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Integraler Humor – Lachen und Weinen im Spannungsfeld menschlicher Bewusstseinstendenzen

Jan Dirks (Department of Performing Arts Studies, Seoul National University, Korea)

Email: jhdirks@yahoo.de

 

Humor ist, wenn man lacht. (Lexikondefinition, vereinfacht)
Humor ist, wenn man trotzdem lacht. (deutsche Redensart)
Humor ist, wenn man trotzdem über andere lacht. (scherzhafte Abwandlung einer deutschen Redensart)
Humor ist, wenn man trotzdem nicht lacht, obwohl es vielleicht lustig war. (Peter Licht)
Humor ist, wenn man zugleich lachen und weinen kann. (?)

ABSTRACT:

Das Phänomen Humor hat unendlich viele Dimensionen. Immer bewegt es sich im Spannungsfeld grundlegender menschlicher Bewusstseinstendenzen: zwischen Distanzierung und Einfühlung, zwischen Objektivierung und Subjektivierung, zwischen Degradierung und Aufwertung, zwischen scharfsinniger Weisheit und warmherzigem Mitgefühl, aber auch zwischen Repression und Regression.

Lachen und Weinen können als körperliche Symptome, als unmittelbare Ausdrucksformen dieser jeweils polar entgegengesetzten Bewusstseinsbewegungen verstanden werden. Sie sind zum einen Ausdruck des Verhältnisses zwischen Individuum und Welt, denn sie spiegeln die Tendenzen der Selbstbehauptung (Streben nach Abgrenzung und Individualität) und der Selbstanpassung (Streben nach Verbundenheit mit der Welt) wieder. Zum anderen verweisen sie als extreme, nonverbal geprägte „Katastrophenreaktionen“ immer auch auf Bewusstseinsebenen außerhalb des rationalen Alltagsbewusstseins, nämlich auf das Prärational-Unbewusste oder aber das Transrational-Überbewusste, und stehen somit im Zusammenhang mit den grenzüberschreitenden, bewusstseinserweiternden Tendenzen der Selbstimmanenz und der Selbsttranszendenz.

Auf Grundlage gängiger Humortheorien (z. B. Koestler, Plessner, Bachtin) sowie verschiedener Konzepte zur Bewusstseinstransformation (vor allem Ken Wilber) wird es in meinem Beitrag darum gehen, das psychische Spannungsfeld, in dem sich das Phänomen Humor entfaltet, neu zu beleuchten und ein integrales Modell zu entwerfen, in welchem sich die grundlegenden Bewusstseinstendenzen des menschlichen Humors verorten lassen – wenn man so will, eine Art „Koordinatensystem“ des Humors.