Der Vortrag benutz statt der Leitbegriffe der Konferenz "Innovation und Reproduktion" eher das Begriffspaar Innovation und Tradition in der Untersuchung von kulturellen Phänomenen. Dabei wird im Spannungsfeld von Pluri- und Monokulturalität einer Gesellschaft danach gefragt, ob der Begriff Monokulturalität in der Entfaltung und Entwicklung der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen überhaupt relevant verwendbar sein kann, oder ob diese Erscheinung nicht immer nur eine statische Erstarrung erzielt und statt dessen vielmehr immer nur der Begriff Plurikulturalität adäquat zu verwenden ist. Diese Frage soll ergänzt werden durch die Frage nach der Tradition, indem die kulturelle und künstlerische Innovation ohne eine jeweilige Hinwendung zu den ebenfalls pluri- und multikulturellen Traditionen undenkbar und unvorstellbar ist. Im weiteren wird im Referat nach dem Begriff des Eigenen und des Fremden gefragt; ob die kulturelle Identität (bzw. das Eigene) ohne Einbeziehung des Fremden überhaupt denkbar wäre, ob es eine "eigene" und "reine" Identität an sich überhaupt gäbe ohne "fremde" Einflüsse. Daraus ergibt sich die (hypothetische) Konklusion, daß die menschliche Identität immer ein komplexer dynamischer und sich ständig verändernder anthropologischer Status ist, in dem das Eigene und das Fremde gleichermaßen vertreten ist.
Das Referat versucht die obigen abstrakten Fragestellungen am Beispiel der pluri- und multikulturellen Geschichte des Judentums zu demonstrieren, indem dieses Volk in seiner Religion, Kultur und in seinem historisch-soziologischen Status unter den Ländern und Völkern eine kulturverbindende Rolle spielt. Diese komplexe Situation wird im Vortrag anhand einiger Kurzprosatexte von Franz Kafka, Elias Canetti und Paul Celan geschildert. |