Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 15. Nr. | Juni 2004 | |
6.1. Standardvariationen und
Sprachauffassungen in verschiedenen Sprachkulturen | Standard
Variations and Conceptions of Language in Various Language Cultures Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures |
Norbert
Griesmayer (Universität Wien, Österreich)
[BIO]
Abstract
The language conceptions and language attitudes in the new Austrian curriculum for teaching German at classes for the 10-18 years old
A close reading of the curriculum - wich is in part still a work in progress - shows the laborious way from a mere declaratory concept of multilingual education to its realization. It mirrors language attitudes which are to be found in Austrias public life as well as in private circles: e. g. a monolingual self apprehension / understanding and the missing knowledge of the standard-variation: Austrian German.
Gegenstand meiner Bemerkungen ist der neue Lehrplan insbesondere für das Unterrichtsfach DEUTSCH in Österreichs Schulen der Zehn- bis Achtzehnjährigen. Aus seinem Wortlaut versuche ich, auf die durchaus unter schiedlichen und unterschiedlich weitreichenden "Sprachauffassungen"(1) zu schließen, die mit ihm vermittelt, angeregt oder verfestigt werden. Dazu gleich einige Einschränkungen:
Lehrpläne sind keine sprachwissenschaftlichen oder gar sprachphilosophischen Texte. Sie sind zwar um logische Stringenz und sprachliche Kohäsion bemüht, doch zumindest die österreichischen bieten viele Setzungen, die nur ansatzweise begründet werden, und z. T. bloß isolierte Textbausteine.
Dennoch können sie als Diskurse aufgefasst werden, in denen in den einleitenden allgemeinen Teilen auf aktuelle öffentliche Diskurse Bezug genommen wird (z.B. bei der Beschreibung der Situation von Gesellschaft, Schule etc. und wie darauf zu reagieren sei). In den besonderen Teilen dominiert jedoch die Diskurstradition der "Einzelfächer" und bei ihrer Rechtfertigung wird stets der Topos der nötigen Erneuerung ohne Aufgabe des Alten bemüht.(2)
Aus Lehrplänen lässt sich wohl nicht ablesen, was tatsächlich im Unterricht geschieht. In ihnen wird aber festgehalten, was der Gesetzgeber an Standards für Kenntnisse und Fertigkeiten vorgibt, die wiederum auf kaum explizierten Auffassungen von Sprache beruhen. Lehrpläne haben somit einerseits eine wichtige legitimatorische Funktion.(3) Sie dienen als Rechtfertigung für das unterrichtsbezogenen Handeln - weniger bei den Lehrenden selbst, mehr bei den ErstellerInnen von Unterrichtsmaterialen, Handreichungen etc.(4) - und sie wirken anderseits auf das Bewusstsein von Sprache in der Schule, der "Sprache der Lehrenden" wie der Sprachlichkeit der heranwachsenden Generation. Sie tragen dazu bei, vorhandene Auffassungen zu stärken oder zu modifizieren. Wirksamer freilich ist das, was über die "Lehrmittel" - einschließlich der Lehrenden selbst - im Unterricht realisiert wird.
Die Situation in Österreich ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass "der Lehrplan" für die Zehn- bis Achtzehnjährigen noch ein "work in progress" ist, wodurch sich auch eine gewissen Entwicklung ablesen lässt. Abgeschlossen und seit Herbst 2000 gültig ist der Lehrplan 2000, der im Grundsätzlichen, was die Allgemeinen Bildungsziele, die Allgemeinen didaktischen Grundsätze und die darin enthaltenen Bildungsbereiche betrifft, für den gesamten Bereich der Schuljahre 5-12 gilt. Im einzelnen enthält er freilich nur die Angaben für den Unterricht der 10- bis 14- Jährigen.
Auffallend im Vergleich zu den vorangegangen Lehrplänen (1985/ 1989(5)) ist das Bemühen, schon beim Konzipieren des Unterrichts in den Einzelfächern zu Grenzüberschreitungen zu animieren: den traditionellen Schulfächern werden "Bildungsbereiche" übergeordnet, denen jedes Fach "zuarbeiten" muss, was ein neues Selbstverständnis der Einzelfächer nahe legt, eine Neukonzipierung der traditionell zu "Stoffgebieten/ Lernbereichen" hypostasierten Fachinhalte. Besonders betont wird weiters und logisch daraus folgend ein fächerverbindendes und fächerübergreifendes Lernen in Handlungsfeldern(6).
Völlig neu und mit den anderen Allgemeinen didaktischen Grundsätzen kaum verbunden ist die Forderung nach "Interkulturellem Lernen" in dem u. a. von einer als "wertvoll erfahrbar zu machenden kulturellen Vielfalt" die Rede ist, und von einer "allenfalls vorhandenen Zwei- und Mehrsprachigkeit", die "positiv besetzt werden soll" und: "Kenntnisse in der Muttersprache wären "sinnvoll im Unterricht" einzubringen(7).
Zur grundlegenden Sprachauffassung (language conception) des Lehrplans findet sich im Allgemeinen Teil ein eigener Bildungsbereich: Sprache und Kommunikation. Die Ausführungen dazu sind jedoch ein inkohärentes Kompilat. In ihm werden Aussagen mit den unterschiedlichsten Konzeptionen und Begriffen von Sprache (Sprache als allgemein menschliche Fähigkeit, als einzelne "natürliche" Sprache und als ein "Medium") undifferenziert aneinander gereiht. So ist etwa zu lesen, dass "Ausdrucks-, Denk-, Kommunikations- und Handlungsfähigkeit von der [!] Sprachkompetenz" abhängig sei, dass "Weltsicht und Denkstruktur sprachlich und kulturell geprägt" seien und zuletzt noch dass die "kritische [...] und konstruktive Nutzung von Medien zu fördern" sei. An einer Stelle wird ganz explizit mit einem umfassenden, semiotisch orientierten Sprachbegriff operiert, der alle Formen von Zeichenverwendung einschließt(8).
Sofern etwas diese Ausführungen Verbindendes (re)konstruiert werden kann und wie deutlicher die Ausführungen in den folgenden Besonderen Teilen zeigen, so ist dies die Forderung, "Sprache" als soziales Handlungsinstrument zu fördern.
Im Lehrplanteil für den Unterrichtsgegenstand Deutsch nun ist aus der Grenzüberschreitung, dem interkulturellen mit- und von einander Lernen, eher eine neuerliche Grenzziehung geworden, eine Zweiteilung bei den "Fachspezifischen Bildungs- und Lehraufgaben und den Didaktischen Grundsätzen": Den unmarkierten, d.h. also normalen Teilen folgen "Besondere didaktische Grundsätze, wenn Deutsch Zweitsprache ist" (9). Gutwillig interpretiert ist das wohl insofern positiv, als damit der Realität einer SchülerInnenpopulation Rechnung getragen wird, für die Deutsch nicht Herkunftsprache ist, negativ jedoch erscheint, dass damit wieder Ausgrenzung nahegelegt wird.
Einerseits wirkt hier das alte Konzept einer "Ausländerpädagogik" noch weiter. D. h. SchülerInnen werden defizitär konzipiert, und eine möglichst rasche Anpassung ihrer Sprachkompetenz an die deutschsprachig sozialisierten KlassenkollegInnen erscheint als vorrangiges Ziel.(10)
Anderseits ist hier aber ausdrücklich von der Berücksichtigung der Lern- und Lebenserfahrungen dieser SchülerInnen die Rede, auf "ihre sprachliche und kulturelle Sozialisation" wird besonders hingewiesen, was wiederum im "normalen Teil" völlig fehlt. Der im Teil Deutsch als Zweitsprache deutlichen LernerInnen-Orientierung steht dort eine Standardorientierung gegenüber. D. h. hier wird - seltsam abgehoben von den sonstigen Hinweisen auf Sprache als Handlungsinstrument - eine Sprachauffassung nahegelegt, in deren Zentrum eine schulisch zu vermittelnde Norm, ein sprachlicher Standard steht, das richtige/ korrekte Deutsch(11) als nicht näher erläutertes (homogenes) Konstrukt.(12)
Hinweise auf die Berücksichtigung dessen, was alle SchülerInnen an sprachlichen und kulturellen Erfahrungen durch den nicht institutionalisierten Spracherwerb bereits "mitbringen", - und das sind höchst vielfältige, beachtet man allein schon die innersprachlichen Varietäten und Register, denen sie tagtäglich begegnen, all dies fehlt.(13) Die Gefahr liegt nahe, dass sich damit ein schulisch vermitteltes Sprachbewusstsein als "Sprachmängelbewusstsein"(14) niederschlägt. Sprache wird nicht auch als bereits erworbene individuelle Fähigkeit, sondern nur als Gegenüber vermittelt, dessen korrekter Gebrauch in der Schule eingemahnt wird.
Freilich ist im textuellen Umfeld viel die Rede von Kommunikations- und Handlungsfähigkeit: vom Recht auf die "eigene Sprache"(15) ist nicht einmal dort die Rede, wo es um "Zweitsprach-SchülerInnen" geht.
Der Forderung in den vorangestellten Bildungs- und Lehraufgaben: "Die sprachliche und kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft [nur hier?] soll als bereichernd erfahren werden" wird damit kaum entsprochen.
Ein Blick auf die für den Deutschunterricht geltenden unmarkierten didaktischen Grundsätze zeigt weiters eine - vermutlich von Watzlawicks (u. a.) Kommunikationsthesen abgeleitete verkürzte Konzeption von Sprache (und Sprachfähigkeit).(16)
Für die Leistungen der Sprache sind drei im Unterricht zu beachtende Bereiche vorgesehen:
Sprache diene als "Grundlage von Beziehungen" (vgl. Watzlawicks "Beziehungsaspekt"), als "Trägerin von Sachinformationen" (vgl. sein "Inhaltsaspekt": dabei steht ein naives Abbildmodell Pate) und als "Gestaltungsmittel". Nahegelegt wird hier der Weg zum "Design-Denken", "Gestaltung" als Spielwiese für "Kreativität". Die Einsicht: Das Design bestimmt das Bewusstsein, bleibt ausgespart. Der Hinweis auf die epistemologische Funktion von Sprache, d. h. dass jede Einzelsprache unterschiedliche Zugangsweisen zur Realität bietet, findet sich nicht hier, sondern nur in den Lehrplanteilen, wo es um die "Anderen" geht, d.h. bei den Ausführungen zum Fach: Muttersprachlicher Unterricht für nicht deutschsprachig sozialisierte SchülerInnen und in dem oben bereits erwähnten "Allgemeinen Bildungsziel"(17).
Dasselbe gilt für die emotionale Dimension gegenüber "Sprache" (language attitude). Dass sie als Fähigkeit und Erfahrungsgegenstand mit Selbstwertgefühl und Prestige verbunden ist und nicht unwesentlich an der Ausbildung von Identitäten beteiligt ist, darauf wird ebenfalls nur bei den "Anderen" besonders hingewiesen.(18)
Wenn im Lehrplanteil DEUTSCH von Sprache die Rede ist, ist still schweigend immer die deutsche gemeint, aber die Aussagen gerieren sich als allgemeine. Es wird also mit einem "naiven Sprachuniversalismus"(19) operiert und, was das "richtige/ korrekte Deutsch" betrifft, mit einer völlig unreflektierten und undifferenzierten Standard-Vorstellung(20), so als ob die Sprachwissenschaft nicht schon seit längerem das Deutsche als plurizentrische Sprache(21) mit mehreren Standard- neben anderen -Varietäten konzipiert hätte. Die Standardvarietät Österreichisches Deutsch wird nirgends direkt genannt. Sie findet sich - mehr verschämt als selbstbewusst - nur einmal im Hinweis auf "österreichische Wörterbücher"(22). Es darf also nicht verwundern, dass sogar Lehramtsstudierende für das Fach Deutsch am Studienbeginn bei der Frage, wo sie sich etwa über den Artikelgebrauch bei neuen Termini aus dem Englischen (z.B. Email) erkundigen, zuerst oder gar nur "den Duden" nennen können.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der Lehrplan 2000 spiegelt im Allgemeinen Teil ein nicht konsistentes, im Bereich für das Unterrichtsfach Deutsch ein verkürztes und dichotomisches Sprachverständnis, wie es auch sonst in Österreich anzutreffen ist:
Auf die gesellschaftliche Mehrsprachigkeit wird gerne Bezug genommen, dabei werden Begriffe wie "Vielfalt", "Diversität", das "Anders-Sein" als Hochwertwörter in einer Ankündigungsrhetorik eingesetzt und dies alles wird als "wertvoll" und "Bereicherung" beschworen.
Tatsächlich aber, wenn es um "Sprache" geht, herrscht im Alltagsdiskurs und -handeln in Österreich die Vorstellung eines simplen Gegenübers vor:
Auf der einen Seite der mündliche Sprachgebrauch: hier wird ein weites Feld inklusive Codeswitching akzeptiert und auch ein die BenutzerInnen aber abgrenzender bis stigmatisierender Sprachgebrauch des Deutschen der nicht "Muttersprachler" - und auf der anderen Seite die Schriftsprache, bei der - mit schlechtem Gewissen bis überzogenem Patriotismus oder auch mit "Wurschtigkeit" verbundene vage Vorstellungen von "Standard-/Hochsprache" Pate stehen, da das Wissen von einer österreichischen Standardvarietät noch kaum ins allgemeinere Bewusstsein getreten ist.(23)
Im besondere Lehrplanteil zum Unterrichtsfach Deutsch findet sich noch zu wenig, um dem gegenzusteuern. Die Vielfalt realer Sprachlichkeit bleibt deklaratorisch, kommt nur in den Blick, wenn es um die "Anderen" geht. Ein alle Spracherfahrungsmöglichkeiten umfassendes Konzept von Sprachlichkeit, Sprachfähigkeit und Sprachunterricht fehlt, d.h. eine allgemein-sprach- und kulturwissenschaftliche Fundierung aller Sprachfächer, bei der etwa die potentielle individuelle Mehrsprachigkeit der Menschen(24) berücksichtigt hätte werden müssen(25).
Transportiert wird eine Auffassung der eigenen Sprachlichkeit, und damit ein Sprachbewusstsein, das die Einsprachigkeit als das Normale ansieht(26), was auch zur Selbstunterschätzung führt - wenn z.B. meine Studierenden nach wie vor auf die Frage, ob sie ein- oder mehrsprachig seien, für die Einsprachigkeit entscheiden, trotz absolvierten schulischen Sprachenunterrichts, trotz der vielfältigen Spracherfahrungen im medialen Angebot, weil bei Ihnen und auch im Lehrplan impliziert die dominante Kollokation zu "Sprache" das "Beherrschen" ist und das europäische Konzept von der gestuften Mehrsprachigkeit noch unbekannt(27).
Und nicht zuletzt fehlt die Bedachtnahme auf die "Realdefinition" jeder Sprache, so auch der deutschen, als "komplexe Varietätenvielfalt"(28), als Vielfalt von Varianten und Registern mit verschiedenen Reichweiten und Standardisierungen und nicht zuletzt - angesichts des heutigen Neben- und auch Ineinanders von Sprachen - die Berücksichtigung permanenter Aufnahme und Anverwandlungsprozesse bei der Ausbildung der eigenen sprachlichen Kompetenzen wie auch der unterschiedlich weit gediehenen Standardisierungen.(29)
Der vorliegende Lehrplanteil legt einen unsensiblen Umgang mit einer als selbstverständlich vorausgesetzten Norm von sprachlicher Richtigkeit bezogen auf eine undefinierte "deutsche Standardsprache" zumindest nahe.(30) Die Stoffangabe für den Bereich "Sprachbetrachtung" für alle 4 Jahrgangstufen beginnt mit dem Satz: "Wissen über Sprache erwerben und anwenden soweit es für einen möglichst fehlerfreien Sprachgebrauch notwendig ist". Beim weiters empfohlenen "altergemäßen Nachdenken und Sprechen über Sprache" ist wohl vom "sprachlichen Erfahrungsbereich der Schülerinnen und Schüler" die Rede, explizite Hinweise etwa auf unterschiedlich hohes oder gefährdetes sprachliches Selbstbewusstsein oder Sprachenvergleiche fehlen.
Nur im abgehobenen Teil für Deutsch als Zweitsprache ist vom Sprachenvergleich die Rede, im unmarkierten Teil geht es um Korrektheit, Angemessenheit und um ein Wissen über die Bereiche Wort-, Satz- und Textgrammatik.
So bleibt das Interkulturelle aufgesetzt(31), individuelle Mehrsprachigkeit erscheint als Ausnahme.
Trotz angesprochener gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit ist im Lehrplan das unmarkiert "Normale" einfach die Deutschsprachigkeit und Schulen in Österreich sind nach wie vor in der überwiegende Zahl in ihrem Habitus monolinguale Anstalten(32) - und damit ein Spiegel dessen, was auch sonst in Österreichs öffentlichen Diskursen zu finden ist, etwa bei der Meldung einer türkischen und serbokroatischen Ausgabe der Wiener Bezirksjournale, denn: Wie die Wiener Stadt- und Landesregierung schon seit längerem wirbt: Wien ist anders!
Von der Stadt Wien wurde die entsprechende Presseinformation auch betitelt mit: "Information braucht Vielfalt und Vielfalt braucht Information."
In der Tageszeitung "Die Presse" (vom 15.10.2003, S. 32) war dann eine kleine Notiz zu lesen, dass für diese "Sonderausgaben" Artikel aus dem "regulären [!]" Bezirksjournal übersetzt werden.
Was ist nun vom in Arbeit befindlichen Lehrplan(33) für die Fünfzehn- bis Achtzehnjährigen zu erwarten? Der Allgemeine Teil wurde ja schon 2000 festgeschrieben und damit auch das Bemühen, Interkulturalität und Mehrsprachigkeit in Österreichs monolingual angelegten Schulen einzubringen. Die Herausforderung, mit SchülerInnen unterschiedlicher und unterschiedlich weit entwickelter Kompetenz in verschiedenen Sprachen zu arbeiten, stellen sich wohl auch weiter. Dazu ist aber nichts Separates, Apartes zu finden, keine Besonderheiten, wenn Deutsch Zweitsprache ist. Dafür zeigt der nun einheitliche Wortlaut meines Erachtens eine Differenzierung und Sensibilisierung, was die Sprachauffassung in allen ihren Dimensionen betrifft.
Schon bei den Bildungs- und Lehraufgaben ist vom "Lernen mit und über Sprache in einer mehrsprachigen Gesellschaft" die Rede. Noch nicht geklärt ist hier, ob mit dem aus dem Unterstufenlehrplan übernommenen Singular "Sprache" die allgemeine menschliche Fähigkeit gemeint ist, die sich u. a. in Einzelsprachen realisiert, oder die deutsche Sprache mit ihren Varietäten. Ein naiver Sprachuniversalismus wird aber vermieden. Wo von deutscher Sprache die Rede ist, wird sie in den Kontext mit anderen Sprachen gestellt: so wird in einem Satz gefordert, Einblick in Struktur, Funktion und Geschichte der deutschen Sprache zu gewinnen - zusammen mit der Entwicklung eines Bewusstseins von der Vielfalt von Sprachen.
Weiters erscheinen sprachliche Normen(34) und Standards immer im Plural. Im Bildungsbereich "Sprechen" wird die Reflexion der eigenen Sprecherrolle nahegelegt, weil sie "Platz schaffe für das Verstehen anderen Sprechens und einem bewussten Umgang mit Sprachvarietäten und Mehrsprachigkeit".(35)
Wenn bei der zu entwickelnden "Textkompetenz" von "der Funktion der Sprache und anderer semiotischer Systeme" die Rede ist, wird nahegelegt, Sprache als ein solches neben anderen Zeichen-Systemen zu denken und damit der umfassende Sprachbegriff aus dem allgemeinen Teil aufgegriffen. Dem entsprechend findet sich auch ein neuer Lernbereich: "Mediale Bildung" in dem es um die Entwicklung von "Mediennutzungs- und Medienkulturkompetenz" geht.(36)
Wird im Lernbereich "Sprachreflexion" einerseits ein deklaratives Wissen von der Grammatik des Deutschen (als Wissen über ihre Konzeptualisierung als System) als eigener Wert, als "kulturelles Erbe" gerechtfertigt, so werden im prozeduralen Bereich sprachlichen Könnens der Umgang mit Registern und Formaten sowie die Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Vielfalt(37) von sprachlichen und kulturellen Normen wie auch der Veränderbarkeit solcher Normen(38) angeführt. Sätze wie: "Situationen der Sprachaufmerksamkeit sind zu nützen, um mit Wissen über Sprache eigene und andere sprachliche Handlungen besser verstehen und einordnen und mit Sprachvarietäten und Mehrsprachigkeit umgehen zu können" zeigen, dass hier ein Sprachbewusstsein und Sprachverhalten angestrebt wird, bei denen "Korrektheit" funktional-dialogisch konzipiert ist, eines, das SchülerInnen wie Unterrichtenden nahe legt, beim Reden/ Urteilen über sprachliche Handlungen, die eigenen wie die der anderen, nicht hurtig mit richtig/ falsch zu reagieren, sondern sensibel einmal zu versuchen wahrzunehmen, was der Fall ist(39), was an sprachlichen und kulturellen Gemeinsamkeiten und Differenzen an unseren Verständigungsbemühungen beteiligt ist.
Solches im Lehrplanentwurf angesprochene differenzierte Umgehen(40) mit den eigenen wie den Sprachen der anderen(41) in einer vielsprachigen Welt erfordert nicht nur eine besondere LehrerInnenausbildung(42), sie steht auch quer zum zur Zeit in den öffentlichen Diskursen dominierenden binären Denken und hurtigen Entscheiden-Wollen.
Die seit der Pisa-Studie auch in Österreichs Bildungsdiskursen allgegenwärtige Rede von Standards ist dabei ernst zu nehmen, doch muss dabei genau darauf geachtet werden, welche Aufgabe diesen primär zugeschrieben wird: Geht es bei ihnen um ein zu erreichendes Niveau von Fertigkeiten und Fähigkeiten, die sich aber auf sprachlichem Gebiet nur mit hohem Aufwand(43) messen lassen, so sind sie und ihre möglichst genaue Umschreibung zu begrüßen(44). Wird ihre Qualität aber vor allem darin gesehen, dass sie nur leicht Messbares festschreiben oder höchst Komplexes als Einfaches/Selbstverständliches (wie die "Sprach- und Schreibrichtigkeit") suggerieren, ist Skepsis geboten. Denn damit mutiert das - für Lernen und Verständigung - grundlegende Konzept des Vergleichens leicht zum Ranking-Denken, wird die Standardisierung leicht zum Sanktions- bzw. Selektionsinstrument(45).
Sprachliche wie kulturelle Standards dürfen nicht primär als Leistungsmaßstab, sie müssen als Orientierungsmatrix(46) verstanden werden, um das je Eigene verständlich(er) zu machen in einem globalen Umfeld, in dem das einander Verstehen- Wollen/ Können(47) vor eine normenorientierten Korrektheit zu stellen ist. Ich möchte aber nicht mit diesem "Ranking" enden, sondern mit dem ersten und letzten Satz aus dem Editorial eines heuer erschienen Heftes einer sprachwissenschaftlichen und sprachdidaktischen Zeitschrift, das sich mit der permanenten Veränderung der Normen/ Standards für die deutschen Sprache beschäftigt:
"das streben nach korrektem sprachlichen ausdruck ist für viele ein grundbedürfnis."
"die grosse kunst des sprachlichen auffallens und abweichens ist vielleicht für das deutsche des 21. jahrhundert besonders gefragt."(48)
Eine solche doppelte Sicht auf sprachliche Standards/ Normen und ein sich daraus ergebendes unterrichtliches Handeln, das beide Tendenzen berücksichtigt und SchülerInnen beim Streben nach Korrektheit unterstützt und zugleich für eine Kunst des Abweichens sensibilisiert im Dienste der Verständigung über eine gemeinsame Zukunft und eines (selbst-)kritischen Umgangs miteinander, in dem die Potentiale der "individuellen Gesamtsprachlichkeit"(49) genützt werden, dies scheint mir bedenkenswert.
© Norbert Griesmayer (Universität Wien, Österreich)
ANMERKUNGEN
(1) Mit "Sprachauffassungen" meine ich im Folgenden beides: die Konzepte von Sprache (language conceptions) und die Einstellungen gegenüber Sprache(n) ( language attitudes).
(2) Vgl. dazu Evelyn Thornton: Kontinuität und Innovation: Elemente des alten im neuen Lehrplan. (Erstellt am 06.02.2002) www.gemeinsamlernen.at deutsch.
(3) Vgl. Michael Kämper-van den Boogaart (2003): Lehrpläne und Deutschunterricht. - In: Ders. (Hg.): Deutsch-Didaktik. Leitfaden für die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen-Scriptor 2003, S. 12-33.
(4) Die Bedeutung des fachdidaktischen Diskurses, wie er etwa in Österreichs einziger deutschdidaktischer Zeitschrift angeboten wird (= IDE. Zf. f. d. Deutschunterricht in Wissenschaft und Schule. Klagenfurt 1976ff.), bedarf einer eigenen Untersuchung.
(5) Zu anderen Aspekten siehe Werner Wintersteiner: Der flexible Mensch. Kulturelle Bildung im Zeitalter der Globalisierung. - In: auf!brüche. Aktuelle Trend der Deutschdidaktik. Hg. v. Eva Rastner. - Innsbruck: Studien Verlag 2000, bes. S.24-26 (= Ide extra 8) sowie zuletzt Oskar Putzer: Sprachnormen in den Lehrplänen von 1967 bis 2000. Die Entwicklung normenorientierter Lehr- und Lernziele für den Deutschunterricht. In: Neue Sprachmoral? Medien. Politik. Schule. hg. v. Anne Betten u.a. Wien: Edition Praesens 2003, S. 187-198 (= Stimulus 2002).
(6) Vgl. den Wortlaut des Lehrplans im BGBl II, Nr. 1333/ 2000 vom 11. Mai 2000; III. Teil: Schul- und Unterrichtsplanung, Pkt. 5. Auch einsehbar unter: http://www.bmbwk.gv.at/ Bildung/Schule Suche: Lehrplan
(7) Ebda. Allgemeine didaktische Grundsätze 2.
(8) Ebda. Unter Allgemeines Bildungsziel, 5. Bildungsbereiche: - Sprache und Kommunikation: " In jedem Unterrichtgegenstand sind die Schülerinnen und Schüler mit und über Sprache - z.B. auch in Form von Bildsprache - zu befähigen [...]"
(9) Vgl. dazu auch die 1. Sondernummer zum Verordnungsblatt f. d. Dienstbereich des BmfBWK, 7a. Stück Nr. 71 vom 01.07.2000, S. 286ff.
(10) Vgl. dazu auch die besondere Erwähnung dieser SchülerInnen im Zusammenhang mit dem Förderunterricht, 1. Sondernummer zum Verordnungsblatt, ebda., S. 269, Pkt. 5.: Förderunterricht.
(11) Bei den Bildungs- und Lehraufgaben heißt es: "Der mündliche und schriftliche Sprachgebrauch soll frei von groben Verstoßen gegen die Sprach-[?] und Schreibrichtigkeit sein." Vgl. dazu Genaueres bei Putzer, zit. Fn. 5.
(12) Leider fehlt jeder Hinweis darauf, dass die Rede vom "korrekten Sprachgebrauch" nur als Metapher sinnvoll ist, und auf eine kollektive Wert- und Normalitätsvorstellung verweist, auf ein "Leitbild", das jedoch mit der empirischen Realität nicht übereinstimmt. Vgl. dazu Geideck, Susan/Liebert, Wolf-Andreas (Hrsg.) (2003). Sinnformeln.
(13) In den Allgemeinen didaktischen Grundsätzen steht wohl an 1. Stelle das "Anknüpfen an die Vorkenntnisse und Vorerfahrungen der Schülerinnen und Schüler", doch ist damit - wie gleich darauf zu lesen ist - nur die Zweckmäßigkeit "kontinuierlicher Kontakte" mit den "vorgelagerten und weiterführenden Schulen" gemeint!
(14) Eva Neuland (1993). Reflexionen über Sprache.
(15) Vgl.
dazu einerseits die "Déclaration Universelle des Droits
Linguistique" (In der 1996 auf der Weltkonferenz für
Sprachenrechte in Barcelona von NGOs, PEN-Zentren und Sprachenrechts-ExpertInnen
verabschiedeten "Allgemeinen Erklärung der Sprachenrechte"
wird das kollektive und individuelle Recht auf die eigene(n) Sprache(n)
festgehalten und definiert.) Siehe auch www.sprachenrechte.at
Zur verheerenden Bedeutung der in der Schule vermittelten "Regelsprache"
für die Identitätsentwicklung der Kinder anderseits
vgl. z. B. Obernosterer (2002).
Didaktische Gegensteuerungsvorschläge machte jüngst
Hornung (2003).
Zum Thema Deutschunterricht und Sprachlosigkeit siehe IDE 2003,
H. 3.
(16) Zur Kritik an dessen verkürztem Sprachverständnis: Bremerich-Vos (1985) und (1999).
(17) Lehrplan, zit. Fn. 6: 5. Bildungsbereich Sprache und Kommunikation: " Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen ermöglicht die Einsicht, dass Weltbild und Denkstruktur in besonderer Weise sprachlich und kulturell geprägt sind."
(18) 1. Sondernummer, zit. Fn. 9: Das Kapitel Lehrstoff beginnt mit: "Die Einstellung der Schülerinnen und Schuler zu ihrer Muttersprache sowie zum Deutschen ist auf grund der jeweiligen Sozialisationsbedingungen unterschiedlich."
(19) Siehe die Stellungnahme des Verbands für angewandte Linguistik (verbal): (Erstellt am 07.12.1999) www.univie.ac.at/linguistics/verbal/ verbal nimmt Stellung archiv
(20) Vgl. ebda.
(21) Vgl. dazu das trilaterale Projekt eines "Wörterbuchs der nationalen und regionalen Varianten der deutschen Standardsprache" z. B. unter (Update 23.06.2002) http://info.uibk.ac.at/projects/woerterbuch/proj/ proj.html
(22) Gemeint ist dabei sicher an erster Stelle das Österreichische Wörterbuch. 39. Aufl. Wien 2001 (siehe dazu auch: Tribüne. zeitschrift für sprache und schreibung 3 2001), weiters Ebner (1998) und zuletzt Fussy (2003) und das als Testversion über die Universität Innsbruck benützbare Österreichische WWW-Wörterbuch (inkl. Fragebogen zum österreichischen Deutsch): http://psb1.uibk.ac.at/retti/oewb/test/oewb.cgi
(23) Vgl. dazu die mir noch immer gültig erscheinenden Ausführungen von Rudolf de Cillia (1998) sowie die Situationsdarstellung und den Forderungskatalog des Centre for intercultural studies: http://cis.uni-klu.ac.at/enquete/ag9.html
(24) Vgl. Wandruszka, Mario (1979), Weinrich, Harald (2001), James, Allen (Hg.) (2003).
(25) Diese wird nur in den Allgemeinen didaktischen Grundsätzen beim Interkulturellen Lernen als Möglichkeit angesprochen. Im Teil: Muttersprachlicher Unterricht wird Mehrsprachigkeit nur als "Problemursache" modelliert, weil sie "identitätsgefährdend" sein kann. Vgl. I. Sondernummer, zit. Fn. 9, S. 371.
(26) Während bei den "anderen" von einer möglichen Mehrsprachigkeit die Rede ist, dann aber bloß ein einfaches Gegenüber von "Herkunftssprache" und [deutscher] "Standardsprache" beim Bereich Sprechen hergestellt wird, - beim "Schreiben" geht es überhaupt nur mehr um Fehlervermeidung -, fehlt bei den "unmarkierten" SchülerInnen jeder Hinweis auf deren in den Unterricht mitgebrachte Sprachen/ Spracherfahrungen und -kompetenzen, auf ihre je individuelle "Gesamtsprachlichkeit" (Hornung, zit. Fn. 15), bestehend aus vielfältigen Varietäten- und Registererfahrungen und -(teil)kompetenzen, die zu fördern wären, um selbstbewusst jene zu erweitern und mit Standards dabei bewusst umzugehen.
(27) Vgl. dagegen z. B. für die Schweiz das bereits 1998 erstellte "Sprachenkonzept" http://www.romsem.unibas.ch/sprachenkonzept/Konzept.html sowie die Tutzinger Thesen zur Sprachenpolitik in Europa (1999) http://www.goethe.de/z/50/alltag/meinung/angl08.htm
(28) Wolf Peter Klein: In dubio contra rem? Zur Geschichte der Reflexion über sprachliche Zweifelsfälle. In: Tribüne 2 2003, S.10. Klein spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass, fasst man Sprache als System, dieses "notwendigerweise gewisse Lücken und Brüche umfasst" - womit jeder Hoffnung mit "korrekt/ nicht korrekt" beim systembezogenen Beurteilen von sprachlichen Handlungen und Produkten auszukommen, bzw. sprachliche Zweifelsfälle bei ausreichendem Wissen über das "Sprachsystem" ausmerzen zu können, eine Absage erteilt wird.
Anders und sehr griffig drückt diese Einsicht Pinker (1996) in seinem nach dem "Sprachinstinkt" 2000 erschienen Buch: "Wörter und Regeln. Die Natur der Sprache" als Ergebnis seiner spannenden Reise durch die regelmäßigen und unregelmäßigen Verben aus: "Kap. 10: Ein digitalen Geist in einer analoge Wirklichkeit". Beide Bücher sind allen Sprache(n) Lernenden und Lehrenden zu empfehlen.
(29) Dies lässt auch die in den Lehrplänen der übrigen Sprachfächern anzutreffende Vorstellungen von einer anzustrebenden "Reinheit" (etwa bei der Lautung u.ö.) und die Mahnung, dass "nachlässiges Sprachmischen" zu vermeiden sei, fragwürdig erscheinen. Vgl. dazu die Stellungnahme von verbal, zit. Anm. 19.
(30) Deutlich wird dies etwa in dem im Netz publizierten Kommentar zum Lehrplan: Siegfried Winkler: Den Kernbereich für den Gegenstand Deutsch planen. (Erstellt am 02.03.2002) www.gemeinsamlernen.at deutsch.
(31) Bestätigt wird dieser Eindruck durch einen Blick auf die Genese des Lehrplans. Er ist Produkt unterschiedlicher Arbeitsgruppen für die Allgemeinen Bereiche, u. a. zum Interkulturellen Lernen, für die Unterrichtsfächer und hier auch noch für den Teil Deutsch als Zweitsprache. Eine Kooperation war offensichtlich schwer möglich, was auch mit dem vorgegebenen Termindruck erklärbar erscheint. So berücksichtigen etwa die sonst sehr lesenwerten Ausführungen von Thornton, zit. Fn. 2, den Teil Deutsch als Zweitsprache überhaupt nicht!
(32) Vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen von Ingrid Gogolin (1994).
(33) Der Formulierungsstand für das Unterrichtsfach Deutsch ist einsehbar unter: www.virtuelleschuledeutsch.at/lehrplan/ ( Stand 24.10.2003)
(34) Von Normen (Plural) ist wohl auch im Lehrplan 2000 die Rede, doch finden sich daneben und unvermittelt des öfteren die Formulierung von der "Sprach- und Schreibrichtigkeit".
(35) Dass im Zusammenhang mit dem Lernbereich: schriftliche Kompetenz bloß "Wörterbücher" erwähnt werden, bestätigt die schon oben gemachte Bemerkung über das noch wenig verbreitete Bewusstsein einer zumindest bereits teilcodifizierten österreichischen Standardvarietät.
(36) Kompetenzen, die für die Nutzung von und Auseinandersetzung mit inter- und multimedialen Texten nötig sind. Didaktische Vorschläge für diesen Lernbereich finden sich etwa bei Jutta Wermke, von der auch die beiden Begriffe übernommen worden sind. Vgl. zuletzt: Jutta Wermke (Hg.) (2003): Literatur und Medien. Zum aktuellen kulturwissenschaftlichen Reflexionsstand siehe Frank Hartmann (2003): Mediologie.
(37) Diese Vielzahl zwingt bei jeder Diagnose von "korrekt/ nicht korrekt" dazu, den jeweiligen Normenbezug explizit zu machen, wodurch auch Platz frei gemacht wird für die (emotionelle) Auseinandersetzung mit deren Vertretern/-fechtern.
(38) Dies wird bisher leider nur am Beispiel des historischen Sprachwandels expliziert. Einzumahnen wäre auch der durch regionale wie globale Sprachkontakte beobachtbare Sprachwandel.
(39) So ist im vorläufig vorletzten Absatz des Entwurfs zu lesen: "Beziehung zwischen Sprachvarianten und Sprachen: - sich mit der inneren und äußeren Mehrsprachigkeit auseinandersetzen".
(40) Hierher gehört auch die Fähigkeit, mit öffentlich verbreiteter Sprache, Formen der Sprachkritik etc. (selbst) kritisch umgehen zu lernen, was im Lehrplanentwurf ebenfalls angedeutet wird.
(41) Die Basis hiefür wäre ein umfassendes kulturwissenschaftliches Konzept von Sprachfähigkeit, als Fähigkeit durch die verschiedensten, untereinander jedoch vergleichbaren Zeichensysteme (z. B. Bild-, Körper-, Gebärdensprachen), von denen wohl das komplexeste die "natürlichen" Sprachen sind, die Wirklichkeit zu strukturieren und sich zu verständigen. Zum keineswegs oppositionell zu fassenden Verhältnis etwa von Bild- und Wort-Sprache vgl. Arno Rußegger (1995).
(42) Dazu nur drei Hinweise:
1. Wie solches differenzierte, sensible Umgehen mit Sprachhandlungen und Sprachprodukten/ Literatur erst durch "Langsamkeit" und das Erleben der oralen (Basis-) Dimension von Sprache erreicht werden kann, führt Arnulf Ramusch in seinem Bericht über die (Pflichtschul-) LehrerInnenausbildung an einer Pädagogischen Akademie aus: Erziehung zur Sprachlichkeit. Sprachlosigkeit - ein Problem kommender Lehrergenerationen? In: IDE 27 2003 H. 3, S. 88-98.
2. Der Tatsache, dass künftige DeutschlehrerInnen in mehrsprachigen Klassen zu unterrichten haben, wird etwa bereits im Studienplan an der Universität Wien und einiger Pädagogischer Akademien Rechnung getragen. Vgl. dazu Klaus-Börge Boeckmann, Ulrike Eder, Elisabeth Fuchs, Verena Plutzar: Sprich deutsch und Du gehörst zu uns! Deutsch als Zweitsprache bei der Integration von MigrantInnen und in der Lehreraus- und -fortbildung (Erstellt am 16.07.2003) www.sprachenrechte.at Recht auf Sprachen Artikel.
3. Für einen Deutschunterricht, der Mehrsprachigkeit als Ansatz und bewussten Umgang mit ihr als ein Ziel beachtet, sind meines Erachtens aber noch weitere Lehrveranstaltungen im Bereich der allgemeinen Sprachwissenschaft, der Medien- u. Kulturwissenschaft bzw. - semiotik erforderlich bzw. ein neues Selbstverständnis der ursprünglich nationalsprachlich konzipierten universitären Sprachfächer. Vgl. dazu das im Kapitel "Fachspezifisches Qualifikationsprofil" für das Lehramtsstudium des Unterrichtsfaches Deutsch unter 7.1.1.1 Ausgeführte. http://mitteilungsblatt.univie.ac.at/MTBL Mitteilungsblatt XXXII, Nr. 321 vom 26.06.2002
(43) Vgl dazu etwa den bereits 1991 vorgestellten "Zürcher Textanalyseraster" (Nussbaumer, Markus (1991). Zur Entwicklung solcher Standards zuletzt etwa die Hefte Deutsch Didaktik 15 2003 und Deutschunterricht 56 20003 H. 5: Standards. Aufgabenarten.
(44) Vgl. dazu etwa das von Hubert Josef Jungwirth ausgearbeitete "Fähigkeitenprofil für den Fachbereich Deutsch". Hier nimmt der Bereich "Sprach- und Schreibrichtigkeit" nur ein Drittel der zu beachtenden Fähigkeiten ein. (Erstellt am 11.12.2001) www.gemeinsamlernen.at/beispiele/artikel/faehig/faehig.htm
(45) Vgl. zur historischen Dimension von Standardisierungsbemühungen auf dem Gebiet der deutschen Sprache, u.a. zum Wandel vom Orientierungs- zum Sanktionierungsbedürfnis, Wolf Peter Klein, zit. Fn. 29, S. 4-14 sowie Annette Klosa: Sprachliche Zweifelsfälle als linguistischer Gegenstand. In: Sprachreport 2 2003, S. 21-23.
(46) Ihre Erfüllung allein enthält noch keine Information, erst der individuelle Umgang damit, das "Spiel" mit ihnen ergibt etwas, das "verstanden werden will".
(47) Zur Verbesserung einer jede Einzelsprache übergreifenden Kompetenz der Verständigung mit den "Anderen", die Bedeutung des Internets dabei sowie die Gemeinsamkeiten zwischen einem DaZ und einem DaM (= Deutsch als Muttersprache)-Unterricht siehe z. B. Wolfgang Steinig: Kommunikation im Internet. Perspektiven zwischen Deutsch als Erst - und Fremdsprache. In: Zf. f. Fremdsprachenforschung 11 2000 H. 2 S. 125-156 sowie seine zusammen mit Hans-Werner Huneke verfasste Sprachidaktik Deutsch. 2. erw. Aufl. -Berlin: E. Schmidt 2004.
(48) Richard Schrodt: Editorial. In: tribüne 2 2003, S.3.
(49) Zu
diesem Schlüsselbegriff vgl. nochmals Hornung, zit. Fn. 15;
S.396.
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