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<<< Ausnahmezustände in der Literatur aus wissensgeschichtlicher Perspektive
Der exklusive und der banalisierte Ausnahmezustand: Imre Kertész und Ruth Klüger
Julia Genz (Universität Tübingen) [BIO]
Email: julia.genz@uni-tuebingen.de
ABSTRACT:
Anhand Imre Kertész Roman eines Schicksallosen möchte ich auf die literarische Darstellung des Ausnahmezustands im Vergleich mit Ruth Klügers Weiter leben eingehen.
Ausgehend von Giorgio Agambens Theorie des Banns, in der sich Souverän und homo sacer gegenseitig bedingen, soll das Lager als Ort des Ausnahmezustands kurz skizziert werden. Ist die Lagererfahrung als Konfrontation mit der Ausnahme eine exklusive, so möchte ich zeigen, wie Kertész die Exklusiverfahrung mittels der Technik der Banalisierung aufbricht und zu einer scheinbar alltäglichen Erfahrung stilisiert. Das Verhältnis von Außen und Innen, Ausnahme und Regel des Ausnahmezustands werden durch die Banalisierung nochmals anders akzentuiert. Nach einer näheren Erläuterung des Banalisierungsaspekts und dessen Zusammenhang mit der Bann-Thematik soll vergleichend Ruth Klügers Herangehensweise der Schilderung der Lagererfahrung herangezogen werden. Klügers Autobiographie versucht im Gegensatz zu Kertész den Exklusivitätsanspruch in der Darstellung des Lagers aufrechtzuerhalten.
Rückt laut Agamben die Ausnahme als fundamentale politische Struktur unserer Zeit immer mehr in den Vordergrund und droht letztlich zur Regel zu werden, sodass „in unserer Zeit in einem besonderen, aber sehr realen Sinn alle Bürger als homines sacri erscheinen“ (Agamben 2002, 121), so ergeben sich aus dem Kontrast von Exklusivität und Veralltäglichung einer Ausnahmeerfahrung nicht nur gegenläufige Rezeptionseffekte im Fall von Kertész und Klüger, sondern dieser Kontrast bietet auch einen interessanten Ausblick auf Agambens These der Veralltäglichung des Ausnahmezustands in der heutigen Zeit.
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