab dem Erscheinungsjahr 1996. Die Sacherschließung erfolgt dabei in Esperanto.
Im Hintergrund steht ebenfalls eine Allegro-C-Datenbank.
Die SINICA-Datenbank
enthält den kompletten Bestand an Druckschriften in chinesischer Sprache und Schrift bis
1996, der in den Druckschriftenkatalogen nicht verzeichnet ist. Als Besonderheit bietet
diese Datenbank eine Index der Personennamen und Titeln nicht nur in transliterierter
Form, sondern auch in chinesischen Schriftzeichen, vorausgesetzt, man hat einen
chinesischen Zeichensatz auf seinem PC installliert.
Und schließlich die Tabulae-Datenbank,
sie bietet eine erste grobe Bestandsinformationen zu den Handschriftenbeständen der ÖNB
und zu den Codices 1-15.500, das sind genau jene abendländischen Handschriften, die die
Hofbibliothek bis 1890 erworben hat und von denen ein gedruckter Katalog noch im vorigen
Jahrhundert publiziert wurde. Dieses achtbändige Werk trägt den schönen Titel `Tabulae
codicu manuscriptorum praeter graecos et orientales in Bibliotheca Palatina Vindobonensi
asservatorum I-VIII´, woher sich der Titel der Datenbank ableitet.
Zum Thema Bestandsinformation möchte ich noch eine weitere Variante aus dem
Österreichischen Literaturarchiv der ÖNB erwähnen.
Nach Auswahl des Menüpunktes Bestände im linken Frame der Sammlungsseite gelangt man zu alphabetischen Registern zu Personen
bzw. Körperschaften, von denen sich nachgelassene Schriften im Literaturarchiv
befinden. Durch Klick auf einen Namen gelangt man zu weiteren Informationen zum jeweiligen
Nachlasser. Neben einem Porträtphoto, einer Unterschrift finden sich zunächst
biographische Angaben zu Person und Literaturhinweise anschließend die Angaben zum
Bestand aufgegliedert nach den RNA-Kategorien (Werken, Korrespondenz, Lebensdokumente und
Sammlungen), sowie Hinweise über die Benützbarkeit der Materialien. Das Icon Auge
verweist auf vorhandene Images zu den Nachlaßmaterialien.
Zuletzt noch einige Worte zum Thema Archivierung von elektronischen Publikationen an der ÖNB. Auch darüber befinden sich Grundinformationen in der Homepage der ÖNB.
Kurz zur rechtlichen Situation: Zwar verpflichtet das Forschungsorganisationsgesetz
die Österreichischen Nationalbibliothek, dazu, "die in Österreich erschienene oder
hergestellte Literatur und sonstige Informationsträger" zu sammeln, zu erschließen
und zu archivieren (§ 28), eine entsprechende Regelung der Pflichtablieferung im Bereich
elektronischer Medien fehlt aber leider bislang. Das österreichische Mediengesetz (§43
f.) und die entsprechende Bibliotheksstückeverordnung (BGBl. Nr. 544/1981) regelt derzeit
nur die Ablieferung von (im Inland verlegten oder hergestellten) Druckwerken. Da die
elektronischen Medien also nicht an die ÖNB abgeliefert werden und auch sonst an keiner
Stelle in Österreich systematisch gesammelt und archiviert werden, besteht die akute
Gefahr, daß ein wesentlicher Teil unseres nationalen Kulturgutes langfristig
verlorengeht.
Die ÖNB wird sich deshalb nach dem Vorbild anderer europäischer Länder - etwa
Skandinavien, Deutschland - in nächster Zeit verstärkt um eine Ausweitung der
bestehenden gesetzlichen Regelung zur Pflichtablieferung auf den Bereich der
Non-Print-Medien bemühen.
Offline- Medien
Im Bereich der in Österreich herausgegebenen oder produzierten Offline-Medien
(gemeint sind Medien, die auf einem physischen Datenträger wie z.B. CD-ROMs, Disketten,
CDI, DVD o.ä. erscheinen) ist - im Wesentlichen analog zu den Printmedien - eine
möglichst vollständige Sammlung aller österreichischen Publikationen anzustreben.
Ausgenommen werden sollten lediglich reine Softwareprodukte und elektronische Spiele.
Bis zu einer entsprechenden gesetzlichen Pflichtabgabe-Regelung bemüht sich die ÖNB um
`freiwillige Belegexemplare´. Im Juni 1997 und nochmals im Dezember 1997 wurden in einer
großen Aussendung über 300 österreichische Verleger elektronischer Publikationen um
Ablieferung eines `freiwilligen Belegexemplars´ gebeten. Unterstützung gab es
dabei vom VIW (Verband für Informationswirtschaft in
Österreich), mit dem bereits seit über einem Jahr Gespräche in dieser Richtung
liefen. Bei der Ablieferung werden mit den Verlegern `Benützungsvereinbarungen´
geschlossen, in denen die Produzenten die Benützungsmodalitäten der abgelieferten
Publikationen an der ÖNB einschränken kann (z.B. kein Netzbetrieb, kein elektronisches
Kopieren).
Das Echo der Aktion war überwiegend positiv. Mittlerweile sind auf diese Weise über 100
Titel von über 30 österreichischen Verlegern eingelangt.
Online-Medien
Hier stehen wir sicher erst ganz am Anfang, aber es gibt erste Bemühungen. So wurde
seit dem Vorjahr mit einzelnen Herausgebern einzelner ausgewählter österreichischer
gebührenfreier Online-Publikationen Kontakt aufgenommen und eine Überspielung der
Publikation an die ÖNB zur Langzeitarchivierung vereinbart. Das Modell geht davon aus,
daß die aktuellen Daten vom Verleger selbst in regelmäßigen Abstände via FTP auf einen
Server der ÖNB überspielt werden können. Sie sind dort nur im lokalen Netz der ÖNB
zugänglich, solange der Originalserver besteht, wird er eingestellt, könnte auch ein
Zugriff zu außen erfolgen.
Da niemand eine Garantie über das Weiterbestehen eines privaten Servers angeben kann, ist
dieses der einzige Weg, im Netz publizierte Daten langfristig zu erhalten. Dazu
wurde eine Art Jury, der Arbeitskreis AOOP (Archivierung oestrreichischer
Online-Publikationen), ins Leben gerufen, der die Auswahl
archivierungswürdiger Publikationen vornehmen soll.
Die Auswahl der Online-Publikationen, die an der ÖNB archiviert werden, erfolgt
vorläufig nach folgenden Kriterien:
Als eine der ersten elektronischen Zeitschriften wird auch das Internetzeitschrift TRANS des Institutes zur Erforschung und Förderung österreichischer und internationaler Literaturprozesse an der ÖNB archiviert.
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last change 26.11.1999