Mit seinem Orgien-Mysterien-Theater wagt Hermann Nitsch einen bunten Synkretismus von Mythen und Symbolen antiker und christlicher Provenienz. Dieses seit Jahren immer wieder inszenierte, stark ritualisierte Konzept basiert auf Wiederholung gewisser religiöser Motive (Kreuzigung, Tieropfer, feierliche Prozessionen), wobei die Verwendung echter Materialien (Blut, Innereien geschlachteter Tiere) die Authentizität des Erlebten steigern soll. "Das intensive Erleben des Daseins" (Nitsch) steht im Mittelpunkt der künstlerischen Vision des Orgien-Mysterien-Theaters. "Das Leben ein Fest", das zentrale Credo dieser Vision, setzt die Möglichkeit einer beliebigen Zusammenstellung religiöser Inhalte - Stichwort "gekreuzigter Dionysos" - voraus. Der Begriff des "Heiligen" wird damit problematisch - Nitsch glaubt, die christlichen Motive samt ihrer jeweiligen sakralen Verankerung von der Tradition der Heiligen Schrift trennen und durch das Zusammenkoppeln mit antiken Vorstellungen neu besetzen zu können.
Die Fragestellung in dem Beitrag konzentriert sich auf dem Problem der Legitimation des religiösen Synkretismus in den Manifesten von Hermann Nitsch. Ein besonderer Augenmerk gilt der Kontextualisierung der christlichen Inhalte und der Besetzung des Begriffs "heilig".