Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. August 2006
 

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IRICS-Konferenz

Bericht

Herbert Arlt (Wien, Konferenzkoordinator)
[BIO]

 

Mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der IRICS-Konferenz (9. bis 11. Dezember 2005) erreichte die Organisation von INST-Konferenzen eine neue Qualität. Bereits mit der Konferenz "Das Verbindende der Kulturen" waren eine öffentliche vielsprachige Vorbereitung via WWW, die Publikation der Beiträge in TRANS, eine multimediale Dokumentation (Hardcoverbuch, CD, DVD) Bestandteile bzw. Kommunikationsträger der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem Thema, das für die internationalen und transnationalen Entwicklungen von strategischer Bedeutung war und ist. Neu an der IRICS-Konferenz war, dass die Bedeutung der Virtualität in der Globalisierung thematisiert wurde, in dem nach Innovationen und Reproduktionen gefragt wurde, aber auch nach denjenigen, die die Konstituierung dieser Form der Virtualität weltweit als WissensproduzentInnen mitgestalten wollen. Und neu war auch, dass im Rahmen eines Forschungsprojektes, das auf eine Optimierung der Infrastruktur durch einen anderen Umgang mit Virtualität setzt, die Konferenzergebnisse ausgewertet wurden.

Das, was für die (transnationale) Forschung keineswegs selbstverständlich ist, wird in den internationalen Organisationen (z.B. UNESCO: mittelfristige Strategie von 2002 bis 2007) längst praktiziert, aber auch in Städten wie Wien (Stadtentwicklungsplan), Ländern wie Niederösterreich (siehe dazu den Beitrag von Landeshauptmannes Pröll), in Györ (siehe den Beitrag von Bürgermeister Balogh), aber nicht von Staaten: eine öffentliche Verständigung über gesellschaftliche Strategien und ihre Umsetzungen. Eine derartige Verständigung versucht auch das INST, aber ohne territoriale Beschränkung und direkte Bezüge auf ein Budget, dafür in Verbindung mit dem Versuch, mit Methoden der Wissensproduktion (Forschung, Wissenschaft, Künste etc.) grundlegendes zu erkennen und strategische Vorschläge zu erarbeiten, die sowohl regional als auch transnational umgesetzt werden können. Als Kommunikationsplattform dient dazu die siebensprachige INST-Homepage (www.inst.at).

Ein zentraler Begriff für diese Art der Auseinandersetzung mit der Welt ist der Begriff "Polylog". Er hebt den Pluralismus hervor und damit ein Prinzip, das als zentrales Prinzip der Wissensrevolutionen angesehen wurde und wird. Ohne Pluralismus, ohne Austausch von Argumenten, ohne Kritik ist Innovation nicht denkbar. So sehr das Individuum gerade in den Prozessen der Innovation immer eine wichtige Rolle gespielt hat, so wichtig sind aber auch die Rahmenbedingungen, um Innovationen zu ermöglichen, Innovationen wirksam werden zu lassen, sie gesellschaftlich zu nutzen (nicht nur für eine kleine Gruppe, sondern zum Wohle der Allgemeinheit). Die Frage der Demokratisierung der Wissensproduktion, wie sie von Bundespräsident Fischer einleitend hervorgehoben wurde, ist daher nicht nur für ein spezifisches Gesellschaftsverständnis relevant, sondern steht vielmehr im Zentrum - auch als eine Voraussetzung für die Effizienz der Wissensproduktionen.

Eine wesentliche Rahmenbedingung für die Innovationen sind Reproduktionen. Sie stehen am Beginn der Konstituierung von Virtualität und der Wissensrevolutionen. Das hat sich seit der ersten Verwendung von Zeichen und Bildern nicht geändert (siehe dazu auch den Abschnitt über "Virtualität und neue Wissensstrukturen"). Heute besteht die Besonderheit in der Unübersehbarkeit der Reproduktionen wie sie in den Massenkommunikationsgesellschaften entstanden ist. Das führt dazu, dass meist "Bausteine" verwendet werden, deren Ursprung und Komplexität kaum bekannt sind. Das gilt für den Alltag ebenso wie für die Verwendung von Computerprogrammen. Innovation ist in diesen Kontexten oft schon möglich, indem "altes Wissen" neu strukturiert, neu kombiniert wird.

Für die Konferenz wurde ein Plenum angeboten, bei dem diesmal die VertreterInnen von Forschung, Universitäten und Politik dominierten. Einhellig wurde die neue gesellschaftliche Bedeutung von Wissen (Virtualität) betont und neue Formen der Organisation von Wissensproduktionen vorgestellt. Die 66 Arbeitsgruppen (Sektionen), die im Anschluss an das Plenum stattfanden, waren in 15 Sektionsgruppen zusammengefasst worden. Insgesamt waren 5.200 TeilnehmerInnen aus über 80 Ländern beteiligt (zur Organisation siehe die Seiten zur IRICS-Organisation bzw. die Berichte der SektionsleiterInnen).

Deutlich wird, dass sich die WissensproduzentInnen unter den neuen Bedingungen durchaus als Subjekt verstehen. Im Sinne der Partizipation, die Generalsekretär Terry Davis als neues Element des Demokratieverständnisses anspricht, wollen sie nicht nur im Rahmen von vorgegebenen Programmen und Strukturen mitwirken. Die WissensproduzentInnen in eine derartige Rolle drängen zu wollen, zeugt von eigener (programmatischer, inhaltlicher) Schwäche. Daher ist erfreulich, wenn von der UNESCO, dem Europarat, der EU, dem Europäischen Parlament Möglichkeiten eröffnet wurden und werden, auch ganz andere Gesichtspunkte in das Zentrum zu stellen.

Zu solchen wesentlichen Elementen gehören neue Schwerpunkte in der Wissensproduktion, die zum Beispiel Stärken wie Konferenztätigkeit, Tourismus, Verbindung von Kreativität und Produktion hervorheben, um so auch materielle Grundlagen für Diversität im Sinne der UNESCO-Resolution zu schaffen.

Grundsätzlich kann festgehalten werden: Das wesentlichste Ergebnis der Konferenz bzw. des Forschungsprojektes - das synergetische Wissensprodukt - sind die Erkenntnisse zur neuen gesellschaftliche Bedeutung des Wissens und zu den daraus resultierenden Möglichkeiten und Problemen (zu den Detailauswertungen zu Virtualität, Innovationen, Reproduktionen, Strukturen der Wissensproduktionen, deren Rahmenbedingungen etc. siehe den Abschnitt zum Projekt "Virtualität und neue Wissensstrukturen"). Auf diesen Erkenntnissen sind die nächsten Schritte aufzubauen, die keineswegs nur für eine Region neuen Typs (Centrope) in der Globalisierung mit ihren überregionalen Wechselwirkungen relevant sind, sondern durchaus auch für andere Regionen und insbesondere für die transnationalen Prozesse. In diesem Sinne wurden auch die Ausgangsthesen und Fragen zur nächsten INST-Konferenz mit dem Thema "Wissen, Kreativität und gesellschaftliche Transformationen" (www.inst.at/kctos) gestellt.

© Herbert Arlt (Wien, Konferenzkoordinator)


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For quotation purposes:
Herbert Arlt (INST, Wien): IRICS-Konferenz. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/irics/bericht_arlt.16.htm

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