ABSTRACT:
Die Opposition der Motive "der Geburt", "des Todes" und "der zweiten Geburt" sind das Sujet von Thomas Manns "Buddenbrooks". Dabei entfaltet sich der oben genannte Dreiakter in zwei Ebenen, und zwar in der ironischen und in der prophetischen.
Als intertextuelle Quelle der ironischen Sujetlinie gilt Arthur Schopenhauers "Die Welt als Wille und Vorstellung". Die Ironie des auktorialen Diskurses im Roman "Buddenbrooks" verweigert sich der Schopenhauerschen Kohärenz des Todes und "der zweiten Geburt" als "Wiedergeburt". Die Identität des Todes und der Wiedergeburt ist in Manns Roman nicht mit der göttlichen, sondern mit der dämonischen Sphäre verbunden.
"Die zweite Geburt" soll im Roman nicht zum Tod, sondern zur Todesüberwindung, zur "Auferstehen" werden. Den "Buddenbrooks"-Text kann man daher als Suche nach der Rettung der Thomas Mann biographisch nahen Figuren interpretieren. Die Suche nach der Todesüberwindung verwirklicht sich auf der prophetischen Ebene des Sujets. Als intertextuelle Quellen der prophetischen Ebene gelten 1. Girolamo Savonarolas Texte; 2. Augustus von Plattens Barock-Dichtungen (1796 - 1835); 3. die Romane von Leo Tolstoi und Charles Dickens.
Eben die Tolstoi-Dickens-Linie widerspiegelt die Möglichkeit "der zweiten Geburt" - "Auferstehen" für "Wiedersehen", da die Todesüberwindung nur als Wiedergeburt der menschlichen Verhältnisse, der Liebe zwischen den Menschen vorkommen kann.
In "Buddenbrooks" kann man - im Vergleich zu den realistischen Romanen von Tolstoi und Dickens - kein eindeutiges Ende anhand "der zweiten Geburt" des Protagonisten vermuten. Die Ambivalenz von Glaube und Zweifel an der Möglichkeit "der zweiten Geburt" wird bis zum Ende beibehalten, was den Roman in die Reihe der modernen Werke von Hermann Hesse, Gustav Meyrink und Rainer Maria Rilke stellen lässt.