ABSTRACT:
Marken bilden einen allgegenwärtigen Bestandteil unserer heutigen Lebenswelt. Ihre Verbreitung ist vielfach längst global. So sind es die immergleichen Marken und ihre Massenprodukte, denen wir begegnen, ganz gleich, wo wir uns bewegen. Öden Marken also nur unsere Lebenswelt ein, indem sie einem seriellen Prinzip zu ubiquitärer Präsenz verhelfen? Und: Öden sie damit, über kulturelle Grenzen hinweg, die Literatur ein, die bei ihrer Darstellung zeitgenössischer Lebenswirklichkeit Marken einschließt?
In einer kurzen kulturtheoretischen Vorüberlegung soll der Klage über die Eintönigkeit von Marken entgegengetreten und demgegenüber das kreative Potential der Wiederholung aufgewertet werden. Denn Wiederholung vollzieht sich stets in neuen, veränderten Kontexten und verlangt damit nach Anpassungsleistungen. Diese leisten auch globale Marken, wenn sie durch verschiedene Kulturen zirkulieren. So berichtet Stephen Greenblatt von einem Coca-Cola-Stand in traditioneller Maya-Architektur, Mercedes-Benz bietet seine R-Klasse für den europäischen Markt in einer 24 cm verkürzten Variante an, damit das Gefährt in europäische Normgaragen passt, und in Quentin Tarantinos Pulp Fiction wird darüber gestaunt, dass der Quarterpounder with Cheese in Europa wegen des metrischen Systems Royal with Cheese heißt. In der gegenwärtigen Literatur gewinnt die Aneignung von Marken in einem literaturgeschichtlich einmaligen Ausmaß an Bedeutung – in der deutschsprachigen »Popliteratur« ebenso wie bei Autoren wie Michel Houellebecq (Frankreich) über Dorota Masłowska (Polen) und Viktor Pelewin (Russland) zu Umberto Eco (Italien), Javier Marías (Spanien) und vielen anderen. Dabei führen die regen Austauschbeziehungen, die die Literatur zur Markenwelt unterhält, zur Entwicklung überaus vielfältiger Verfahren der Aneignung und Integration von Marken. Aus dieser Vielzahl von literarischen Texten nimmt der Vortrag Christian Krachts Roman 1979 genauer in den Blick und unterzieht seinen Umgang mit Markennamen einer Analyse. In der Textur von Krachts Roman wird die Schuhmarke Berluti selbst wiederum in Seriellität überführt: Die Marke wird zum Leitmotiv – und wiederholt damit nicht nur sich selbst, sondern überdies das Verfahren aus Thomas Manns Zauberberg, in dem die Zigarre der Marke Maria Mancini leitmotivische Funktion übernimmt. Wird durch diese Literarisierung, durch die literarisch hergestellte Seriellität, die Marke von ihrer profanen Seriellität bereinigt? Eine vergleichende Lektüre der beiden Romane geht dieser Frage nach und rückt dabei die intertextuelle Verfasstheit von Krachts Roman in den Fokus der Argumentation. |