ABSTRACT:
Als Weimar 1999 Kulturhauptstadt war, wurde der allgemeine Versuch unternommen durch eine Ausstellung sowie durch eine Spazierroute zwischen der Stadt Weimar sowie dem ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald wieder eine gedankliche sowie räumliche Verbindung herzustellen; Weimar, bis heute Inbegriff für die deutsche Klassik und Buchenwald, das zum Kürzel für den Mord an 56.000 Menschen geworden ist und nur einige Kilometer nördlich von Weimar liegt. Angeregt durch die im europäischen Jahr der Kulturstadt errichtete ‚Zeitschneise', wählte auch die deutsche Gegenwartskünstlerin Rebecca Horn, die für ihre kinetischen Skulpturen bekannt ist, nicht Buchenwald selbst für ihre Installation Konzert für Buchenwald. Die Stämme der Bienen unterwandern die Maulwurfsarbeit der Zeit (1999) aus, sondern zog zwei sehr unterschiedliche Schauplätze für die Präsentation ihrer Arbeit vom 15. Mai bis zum 15. Oktober 1999 vor: Zum einen ein altes, unscheinbares Straßenbahndepot in einem stillgelegten Kraftwerk von Weimar, das sich in unmittelbarer Nähe des monumentalen Gauforums befindet. Und zum anderen das einige Kilometer nördlich von Buchenwald liegende Schloss Ettersburg, das im 18. Jahrhundert Treffpunkt und Refugium der am Weimarer Hof verkehrenden Künstler und Schriftsteller gewesen ist und heute nur noch einer Ruine gleicht. Nördlich und südlich von diesen zwei Installationen umschlossen wurde Buchenwald selbst zu einem imaginären Mittelteil eines gigantischen Triptychons, das sich räumlich über Weimar und seine Umgebung erstreckte. Während Buchenwald auf diese Weise als eine Art leeres (traumatisches) Zentrum markiert wurde, auf das sich die beiden Installationen indirekt bezogen, repräsentierten die von Rebecca Horn gestalteten Räume des Straßenbahndepots und des Schlosses zwei extreme Antipoden: die Dunkelheit wurde dem Licht, die Asche dem Honig und der Maulwurf der Biene gegenübergestellt. Vor allem die Biene als fleißige Sammlerin sowie der Maulwurf, der sich beständig durch die verschiedensten Erdschichten wühlt und diese immer wieder umgräbt, boten sich dabei an, um zentrale Fragen nach dem Archiv sowie dem Archivolithischen (Derrida) eines jeden Archivs aufzuwerfen. Ein besonders radikales Bild dafür stellte zudem die ‚Bibliothek aus Asche' dar, die Rebecca Horn im Straßenbahndepot montieren ließ. Radikal war jenes Archiv aus Asche vor allem deshalb - wie in meinem Vortrag zu zeigen sein wird -, weil es nicht versuchte, den historischen Bruch zu reparieren, sondern die Unmöglichkeit einer Anknüpfung an die verbrannte Vergangenheit demonstrierte. Außerdem verdeutlichte es noch, dass der Holocaust kein Ereignis außerhalb der Kunst ist, der mit den Mitteln der Kunst symbolisch überwunden werden könnte, sondern gerade mit dem Schicksal der Kunst bzw. vor allem der ephemeren Gattung Installation eng verbunden ist. Nicht zuletzt wird außerdem zu diskutieren sein, inwiefern generell das kollektive Gedächtnis vom Archivolithischen befallen ist.