Glaube speist sich aus dem Erzählen und Auslegen seiner selbst - schon vor seiner Verkündigung also ist er auf seine Versprachlichung und auch Verschriftlichung bezogen. Zugleich ist alles gesagt und gezeigt, weshalb dieser Prozeß des Wortefindens nur Verfälschung und Verirrung sein kann, es ist ja kanonisch formuliert worden, daß letztlich das "Evangelium [...] niemand anderer als Christus selbst"(1) sein kann und darf:
"(D)ie letzte und endgültige Stufe der Offenbarung Gottes [...] verwirklicht sich in seinem Fleisch gewordenen Sohn, in Jesus Christus, dem Mittler und der Fülle der Offenbarung. Er [...] ist das vollkommene und endgültige Wort des Vaters. Mit der Sendung des Sohnes und der Gabe des Geistes ist die Offenbarung [...] gänzlich abgeschlossen"(2).
Der Glaube bedarf also des Erzählens, das ihn aber leicht zu zersetzen und zu verfälschen beginnt. Die Konsequenz aus dieser Aporie ist der besondere Anspruch an die Artikulation des Glaubensinhalts, gerade darin, die Frohbotschaft nicht ergänzen und erneuern zu wollen, sie doch so zu aktualisieren, daß das aufgetragene »Conservare« ein aus Treue unablässiges Neuheitserlebnis zeitigt. Es dreht sich also alles um die Frage, wie poetisch die Rede von Gott nicht etwa nur sein darf, vielmehr: sein muß. Diese Frage wird allgemein und dann einerseits an Friedrich Gottlieb Klopstock (v.a.: Der Messias) sowie andererseits an den Kafka-Lektüren Jacques Derridas diskutiert.
(1) Hans Urs von Balthasar: Theologik. Bd III: Der Geist der Wahrheit. Einsiedeln: Johannes Verlag 1987, S.296
(2) Benedikt XVI. Joseph Ratzinger et al.: Katechismus der Katholischen Kirche. Kompendium, hrsg.v. Benedikt XVI. Joseph Ratzinger . Città del Vaticano, München: Libreria EditriceVaticana, Pattloch 2005, S.27