Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
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Universitäten, Frauenbewegung, die Politiken über die Frauen in der Türkei

Günec Koc (Wien)

 

ABSTRACT:

Mit der Gründung des türkischen Nationalstaates hat der Kemalismus eine Kulturrevolution mit Reformen und der Gründung neuer Institutionen hervorgerufen. Eine wichtige Komponente der kemalistischen Kulturrevolution war die Bildung zu verbreiten. Dabei wurde die Bildung der Frauen als wesentlicher Fortschritt betrachtet. Die Frauen, die von der "aristokratischen" Elite in den Städten stammten, die Möglichkeiten, die der Moderne ihnen "anbot", genossen, indem sie studierten und berufstätig geworden sind. Die Tradition der studierenden und arbeitenden Frauen stammt aus dieser Oberschichtfrauen in den Städten.

Die Frauenanteilnahme an den Universitäten in den Jahren ist kontinuierlich angestiegen. In der Türkei gibt es im Vergleich zu den westlichen industrialisierten Ländern eine hohe Anzahl der Akademikerinnen und der berufstätigen Frauen, die Berufe mit dem hohen sozialen Ansehen praktizieren, wie Anwälte, Ärzte etc. Der Grund dessen ist an den Wurzeln der kemalistischen Modernisierung zu suchen. Die kemalistische Moderne hat nämlich eine Elite geschaffen, die auf Grund dessen, dass die Bildungsmöglichkeiten an den höheren Stufen der Bildung den Elitenfrauen auf Grund ihrer Herkunft "enorme" Chancen angeboten hatte, eine "rasche" Modernisierung und Integration in der "Männerwelt" behaupteten. Dabei ist es natürlich nicht zu übersehen, dass diese Frauen mit den Hürden der Männerwelt auf der sozialen Ebene, was ihre "Integration" an die unterschiedlichen Ebenen der Öffentlichkeit betrifft, nicht mit den traditionellen patriarchalen Werten zu bekämpfen hatten. Frau und Mutter zu sein und in der Öffentlichkeit die Ehrenkodexe der patriarchalen Kultur als asexuell erscheinende Frau zu präsentieren war für lange Zeit die Tradition dieser Art des Modernisierungsverständnisses. Die Frauen haben allerdings diese Möglichkeit, die ihnen zugelassen wurde auf der Bildungsebene, durch das Zustande bringen der Erfordernisse, mit höherer Leistung als die Männer, benützt.

Nach den Ergebnissen eines Forschungsprojektes an der technischen Universität Istanbul ITÜ im Rahmen des "Atilim Projektes" stellen die Daten über den prozentuellen Vergleich der Akademikerinnen in der Türkei folgendes heraus: 32% des akademischen Personals an den Universitäten sind Frauen. Die Türkei kommt in dieser Hinsicht hinter USA und Kanada. Im Jahr 1989 entstehen 32% des gesamten akademischen Personals von den Frauen. Im selben Jahr bilden 15,9% des gesamten regierenden Personals an den Universitäten die Frauen. In einer Forschung über die weiblichen Regierenden an den Universitäten von G. Günlük-Senesen kommt das Ergebnis vor, dass 11% der Dekanen, die im Jahr 1991 arbeiteten, Frauen waren.(1) Allerdings war das Verhältnis der weiblichen Professoren zu den männlichen Professoren, die die selben Qualifikationen hatten um 20%. Seit der Gründung der türkischen Republik bis zum Jahr 1998 haben nur drei Frauen die Arbeit das Amt des Rektorats ausgeübt. (ITÜ 2001 Atilim Projekt, 1997). Trotz der immer noch nicht gelungenen Geschlechtergleichheit auf der universitären Ebene haben die Frauen im Vergleich zu vielen westlichen Ländern eine starke Anteilnahme an der akademischen Welt. Immerhin ist es wie von diesen Prozentzahlen zu sehen ist, eine was die höheren Stufen der akademischen Karriere betrifft, sich abnehmende Anzahl der weiblichen Akademikerinnen zu beobachten. Trotz der nicht gelungenen Geschlechtergleichheit ist diese relative hohe Anzahl der weiblichen Akademikerinnen an der Universität mit dieser Elitentradition, die mittlerweile städtische Mittelschicht- oder Oberschichtfrauen betrifft, zu verstehen. Andererseits ist es auch ein wichtiger Zusammenhang für die Realisierung der gesellschaftlichen Situation, dass viele Frauen in den Städten die ärmsten Bevölkerungsschichten der Gesellschaft bilden.

Ende der 80’er Jahre Anfang der 90’er Jahre war sowohl durch den Einfluss der Frauenbewegung, die in dem politischen Diskurs eine feministische Debatte "sichtbar" gemacht hatte als auch durch den Einfluss der Anerkennung der Frauenforschung / Gender studies im Westen, die an den Universitäten einen wissenschaftlichen Diskurs auch in der Türkei notwendig machte, gegründet. Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass diese Forschungsmöglichkeiten über das Frauenproblem an den Universitäten von den Frauen mitgegründet und akademisch errichtet wurden, die von der Frauenbewegung kommen.

Heute gibt es mehrere Frauenforschungszentren an den unterschiedlichen Universitäten der Türkei. Seit Mitte 90’er Jahre hat die Zahl dieser Forschungszentren zugenommen. Allerdings gibt es immer noch keine Frauenforschungsinstitute. An den Frauenforschungszentren können allerdings Masterprogramme besucht werden.

Die akademischen Studienergebnisse stehen immer wieder in Kooperation mit den Frauengruppen und -organisationen in einem Austauschprozess. Vor allem da viele Frauen, die diese Lehrgänge besuchen auch in den Frauengruppen organisiert sind, stehen sie auf der praktischen und theoretischen Ebene mit den Frauengruppen in Interaktion.

Eine wichtige Entwicklung, die die letzten zehn Jahre, was die Frauenbewegung beschreibt, ist die Projekt bezogene Frauenforschung. Im Rahmen der EU-Projekte werden viele Frauengruppen finanziert. Das ist der Grund, warum eine gewisse Skepsis über die Unabhängigkeit der Frauenbewegung herrscht, weil nämlich viele Frauenorganisationen sowohl von der europäischen Union als auch von Soros finanziert werden. Es gibt zwar Einige, die dagegen streuben und sich durch die eigenen Tätigkeiten finanzieren lassen, allerdings ist es nicht die Mehrzahl. Die Frauenforschungszentren bieten in dieser Gelegenheit eine "sogenannte" objektive wissenschaftliche Forschungs- und Arbeitsmöglichkeit an.

Ich werde an diesem Punkt versuchen, diese Debatte auf den weiteren Zusammenhang zwischen der Frauenforschung an den Universitäten und der feministischen Aspekte über den emanzipatorischen Beitrag der interagierenden "Subjekte" wie Universitäten und Frauenorganisationen im Rahmen der gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Diskurse zu schließen.

(1) Senesen, G. G., "Female Participation in the Turkish University Administration: Econometric and Survey Findings, 1992", Bogazici Journal, 8, 1994.


Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9 - 11 december 2005

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