Ein wesentlicher "Zweig" der jiddischen Literatur waren immer auch Übersetzungen anderssprachlicher Literatur ins Jiddische. Besonders im zwanzigsten Jahrhundert wurde bis in die vierziger und fünfziger Jahre hinein ziemlich viel aus der ganzen Weltliteratur ins Jiddische übersetzt: Plato, Omar Chajjam, Cervantes, Shakespeare, Spinoza, Byron, Goethe, Schopenhauer, Heine, Nietzsche, Dostojewski, Tolstoi, Gogol, Kropotkin, Bakunin, Vernes, Ibsen, Wilde, Schnitzler, D'Annunzio, Zweig usf. Isaac Bashevis Singer übersetzte etwa, ehe er von seinen schriftstellerischen Arbeiten leben konnte, Werke von Thomas Mann, Remarque oder Stefan Zweig. Natürlich gibt es auch mehrere Übersetzungen des Alten Testaments und sogar des Neuen (besonders gelungen in der Version von Hajim Ajnschpruch: "der briß chadoscheh". N.Y. 1941). Solange es eine größere jiddische Leserschaft gab, spielten diese Übersetzungen eine eminente Rolle - auch für die persönliche Entwicklung und Orientierung, wie es z.B. Bashevis in "Schoscha" thematisiert. Mit der fortschreitenden Abnahme dieser Leserschaft verringerten sich auch drastisch die Veröffentlichungen von Übersetzungen ins Jiddische. In den letzten Jahren ist jedoch ein gewisses Wiederaufleben von Übersetzungen ins Jiddische zu beobachten: So erschienen etwa im Verlag M. Naumann 1999 der "Struwwelpeter" ("pinje schtrojkop. wizike majsseß un komische bilder"), in den darauf folgenden Jahren "Max und Moritz" ("schmul un schmerke"; von „Max und Moritz“ gibt es eine ältere und einigermaßen interessantere Übertragung: "notl un motl. sekss schtifer-majsselech fraj baarbet in jidisch durch jojssef tunkl", Warschau 1920), sowie Bücher von E. Kishon, A. de Saint-Exupéry, G. Orwell, B. Brecht und den Gebrüdern Grimm. An wen richten sich diese Publikationen? Sind es mehr Kuriosa oder doch mehr? Welche Funktion und welche Notwendigkeit haben Übersetzungen ins Jiddische im 21. Jahrhundert?