ABSTRACT:
Sechzig Jahre nach ihrem Erstdruck hat die zu Thomas Manns Meisterwerken zählende Novelle "Der Tod in Venedig" (1911) eine Verfilmung erfahren, die unter der Hand Luchino Viscontis, der das Drehbuch schrieb und die Regie führte, vielfach als artistisch ebenbürtige Übertragung des literarischen Textes auf die Leinwand angesehen wird. An dieser Übertragung lassen sich deshalb die Kunstgriffe, mit denen ein audiovisuelles Medium einer literarischen Vorlage gerecht werden kann, mit besonderem Gewinn für die Einsicht in die unterschiedlichen Darstellungsbedingungen beider Medien prüfen.
Unter diesem Gesichtspunkt werden der Ersatz der Hauptfigur des Schriftstellers Aschenbach durch einen Komponisten, die Einführung einer Partnerfigur zur Reproduktion seiner ausgiebigen Selbstbetrachtungen sowie zahlreiche Kunstgriffe, mit denen Thomas Mann Beobachtungen und Bewusstseinsvorgänge vergegenwärtigt, in ihrer weitgehend wortarmen, aber bildlich und musikalisch ausdrucksvollen, filmischen Ausarbeitung ins Auge gefasst. Die Prägnanz der Übertragung, die sowohl beim Einbau von Kernsätzen der direkten Rede als auch bei der Reproduktion von erzählten Gesten und Gebärden der handelnden Personen gewahrt wird, erfährt dabei besondere Aufmerksamkeit.
Ergebnisse dieser vergleichenden Betrachtung können dazu diesen, die Kenntnis von den Imaginationsbedingungen der verschiedenen Künste anzureichern.
