ABSTRACT:
Die Begeisterung, die die Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht seit ihrer ersten Übersetzung 1704 in Europa ausgelöst haben und der Einfluss, den das Werk auf die Entwicklung der europäischen Literaturgeschichte hatte, steht in einem krassen Missverhältnis zur Rolle, die die Sammlung innerhalb der arabischen Literatur dieser Zeit eingenommen hat. Dort waren die mündlich in Kaffeehäusern vorgetragenen Erzählungen als billige Volksbelustigung und geistlose Unterhaltung verpönt und wurden von Seiten der Gelehrten nicht als ernsthafte Literatur anerkannt. Das hat sich in der Moderne radikal geändert.
Heute sehen arabische Autoren in den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht Anknüpfungspunkte an modernes und postmodernes Erzählen. Die narrative Konstruktion mit ihren zyklischen Strukturen und der heterarchischen Verschachtelungen erlauben es ihnen, die immer wieder behauptete Gegensätzlichkeit von (eigener) Tradition und (westlicher) Moderne zu hinterfragen.
Der Vortrag stellt mit den Romanen Die Tore der Stadt (1981) des Libanesen Elias Khoury und Der Peptimist (1974) des Palästinensers Emil Habibi zwei Beispiele vor, die intertextuelle Bezüge zu der Erzählung Die Messingsstadt aus den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht erkennen lassen und sich durch eine äußerst kreative Anverwandlung des erzählerischen Erbes auszeichnen.