In Korea – wie wohl auch bei vielen anderen
Völkern – ist es noch üblich, dass bei Begräbnis-
und Totenfeiern nicht nur Trauer und Ernst herrschen, sondern nebenbei
auch getrunken, (ortsweise sogar theatral) gespielt und gelacht wird.
Diese Tradition erinnert an Bachtins These, dass der mächtigste
Feind des Lachens der Tod sei, der aber das Lachen der Menschen nie
ersticken könne. Ob das Nebeneinannder von Ernst und Lachen bzw.
Lachen gegen Ernst eine typisch orientalische Erscheinung ist? „Im
Unterschied zum abendländischen Theater“, so konstatiert
Otto C. A. zur Nedden jedenfalls, „fehlt“ in der alten Theaterkunst
Indiens „das Tragische“. Hier dürfe der Held nicht
untergehen, ein tragischer Ausgang sei sogar verboten. Die aus der Abneigung
gegen das Tragische zu erschließende Vorliebe der Inder für
das Lustspiel, in der wohl ihre Neigung zum Optimismus zum Vorschein
kommt, scheint in gewisser Hinsicht auf ganz Asien übertragbar
zu sein. Man nehme etwa das sogenannte „orientalische Lächeln“
zusätzlich zum Ausgangspunkt, mit dem gemeint ist, dass die Asiaten
selbst auf einen ernsthaften Fehler ihrerseits mit einem Lächeln
reagieren, der bei Europäern gar Entsetzen hervorrufen würde.
Unfähig zum raschen Wechsel des Gesichtsausdrucks, der die Europäer
kennzeichne, dauere das Lächeln der Asiaten auch länger als
bei diesen. Nicht alle, aber viele alte und neue Buddhafiguren in den
fernöstlichen Tempeln bestätigen gleichsam dieses Phänomen,
indem sie mehr oder weniger gnädig lächeln, und zwar im Unterschied
zu den christlichen Altarbildern, in denen sehr häufig der schmerz-
und trauervolle Passionsweg des Gottessohnes im Mittelpunkt dargestellt
ist. Es wäre interessant zu untersuchen, ob sich aus diesen Erscheinungen
eine tragfähige These der asiatischen Vorliebe für das Lachen
und für das Lustspiel ableiten und womöglich auch anthropologisch
begründen ließe.
Die hohe Wertschätzung des Lächelns
im Alltag legt nahe, dass das Lachen und Lächeln samt Komik und
Komödie zu den Universalien des menschlichen Handelns gehört.
Sie berührt nichts Anderes als Bachtins Begriff der „Dialogizität“,
der in Verbindung mit dem der volkstümlichen „Lachkultur
des Karnevals“ eine entscheidende Wende im Diskurs über Komik
und Komödie herbeigeführt hat. Selbst in dem vermarkteten
Lächeln ist nämlich ein Moment der Emanzipation enthalten,
das über die traditionelle Überlegenheits- oder Kontrasttheorie
des Lachens hinausgeht und etwa die verbindende Wirkung des Lessingschen
„wahren Lustspiels“ bzw. jene von Schiller der Komödie
zugesprochene „höchste Freiheit des Gemüts“ suggeriert.
Denn das Lächeln sucht Kontakt und will somit - ähnlich wie
das Lachen mit dem bekannten Ansteckungseffekt - das Sich-Abgrenzen
wie die Ausgrenzung des Anderen überwinden. Das universal Verbindende
wäre also sowohl im Phänomen des Lachens selbst als auch im
letzten Stadium der bisherigen Forschungen zu suchen, um daraus womöglich
eine für Ost wie West verbindliche Tiefenstruktur des Lachens zu
konzipieren. Ein viel versprechender Ansatzpunkt dafür ist die
bekannte Paradoxie, dass sich das Komische in der Komödie zwar
an den Intellekt wendet, aber die Aufmerksamkeit auf das Körperliche
lenkt. Das Lachen als Ausdruck der intellektuellen Wahrnehmung eines
komischen Gegenstandes oder Phänomens wird normalerweise durch
bestimmte, ihm eigene Laute, Gesichtsausdrücke und Gesten, also
am Körper, realisiert, wie auch die Realisierung des Komischen
im vollen Umfang erst im komischen Theater gerade durch die sinnliche
Darbietung vollzogen wird.
Zu den aktuellsten Themen der Komikforschung
gehört die Frage der Vermittlung bzw. der gegenseitigen Durchdringung
zweier Grundformen des Komischen, einer „Komik der Herabsetzung
- des Verlachens - als intellektuelles Phänomen“ einerseits
und einer „Komik der Heraufsetzung, des Bejahens von Unterdrücktem
und Verdrängtem und damit der Anerkennung des Lustprinzips“
(Hans Robert Jauß, Bernhard Greiner) andererseits. Die Gültigkeit
oder Ungültigkeit der Dichotomie der beiden Formen wird ebenso
einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen sein wie
die Einheitstheorien der Komik, die unter anderen von Joachim Ritter
angeregt worden sind. Er schrieb: „Was mit dem Lachen ausgespielt
und ergriffen wird, ist diese geheime Zugehörigkeit des Nichtigen
zum Dasein; sie wird so ergriffen und ausgespielt, nicht in der Weise
des ausgrenzenden Ernstes, der es nur als das Nichtige von sich weghalten
kann, sondern so, dass es in der es ausgrenzenden Ordnung selbst gleichsam
als zu ihr gehörig sichtbar und lautbar wird.“ Aufschlussreich
ist hier der Nachweis, dass im Komischen „die Identität eines
Entgegenstehenden und Ausgegrenzten mit dem Ausgrenzenden“ hergestellt
wird. Mit der Einsicht in die dialektische Einheit der ausgrenzenden
Vernunft (Norm, Autorität, Ordnung, Idee, Schein, Ideologie) und
der von dieser als fremd und nichtig ausgegrenzten Lebensbereiche (Körper,
Sexualtrieb, Vitalität, Erscheinung, Realität) tritt die Begrenztheit
des vernunftgesteuerten Umgangs mit der Welt zu Tage. Die Vernunft,
die „mit der Setzung ihres Seinssinnes Unendliches ausgrenzt“,
macht, so Ritter, „die Grenze der Vernunft bewußt“,
wobei sich ihre Begrenztheit darin zeigt, daß sie „abgetrennt
ist von der Fülle desjenigen Lebens, das ihr nur als nichtig und
nichtseiend unwesentlich begegnen kann“. In unserer Zusammenarbeit
möge es zu zeigen sein, dass diese Lachtheorie zur Diskussion über
das Sektionsthema und auch zum Verständnis der ‚asiatischen
Vorliebe‘ für das Komische ergiebig sein kann.
Freilich wäre noch kritisch zu fragen,
ob angesichts der Aktualität der neu beleuchteten Anstöße
von Freud, Ritter, Bachtin und anderen die noch älteren, bewährten
theoretischen Ansätze wie Lessings Kontrastprinzip von Schein und
Realität, Bergsons Strukturanalyse des Komischen, Hegels und Marx’
Auffassung des anachronistisch Komischen usw. bereits unhaltbar geworden
sind. Sie enthalten bleibende Momente, die zum Verständnis der
Struktur und Wirkung des Komischen im wesentlichen ungeschmälert
beitragen können. Zur Formulierung einer Tiefenstruktur des Komischen
könnten wir vor allem Henri Bergson, dessen Theorie der Komik die
klassische des 20. Jahrhunderts genannt wurde, noch mit großem
Gewinn konsultieren. Sein lebensphilosophischer Grundgedanke ist für
heute verbindlicher denn je, lässt er sich doch sogar im Sinne
der Bachtinschen Lachkultur umdeuten und umfunktionieren. Bei ihm ist
es nämlich immer das Mechanische im Lebendigen, das die Komik erzeugt:
„Du mécanique plaqué sur de vivant; voilà
une croix où il faut s'arrêter, image centrale d'où
l'imagination rayonne dans des directions divergentes.“ Dieses
„zentrale Bild“ der Komik kann zur Deutung sowohl europäischer
als auch asiatischer Beispiele produktiv herangezogen werden, auch wenn
man seiner vornehmlich an Molière orientierten Auffassung der
Komödie als eines sozialen Korrektivs nicht in allen Einzelheiten
folgen mag. Seine Opposition gegen die Mechanisierung des Lebens, gegen
Starrheit, Automatismus und Zerstreutheit als komische Schwächen
des Menschen sowie seine Idee des ständig im Fluss befindlichen
wirklichen Lebens erinnern z.B. an den Taoismus des alten China, der
sich mit analogen Bildern und Metaphern, dem berühmten Wasserbild
voran, gegen das als lebensfeindlich empfundene konfuzianische Ordnungsprinzip
wandte.
Beabsichtigt und erwünscht ist in unserer
Sektion eine möglichst breite interdisziplinäre und kulturalistische
Zusammenarbeit. Beiträge aus Physiognomik (Gesichtsausdruck), kontrastiver
Phonologie (Lachlaute der Völker), Psychologie, Anthropologie,
Ethnologie und Heilkunde wären nicht minder willkommen als die
aus Literatur, Theater und der bildenden Kunst. Wie lacht und weint
der Mensch etwa in der Malerei? Darüber hat man viel zu wenig diskutiert,
während die Beiträge allein über das Lachen und die Komik
in der Literatur kaum überschaubar angewachsen ist.