Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. August 2006
 

1.2. Gesellschaftliche Reproduktion und kulturelle Innovation. Aus semiotischer Sicht
Herausgeber | Editor | Éditeur: Jeff Bernard (Institut für Sozio-Semiotische Studien ISSS, Wien)

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Übermittlung - Vermittlung - Mitteilung

Zur Semiotik der Information

Karl Gfesser (Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart)
[BIO]

 

Information ist die Vermittlung von Sachverhalten und Realitäten vermittels Zeichenprozessen, Semiosen genannt. Semiosen vielfältiger Art prozedieren im menschlichen Gehirn, dessen Komplexität im Verlauf der Hominisation auf Myriaden interagierender Neuronen und Synapsen angewachsen ist und dem Homo sapiens ein Zeichensystem ermöglicht hat, das alle anderen semiotischen Systeme erzeugt und umfasst: die Wortsprache. Nun kann der Mensch auf den Begriff bringen, was vorher dem Instinkt und kontingenter Erfahrung verhaftet gewesen ist, Erfahrung vorausschauend erinnern und sich vorstellen, was Erfahrung übersteigt. Jeweiliger Relevanz dienende Information, geschuldet einem Sediment von Exformation, bewährt in praktischem Handeln und bewertet in theoretischer Erörterung, gedeiht zu logischem Wissen: Wissen von Verhältnissen und Beziehungen, und zu technologischem Wissen: Wissen von Nutzung und Anwendung.

Verbale, also vorwiegend symbolisch, doch auch indexikalisch und ikonisch verfasste Information hält Erkenntnis fest, versichert uns des Wirklichen, umreißt das Notwendige und erhellt das Mögliche. Information harrt der Vergewisserung, und so zeitigt Information Information und wieder Information. Im Informationsprozess übermittelt wird das material-energetische singuläre Zeichenmittel: [1.1] 1.2; vermittelt wird im Mittelbezug das Legizeichen: [1.2] 1.3 und der Objektbezug ikonischer: 2.1, indexikalischer: 2.2 und symbolischer Art: 2.3; mitgeteilt wird der dicentische: 3.2, selten der argumentische: 3.3 Interpretant, weil der Objektbezug mindestens beurteilbar sein muss, während der rhematische Interpretant: 3.1 der Beurteilung nicht fähig ist, da er lediglich offene Prädikate nennt, aber nichts prädiziert, also keine Sachverhalte bezeichnet. Das Legizeichen, das Ikon, der Index und das Symbol, der Dicent und das Argument bilden innerhalb der triadisch-trichotomischen Zeichenrelation das Informat.

 

Wie fragt doch gerne der Popstar so routiniert vertraut: "Hey, geht es euch gut!? Ja!? Ich höre nichts! Fühlt ihr euch gut!?" - "Jaaa!!!", schallt es zurück. Was für eine Antwort könnte hier auch erwartet werden, welche Information? Offensichtlich keine. Es soll ja nicht anders sein als es hoffentlich ist. Eine genauere und überlegte Antwort wäre auch schwierig, da Emotion und diffuse Befindlichkeit erst bewusst werden und die bewusst gewordenen Gefühle möglichst adäquat verbal geäußert werden müssten.

Ein weiteres: So fragte ich einmal nur so zum Spaß, worüber man sich denn bei einer gerade anstehenden Geselligkeit unterhalten werde: "Über dieses oder jenes - oder anderes?" Was soll man da antworten, ist das doch gar keine Alternative: "dieses" und "jenes" sind hier ebenso wie "anderes" gänzlich unbestimmt und haben keinerlei indexikalischen Bezug. Zwar könnten die Demonstrativa durch Angaben möglicher Gesprächsthemen ersetzt und ihnen ein bestimmt anderes entgegen gesetzt werden, aber der Spaß, wenn es denn einer ist, wäre keiner mehr. Um eine Information ging es mir, wie auch dem Popstar, jedenfalls nicht.

Was aber, wenn es tatsächlich um Information geht? Was ist das überhaupt: Information? Rätselt man immer noch, was Information denn wirklich sei? Versucht man immer noch, ihr wahres Wesen zu ergründen? Weder material noch mental sei sie, sondern ein Drittes(1), eine Seinsweise sui generis, eine eigenständige ens informans, entweder zwischen Materie und Geist, oder jenseits von Materie und Energie, wie Norbert Wiener meinte.

Er, einer der Begründer der Kybernetik, stellte fest: "Information ist Information, weder Materie noch Energie." (Wiener 1963: 192) Also doch Geist? Nein, eben Information. Nun, Tautologien sind immer wahr, erklären aber nichts. Ist es nicht vielmehr so, dass Information sowohl Materie und Energie als auch Geist ist, entsprechend dem Titel dieser Arbeit: physikalische Übermittlung, objektaleVermittlung und mentale Mitteilung in einem ist?

Ist doch - kurz gesagt - das direkt akustisch, optisch oder indirekt auf elektromagnetischem Weg übermittelte Signal material-energetisches Substrat geistiger Vermittlung von Sachverhalten oder Realitäten und Mitteilung von Wissen, Wissen, das man miteinander teilt, und das, sofern es kognitiver Art ist, dem Geist angehört, obschon auch emotionales und prozedurales, ja sogar motorisches Wissen wohl nicht ganz und gar geistlos ist.

Gelingt es dem Sender oder Expedienten, dem Empfänger oder Rezipienten eine Information zu geben, sein Wissen weiterzugeben, - sagen wir es lieber personal - schafft es der Sprecher, Schreiber oder Bildner, dem Hörer, Leser oder Schauer eine Mitteilung zu machen, die von ihm intendierte Interpretation eines Sachverhalts im Geist des Kommunikationspartners zu evozieren, sodass beide sie nun miteinander teilen, so ist der Informationsprozess erfolgreich; und das nun Mitgeteilte nenne ich das Informat.

Wir sehen, dass diesem Informationsprozess eine dreistellige Beziehung zugrunde liegt. Es ist dies nichts anderes als die triadische Relation des Zeichens, und zwar jedwedes Zeichens, in seinem differenzierten Mittel-, Objekt- und Interpretantenbezug. (Peirce 1958: 8.327-8.341) Wie das Zeichen selbst ist auch Information dynamisch, eine Funktion von Relation. Das ist ein qualitativer Begriff von Information in ihrer Differenzierung in ein syntaktisches, pragmatisches und semantisches Relat, das heißt in den Bestand und die Auswahl der Mittel, in den Bereich der bezeichneten Objekte und Sachverhalte und in das Feld der Interpretanten.

Beim Mittelrepertoire greift das quantitative probabilistische Informationskonzept als ein Maß für Entropie, hier für die Unbestimmtheit von Ereignissen, genauer, als ein Maß für die Verringerung der Unbestimmtheit des Eintretens von Ereignissen, etwa des Auftretens einzelner Zeichen in gewissen Zeichenprozessen. Zwar handelt es sich auch hier um einen informationalen Prozess, doch eben um einen technischen Übermittlungsprozess mittels Signalen als systemische Einheiten eines Kodes, die über verschiedene Kanäle übermittelt werden, im Unterschied zur bezeichnenden Vermittlung von Sachverhalten.

Information oder Nachricht erscheint hier in ihrem syntaktischen Moment, wiewohl sie, semiotisch gesprochen, pragmatisch und semantisch intendiert ist. In der triadischen Einheit von Mittel-, Objekt- und Interpretantenbezug tritt das material-energetische Qualizeichen: 1.1 singulär im Sinzeichen: 1.2 als aktual realisiertes Element eines Kodes von Legizeichen: 1.3 hervor und geht als Signal, in geordneter Folge mit anderen Signalen, vom Sender auf den Empfänger über.(2) Solche Elemente sind in der gesprochenen Sprache die einzelnen Laute oder Allophone [1.2] der Phoneme [1.3], in der geschriebenen die Lautzeichen: die Buchstaben oder Graphen [1.2] der Grapheme [1.3].

Der Übermittlungskanal ist einmal die durch die Stimme in Schwingung gebrachte Luft, das andere Mal der Frequenzbereich des sichtbaren Lichts. So erfordert die Transposition der Übermittlung in einen anderen Kode den Wechsel des Kanals, der, zunächst natürlich, mittels elektromagnetischer Signale technisch weitergeführt wird und schließlich physiologisch fortgesetzt ist als Nervenaktionsimpuls in biotischen Geweben, wo das Signal das Zeichen in seinem material-qualitativen, neuronal-transformablen Mittelbezug generiert, als das Substrat der struktural-objektionalen, iconisch-indexikalisch-symbolischen Rekonstruktion eines Sachverhalts durch den intentional-propositionalen Interpretanten.

Information wird hier, wie gesagt, nicht inhaltlich-qualitativ verstanden, sondern stofflich-quantitativ als Betrag in logarithmischer Relation zur Anzahl der Wahlmöglichkeiten innerhalb eines Repertoires. Über die Auftretens- und Folgewahrscheinlichkeiten von Signalen, abhängig von der Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines oder mehrerer vorangehender Signale, kann man Informationen quantitativ miteinander vergleichen. Es handelt sich hier um einen - erstmals von Claude E. Shannon (1948) - mathematisch formulierten nachrichtentechnischen Informationsbegriff gemäß dem Logarithmus dualis, also den Betrag an Information in binary digits, in Bits.

Sollen übermittelte Sinzeichen eine Nachricht vermitteln und eine Mitteilung in die Wege leiten, müssen die vom Sender selegierten Signale beim Empfänger eine innovative Semiose generieren. Denn "jedes übertragbare Element eines materialen Repertoires kann zu einem semantemen Element des intentionalen Bewußtseins werden, (...) ein Zeichen (...), das eine Information" repräsentiert (Bense 1969: 55). So ist also das Signal, [1.1] 1.2 [1.3], als Mittel der Vermittlung ein Repräsentans bezüglich eines bezeichneten Sachverhalts, des Repräsentats, 2.1 2.2 2.3, welcher Bezug sich mental als Repräsentation, als Interpretant, 3.1 3.2 3.3, ausweist:

Signal → Zeichen:

materiale Signalfunktion (q1, q2, q3, t) →
mentale Zeichenrelation (M, O, I),

wobei q1, q2, q3 Ortskoordinaten, t die Zeitkoordinate des material-energetischen Signals und M, O, I das repertoirielle Mittel, den bezeichnenden Objektbezug und den erläuternden Interpretantenkontext darstellen. (Bense 1983: 83) So "bilden die physikalische Signalfunktion und die intentionale Zeichenrelation über der beidseitig gegebenen Materialität des Mittels (der Signalbildung bzw. der Bezeichnung) einen Zusammenhang bzw. ein Medium morphogenetisch-semiosischer Transformation ..." (Bense 1983: 83)

Verstehen wir Nachricht als Neuigkeit, so besteht, was die Signalfunktion betrifft, ihr Informationsgehalt in nichts anderem als in einer Innovation in der Signalfolge. Was die Zeichenrelation angeht, also M, O, I, ist es ein semiotischer Informationswert, der des Interpreten, des interpretierenden personalen Bewusstseins. Der Informationsgehalt der signalisierten Innovation ist noch nicht Wissen, sondern erst eine Bedingung dafür, Wissen bilden zu können: ein Informat, mitgeteiltes Wissen dicentischer, selten argumentischer Art. (Siehe Schemata 1 und 2)

Wissen ist eine Angelegenheit von Semiotizität, Zeichenhaftigkeit, welche die Ontizität, die Seinsmächtigkeit unserer intelligiblen und technischen Welt bereichern, auch überfrachten kann, - gibt es doch feinst "ausdifferenzierten" Unsinn. Unsinn ist nicht mit Sinnlosem gleichzusetzen; letzteres ist logisches Pendant zu Sinnvollem und unvermeidbar, auch nützlich, gelangen wir doch nicht nur über den Ausschluss nicht relevanter Information, sondern nicht zuletzt auch über den wohldurchdachten Ausschluss von Sinnlosem zu Information, die im Wissen aufgehoben wird.

Information fußt also auf dem Sediment von Exformation, der aus Gründen der Relevanz und Praktikabilität ausgeschlossenen Information, zwecks effektiver Kommunikation und effizienten Handelns. Unsere Gattung hätte nicht gedeihen und überleben können, wäre sie nicht derart vorgegangen. Aus effizientem Handeln erwuchs technologisches Wissen in ständiger Abwägung von Redundanz und Relevanz, einsetzend schon mit basal-biotischer Information im limbischen Gürtel, der sich um das Stammhirn legt und die cortikale kognitive Informationsverarbeitung emotional bewertet und gewichtet.

Bewusst gewordene Emotionen - und das sind die wenigeren -, nennen wir Gefühle: Liebe, Hass, Freude, Hoffnung, Erwartung, Stolz, Zuneigung, Abneigung, Sorge, Abscheu, Vorliebe, Scham, Überraschung, Neid, Angst, Ärger, Zorn, Trauer; sie beeinflussen, ja initiieren unsere Entscheidungen und Handlungen. Und zuunterst sind es Lust und Schmerz und die uns gänzlich unbewusste Steuerung des Stoffwechsels, die Reflexe und Basisreaktionen, die unser Verhalten steuern und unsere körperliche und geistige Aktivität gewährleisten, Basisreaktionen wie die unseres Immunsystems beispielsweise, eines höchst effizienten und doch nicht unüberwindbaren Informationssystems.

Zwischen Schmerz und Lust wirken die Triebe: Durst, Hunger, Sexualität, Spielverlangen und Neugier. Einverleibung des Guten, Abwehr des Schlechten: es soll uns gut gehen. Wir sollen meiden, was uns schadet und suchen, was uns nützt. Dieses Prinzip der Evolution gilt nicht nur für unsere leibliche Befindlichkeit, sondern auch für unser seelisch-geistiges Innenleben. Unser Gehirn nimmt Evaluation durch Erfahrung vor, die oftmals eher emotional als kognitiv bestimmt ist. Aus solcher Erfahrung resultierendes implizites Wissen kann, ebenso wie prozedurales, gar motorisches Wissen kaum reflexiv verbal gefasst werden, seine Aktivierung bedarf eines Anlasses; es kann darauf, wie auf das - auch nicht immer gänzlich explizite - Verfahrenswissen, nicht an beliebiger Stelle zugegriffen werden. Es sind, nebenbei, acht- bis zehntausend Stunden Übung bis zur Perfektion, bis man kann, was man zu wissen glaubt.

Verbal-explizites, deklaratives Wissen hingegen ist beliebig aufgreifbar, ohne dass auf eine gewisse Reihenfolge geachtet werden muss. Sprachkompetenz zum Beispiel ist sowohl im- als auch explizites Wissen. Frage man jemanden nach seinem grammatikalischen Wissen, das ist sein Wissen über grammatisch richtig verfertigte Sätze, und staune nicht über das Unvermögen, es darzulegen. Dabei gehört das doch zu einer von den Kindern spielend leicht erworbenen speziellen Sprechfertigkeit, natürlich aufgrund einer angeborenen allgemeinen Sprachfähigkeit, die wir aber introspektiv gar nicht einholen, nur theoretisch modellieren können. Wahrscheinlich sind beim Erwerb dieser Fertigkeit sogenannte Spiegelneuronen wirksam, das ist eine Art neuronaler Ikonismus, der unbewusst gewisses Verhalten - sogar eine Sprechhandlung - anderer Menschen nachahmt, weil dies vom Gehirn als zweckmäßig interpretiert wird.

Denn unser Gehirn ist, ob bewusst oder unbewusst, ein unermesslich komplexer, dynamischer Interpret, der - gewachsen durch Erlebnis, Erfahrung, Überlegung, bedingt durch Wille, Absicht, Wunsch - mittels sich erweiternder und verstärkender Netzwerke auf Objekte großer Vielfalt Bezug nimmt: sowohl auf zeicheninterne als auch auf zeichenexterne oder dynamische Objekte, Gegenstände also, die das Zeichen im Interpreten als dem jeweiligen personalen Bewusstsein evozieren. Unser Denk- und Schaffensvermögen gestattet es uns, die Objektbereiche zu vermehren, zu vergrößern, aber auch zu verringern, gar zu vernichten. Neues zu schaffen, kreativ zu sein, ist demnach nichts Geheimnisvolles; es ist - überspitzt gesagt - nicht viel mehr als passendes, gleichzeitig gestörtes, Erinnern, ein entropisches Aufblitzen im Zusammenspiel und in der Unterscheidung von schon explizit und implizit, kognitiv, prozedural, ja auch motorisch Gewusstem, dank der Instabilität der Erinnerung, vermutlich auch dank quantenmechanischer Fluktuation neuronaler Prozesse.

Kreativität ist spontane Information und entspringt wie diese der Unordnung oder Entropie. Unordnung enthält die meiste Information, nicht Ordnung oder Negentropie. Aber wir verstehen unter Information gewöhnlich sachliche Hinweise, Ergebnisse von Berechnungen. Was wir im Alltag Information nennen, ist eher Exformation, das heißt eine Verkürzung, Verdichtung, Zusammenfassung von Information, geeignet zu praktischer Kommunikation und als Handlungsanleitung. Dies ist auch wichtig. Hier wird eine große Menge Information verdichtet, - durch Ausschluss von Information; Exformation aber macht die Tiefe und Breite der Information aus, die erst wieder in größeren Zusammenhängen zu ergründen und zu übersehen ist. Da die Zusammenfassung von Information vorwiegend sprachlich geschieht, kann man sie auch Inzitation nennen, die Entfaltung von Information auch Exzitation. (Vgl. Nørretranders 1997: 74, 169-172)

Es gibt immer mehr Bereiche, in denen Informationen zu verfügbarem Wissen aufbereitet werden. Die Zugriffsmöglichkeiten auf verfügbares Wissen haben sich enorm verbessert. Und nur in dieser Hinsicht kann von einer Informations- oder Wissensgesellschaft gesprochen werden. Das Schlagwort sagt nichts über den Wissensstand einer Person aus. Darauf lässt sich allein aus einer fortschreitenden Medialisierung unserer Lebenswelt nicht schließen. Was wächst, ist die Anzahl und Kapazität der Geräte, die Datenmenge, ihre technische Verarbeitung, nicht aber - geradezu einhergehend damit - das Wissen derer, die sich der Datenmenge bedienen.

Mittels Signalen übermittelte Datenmengen sind noch nicht Information, (Zellmer 1973: 55-57) wenn die Vermittlung missverständlich oder falsch ist, eine Mitteilung wegen Unverständnisses oder Unvermögens ausbleibt. Und schließlich ist es mit dem Verfügungswissen nicht getan; Verfügungswissen ist techné: Kenntnis, Anwendung, also Wissen kalkulatorisch-algorithmischer Art. Es wird weiter wachsen - und mit ihm das Unwissen, da mit jedem Wissenszuwachs sich neue Probleme auftun. Not tut deshalb mehr Orientierungswissen, das ist epistemé: Erkenntnis, Begründung, Wissen axiomatisch-deduktiver Art -, um nicht nur zu wissen, wie etwas gemacht wird, sondern um auch wissen zu können, warum etwas gemacht wird und warum überhaupt wir etwas wissen und machen sollen.

Schema 1: Gemäß Charles S. Peirce, ist ein Zeichen all dies, was etwas anderes, sein Objekt, für einen menschlichen Geist darstellt, (CP 1.540-1.541) der es interpretieren kann. Ein Zeichen repräsentiert etwas, weil es iconisch, indexikalisch, symbolisch für ein Objekt zu einem Interpretanten steht. Insofern besitzt es Information, weil der Objektbezug, also die Bezeichnung in Form gebracht ist, um für ein Objekt stehen und etwas für einen Interpretanten repräsentieren zu können. Das Signal aber ist lediglich ein material-energetisches Ereignis als die Veränderung eines Kanals; es ist die Quelle von Sinnesdaten und Empfindungsqualitäten, aus welchen der sachverhaltsbehauptende Interpretant erwächst, von präkonzeptionalen zu präpositionalen, gleichwohl mentalen Strukturen. Eine wie auch immer geartete Dichotomie Leib-Seele, Anschauung-Erkenntnis stellt sich semiotisch erst gar nicht: Die Erfahrung des Selbst führt zur Erkenntnis der Welt und des Ich. So hat auch Peirce den Interpretanten, - abgesehen von seinem rhematischen, dicentischen und argumentischen Bezug - differenziert und den internen Interpretanten als die Verstehbarkeit des Zeichens, den dynamischen als dessen aktuale Wirkung und den finalen als dessen vorläufig optimale Deutung betrachtet, wozu der dynamische Interpretant tendiert.

Schema 2: Physikalische Signale, Frequenzen von Lichtwellen und Luftschwingungen, sowie elektromagnetische Intervalle manifestieren sich physiologisch als Nerrvenaktionsimpulse; die Sinnesorgane sind quasi-theoretische biotische Gewebe, die auf die Außenwelt gerichtet sind. Emotional belegt und gedanklich gefasst - die Erklärung, wie das neuronal genau geschieht, steht aus - ermöglichen uns ihre Daten Anschauung und Erkenntnis der Welt, motorisches, prozedurales, emotionales, episodisches, deklaratives Wissen, jedoch auch gefühlsbetonte und vorurteilsbelastete Bewertungen und Meinungen. Mit psychologischen und sozialpsychologischen Aspekten der Bildung von Meinung und Überzeugung hat sich Peirce in "The Fixation of Belief" beschäftigt. Er nennt vier Methoden: 1. die Hartnäckigkeit, jemandem etwas durch Wiederholung und Abschirmung gegen kommunikative Interaktion zu oktroyieren; 2. die Autorität, ausgeübt durch Zwang, Unterdrückung und moralischen Terror, politischen und religiösen Dogmatismus; 3. A-priori-Prinzipien und genehme Schlüsse (comfortable conclusions, agreeable to reason); 4. die wissenschaftliche Forschung, die für jedermann, der hinreichend Erfahrung hat und vernünftige Überlegungen anstellt, auf lange Sicht zu einem Begriff der Realität, zu ontologischer Erkenntnis führt. (CP 5.358-5.387)

© Karl Gfesser (Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart)


ANMERKUNGEN

(1) "Die Tatsache, dass Information kein physikalisches Objekt ist, weder Stoff noch Energie, liefert kein Argument für die Konstituierung eines ‚dritten Seinsbereichs’ neben dem materiellen und ideelen Bereich. Wenn Informationen (...) als Zeichen von Klassen äquivalenter Signale (die ihrerseits physikalische Sachverhalte darstellen) zu begreifen sind, ist Information im Sinne der Logik weder Objekt noch Eigenschaft, sondern Eigenschaft von Eigenschaften (Prädikatenprädikat)." (Philosophisches Wörterbuch 1970: 524) Prädikatenprädikate sind auch Eigenschaften von Beziehungen oder Beziehungen zwischen Eigenschaften, wie sie die Relationenlogik oder mehrstellige Prädikatenlogik kennt.

(2) "Now, one could ask: what part of the medium relation can be transmitted, the first, second, or the third part of the medium relation, that is, the qualisign, the sinsign, or the legisign, or perhaps just the whole medium? In other words: if one transmits a sign, does one transmit a part or the whole medium relation of the sign? Let us have a look to this problem. The qualisign, that is to say, the quality that is a sign, as Peirce defines it, is only a possibility that becomes realized in the sinsign. The latter is, according to Peirce, an ‘object or event that is a sign’. As such, it depends on time and space. The legisign, that is to say, the law or convention, must be realized, too, in order to become a signsign which than constitutes the replica of the legisign. Thus, only the sinsign, the realized, existent medium, ‘here and now’, the sign as ‘object or event’, will be transmitted. This may also be called a ‘signal’, for every signal depends on time and space." (Walther 2002: 177)


LITERATUR

Bense, Max (1961). Einführung in die informationstheoretische Ästhetik. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt

Bense, Max (1983). Das Universum der Zeichen. Essays über die Expansionen der Semiotik. Baden-Baden: Agis

Klaus, Georg und Manfred Buhr (Hg.) (1970; 7). Philosophisches Wörterbuch. Band I. Berlin: das europäische buch

Nørretranders, Tor (1997). Spüre die Welt. Die Wissenschaft des Bewußtseins. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt

Peirce, Charles S. (1958-1960). Collected Papers. Volume I, V, VIII. Cambridge, MA: Harvard University Press

Shannon, Claude E. (1948). "A Mathematical Theory of Communication". Bell SystemTechnical Journal 27: 379-423, 623-656

Walther, Elisabeth (2002). Zeichen. Aufsätze zur Semiotik. Weimar: Verlag für Datenbank und Geisteswissenschaften

Wiener, Norbert (1963). Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesenund der Maschine. Düsseldorf/Wien: Econ

Zellmer, Siegfried (1973). Über mögliche Differenzierungen des Kommunikationsschemas mit Hilfe der Peirce’schen Semiotik. Universität Stuttgart; Dissertation


1.2. Gesellschaftliche Reproduktion und kulturelle Innovation. Aus semiotischer Sicht

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For quotation purposes:
Karl Gfesser (Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart): Übermittlung - Vermittlung - Mitteilung. Zur Semiotik der Information. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW:www.inst.at/trans/16Nr/01_2/gfesser16.htm

Webmeister: Peter R. Horn     last change: 14.8.2006     INST