Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
<< WIEDERHOLUNG ALS ERNEUERUNG: Innovationsstrategien der Wiederholung in der Gegenwartsliteratur

Mediensimulationen. Schrift, Kopie und neue Medien in Botho Strauß’ Die Fehler des Kopisten

Jörg Löffler (Universität Oldenburg)

 

ABSTRACT:

Der Titel von Botho Strauß’ Aphorismenband Die Fehler des Kopisten (1997) spielt auf ein literarisches Motiv an, das man zunächst nur mit Wiederholung, nicht mit Erneuerung in Verbindung bringen würde: Ein Kopist schreibt ab und schreibt nicht selbst. Die beiden Gegensätze gehen in diesem Text jedoch eine komplexere Verbindung ein. Künstlerische und auch gesellschaftliche Erneuerung ist dort an die reproduktive Aneignung der Tradition gebunden – einer Tradition, die bewußt gegen das Innovationspotential der neuen Medien gesetzt wird. Neben die Figuren des eloquenten, medial präsenten Welterneuerers und des "blindlings schaffend[en]" Künstlers der Moderne treten bei Strauß die "Schriftfortsetzer, [...] emsige Mönche, die Geschriebenes mit intelligenten Fehlern kopieren" und dadurch "wie bei den Kopierfehlern in der Evolution" das Neue hervorbringen, das sich dauerhaft durchsetzt.

Nun könnte man kritisch anmerken, daß eine solche Position im Grunde kulturkonservativ ist und nicht ganz zufällig mit biologistischen Metaphern untermauert wird. Die Fehler des Kopisten ist aber kein medienkritischer Essay, sondern eine Sammlung von Gedankensplittern, von Reflexions-Fragmenten im Sinne der Romantik. Thesen werden hier nicht plakativ vertreten, sondern in einer durchgängig selbstreferentiellen Verfahrensweise gleichzeitig gesetzt und hinterfragt. Diese Bewegung des Textes soll in einem close reading nachvollzogen werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Innovationsbegriff: Wie unterscheidet sich die (negativ konnotierte) Erneuerung durch die visuellen Medien mit ihren simulierten Wirklichkeiten von der wiederholenden Aneignung durch die Schrift?

Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9 - 11 december 2005

H O M E
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