Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 14. Nr. September 2005

Die Entstehung des Fragments (Mallarmé: L'après-Midi d'un Faune) und die Entstehung des Fragments aus dem Geist des Fragments (Hofmannsthal: Der Tod des Tizian)

Peter Por (Paris)

 

Wenn man das Problem aufgreift, könnte man eine lange Weile glauben, daß ein Vergleich zwischen Mallarmés Gedicht, L'après-Midi d'un Faune (Der Nachmittag eines Fauns), das er als Églogue (Ekloge) bezeichnete und Hofmannsthals Einakter, Der Tod des Tizian, den er als Ein dramatisches Fragment bezeichnete, nicht nur berechtigt und naheliegend ist, sondern auch ein Schulbeispiel komparatistischer Erörterungen ganz tradierter, aufklärerischer Prägung darstellt. Er ist zunächst biographisch und textuell nachweisbar (dank mehrerer unübersehbarer Anspielungen, die Hofmannsthal als Hommage an den damals schon toten Meister in seinem Text gesetzt hat). Aufgrund dieser doppelten untrüglichen Nachweise kann man eine weitverzweigte, dennoch (so glaubt man es) überall durchsichtige Konstellation rekonstruieren, die zunächst verschiedene literarische Wirkungs- und Parallelbezüge, aber ebenso verschiedene und sehr fern geleitete Bezüge zu anderen Künsten einschließt. Um ihre Spannweite gleich anzudeuten: an ihrem Anfangspunkt steht Theokrit, an ihrer Auslegung muß man auch Namen wie Savonarola oder Nijinsky erwähnen, und an ihrem Endpunkt stehen selbstverständlich Debussy und vielleicht auch Schönberg, dieser letztere aus den Jahren 1908-1909, als er noch vor der Erfindung der radikalen neuen Musiksprache Georges Lieder vertonte (sein Name kann allerdings nur assoziativ hervorgehoben werden.)(1) Wenn man aber diesen spektakulären Bezügen und Querverbindungen lange genug nachgeht, kann man sich nicht der Erkenntnis erwehren, daß sie letztendlich eine Dimension verfehlen, welche die beiden Werke doch gemeinsam auszeichnet. Als müßte man an den Endpunkt der Konstellation nicht einmal assoziativ Schönbergs Namen setzen, sondern jenen fiktiven Komponisten, der die musikalische Komposition, die Valéry einmal als "Fuge", ein anderes Mal als "nach strenger Architektonik komponierten" "Symphonie" in Mallarmés Werk entdecken wollte, nun in ein autochtones musikalisches Werk umgesetzt hätte.(2) In Hofmannsthals Stück kann Tizian - wie ich den Text lese - sein Gemälde nie beenden, wie auch das Stück selbst fragmentarisch-virtuell geblieben ist. So könnte man zu der Aussage verleitet werden, daß ein Vergleich zwischen Mallarmés Ekloge und Hofmannsthals Einakter eben deshalb ein Schulbeispiel komparatistischer Fragestellungen darstellt, weil die Konstellation letztendlich undurchsichtig ist, mindestens nach den Begriffen der tradierten Komparatistik. Die folgenden Erörterungen gelten allerdings dem Versuch, diese undurchsichtige Dimension, so weit wie möglich, zu erfassen.

Fangen wir zunächst mit der offensichtlichen, in Worten und Bildern fassbaren Dimension des Vergleichs an. Mallarmé hat die dritte und endgültige Version des Faun-Gedichts höchstwahrscheinlich 1866/1867 fertiggeschrieben. Wie bereits erwähnt, hat er auch die Gattungsbezeichnung Ekloge als Untertitel gewählt. Es wird in der Tat eine erotische Landschaftsszene ausgebreitet, die sich in die Tradition einfügt, die von Theokrit über Vergil zu Fontenelle's Traktat und zur Schäferlyrik im französischen Rokoko führt. Eine Kostprobe aus Fontelle's Hand selbst:

Nous passerons nos jours dans nos doux entretiens;
Vos troupaux me seront aussi chers que les miens; Si de vos fruits pour moi vous cueillez les prémices
Vous aurez de ces fleurs dont je fais mes délices.(3)

"Wir werden unsere Tage in süßem Wortwechsel verbringen / Ihren Herd werde ich so sehr liebhaben wie den meinigen / Und wenn Sie die ersten ihrer Früchte für mich pflücken / Werde ich Ihnen einige Blumen meiner Freude anbieten."

In Mallarmés Text wird aber kein mehr oder weniger alltägliches Hirtenspiel und auch keine Idylle dargestellt, sondern ein fingiertes mythologisches Ereignis (um es gleich vorauszuschicken: eigentlich ein Nicht-Ereignis), das nicht mit der Befriedigung des Treffens, sondern mit der verfehlten Verfolgung abgeschlossen wird (um es gleich deutlich zu machen: er wird eigentlich nicht abgeschlossen). Der Text soll also auch als Abweichung von der tausendjährigen tradierten Kunstform der Ekloge gelesen werden.

Unmittelbar "reflektiert" (um eines der ersten entscheidenden Worte aus dem Gedicht anzuführen) auch Mallarmé drei bzw. vier Texte, von denen nur zwei mehr oder weniger in diese Tradition hineingehören, der dritte beinhaltet lediglich eine kurze Anspielung darauf, und der vierte steht völlig außerhalb, ist aber a contrario in den Reflexionsraum einbezogen.

Der erste ist, in chronologischer Reihenfolge, das berühmte lange Gedicht von Musset, Rolla, dessen zentrale Satz: "Je suis venu trop tard dans un monde trop vieux" ("Ich bin zu spät in eine zu alte Welt gekommen") Mallarmé gewiß inmitten ins Herz getroffen hat. Am Anfang dieses Gedichts, unter den Bildern, die die vergangene Welt heraufbeschwören, konnte er die Zeilen lesen:

Regrettez-vous le temps où les Nymphes lascives
Ondoyaient au soleil parmi les fleurs des eaux,
Et d'un éclat de rire agaçaient sur les rives
Les Faunes indolents couchés dans les roseaux?(4)

"Vermißt ihr die Zeit als die wollüstigen Nymphen
Sich im Sonnenschein zwischen den Seerosen schlängelten
Und mit ihrem Gelächter am Ufer
Die trägen Faune in ihrem Schilflager reizten?".

Ebenso kurz, lediglich als motivgeschichtliche Angabe, soll hier das zweite Werk erwähnt werden, in dem Leconte de Lisle (den Mallarmé bekanntlich bewunderte), eine antike Liebesgeschichte zwischen dem Kyklops und der Meernymphe nachdichtete: Les plaintes du Cyclope. Der Text folgt ziemlich treu dem Vorbild von Theokrits XI. Idylle, der Abschluß mag aber Mallarmé besonders angesprochen haben. Nach den Klagen des Polyphem, der in seiner Liebe hoffnungslos scheitert (obwohl er nicht nur mit seinen Herden, sondern auch mit seinem Syrinx-Spiel prahlt, um die schöne Galathea zu erobern) folgt eine auktorielle Zusammenfassung über die allheilende Macht der Kunst - und dieser eigenen Syrinx-Klage selbst:

Car les Muses, par qui se tarissent les pleurs,
Sont le remède unique à toutes nos douleurs.(5)

"Denn die Musen, die die Tränen versiegen lassen
Sind das einzige Heilmittel für unsere Schmerzen.")

(Die Geschichte hat übrigens auch Wedekind und durch Wedekind auch Schönberg inspiriert. (6) Das dritte Werk ist das dramatisierte "Schäferspiel" (das Wort "églogue" steht im Text selbst) (43) von Théodore de Banville, Diane au Bois (Diane im Hain) (7) Es sei hier nicht allzulange auf die offenkundige thematische Abstammung eingegangen. Bereits in deutlicher Abweichung von der allgemeinen Konvention bringt Banville in seinem Stück das gänzlich fingierte Geschehnis um die leidenschatlichen Liebesausbrüche und das Liebeshandeln eines Fauns. Er erfährt sein eignes Wesen und mithin der ganzen Welt in einer Panerotik, "Je sanglote et je brame, / A travers la nature, où pour moi tout est femme" (29), ("Ich schluchze und röhre wie ein Hirsch / durch die Natur, wo fûr mich alles Frau ist."), so bestimmt er sich selbst in der Erregung, als er sich gleich zwei Nymphen aneignen möchte, wovon die eine in der Gestalt einer "Lyra", die andere in der Gestalt einer "Syrinx" erscheint. Seine doppelte Begierde bleibt unbefriedigt, weil Diana (die sich als Göttin eines Reichs der "Schwanenflüge" und des "ewigen Schnees" bestimmt,) und Eros (der sich noch stärker deserotisiert als "Schatten [s]eines gierigen Gedankens" bestimmt)(8) eingreifen, ihn zu einer Statue verzaubern und die Welt in einem "Azur"-Zustand verewigen. Das Stück selbst soll in diesem "Azur"-Zustand der Welt und genau in der "Falte" der Göttin Cypris angesiedelt werden(9) (68) - ja, Banville nimmt sogar das so schwierig deutbare Motiv des "pli" aus Mallarmés Gedichten vorweg. Selbstverständlich habe ich hier das Stück abstrakter und imaginärer beschrieben, als es tatsächlich ist. Mallarmé selbst mag es aber so gelesen haben, wollte er doch in Banville's Werk die Verwirklichung der reinen Zeichenschöpfung für das Fehlend-Imaginäre entdecken: "Voici qu'à exprimer la forêt, fondue en le vert horizon crépusculaire, suffit tel accord dénué presque d'une réminiscence de chasse; ou le pré, avec sa pastorale fluidité d'une après-midi écoulée, se mire et se fuit dans des rappels de ruisseau. Une ligne, quelque vibration, sommaires et tout s'indique."(10) ("Und hier um den Wald auszudrücken, verschmolzen mit dem grünen Horizont der Dämmerung, genügt ein Akkord beinahe jeder Jagd-Erinnerung entkleidet; oder die Wiese, mit dem pastoralen Fließen eines vergangenen Nachmittags, spiegelt sich und verliert sich im Geräusch des Baches. Eine kurzgeführte Linie, einige kurzgehaltene Schwingungen, und alles zeichnet sich ab.") Fügen wir noch hinzu, daß dieser Dichter der gereinigten Linie in einem seiner Gedichte, wo er die Sprünge eines Clowns vergegenwärtigt, den Namen Piranesis, des Erfinders der krausen-phantasmagorischen Architektur hineingeschrieben hat.(11) Mallarmé mag in dem letztendlich nur scheinbaren Gegensatz zwischen entblößten und verwickelten (Wort-)Architektur zu Recht gerade die Bestätigung seines Urteils über Banvilles Modernität gesehen haben, hat er doch selbst zum Beispiel seinen "Igitur", den reinen kopulativen Geist (ich möchte das Adjektiv sowohl in seinem sexuellem wie auch grammatikalischen Sinn verstehen) durch die "spirale vertigineuse"(12) "schwindelerregende Spirale" von Treppen, Wände und Türen durchgehen und sich verlieren lassen.

Und schließlich das vierte Werk in dieser Reihe ist Mallarmés eigene andere lange Komposition, das dreiteilige Hérodiade-Gedicht. Ihrem mythologischen Stoff nach sind die Geschichte des Fauns mit den Nymphen und die Geschichte der jüdischen Königstochter mit dem Heiligen der Taufe völlig unterschiedlich, auch das gemeinsame Thema der Liebesgeschichte verbindet sie nur durch einen Gegensatz: Der eine Text ist der Exaltation ("Une fête s'exalte") der unbegrenzten und ewigwährenden Begierde, der andere der Exaltation ("Le soleil que sa halte / Surnaturelle exalte") der ebenso unbegrenzten und ewigwährenden Keuschheit gewidmet. Dennoch ist die Wiederholung des Verbs signifikant. Beide Texte gehören zusammen, aber in dem eigenen Sinne, wie Mallarmé den Stoff und das Thema begriffen hat -- hat er doch die Lyrik im allgemeinen durch die Exaltation der Wörter ("les mots [...] s'exaltent") bestimmt.(13) In beiden Gedichten muss man die Geschichte einer nicht erfolgten Vergewaltigung erkennen, sie stehen in einem chiastischen Bezug zueinander und auch noch stärker, sie zeichnen sich gegenseitig in einem chiastischen Bezug ab. Am Ende seines Monologs verurteilt sich der Begehrende zur Keuscheit (er soll mit seinen exaltierten Wörtern ewig Schatten nachjagen) wie auch die dreiteilige Komposition über die Keusche mit den Ausdruck über ihre Begierde endet (sie soll sich von der kalten Welt trennen, um sich durch des Körpers des Johannes zu bemächtigen und es sei auch durch seine Verstümmelung). In beiden Gedichten findet kein Akt statt - und eben deshalb findet doch der grundlegende Mallarmésche Schöpfungsakt statt: die Welt entsteht mittels der exaltierten Wörter durch die körperliche Vergewaltigung des weißen Papiers, "devant le papier, l'artiste se fait"(14) ("Vor dem Papier, der Künstler macht sich selbst"), lautet eine besonders konzise Formel. So fern man bei Mallarmé überhaupt vom Unmittelbaren reden kann, wird in beiden Gedichten dieser Schöpfungsakt unmittelbar thematisiert. Es ist keineswegs bloße Koinzidenz, daß die beiden Gedichte auch genealogisch zusammengehören. In der Periode seiner berühmten Erleuchtung im Jahre 1866-67 hat Mallarmé den Satz geschrieben: "Je suis maintenant impersonnel, et non plus Stéphane que tu as connu, -- mais une aptitude qu'a l'Univers Spirituel à se voir et à se développer, à travers ce qui fut moi.")(15) ("Ich bin jetzt unpersönlich, nicht mehr der Stéphane, den du kanntest - sondern eine Fähigkeit, die dem Universum des Geistigen eigen ist, sich selbst zu schauen und zu entwickeln, durch den, der ich war."), In dieser Zeit hat er hat er sich immer wieder an dem bereits angefangenen Hérodiade-Gedicht versucht, ließ es aber schließlich liegen und wandte sich statt dessen der Abfassung des Faun-Gedichts zu, das es sich immer als paralleles Werk vorgestellt hat. Drei Versionen davon waren entstanden, bis auch zu diesem Gedicht die Inspiration wegblieb. Ob er den Text als abgeschlossen betrachtete? Veröffentlicht hat er ihn allerdings erst zehn Jahre später. Und das Hérodiade-Gedicht, das nach der ursprünglichen Idee etwa 800 Zeilen hätte umfangen müssen, aber nur etwa 250 Zeilen lang ist, hat er nachweislich nie als abgeschlossen betrachtet. In den fünf letzten Jahren seines Lebens, als das Faun-Gedicht unter anderem dank Debussys Musik ihn wieder beschäftigte, hat er oft über zwei weitere Teile gesprochen, die die Komposition von der Königstochter mit dem Heiligen abrunden sollten, aber keine Zeile von diesen geplanten Prélude und Finale entworfen. In der Genealogie der beiden Gedichte erscheint ziemlich unmittelbar der sehr eigene Sinn, den Mallarmé in ihnen "nahelegen" ("suggérer") wollte:(16) sie sind nicht Fragmente geblieben, sondern sie setzen sich gegenseitig, das eine in das andere, ineinander fort - ad infinitum. Der "Bezug" (man wird hier gleich den zentralen Terminus von "rapport" erkennen, den Mallarmé in das moderne poetische Denken eingeführt hat)(17) ist umso merkwürdiger, da sich Mallarmé das Faun-Gedicht eigentlich als Bühnenspiel (und nach einer ungewissen Aussage als Tanzspiel) vorgestellt hat. Dem Gedicht ist in der Tat eine ganz außergewöhnliche Aufnahme und Entfaltung durch andere Künste beschieden worden. Die allbekannten Daten: Gleich nach seiner Veröffentlichung und dann nochmal zehn Jahre später hat der Text Manet zu Zeichnungen angeregt; 1894 hat Debussy sein berühmt gewordenes Stück komponiert über das sich Mallarmé mit Begeisterung geäußert hat: "La merveille! Votre illustration de l'Après-Midi d'un Faune, qui ne présenterait de dissonance avec mon texte, sinon qu'aller plus loin, vraiment, dans la nostalgie et dans la lumière, avec finesse, avec malaise, avec richesse."(18) ("Ein Wunder! Ihre Illustration von Nachmittag eines Fauns, die keine Dissonanz gegenüber meinem Text aufweist, höchstens daß sie noch weiter geht, wirklich, in der Sehnsucht und in dem Licht, mit Finesse, List und Reichtum."). Privat soll er sogar gesagt haben: "Je croyais l'avoir moi-même mis en musique" ("Ich hatte den Eindruck, als ob ich selbst es in Musik umgesetzt hätte.").(19) Dann ist 1906 noch ein Werk zustande gekommen, Matisse's Joie de vivre, in dem der Maler, ohne den Namen zu erwähnen, ganz offensichtlich die Motive und so wie er sie empfand, die Atmosphäre, schicken wir gleich den Terminus, mit dem dieser Aufsatz abgeschlossen wird: die Stimmung des Gedichts abgebildet hat. Die unglaubliche Entfaltung ist noch weiter gegangen bis zu dem großen Spektakel, als das Werk 1912 unter Diaghileffs Direktion aufgeführt wurde, die Chroreographie hat Nijinsky, das Bühnenbild und die Kostüme Bakst gezeichnet - ein Gesamtkunstwerk, wie es sich Wagner erträumt hatte.(20)

Ob Mallarmé es sich auch so erträumt hätte? Damit soll nicht die immer eher müßige Frage gestellt werden, wie weit die Teile und das Ganze des einmaligen Spektakels als authentische Umsetzung von Mallarmés Text gelten können - zwischen den Künsten gab es nie eine authentische (oder eben inauthentische) Umsetzung, sondern es gab nur Umsetzungen. Im Sinne von Mallarmés Kunstvorstellung muß man aber die Frage spezieller und schärfer stellen: Ob es denn für dieses Faun-Gedicht überhaupt eine authentische Umsetzung geben kann? Im geschriebenem Werk neben sein Paargedicht gestellt, soll es zugleich als ein fortzusetzender und fortsetzender Text aufgenommen werden: konnte es durch das ehemalige Spektakel überhaupt zu einer endgültigen Gestalt kommen? Man darf nicht vergessen, daß Mallarmé (anders als man oft behauptet, vielleicht weil man ihn allzustark aus Valérys Perspektive interpretiert) die höchste aller Künste immer in der Literatur und sehr genau in der Lyrik erblickte. In seiner Hierarchiesierung ist er so konsequent vorgegangen, daß er in dem absoluten Musikwerk gerade "la vieille et sainte élocution", ja "le Verbe" ("das alte und heilige Sprechen", ja "das Verb") heraushören wollte. In seinen späten Aufzeichnungen hat er sogar das Syntagma "musiques mentales", "geistige Musik" geschrieben; und für den Tanz hat er die Formel: "poëme dégagé de tout appareil de scribe" ("Gedicht, befreit von jedem Schriftapparat"), für die Tänzerin die Formel: "à la façon d'un Signe, qu'elle est" ("in der Art eines Zeichens, das sie ist"), für die Selbstbestimmung der Lyrik hingegen hat er, in dem Gedicht Prose pour des Esseintes selbst die Formel einer platonischen Vollkommenheit in sich selbst gesetzt: "Gloire du long désir, Idées", "ewigen Sehnens Sieg, Ideen".(21)

Wie man weiß, soll nach Mallarmés Auffassung diese Idee so beschaffen sein, daß sie sich unmittelbar gar nicht begreifen läßt. Unter vielen anderen Äußerungen hat er in einem Selbstkommentar zu dem Faun-Gedicht über die "philosophie incluse et lantente"(22) ("miteingeschlossene und latente Philosophie") des Werks geschrieben; während er in seinem Wagner-Aufsatz, inmitte einer Meditation über den höheren Wert der Literatur gegenüber der Musik, zu der Formel gekommen ist: "son [du Drame] principe même, à la Musique, échappe"(23) ("selbst sein eigenes Prinzip [des Dramas] entgeht der Musik.").

Das (pseudo)epische Thema des Faun­-Gedichts ist aber nicht anderes, als daß das Objekt seiner Begierde der Syrinx-Musik des Fauns ewigwährend entgeht. Wie so oft bei Mallarmé, je mehr die Einbildungskraft des Textes durch ihren sinnlichen, wagemütigen, ja bisweilen wilden Charakter überrascht (erst recht im Hinblick auf den esoterischen Ruhm des Dichters) desto mehr erweist er sich letzten Endes doch esoterisch, weil selbstthematisierend. Um nur zwei einzelne Bilder anzuführen: Man lese die Zeile über die panerotische Fantasmagorie des Helden: "Ainsi, quand des raisins j'ai sucé la clarté" ("So als ich aus den Trauben das Klare sog"), oder die Halbzeile über den Sexualakt: "Aimai-je un rêve" ("Liebte ich einen Traum?"). Kurze Zeit danach folgte in Igitur das ungeheuere Bild, in dem Mallarmé gleichsam Diskrepanz und Entsprechung in der Bildschöpfung bis in die Postmoderne vorwegnahm: "une fiole contient la substance du Néant"(24) ("eine Phiole enthält die Substanz des Nichts"). Letzten Endes wird durch alle diesen materiellen Bilder doch die esoterische Glorie der Idee in der Schöpfung errichtet - und diese Glorie bestimmt auch das Faun-Gedicht.

Der Grundbau des Textes ist für Mallarmésche Begriffe verhältnismäßig explicit. An seinem Anfang stehen zwei Verben: "perpétuer" ("perpetuieren") und "réfléchissons" ("reflektieren wir"). Das erste steht da, um den (pseudo)epischen Vorgang der Verfolgung ins Unabgeschlossene zu stellen, d.h. die Musik, die sich der Faun in seiner Begierde vorstellt - und damit das literarische Werk selbst, durch das diese Verfolgungs-Musik "nahelegt" (suggéré) wird. Das zweite Verb steht da, um dem Werk eine Weltschöpfung in dem doppelt-einen, geistigen ("bedenken") wie materiellen ("spiegeln") Sinn des Verbs, aufzutragen. In der Folge dieser zwei Verben entsteht keine harmonische, keine befriedigte Gestalt von Stoff und Geist, sondern ein Text, der stets durch unvorhersehbare Bilder und Wendungen geführt wird, und selbst Schockeffekte nicht meidet: "Les mots [...] s'exaltent [...] pour l'esprit [...] qui les perçoit [...] projetés en paroi de grotte" ("Die Wörter [...] exaltieren sich [... ] für den Geist [...] der sie [...] auf Grottenwände projiziert sieht"), so wird es in einem späten Aufsatz stehen.(25) Denn der "Bezug" von Stoff und Geist, von Welt und Werk ist, wie Mallarmé dies in den Text des Gedichts selbst hineingeschrieben hat, "Verwirrung", sogar "falsche Verwirrung", "[...] La beauté d'alentour par des confusions / Fausses entre elle-même et notre chant crédule" ("Die Schönheit umgeben von falschen / Verwirrungen zwischen ihr selbst und unserem unbefangenen Lied"). Diese zwei Zeilen, das unbegreifliche Syntagma von "falschen Verwirrungen" an sich, bestimmen das Gedicht in einer Möbius-Band-artigen Perpetuierung. In allen diesen "falsch verwirrten" Bildern und Wendungen läßt sich eine einzige (pseudo)epische Linie erkennen bzw. eben verfolgen, "une sonore, vaine et monotone ligne" ("eine tönende, hochmütige und monotone Linie"): der Faun will das Nymphenpaar durch die Hervorbringung eines musikalischen Instruments, der Synrinx und damit durch die Musik, verfolgen und auch vergewaltigen. Am Ende des Gedichts erfolgt dann eine doppelte Verwandlung: der Faun, der bisher stets über Musik geprochen hat, spricht von "l'âme de paroles vacante" ("Seele bar jedes Worts"); und trachtete er bisher mit allen genüßlichen Sinnen, aber expressis verbis "avec mes regards clos" ("mit verschlossenem Blick") das Nymphenpaar anzueignen, so wird ihm zuletzt eine visuelle Erfahrung zuteil - allerdings eine visuelle Erfahrung von einer völlig nicht-visuellen und eigentlich auch nicht-seienden Erscheinung: "je vais voir l'ombre que tu devins" ("Ich werde sehen den Schatten, der du geworden bist."). In diesen beiden, scheinbar zum Negativen verwandelten, eher zu sagen: scheinbar zum Negativen reflektierten, falsch verwirrten Gestalten scheitert bzw. triumphiert die perpetuierte Verfolgung: die Stille (als Verwandlung der tönenden Musik) und der Schatten (als Verwandlung der sinnlichen Erscheinung) legen eine Idee nahe, die jedem abgeschlossenen prinzipiell Werk entgeht. So wirkt die Frage rein rhetorisch, ob Debussys Musik, oder überhaupt eine tönende Musik, und auch allgemeiner, ein sinnliches Werk -- und sei es ein Gesamtkunstwerk -- Mallarmés Gedicht gültig umzusetzen vermag. Das Werk verweist wohl stets auf ein anderes Werk von anderer Kunstart, er bestimmt es aber zugleich als fiktiv, da es negativ und unabgeschlossen bleiben soll. Seine einzig und allein gültige Gestalt ist dieses Gedicht, das in der perpetuierten Verfolgung eines anderen Werks, letzten Endes seiner selbst, begriffen ist - zur Demonstration dafür, daß selbst die Idee des musikalischen Fragments nur in der Lyrik vollkommen nahegelegt (suggéré) werden kann.(26)

An diesem Punkt nehmen wir wieder den Faden des komparatistischen Schulbeispiels auf. Das auslösende Moment kann genau datiert werden: im Dezember 1891 hat George Hofmannsthal zum Anlaß ihrer ersten Begegnung ein handgeschriebenes Exemplar des Faun-Gedichts überreicht, das er mit dem Erlaubnis des Meisters und aufgrund des ursprünglichen Manuskripts, selbst verfertigt hat. Die Begegnung bzw. die Gabe sollte nach Georges Willen "die bedeutsame grosse geistige allianz" besiegeln, das die beiden deutschen Dichter geschlossen haben, um "eine sehr heilsame Diktatur" zu "üben."(27) Und mindestens an der feierlichen Gabe bewahrheitete sich Georges Wunsch: Es ist sogar gelungen, die Konstellation der zwei großen Gedichten Mallarmés nachbilden zu lassen, zumal zwei Werke, in denen die deutschsprachige Literatur das moderne lyrische Sprechen erschaffen hat, aus ihrer Lektüre entstanden sind: das Hérodiade-Gedicht hat den Band Algabal und das Faun-Gedicht das Drama, genauer, das Drama-Fragment DerTod des Tizian inspiriert. Der fertige Text dieses letzteren lag bereits im August 1892 der Redaktion der Blätter für die Kunst vor.(28)

Im übrigen hat Hofmannsthal keineswegs beabsichtigt, seine ursprüngliche Inspiration zu verhehlen. Gewiß hat er den Helden, die Ort, die Zeit und die Handlung des Textes völlig geändert, er mag auch die zweite Version des Textes mit den Worten: "Nun schweig, Musik", angefangen und kaum drei Zeilen später das Wort "Standbild" geschrieben haben, um die konzeptionelle Trennung gleich hervorzuheben.(29) Anstatt des Monologs eines mythologischen Helden über die (pseudo)epischen Geschehnisse um das Musikinstrument und Musikstück seines Lebens, liest man dramatisch (allerdings: auch eher pseudo-dramatisch, vielmehr nach der Tradition der platonischen Texten)(30) angeordnete Aussagen verschiedener Personen im Jahr 1576 in der Stadt Venedig über das Bild, das der sterbende Tizian noch fertigmalen soll. Dennoch muß selbst bei oberflächlicher Lektüre der beiden Texte auffallen, wie viele Motive Hofmannsthal ganz oder nahezu wörtlich übernommen hat: Faun, Granaten, Schwäne, Najaden, Schweigen, sinnlose Worte, Musik, Rausch, Satyr, Syrinx, Nymphen, Spiegel, Venus, Pan - zum Zeichen dafür daß sein Text durch den Meister Tizian dem Meister Mallarmé huldigt.

Indessen kommt Tizians Namen selbst bzw. dem Bild selbst, das er malen soll und worum es in jedem Wort geht, eine einerseits genaue, identifizierbare und andererseits zusammengesetzte, emblematische Bedeutung zu. Er ist der Maler, der das Bild Die Entweihung einer Bacchantin gemalt hat,(31) der neun und neunzig Jahre alt und noch immer in schöpferischer Kraft einer Pest-Epidemie zum Opfer gefallen ist, und den Hofmannsthal in seinen Schriften oft erwähnt hat, so unter anderen in dem bewundernden Aufsatz, den er der choreographischen Version widmete, die Nijinsky aus Mallarmés Gedicht kreierte; allerdings steht in dem Aufsatz sein Name mit negativer Bedeutung, Nijinskys Antike gleiche nicht Tizians Antike, und in dem zweiseitigen Text kommen noch, in positivem oder negativem Zusammenhang, die Namen von Hauptmann, Moritz Heimann, Schubert, Debussy, Mallarmé, Horaz, Winckelmann, Ingres, Feuerbach und Marées vor.(32) Ob Hofmannsthal durch diese vielen Namen auch nicht seinen ehemaligen Text um das angebliche Bild Tizians beleuchten wollte? So weit sein Thema eindeutig auf das obengenannte, konkrete Gemälde hinweist, das Hofmannsthal nachweislich schon vor der Mallarmé-Lektüre beschäftigt hat, weicht seine Beschreibung deutlich von diesem Gemälde ab. Es müssen ihm auch andere Bilder Tizians vorgeschwebt haben, vor allem das Gemälde Bacchusfest und noch stärker das legendäre und rätselhafte Gemälde Himmlische und irdische Liebe; das auch Spuren von Giorgiones Wirkung aufweisen sollte, darüber hinaus einige Fresken (bzw. die Skizzen, die davon uns erhalten geblieben sind) die Tizian in unmittelbarer Mitarbeit mit Giorgione gemalt hat (zumal Hofmannsthal sich über Giorgione nur in berührt-feierlichem Ton äussern konnte). Und diese Reihe ist noch immer teils irreführend. Denn wenn man die Beschreibung nicht nach Motiven und Gestalten, sondern nach Art der Gestaltung liest, kommt man in eine ganz andere Epoche, Böcklins Name drängt sich auf,(33) zumal die zweite Version "als Totenfeier für Arnold Böcklin" entstanden ist, wobei ein Interpret eher Claude Lorrains "drapiertes Dasein" zu erkennen meint,(34) um die zahlreichen, mehr oder weniger offensichtlichen literarischen Quellen und Anspielungen hier ganz außer Acht zu lassen. In einer starken Wendung aus einem Brief an seinen Freund, Leopold von Andrian, hat Hofmannsthal über seine "Stilverdrehungsmanie" geschrieben und gleich als Beispiel angeführt, daß ihm "im Kopf" die Nausikaa-Episode als ein Gobelin aus dem Trecento vorkomme.(35) Das Beispiel ist vielsagend, Hofmannsthals "Manie" richtete sich danach, durch stete Aneignung und Travestie jedwedes Vorbild (historisches gleichwie künstlerisches) aus seinem gegebenen Sein in ein ganz anderes, fiktives umzusetzen. In der Tat, wie nach so vielerlei Vorbildern und Quellen nicht anders sein kann, ist auch das Bild das in diesem Text beschrieben wird, fiktiv, ein Bild "im Kopf". Und es mußte eben als fiktives Bild ein Fragment bleiben. Mit bei ihm seltener Eindeutigkeit, hat Hofmannsthal das ursprüngliche Manuskript mit der Bezeichnung: "Endes des Fragments" beendet. Dann in den beiden Versionen das Wort "Fragment" als Untertitel vor dem Text gesetzt, und weder an der Überarbeitung, noch aus anderem Anlaß auch nur angedeutet, daß er es ergänzen möchte.(36)

Aus seinen brieflichen Äußerungen wissen wir, daß sich Hofmannsthal ursprünglich ein ganz anderes Stück vorgestellt hatte. In seiner ersten und kühnsten Version, hat er ein Stück über "das Gastmahl der verurteilten Girondisten" geplant; und als Renaissance-Stück hätte es auch ganz andere Dimensionen haben sollen, dieser Text wäre nur ein "Vorspiel" zu einer großen Tragödie gewesen, die "auf eine Art Todesorgie" auslaufen sollte.(37) Es scheint so, als ob textuell davon keine Spur geblieben wäre, da George mit unbeirrbarer Wachsamkeit die einzige Anmerkung mit dem Hinweis auf "die Pest" ("damit brachten sie eine schädliche luft in ihr werk", so wörtlich George)(38) aus dem Text gestrichen hat. Der kurze Hinweis, der im übrigen nicht einmal in dem Haupttext vorkam, ist in der Tat nicht unschuldig, durch sie wollte Hofmannsthal expressis verbis nichts Minderes in das Verständnis seines Stücks einbeziehen, als den Gegensatz zwischen künstlerischem und außerkünstlerischem Sein, den das europäische Denken gerade am Beispiel der italienischen Renaissance in den zwei emblematischen Erscheinungen des Savonarola (dessen Name in Hofmannsthals Erstlingsstück Gestern geschrieben dasteht) und der Pest-Epidemie erfaßt hat. (In Klammern bemerkt: die neue Soziologie stellt einen noch bittereren Zusammenhang fest: Die italienische Renaissance habe dank der demographischen Verminderung blühen können, die die Pest-Seuche erwirkt hat.)(39) Und den Ort, wo das Bild entstehen soll, wollte Hofmannsthal ebenso wenig als unschuldig vernommen wissen. Tizian malt bzw. die Jünger wechseln Äußerungen über ihn und über das Bild in Venedig. Dem Ort haftet seit jeher die emblematische Bedeutung des stadtgroßen Todesverfalls an, und Hofmannsthal hat sich dieses Emblem in vielen Werken angeeignet: für ihn war Venedig der Welt-Ort der Wasser-Architektur und der labyrinthischen Wege. In der Tat, entsprechen die Äußerungen der Jünger dem genius loci, einerseits in seinem künstlerischen, andererseits in seinem unmöglichen und sich-verlierenden Charakter (der sich so einfach doch nicht streichen ließ, wie George dies machen wollte).(40) In den Äußerungen wird die Gestalt eines Künstler-Patriarchen heraufbeschworen, der das Leben immer als Ganzes zu gestalten trachtete, und gerade im Augenblick des unmittelbar bevorstehenden Todes es in seiner Unbegrenztheit erfährt bzw. es im letzten Bild malt - wohl in der unbegreiflichen und dennoch unwiderlegbaren Erkenntnis von der letzten Einheit vom Leben und Tod. Alle diese Äußerungen kommen aus dem Munde von den Jüngern im resignierten Wissen darum, daß ihnen die Gestaltung des Lebens wie auch des Todes und erst recht der Erkenntnis von ihrer Einheit versagt bleibt, ja daß diese einmalige, positiv-zeitlose Erkenntnis mit dem Hinscheiden des Künstler-Patriarchen nun ewigwährend, negativ-zeitlos verschwindet. In einem Aufsatz den er zwei Jahre später über Walter Pater geschrieben hat, ist Hofmannsthal zu einer allgemeinen Formel gekommen: "Jedes solche Vollkommene, das wir auf unserem Wege liegen finden, ist ein verirrtes Bruchstück aus einer harmonischen fremden Welt" von dem nur "durch eine große Anspannung der Phantasie für einen Augenblick eine Vison" "hervorgerufen" werden kann; in der Auslegung seiner Formel hat er Walter Paters Titeladjektiv von ImaginaryPortraits stark zur Geltung gebracht und in einem einzigen Satz über "eine[n] erfundene[n] Watteau", "eine[n] erfundene[n] seltsam heidnisch-christliche[n] Orgelbauer", "eine[n] erfundene[n] holländische[n] Maler" und "eine[n] erfundene[n] dilettierende[n] deutsche[n] Prinz" geschrieben.(41)

In dem frühen Bühnenstück hat er eine Konstellation für die phantastische oder eben "erfundene" und fragmentarische Bestimmung jeder Schöpfung kreiert. Der Text des Dramas bzw. die Beschreibung des Bildes entsteht an dem Schnittpunkt konträrer, aber gleichermaßen fiktiver Haltungen, an einem doppelt zeitlosen, doppelt nicht-existierenden Augenblick, und der Text bzw. das Bild können nicht anderes, als ein Text bzw. ein Bild "im Kopf" sein, die beide Fragment bleiben sollen.

In dem oft angewendeten Begriff von "Sprachmagie" wollen die Interpreten, gewiß zu Recht, die Erscheinung des paradoxalen Auftrags des Fragments erkennen. Seine Sprache soll möglichst befreit vom Last der Semantik, gleichwie sinnlich-musikalisch wirken, aber je mehr bewunderungswert sie diese Wirkung erzielt, desto mehr verrät sie ihre letztendliche Unfähigkeit, ihr Sujet, den Tod zu begreifen.(42) In diesem Sinne fügt sich der Text in eine Tradition ein, die spätestens seit Verlaine die europäische Lyrik prägt. Ich würde aber weiter gehen und über die allgemeine richtige Deutung hinaus, in der "Sprachmagie" des Textes nicht nur die Erscheinung des unmöglichen Todesbildes, sondern die Erscheinung der besonders eigenartig vorgestellten Schöpfungskonstellation entdecken. In einem seiner (zahlreichen) Geistesblitze, wo Diderot auf Fragestellungen jenseits von der aufklärerischen Weltkonstruktion hinweist, schreibt er von Schöpfungsgestalten, die nach dem architektonischen Prinzip der freimütig gestellten Bezüge hervorgebracht werden: "Dans les arts, par exemple en architecture, s'écarter souvent des rapports simples et des symmétries qu'ils engendrent, c'est faire une machine, un labyrinthe, et non un palais."(43) ("Wenn man sich in den Künsten, zum Beispiel in der Architektur, oft von den einfachen Bezügen und den Symmetrien, die sie hervorbringen, entfernt, bringt man eine Maschine, ein Labyrinth, aber kein Palais zustande.") Im Sinne dieser These wird man erkennen, daß die sinnliche Sprachmagie des Textes, die "Musik, die wogend" "in Rhythmen wiegt" (so im Text selbst) eher nur jene einheitliche "Oberfläche" sein soll, wo Hofmannsthal mit maestria die "Tiefe" zu "verstecken" wußte(44) - und daß in dieser "Tiefe" der Text durch seine "phantastische" Architektur bestimmt wird. Es wird in ihm ein Bild von Tizian und mithin von Tizians Welt beschrieben bzw. erschaffen, das, ungeachtet seiner Gefälligkeit, ungeachtet seiner renaissanceartigen oder dekadent gefärbten, "schwere[n] Harmonien", eher wie eine unbegreifliche Piranesi-Komposition oder eben als ein "Bacchanal" wirkt, durch "verschlungnen (so!) Gänge[n]" und "zweifelhafte[n] Lichter[n]" gebaut und an einer Abbruchstelle beendet wird.

Unter der einheitlichen und musikalischen Erscheinung des "Bild[es]" werden in dem kurzen Text verschiedene Arten des bildlichen Daseins bzw. der bildlichen Schöpfung miteinander konfrontiert und vermengt. Im "Prolog" werden Porträts aus einer Ahnengalerie genannt; ihr Anblick, namentlich der Anblick des Porträts des Infanten inspiriert seinen selbsterwählten Geistesbruder, den Dichter (nebenbei bemerkt: die Worte dieses Dichters werden durch sein verbildlichtes alter ego, einen Pagen übermittelt) ein anderes großes Bild heraufzubeschwören: jenes der lebendigen Jungen in Venedig, die um den bevorstehenden Tod des Tizian bangen; in ihrer Bangigkeit beschreiben sie das Bild, das Tizian noch beenden sollte, bzw. das Bild, zu dem Tizian selbst und mithin die Welt, die ihn umgibt, beim Malen wurden; zum gemeinsamen "Hintergrund" zu ihrem eigenen (bereits gescheiterten) und zu Tizians (noch pantheistisch geglückten) künstlerischem Dasein, zeichnen diese Jünger auch ein weiteres Bild, jenes der alltäglichen Stadt; und am Ende des Textes erscheinen drei vermummten Frauen, unter ihnen Tizians eigene Tochter, die für das Bild des Meisters Modell stehen und hier sich in einem richtigen "Standbild" anordnen (im übrigen, werden sie sogar durch den Pagen aus dem Prolog begleitet).

Zwischen diesen verschiedenen Arten des bildlichen Daseins und der bildlichen Schöpfung darf es aber keine scharfe und eigentlich gar keine Trennung geben, wie auch ihre kontinuierliche Folge auch nicht konventionell oder gar als natürlich wirken darf. Als äußerstes Beispiel: Selbst die Beschreibung der Stadt bewahrt die schöne Sprachmagie, den Duktus und den Wortschatz des Textes, nur eben mit negativer Konnotation:

Allein in diesem Duft, dem ahnungsvollen,
Da wohnt die Häßlichkeit und die Gemeinheit,
Und bei den Tieren wohnen dort die tollen;
Und was die Ferne weise dir verhüllt,
Ist ekelhaft und trüb und schal erfüllt
[...]

Ein paar Zeilen später, in der unmittelbaren Konfrontation der beiden Lebensformen liest man ein Bild, dessen Assoziationen und (doch auch selbst-ironische) Hermetik aber eher an die Surrealisten als an die Symbolisten erinnert:

So gleicht der unsre ihrem Schlafe nicht:
Da schlafen Purpurblüten, goldne Schlangen,
Da schläft ein Berg, in dem Titanen hämmern -
Sie aber schlafen wie die Austern dämmern.

Im Laufe des ganzen Textes läßt Hofmannsthal überall wo möglich die Sprachsituation im Ungewissen. So kann man nicht festsetzen, auf welches Bild sich die eine oder andere Äußerung bezieht. Als erstes Beispiel muß hier die zentrale Aussage angeführt werden, den ein Jünger aus dem Munde des Meisters gehört haben will: "Es lebt der große Pan.": bezieht sich diese Aussage auf das "Bild" des Lebens, das Tizian noch erlebt oder bereits auf das "Bild", das eben ein Pan-Fest zum Thema haben soll? In der nahen Folge wird dieselbe Vorstellung mit ihrem möglichen doppelten Bezug zwei Mal wieder aufgenommen. Zuerst im Munde desselben Gianino, der, nachdem er den Satz gehört und das Bild gesehen hat, das Bacchanalische gerade in der kunstfernen Stadt zum Neuen entdeckt:

Ich ahnt in ihrem steinern stillen Schweigen,
Vom blauen Strom der Nacht emporgespült,
Des roten Bluts bacchantisch wilden Reigen
[...]
Wohl schlief die Stadt: es wacht der Rausch, die Qual,
Der Haß, der Geist, das Blut: das Leben wacht.

Und dann kommt noch die Vorstellung im Munde eines anderen Jüngers vor, nach ihm soll die "Natur", "alles Lebende" den Maler angesprochen haben: "Erweck uns, mach uns Bacchanal!" Um es mit Hilfe von Hofmannsthals Lieblingsadjektiv zu formulieren: In dem "gleitenden" Bezug zwischen den verschiedenen bildlichen Daseinsformen, wurde die große Aussage zu einem bizarr wirkenden Ausruf hinübergeführt (gleich ob man das Pronomen als Akkusativ oder als Dativ deutet); und sie wird später in einer noch bizarrer wirkenden Bild-Erscheinung mit doppeltem Bezug weitergeführt.

In dem Umkreis der zentralen Aussage und ihrer weitergeführten Versionen müssen die Äußerungen der Jünger ebenso ungewiß bleiben.

Mir wars, als ginge durch die blaue Nacht,
Die atmende, ein rätselhaftes Rufen.

Mit diesen Worten fängt Gianino an zu erzählen oder zu beschreiben, was ihm widerfahren ist. Spricht er denn über das beinahe vollendete Bild, das er gesehen hat und das bekanntlich eine außergewöhnliche Naturkonstellation zum Thema hat, oder über das Welterlebnis, das ihm durch die Ansicht des Bildes zuteil wurde? Die Frage läßt sich nicht beantworten, einige Teile seiner langen Erzählung oder Beschreibung sind überwiegend visuell, andere ebenso überwiegend synästhetisch: "Ich sah ihn stehen, still und marmorn leuchten" und "Das rosarote Tönen wie von Geigen / Gewoben aus der Sehnsucht und dem Schweigen." Die begrifflich betonte Zusammenfassung muß ebenso in den beiden möglichen Bezügen gelesen werden:

Und was da war, ist mir in eins verflossen:
In eine überstarke, schwere Pracht,
Die Sinne stumm und Worte sinnlos macht.

Allgemein gefaßt: Es folgen Bilder nacheinander, mal entstehen sie im Anschluß an vorigen Bildern, mal sind sie Bilder in Bildern, und sie bilden an der "Oberfläche" einen "weichen, wogenden Gewand", zumal sie nicht nur durch die sensitive Sprachmagie getragen werden, sondern auch motivisch dicht ineinander verwoben sind, "erlebt" reimt sich im Text mit "webt." Indessen verzeichnet ihre Folge eine phantastische Architektonik, weil sie jeweils nach einem freimütigen Bezug, nach einem "rätselhafte[n] Rufen", "auf geheimer Dinge Spur", "auf [einer] wache[n] Flur" zu einer anderen Art der bildnerischen Schöpfung oder des bildnerischen Daseins weitergeführt werden oder eben weitergleiten, so daß man letzten Endes auch nicht die Bedeutung der einzelnen Motive festsetzen kann: "Ich halte eine Puppe in den Händen [...] Denn diese Puppe ist der große Pan", sagt eine der vermummten Figuren als letzte Wiederaufnahme dieses zentralen Motivs. Ist nun der "Pan" der allmächtige gestaltende Geist des Lebens oder ein besonders bizarr vorgestelltes Emblem-Ornament auf der Oberfläche des Bild-Dramas? Sie sind alle Bilder "im Kopf" für eine Welt von ungewissem Dasein, "Da hat er Götter in das Nichts gewebt", so bestimmt einer der Jünger ihre gefällige wie auch unbegreifliche Erscheinung. Keines davon darf abgeschlossen werden, weil sie im stets gleitenden Bezug zwischen verschiedenen Arten des ungewißen Daseins entstehen. So schön-sensitiv sie auch sein mögen, sollen sie letztendlich als Elemente der phantastischen (labyrinthischen oder eben Wasser-)Architektonik gelten.

So soll auch das eine Bild, worum es in jedem Wort des Dramas geht bzw. das Drama selbst, Fragment bleiben. "So, dünkt mich, ist das Leben hier gemalt", so der Page im Prolog (wobei Hofmannsthal das Verb gewiß im Sinne von 'schöpfen' verstehen lassen wollte), "Indem er so dem Leben Leben gab", so die Tochter Tizians in der Szene mit den vermummten Frauen. Was immer auch Tizian auf der Staffelei zeichnete: Faun, Brunnen, Najaden, Schwäne, sein Bild sollte nicht weniger als das ganze "Leben", mit der Stadt, den Jüngern und mit seiner eigenen Gestalt "malen", d.h. erschaffen, so wie das "Leben" im Text des Dramas geschrieben d.h. erschaffen wurde. In dieser Gegenüberstellung bringt Hofmannsthal den allbestimmenden wie auch all-ungewißen Bezug zwischen schöpferischem und bildlichem Dasein zu einem offenen und nie abschließbaren Paradox. Unmittelbar bevor die vermummten Frauen das Wort an sich reißen, wechseln die Jünger, die bisher melancholisch langgezogen gesprochen haben, einige unruhige Äußerungen: "Tizianello: Ob käm ihm jetzt der Tod, mit sanftem Neigen, / In dieser schönen Trunkenheit, im Schweigen! Paris: Allein das Bild? Vollendet er das Bild? / Antonio: Was wird es werden? Batista: Kann man es erkennen?" Das ganze Paradox ist in diesem kurzen Wechsel versteckt: das Bild kann nicht vollendet und erst recht nicht erkannt werden, weil Tizian mit dem letzten Strich den erfolgten Tod, den Tod des pestverseuchten Stadt und in ihr seinen eigenen "malen", d.h. erschaffen sollte. Ebenso kann auch der Text über das Bild nicht vollendet werden. Nach diesen unruhigen Äußerungen folgen nur die Worte der vermummten Frauen und dann das abgebrochene Ende. In der ursprünglichen Version ließ Hofmannsthal noch einmal einen Jünger mit einer Resümee zu Wort kommen, am Ende des Resümees hatte er den Reim "gehen / sehen" gesetzt und als letzte Zeile eine Reihe von Strichzeichen hinzugefügt; und in der zweiten Version hingegen sagt ein Jünger nach der Rede der als vermummte Frau erschienenen Tochter noch ein einziges Wort: "Vorbei!"

Zum Abschluß nehmen wir die anfängliche Fragestellung über den Ertrag und die Grenzen komparatistischer Erörterungen wieder auf - selbstverständlich durch einen offenen Ausblick.

Bekanntlich haben die Größen der Aufklärung das Problem von einer systematischen Gegenüberstellung der verschiedenen Künsten entdeckt. Indessen haben sie ihre Theorien und Reflexionen konsequent auf den Vergleich von Bild-Kunst und Wort-Kunst begrenzt. Gewiß nicht aus Unkenntnis, eher weil ihnen weitere Zusammenhänge als hoffnungslos unbegreifbar erschienen. So hat Diderot um die labyrinthischen Perspektiven der Architektur gewußt und auch stets darüber gezögert, welche Natur und welchen Wert er der Musik (der "musikalischen Harmonien") zumessen soll.(45) Ähnlich hat sich Lessing ständig mit der Eigenart der Musik und ihrer künstlerischen Zeichen auseinandergesetzt, aber den paradigmatischen Wert des semantisch bestimmten Bild-Wort Verhältnisses hat er nie aufgegeben.(46)

Bei der Entstehung der modernen Literatur erwies sich die Theorie durch die strenge Begrenzung als unhaltbar - selbst dafür, ihr eigenes paradigmatisches Verhältnis zu deuten. In einer frühen Textstelle über d'Annunzio, die wieder einmal nur an seiner "Oberfläche" verschwommen ist, hat Hofmannsthal einen ganz anderen Bezug bestimmt: über alle "Äußerlichkeiten" hinaus, "schlägt" "aus den Schwingungen seiner Verse" "der Seelenzustand" "aus den Bildern" "auf", die er in den Werken von Autoren wie Livius, Origenes, Poe, Dostojewski gelesen hat.(47) Die enormen Unterschiede in dieser doch stupenden Reihe der Namen hat Hofmannsthal einfach unter der Bezeichnung von "Äußerlichkeiten" abgetan. Ganz im selben Sinne, ist er in einem etwas früheren Aufsatz (übrigens: aus dem Jahre des Dramen-Fragments) auf das schöne Paradox gekommen, in das er selbst die Zauberworte der entstehenden Moderne hineinschreiben konnte: "Ihnen [den neuen englischen Künstlern] wird das Leben erst lebendig, wenn es durch irgendeine Kunst hindurchgegangen ist, Stil und Stimmung empfangen hat."(48)

In vielem davon, was Hofmannsthal als "Äußerlichkeit" abgetan hat, unterscheiden sich auch die beiden Werke, die hier erörtert worden sind. Um es lakonisch zusammenzufassen: Mallarmé hat ein mythologisches Geschehnis zum Thema genommen und ein Gedicht geschrieben, dessen Komposition ein Musikstück vermitteln sollte, Hofmannsthal hat einen modernes geschichtliches Geschehnis zum Thema genommen und ein Drama geschrieben, dessen Komposition ein Bild vermitteln sollte. Und dennoch ist beiden Werken gemeinsam, was damals "Seelenzustand" "Stil und Stimmung" hieß, und was man heute mit solchen Begriffen zu bezeichnen trachtet wie dem Pseudo-Charakter der Handlungen und dem perpetuiert-labyrinthischen Charakter der Kompositionen. Hofmannsthal hat Mallarmés kühn vorgestelltes Schöpfungsideal neu erschaffen: das Kunstwerk, als substantielles Fragment.

Es war Zeit, daß jemand den Begriff der "wechselseitige[n] Erhellung der Künste" erfindet.(49)

© Peter Por (Paris)

TRANSINST       Inhalt / Table of Contents / Contenu: No.14


ANMERKUNGEN

(1) Op. 15.: 15 Gedichte aus Das Buch der hängenden Gärten von Stefan George .

(2) "Le poème [sc. L'après-Midi] est devenu une sorte de fugue littéraire, où des thèmes s'entrecroisent avec un art prodigieux." "Alors s'impose la conception suprême d'une haute symphonie [...] construite selon une rigoureuse architectonique [...]. L'après-midi du faune est seule en France à réaliser cet idéal esthétique.", Paul Valéry, Œuvres, Paris, Bibliothèque de la Pléïade, 1957, 1, 670, 1722.

(3) Fontenelle, Isméne. Églogue, in: Maurice Allem (éd.), Anthologie poétique française XVIII e siècle, Paris, Garnier-Flammarion, 1966, 39.

(4) Alfred de Musset, Premières Poésies, Poésiesnouvelles, Paris, Gallimard, 1976, 203.

(5) Leconte de Lisle, Poèmes antiques, Paris, Gallimard, 1994, 182.

(6) Das erste des Brettlieder, op. 2. (1899) ist die Vertonung von Wedekinds Galathea-Gedicht.

(7) Théodore de Banville, Œuvres, Genève, Slatkine reprints, 1972, vol. 9.

(8) "Où le cygne en passant nous touche de son aile / Je veux des cœurs plus purs que la neige éternelle"; "Je suis l'ombre de ta pensée avide." Ebda. 26, 57.

(9) "Aimez-la [la pièce] pour celui que la blanche Cypris / Endormait rose et frêle, entre ses bras de lys, / Et portait dans un pli de sa robe traînante", liest man in dem auktoriellen Abschlusswort, ebda. 68.

(10) Stéphane Mallarmé, Théodore de Banville, in: Œuvres Complètes, Paris, Bibliothèque de la Pléïade, 1945, 522. Bei der Übersetzung der Texte von Mallarmé (Prosa wie Gedicht) habe ich stets die Lösungen aus dem folgenden Band berücksichtigt: Stéphane Mallarmé, Sämtliche Dichtungen. Französisch und deutsch. Mit einer Auswahl poetologischer Schriften, Ubersetzung der Dichtungen von Carl Fischer. Übersetzung der Schriften von Rolf Stabel, München, DTV, 2000. Allerdings fehlen in diesem Band viele theoretische Texte, auf die ich mich berufe; und oft musste ich bei den Texten, die da sind, auch bei den Gedichten, die Übersetzung ändern, weil ich einen inhaltlichen Aspekt hervorheben wollte. So kommt es mir am einfachsten vor, wenn ich die deutsche Versionen ohne Kommentar und auch ohne komplizierte Erwähnungen, abdrucke.

(11) "De la pesanteur affranchi / Sans y voir clair il eût franchi / Les escaliers de Piranèse.". Théodore de Banville, Le saut du tremplin, in: G. Walch, Anthologie des poètes français contemporains, Paris, Delagrave, 1922, 1, 51. Für die allgemeine Bedeutung von Piranesi in der modernen Lyrik, s. Marianne Kesting, "Negation und Konstruktion. Aspekte der Phantasiearchitektur in der modernen Dichtung", in: Harald Weinrich (ed.), Positionen der Negativität, München, Fink, 1975, 367-392.

(12) Mallarmé, Œuvres, 437 .

(13) Die ersten beiden Zitate stammen aus den beiden Gedichten, in: Œuvres, 52, 49; das dritte aus dem Text Quant au livre, ebda; 386.

(14) Brief vom 18. Februar 1865 an Eugène Lefébure, in: Stéphane Mallarmé, Correspondance complète 1862-1871, Paris, Gallimard, 1995, 227.

(15) Brief vom 14. Mai 1867 an Henri Cazalis, ebda. 343.

(16) Die oft angeführte Formel lautet: "Nommer un objet, c'est supprimer les trois quarts de la jouissance du poëme qui est faite de deviner peu à peu: le suggérer, voilà le rêve.", in: Œuvres, 869. (Das schienbar entsprechende deutsche Wort 'suggerieren' ist allzu dezidiert und allzu zielbestrebt. )

(17) S. unter anderen Œuvres, 394, 647, 871 und Correspondance 570, 614. Bekanntlich kommt der Terminus in Rilkes Werk zu einer noch größeren Bedeutung.

(18) Brief vom 23 Dezember 1894 an Claude Debussy, in: Correspondance, 623.

(19) Ebda.

(20) S. die schöne Darstellung von Thomas Munro, "'L'après-Midi d'un Faune' et les relations entre les arts", Revue d'Esthétique, V (1952), 226-243. Für Matisse, den er nicht erwähnt, s. Hans Belting, Das unsichtbare Kunstwerk. Die modernen Mythen der Kunst, München, Beck,1998, 296-298. Ich füge noch hinzu, daß die Geschichte beinahe noch eine weitere Fortsetzung hatte. Rodin hat die Vorstellung gesehen, und er war dermaßen beeindruckt, daß er Nijinski abbilden wollte; sein Plan scheiterte daran, daß der Tänzer als Modell überaus unruhig war. --
Hier weise ich auch auf einige weitere Aufsätze hin, die mir besonders wichtig scheinen. Angesichts der enormen Mallarmé-Literatur, führe ich nur einige aus den punktuellen Schriften auf, und keine der allgemeinen Analysen, die sich selbstverständlich alle mit diesem Poem detailliert befassen.
Lloyd James Austin, "L'après-Midi d'un Faune: essai d'explication", Synthèses, déc. 1967- janv. 1968, 24-35; James Lawler, "Mallarmés L'après-Midi d'un Faune", Meanjin, XVII, 4, Summer 1958, 429-431; Harold J. Smith, "Mallarmés Faun: Hero or Anti-hero", The Romanic Review, 1973, 64, 111-124.; Theodor Spoerri, "Zu Mallarmés 'Après-Midi d'un Faune'", Trivium, VI, 1948, 3, 224-232 ; Stefen F. Walker, "Mallarmés Symbolist Eclogue: The 'Faune' as Pastoral", PMLA, 93, 1978, 1, 106-117.; Georges Demian, Étude stylistique de la "Scène" et de "L'Après-Midi d'un Faune" de Mallarmé, Aix-en-Provence, 1981, Disser. Ms. Und am Rande der hier erörterten Problematik, eine wichtige Analyse: Raymond Court, "Mallarmé et Debussy", Revue des Sciences Humaines, 1987, 1, 57-79.

(21) In der Reihenfolge der Zitate: Mallarmé, Œuvres, 507, 855, 305, 307, 56.

(22) Zit. nach Austin, 31.

(23) Mallarmé, Œuvres, 543.

(24) I.m. 205.

(25) I.m.. 386.

(26) Man erinnert sich an die besonders starke Formel, die er in den Entwürfen zu dem großen BUCH (Le LIVRE) aufgezeichnet hat: " Un livre ne commence ni ne finit: tout au plus fait-il semblant." Jacques Scherer, Le "Livre" de Mallarmé, Paris, Gallimard, 1957, das Blatt 181 A.

(27) Die Ausdrücke zitiere ich aus dem Briefwechsel zwischen George und Hofmannsthal, München, Küpper, 1953, 13, 150. Als Supplement in diesem Band (234 ff.), liest man Hofmannsthals Brief vom 20. Februar 1929 an Walter Brecht und darin seine Erinnerungen an das ehemalige Treffen.

(28) Ebda. 35.

(29) Es wird nach der folgenden Ausgabe zitiert: Hugo von Hofmannsthal, Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Gedichte. Dramen I., Frankfurt am main, Fischer Taschenbuch Verlag, 1979.

(30) Peter Szondi, Das lyrische Drama des Fin de siècle, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1975, 217. Hier bemerke ich gleich, daß ich, aus gleichen Überlegungen, auch in diesem Teil meines Aufsatzes nur punktuelle Schriften anführe.

(31) Peter Szondi, "Das letzte Bild", in: Insel-Almanach auf das Jahr 1965, 56.

(32) Hofmannsthal, Werke, Reden und Aufsätze I. 508-510.

(33) Martin Stern, "Böcklin - George - Hofmannsthal", in: Karl Pestalozzi - Martin Stern, Basler Hofmannsthal Beiträge, Würzburg, Könighausen und Neumann, 1991, 89-94.

(34) Jost Kirchgraber, Meyer, Rilke, Hofmannsthal, Bonn, Bouvier, 1971, 97.

(35) Hugo von Hofmannsthal - Leopold von Andrian, Briefwechsel, Frankfurt am Main, Fischer, 1968. Der Brief datiert vom 21 März 1894.

(36) Über die allgemeinen Perspektiven dieses Problems in seinem Werk, s. Karl Pestalozzi, "'Daß du nicht enden kannst, das macht dich groß...'Hofmannsthals Schwierigkeiten mit den Dramenschlüssen, in: Hofmannsthals Forschungen, 7 (1983), 97 ff. Vgl. auch Pestalozzis verschiedene Bemerkungen über das Tizian-Drama in seinem Buch: Sprachskepsis und Sprachmagie im Werk des jungen Hofmannsthal, Zürich, Atlantis, 1958.

(37) S. seinen Brief vom 19. Juli 1892, in: Hugo von Hofmannsthal - Arthur Schnitzler, Briefwechsel, Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag, 1983, 23 und den in der Anmerkung N°. 27. angeführten Brief an Walter Brecht.

(38) Brief vom 30. September 1892, in: George - Hofmannsthal, Briefwechsel, 42.

(39) Lea Ritter Santini, "Maniera Grande. Über italienische Renaissance und deutsche Jahrhundertwende", in: Roger Bauer et al. (ed.), Fin de siècle. Zur Literatur und Kunst der Jahrhundertwende , Frankfurt am Main, Klostermann, 1977, 170-189; Carlo M. Cipolla;, Contre un ennemi invisible. Épidémies et structures sanitaires en Italie de la Renaissance au XVII e siècle , Paris, Balland, 1992.

(40) Vgl. Bernard Dieterle, Die versunkene Stadt. Sechs Kapitel zum literarischen Venedig-Mythos, Frankfurt am Main, Peter Lang, 1995, 366-420.

(41) Hofmannsthal, Reden 1, 195.

(42) Pestalozzi, Sprachskepsis.

(43) Brief vom Mai 1751 an Mlle. de la Chaux, in: Denis Diderot, Écrits sur la musique, éd. Béatrice Durand-Sendrail, Paris, Lattès, 1987, 81.

(44) Angespielt wird auf seine oft angeführte Formel: "Die Tiefe muß man verstecken. Wo? An der Oberfläche.", in: Reden III, 268.

(45) S. vor allem seine diesbezüglichen Bemerkungen in dem Lettre sur les sourds et muets.

(46) Simon Richter, "Intimate Relation: Music in and around Lessing's Laokoon", in: Poetics Today, 20 (1999) 2, 155-173.

(47) Hofmannsthal, Reden 1, 199. .

(48) op. cit. I., 143.

(49) Selbstverständlich denke ich an Oskar Walzels Buch, das 1917 erschienen ist.


For quotation purposes - Zitierempfehlung:
Peter Por (Paris): Die Entstehung des Fragments (Mallarmé: L'après-Midi d'un Faune) und die Entstehung des Fragments aus dem Geist des Fragments (Hofmannsthal: Der Tod des Tizian). In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 14/2002. WWW: http://www.inst.at/trans/14Nr/dejong14.htm

TRANS     Webmeister: Peter R. Horn     last change: 20.9.2005    INST