ABSTRACT:
Ideengeschichtlich betrachtet zeugt die kulturalistische Wende von einer tieferen Selbstreflexion hinsichtlich der Bedingungen für die Gestaltung des Denkens und Handelns. Insofern setzt sie die aufklärerische Tradition fort und teilt auch ihre emanzipatorische Potentiale. - Andererseits vollzieht sich die kulturalistische Wende unter den grundlegend veränderten Bedingungen einer pluralistischen conditio postmoderna, die durch Absage an Einheit, Vernunft, Fortschritt gekennzeichnet ist. In diesem Zusammenhang wird die kulturalistische Wende auch ein mächtiges Werkzeug der Hervorbringung der postmodernen Stimmung. Unter der normativen Herrschaft des Differenz-Paradigmas wird Kultur vor allem ein Differenzierungsmittel, das von einem mächtigen Affekt gegen das Allgemeine begleitet wird. Dadurch werden Kommunikationspotentiale der Kultur drastisch verringert. Da die Kommunikation das Wesen der Kultur ausmacht, sind damit die Grundlagen der Kultur selbst gefährdet. - In diesem Zusammenhang sollte auch der Multikulturalismus einer kritischen Analyse unterworfen werden, besonders bezüglich seiner Verwerfung der Gleichheit, die ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Selbstverständnisses ist. In kulturalistischer Ausprägung bedeutet das, daß Menschen gleich sind, weil sie alle Kulturwesen sind. - Es wird hier für innovative Potentiale des zu schnell verabschiedeten Gleichhheits- und Einheitsparadigmas plädiert.