Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 8. Nr. Juli 2000

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Editorial

Unter dem Titel "Kulturwissenschaft – transdisziplinär, transnational, online" fand am 15.11.1999 anläßlich des 5. Jahrestages der Gründung des INST ("Institut zur Erforschung und Förderung österreichischer und internationaler Literaturprozesse") eine multimediale Vorlesung statt, die einige Aspekte der INST-Arbeit vorstellen sollte. Sukzessive werden nun ab Juli 2000 Beiträge zu dieser Veranstaltung in TRANS 8 publiziert. Dabei geht es nicht nur um einen Rückblick, sondern vor allem auch um einen Ausblick.

Die wichtigsten Leistungen (inhaltlich gesehen), bei denen das Verbindende der Kulturen im Mittelpunkt steht, waren die Herausbildung einer neuen Wissenschaftsorganisationsform (Cyber Science) in Form eines weltweiten transnationalen Netzwerkes (derzeit gut 350 Mitglieder aus über 50 Ländern und eine interaktive Nutzung durch rund 10.000 WissenschafterInnen aus bis zu 100 Ländern) und die Ausarbeitung einer eigenen Methodologie (Transdisziplinarität). Dies geschah parallel zur Entwicklung zentraler Forschungsfelder, wobei vor allem die Beteiligung am EOLSS-Projekt (Encyclopedia of Life Support Systems) der UNESCO als zentral angesehen werden kann (die Themen "Culture, Civilisation and Human Society" und "Literature and the Fine Arts" werden auf etwa 2.000 Seiten dargestellt; das Gesamtmanuskript soll bis Ende Juli 2000 abgeschlossen sein). Eine erste Nutzung des großen Sprachpotentials des INST (die Mitglieder sprechen gut 40 Sprachen) wird im Rahmen der Projekte "Enzyklopädie vielsprachiger Kulturwissenschaften" und "Kulturwissenschaftlicher Informationspool" erfolgen (s. dazu auch den Beitrag von Arlt).

Doch auch quantitativ hat das INST einiges vorzuweisen: ein breites Informationsangebot im Rahmen der INST-Website im Umfang von rund 10.000 Druckseiten, das pro Monat auf derzeit bis zu 57.000 Abfragen von rund 5.300 Hosts kommt. Die wichtigsten Elemente dieser Homepage (nach Möglichkeit dreisprachig) sind: TRANS, die Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften, die virtuelle Ausstellung "Kulturwissenschaften und Europa", die Online-Forschungskooperation "Internationale Kulturwissenschaften", die kulturwissenschaftlichen Informationen im WWW, Österreichische Literatur im WWW sowie eine Suchmaschine, über die neben den Informationen des INST auch diejenigen der PartnerInnen (gesamt rund 1 Gigabyte an Daten) abgefragt werden können.

Neben der Homepage gibt das INST 2 Buchreihen (derzeit 15 Titel) und Broschüren heraus. Obwohl die "virtuelle" Forschungskooperation und –information im Mittelpunkt steht, gab es in den 5 Jahren seit der Gründung am 14.11.1994 immerhin gut 100 Veranstaltungen in 15 Ländern (darunter 4 Großkonferenzen, Kulturseminare mit bis zu 630 TeilnehmerInnen, Internet-Seminare, Symposien, weltweite Präsentationen der virtuellen Ausstellung sowie Vorträge).

Aufgrund dieser und anderer Leistungen erschien es möglich und im Vergleich mit anderen Institutionen auch durchaus gerecht, im Jahre 1999 die notwendigen Infrastrukturmittel zu erhalten. Denn bis dahin waren seit dem Jahre 1994 an allgemeinen Subventionen nur 1,070.000.-ATS zur Verfügung gestellt worden (wozu noch Projektförderungen kamen). Und tatsächlich wurde im Dezember 1999 auch die notwendige Basissubvention in der Höhe von 3,5 Millionen in Aussicht gestellt (bei einem zu erwartenden Gesamtprojektumsatz von 8 Millionen Schilling). Doch mit dem 4. Februar 2000 kam in Österreich eine Wende in der Wissenschaftspolitik. Diese ist unter anderem durch einen anhaltenden Gesprächsboykott durch die zuständige Abteilungsleiterin geprägt, dem sich der Sektionschef angeschlossen hat. (Worüber man sich nach außen beklagt, wird also im Inneren durchaus praktiziert.) Auch andere Kuriosa sind im Zusammenhang mit dem Abbau zivilgesellschaftlicher Elemente zu verzeichnen.

Während die Anerkennung des INST durch die "International Science Community", aber auch durch Institutionen (z.B. ISI, MLA, UNESCO, Europäisches Parlament, Europarat und andere Institutionen) weltweit dokumentiert werden kann und im Wachsen begriffen ist, ist die Lage in Österreich schwierig geworden. Gerade diejenigen, die aus Kunst und Wissenschaft ihre Stimme erhoben, wurden (zum Teil) ihrer Mittel beraubt. Und dies geht Hand in Hand mit Versuchen, zivil- bzw. kulturgesellschaftliche Elemente abzubauen. Die Selbstorganisation im Internet, die Nutzung der neuen Möglichkeiten an Informationsverbreitung, die auch demokratisierende Elemente beinhalten, werden negativ bewertet (bei aller Betonung der grundsätzlichen Förderung von Internet-Aktivitäten) und die neu entstehende Gruppe mit dem negativ gemeinten Begriff "Internetgeneration" versehen. Und wie schon zu früheren Zeiten werden mit neuen Möglichkeiten der Öffentlichkeit auch neue Formen der Überwachung installiert.

In diesem Sinne steht die Bilanz, die in dieser Nummer vorgenommen wird, in einem scharfen Kontrast zu gegenwärtigen regionalen Bedingungen – nicht nur in Österreich. Welche perspektivische Konsequenzen dies für eine Einrichtung wie das INST hat, wird sich erst noch weisen.

© Herbert Arlt (Wien)

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