ABSTRACT:
"ich bin, was ich bin, auch im schweinwerferlicht und
mein ich spiegelt sich wider ..... in meiner schrift."
(Fiva MC, "Ich bin")
Entstanden in der New Yorker Bronx der 1970er Jahre stellt HipHop in seinen Ursprüngen eine Musikkultur einer schwarzen, sozial niedrig gestellten Minderheit dar. Es ist seither auch der schwarze, männliche Rapper, der in den Köpfen vieler Rezipienten mit ‚authentischem’ HipHop verbunden wird, wobei unter dem Schlagwort der ‚Authentizität’ der musikalische Ausdruck der eigenen Lebenserfahrungen verstanden wird.
In den folgenden Jahrzehnten hat sich die Kultur des HipHop resp. Rap auf einem globalen Markt etabliert. Seine ästhetischen Formen werden nunmehr von Jugendlichen unterschiedlichster ethnischer Herkunft rezipiert. Ein Grund für die besondere Eignung des Hiphop in anderen kulturellen Kontexten als künstlerische Form adoptiert und adaptiert zu werden, mag in den oben genannten Ursprüngen des HipHop als Medium der sozial schwach Gestellten liegen, die ihre Unzufriedenheit mit dem Leben im urbanen Umfeld ausdrücken. HipHop stellt ein global verbreitetes, aber lokal ausdifferenziertes, soziales Feld dar, das durch einen gemeinsamen Wertekanon (Sprach- und Bekleidungscode, szenespezifisches Wissen, aktives Auftreten im Feld, Individualität und Kreativität u.a.) bestimmt wird. Die Musik und der damit in Zusammenhang stehende Kontext werden zu einem Medium der Produktion kollektiver Identität. Wer aber in diesem sozialen Feld sprechen darf, hängt von der ihm zur Verfügung stehenden Macht ab. Da HipHop sehr männlich dominiert ist, stellt es sich für Frauen schwierig dar, sich im Feld zu etablieren, sie stellen sozusagen das konstitutive Außen des Feldes des HipHop dar: Sie existieren nur am Rande des Feldes, werden aber von diesem konstituiert.
Es gibt im deutschsprachigen Raum einige Frauen (z.B. die Wienerin Mieze Medusa), die aktiv als Künstlerinnen im Feld des HipHop auftreten. In meinem Projekt, das literatur- und kulturwissenschaftliche Fragestellungen verbindet, soll es nun um eine Erforschung der Eigenpositionierung der Frauen im Feld gehen. Auf welche Weise funktioniert der Kulturtransfer der ‚schwarzen’, männlichen, dem afroamerikanischen Kreis entstammenden Kulturpraxis in die ‚weiße’, weibliche, deutsche und österreichische Mittelschicht? Was bietet HipHop den Frauen? Wie sieht das Identifikationspotential für Frauen im HipHop aus? In narrativen Interviews mit den Rapperinnen gilt es zu erforschen, wie die Frauen sich selbst im Feld des HipHop verorten, davon ausgehend, dass Identität nicht als ontologische Entität, sondern als narrativ konstituiert zu sehen ist. Im Erzählen wird Identität ausgehandelt. In einem zweiten Schritt sollen die veröffentlichen Rap-Texte der Künstlerinnen untersucht werden. Es stellt sich die Frage, wie die von der männlich dominierten HipHop- Welt marginalisierten Frauen in ihren Texten sprechen. Wenn Frauen auch in jene heterosexistischen Machtbeziehungen verwickelt sind, die sie bekämpfen wollen, so werden sie doch nicht auf deren Formen reduziert (Butler). Wie konstituieren sich die Frauen also als Subjekte in ihren Texten? Können die Frauen durch Methoden der subversiven Mimikry die überkommenen Vorstellungen von Weiblichkeit als diskursiv konstituiert entlarven und, indem sie über die sozialen Normen hinausgehen, neue Möglichkeiten der weiblichen Identitätsbildung im HipHop vorstellen?
Gelingt es ihnen, die im HipHop vorherrschenden binären Oppositionen von männlich/weiblich, schwarz/weiß oder authentisch/diskursiv konstituiert aufzubrechen? Kann auf subversive Weise am Sprachmaterial des deutschsprachigen HipHop gearbeitet werden, um überkommene, diskriminierende Ausdrücke neu zu kontextualisieren? Schließlich werden die Ergebnisse der Interviews mit denen der Textanalysen verglichen, um der Frage nachzugehen, ob es Brüche zwischen den Texten und dem Selbstbild gibt. Es soll in meiner Dissertation also letztlich um die Frage gehen, welche (vielleicht auch hybriden) Formen von Identitätsbildung im deutschsprachigen HipHop für Frauen möglich sind.