Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
<< Historische Quellen in geistlichen Archiven - Kontinuitäten und Diskontinuitäten

Urkunden des Pressburger Kollegiatkapitels und ihre Aufbewahrung

Juraj Šedivy (Bratislava, Slowakei)

 
ABSTRACT:

Das Pressburger Kollegiatkapitel wurde im 11. Jh. an einem strategischen Ort des damaligen ungarischen Grenzlandes gegründet. Erste Spuren der eigenen diplomatischen Tätigkeit sind uns allerdings erst aus den zwanziger Jahren des 13. Jhs. erhalten geblieben. Bereits zu der Zeit wirkte das Kapitel als ein sogenannter glaubwürdiger Ort (locus credibilis), der die Rolle der im Abendland verbreiteten Notare ersetzte. Im Zusammenhang mit den öffentlichen Notariatsaufgaben entstand auch das älteste Archiv des Kapitels. Das Archiv des Kapitels wurde das erste Mal erst 1421 explizit als conservatorium erwähnt, doch die Präsenz der paria spricht für die Existenz eines Archivs schon in der ältesten Zeit. Die paria (Duplikate von ausgehändigten Urkunden) bewahrte man nämlich an statt von Registern oder ähnlichen Verzeichnissen in der eigenen Institution. Bei den älteren Historikern gab es sehr oft Klage über den Verlust der ältesten Urkunden aus dem Kapitelarchiv, die 1271/73 von der Armee Přemysl Otakars II. geraubt sein sollten. Allerdings gibt es heute im Kapitelarchiv auch Schriftstücke aus der Zeit vor 1271 (auch eine eigene Urkunde aus 1269).

Ein wichtiges Indiz für frühe Existenz des Archivs sind auch die zeitgenössischen Dorsualnotizen (älteste, die als eine Orientierungshilfe gelten könnte, ist auf der Rückseite einer Urkunde aus dem Jahre 1269). Die zu Ende des Mittelalters in Tausende Stück gewachsene Masse von ausgestellten Urkunden (und ihrer Paria) hat die Anlegung von Registern erfordert. Ein Hinweis auf ein eigenes Register der Kapitelgüter gibt es im Jahre 1423, erste erhaltene Register (die sgten. authentischen Protokolle) sind erst seit 1499 erhalten geblieben. Die zweite wichtige Gruppe im Kapitelarchiv stellten die einlaufenden Schriftstücke dar. Einen weiteren Teil des Kapitelarchivs bildeten auch für andere Institutionen bzw. Personen ausgestellte Urkunden, die dort bewahrt wurden (Stadtrat, Bürger, adelige Familien).

Obwohl sicher auch früher die Urkunden aus praktischen Gründen geordnet waren, der erste Beleg von einer systematischen Ordnung des Archivs kommt erst aus 1656-7, als der Kanoniker-Kustos Peter Korompay die Masse des Materials in zwei Gruppen - Privata (innere Angelegenheiten des Kapitels) und Publica (die öffentliche Agende des glaubwürdigen Ortes) teilte. Zwischen 1770 und 1877 entstanden in zwei Wellen interne Elenchi mit Regesten (im letzteren wurden 3144 Urkunden aus der Zeit vor 1526 beschrieben). Zwischen 1947-50 wurde das Kapitelarchiv neu geordnet und es wurden weitere zwei Bände von Elenchen von Josef Šátek angelegt.

Heute werden im Archiv mehr als 3000 Urkunden bewahrt (529 von ihnen aus der eigenen Kanzlei). Die Geschichte des Archivs und der diplomatischen Tätigkeit des Pressburger Kapitels wurde bisher nur am Rande mehrerer wissenschaftlichen Arbeiten um das Jahr 1900 behandelt (Carolus Rimely, Nándor Knauz, Theodor Ortvay). Neuere Forschungen entstanden erst in den letzten Jahren (Slavomíra Lenhartová, Juraj Šedivý). Das Kapitelarchiv befand sich bis 1957 in dem Domturm, woher es später in das Gebäude des Slowakische Nationalarchiv überführt wurde.


Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9 - 11 december 2005

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