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Politik der Gebärde
Die Berührung und das Politische bei Heidegger, Lévinas, Nancy und AgambenPatrick Baur (Universität Freiburg) [BIO]
Email: baur.patrick@googlemail.com
ABSTRACT:
Mit Gesten und Gebärden lässt sich mindestens so sehr Politik machen wie mit Worten. Man kann in diesem Sinn von einer Politik der Gebärde sprechen: In welchen Zuständen sich Gesellschaften befinden und welchen Transformationen sie unterliegen, ob sie sich voneinander abgrenzen oder füreinander öffnen, das alles kann sich bis zu einem gewissen Grad in solchen Gebärden manifestieren und durch Gesten beeinflusst werden – sei es durch ‚große‘, d.h. öffentlich und symbolisch vollzogene Gesten, sei es durch Gebärden, die im Umgang von Menschen aus verschiedenen Gesellschaften miteinander in Erscheinung treten. Diesen Zusammenhang von Politik und Gebärde möchte ich in meinem Vortrag näher untersuchen.
Auch eine politische Gebärde ist eine körperliche Bewegung. In ihr wird die Körperlichkeit selbst in etwas Politisches transformiert: Der Körper wird vom Moment des Politischen berührt, wird zum Moment von Politik. Umgekehrt dringt durch die emotionale Aufgeladenheit der Gebärden ein genuin affektives Moment in die Politik ein – ein anderes Moment der Berührtheit also. In meinem Vortrag möchte ich diese Beziehung zwischen Politik und Gebärde untersuchen, indem ich verschiedene Gebärden und die mit ihnen verbundenen philosophischen Diskurse miteinander kontrastiere. Im Wesentlichen geht es mir um den Kontrast zwischen zwei verschiedenen Auffassungen einer Politik der Gebärde. Zum einen rücken die Gesten der Hand in den Blick: In der Geschichte des 20. Jahrhunderts sind sie politisch und philosophisch besonders aufgeladen worden. Als Beispiel für einen solchen Diskurs möchte ich Heideggers Überlegungen zu Hand und Gebärde interpretieren; bei ihm steht die Hand in problematischer Weise für eine von der eigenen Existenz berührte, aber auch romantisierte Idee ‚konkreter‘ Politik. Zum anderen geht es mir um eine Politik der Gebärde, die nicht so sehr von einem Verlangen nach Selbstradikalisierung der Existenz bestimmt ist und die gerade dadurch den Anderen, den Mitmenschen berühren kann, sich ihm öffnet und für ihn empfänglich wird – eine andere Politik der Berührung, wie man sie vor allem in den Arbeiten von Emmanuel Lévinas, Jean-Luc Nancy und Giorgio Agamben findet. Durch diese Kontrastierung soll etwas von dem Spannungsverhältnis sichtbar werden, in dem Philosophie und Politik stehen – und zwar, so denke ich, gerade da, wo es um den Körper geht, sofern er und sein Berühren zum Gegenstand einer Politik der Gebärde werden.
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