Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

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Keine Zeit für Nachhaltigkeit?
Die ausgedehnte Gegenwart des Journalismus als Widersacher einer zukunftsorientierten Berichterstattung

Katrin Bosnjak (Universität Duisburg-Essen)

Email: katrin.bosnjak@studenten-nachhaltigkeit.de

 


 

ABSTRACT:

Medien machen Meinungen, und Medien vermitteln vermeintlich objektives Wissen über Welt. So scheint auch der Forschungsbedarf klar, wenn „Nachhaltigkeit“ (als positives Leitbild) und Journalismus in einem Satz genannt werden. Denn Handeln im Sinne der Nachhaltigkeit setzt Wissen voraus. Es ist die fehlende Einwirkung globaler Prozesse – damit sind nicht nur Klimaveränderungen gemeint – in die direkte Lebenswelt, die es dem Leitbild schwer macht, Relevanzen der einzelnen Akteure anzusprechen bzw. zu generieren. Genauer: Globale Überlebensstrategien kollidieren mit den individuellen, gerade in Zeiten der Unsicherheit und werden abgeblockt. Nachhaltigkeit ist also auf Kommunikation angewiesen.

Dem Journalismus kommt eine Transformationsaufgabe zu, nämlich Zeitpunktübersetzungen aus dem Realitätsfluss zu liefern. An dieser Stelle aber fällt Nachhaltigkeit durch das Selektionsraster des Journalismus. Es gibt derzeit kein Agenda-Setting „Nachhaltigkeit“ (vgl. Adolf Grimme Institut 2004: Vorwort). Die Gründe dafür werden im Vortrag theoretisch erörtert, d.h. Ihnen werden keine Inhaltanalysen oder andere empirische Methoden zur Problemlösung vorgestellt. Anhand handlungstheoretischer (nach Schütz) und systemtheoretischer (nach Luhmann) Überlegungen werden journalistische Handlungsspielräume nachgezeichnet.

Im Vordergrund steht das Selektionsprinzip „Aktualität“ in seiner sachlichen, zeitlichen und sozialen Ausprägung, sowie als chronometrischer und konstruierter Wert. Medien produzieren mit diesem Prinzip eine ausgedehnte Gegenwart, indem Vergangenes und Zukünftiges auf die schmale Zeitstelle des Jetzt verdichtet werden, wobei der konstruierte Zeitdruck eine geringe Halbwertszeit von Neuigkeiten begründet. Vom Journalismus werden daher zeitpunktfixierte und simple Ereignisse bevorzugt, was prinzipiell gegen Nachhaltigkeit als Thema journalistischer Berichterstattung spricht.

Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, dass Journalisten den Ereignissen in der Welt ausgeliefert sind und, dass den Ereignissen die Kriterien journalistischer Selektion inhärent sind – sondern, dass ein erheblicher Anteil journalistischer Konstruktion in den Selektionsprozess hineinspielt. Wissen und Relevanzen des einzelnen Journalisten beeinflussen, neben organisatorischen und institutionellen Zwängen, die Selektion. Ein Journalist ist nicht in seiner Arbeitswelt gefangen, sondern ist von mannigfaltigen lebensweltlichen Einflüssen geprägt. Es scheint so, als würde der Journalismus aus seiner selbstbezüglichen Schleife nicht entkommen können. Die Orientierung an Leitmedien und Fachkollegen sowie das Festhalten an funktionellen und nicht hinterfragten Selektionsprinzipien als professionelle Routine bilden eine Barriere, an der Nachhaltigkeit – als prinzipiell nie endender Prozess – zerberstet. Dort, wo Koodinierungen und Entscheidungen im journalistischen Arbeitsalltag Fuß fassen, sind Wissen, Qualifikationen und Ressourcen bzgl. des Selektionsergebnisses ausschlaggebend. Wissen ist größtenteils, und vor allem das Wissen der Profession, sozialisiert. Die Systemtheorie sieht aber das Soziale nicht im Einzelnen begründet und versteht sich gar von ihm unabhängig. Dem entgegen steht die handlungstheoretische Meinung, dass gerade das Soziale sich in sozialen Handlungen intentional agierender Akteure konstituiere, die wechselseitig aneinander orientiert sind. Zu beweisen war, dass das System „Journalismus“ kein autopoietisches System sein kann und, dass das Subjekt, welches lediglich Umwelt des Systems ist, sehr wohl Möglichkeiten des Eingreifens hat und die Strukturen erkennt. Letzteres erfordert aber „anhalten und nachdenken“ (vgl. Schütz 1971: 185) seitens der Journalisten. Solange aber der Journalist Mitglied einer Organisation (hier der Redaktion) ist, vermag er nicht anders zu handeln, als bereits vorher entschieden wurde – so jedenfalls Luhmann (vgl. 2001: 829).


Quellen:

Adolf Grimme Institut 2004 (Im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung):
TV-Medien und Nachhaltigkeit. Kurz-Studie zur Ermittlung von Formen, Hindernissen und Potentialen der Darstellung von Nachhaltigkeitsthemen in ausgewählten deutschen Fernsehprogrammen.
Verantwortliche: Friedrich Hagedorn (Leitung), Heinz H. Meyer, Dr. Marie-Luise Braun, Michael Heming. Online im Internet unter: http://www.nachhaltigkeitsrat.de/service/download/studien/Studie_TV-Medien_und_Nachhaltigkeit_Juli_2004.pdf

Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Band 2. Nachdruck Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2001.

Schütz, Alfred/ Zaner, Richard Morris [Hrsg.und erläutert]: Problem der Relevanz.
Frankfurt am Main: Suhrkamp 1971a


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