Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

S E K T I O N E N

 

Ausnahmezustände in der Literatur aus wissensgeschichtlicher Perspektive

Sektionsleiter/Vorschläge, Abstracts an:

Oliver Ruf (Universität Trier, Université du Luxembourg) [BIO]

Email: rufo3301@uni-trier.de

 
ReferentInnen / Speakers   >>
 

ABSTRACT:

Die Rede vom Ausnahmezustand beansprucht gegenwärtig einen populären Platz in der öffentlichen Diskussion. Mit dieser von politischen Demagogen und Ideologen, Staatstheoretikern und Menschenrechtsaktivisten je anders aufgefassten Gesellschafsformation korrespondiert allerdings eine in den neueren Philologien und Kulturwissenschaften vergleichsweise geringe Reflexion. Als prominentester Philosoph, der sich mit dem Thema beschäftigt, gilt Giorgio Agamben, der prägnant ausgeführt hat, dass Natur- und Ausnahmezustände lediglich zwei Seiten eines topologischen Prozesses sind, wo das, was als Außen vorausgesetzt worden ist (der Naturzustand), nun im Innern (als Ausnahmezustand) wieder erscheint. Mit Bezug auf Agamben kann der Ausnahmezustand als eine "komplexe topologische Figur" bestimmt werden, in der "nicht nur Ausnahme und Regel, sondern auch Naturzustand und Recht, das Draußen und das Drinnen ineinander übergehen". So verstanden, tragen Überlegungen zum Ausnahmezustand auf grundlegende Weise zur Fokussierung gesellschaftlicher Entwicklungen bei, indem sich dadurch Beobachtungen realer Geschehnisse fixieren lassen.

Dem skizzierten theoretischen und empirischen Verständnis des Ausnahmezustandes stehen dabei zahlreiche fiktionale Darstellungen gegenüber, die zurück liegende gesellschaftliche Transformationen begleiten und dokumentieren. Trotz dieses viel versprechenden Befundes wurde den Ausnahmezuständen in der Literatur bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dieses Desiderat ist als epistemologische Herausforderung aufzufassen, denn insbesondere eine wissensgeschichtliche Forschung, deren Gegenstand das ist, was Foucault die "Positivität des Diskurses" nennt, hat die Möglichkeit, Perspektiven des Ausnahmezustandes mit Hilfe der Literatur zu erproben.

Dessen literarische Phantasien sind in der Sektion zu analysieren, ihre erkenntnistheoretischen, ideengeschichtlichen und historischen Implikate zu entwickeln. Dass es, um diesem Thema gerecht zu werden, des interdisziplinären Austauschs bedarf, ist evident. Beiträge aus den Literaturwissenschaften bilden deshalb ebenso das Programm wie solche aus der Philosophie und den Geschichtswissenschaften. Die Sektion fragt im Rahmen der Konferenz vor allem nach der Geschichte des Wissens in seiner Differenzierung und nach den gesellschaftlichen Veränderungen, die diese evoziert. Dass eine Betrachtung des Ausnahmezustandes in diesem Zusammenhang besonders lohnt, will die Sektion unterstreichen; sie wird sich dem Thema sowohl aus theoretischer, methodologischer als auch aus anwendungsorientierter Perspektive nähern.

 

 

ReferentInnen / Speakers / Orateurs

  • Das Notorietätskonzept im frühneuzeitlichen Recht
    Andreea Badea (Universität Bayreuth)
    ABSTRACT

  • BILD – ACTUS – AUSNAHME
    Carolin Behrmann (HU Berlin, Institut für Kultur- und Kunstwissenschaften)
    ABSTRACT

  • Boudoir-Welt: Biopolitik und Gewalt in den Protokoll-Romanen von Albert Drach
    Mary Cosgrove (University of Edinburgh)
    ABSTRACT

  • Virtuosen-Herrschaft. Überlegungen zu Ausnahme-Performances und Macht – vom Bühnenstar des 19. Jahrhunderts bis zu den Souveränitätsversprechen des Postfordismus
    Kai van Eikels (FU Berlin, Sfb „Kulturen des Performativen“)
    ABSTRACT

  • „Keine Sommerfrische“
    Das Bild der ‚Reise’ in der europäischen Holocaust-Literatur
    Torben Fischer (Leuphana Universität Lüneburg)
    ABSTRACT

  • States of Emergency: Ausnahmezustand und Krisenerfahrung in William Shakespeares Measure for Measure
    Martin Genetsch (Universität Trier, Anglistik)
    ABSTRACT

  • Der exklusive und der banalisierte Ausnahmezustand: Imre Kertész und Ruth Klüger
    Julia Genz (Universität Tübingen)
    ABSTRACT

  • Vom Ausnahmezustand des Schmerzes in Literatur, Medizin und Psychoanalyse
    Iris Hermann (Universität Siegen, FB 03)
    ABSTRACT

  • Neapel zwischen Vesuv und Pest: Zur Bilderwelt des permanenten Ausnahmezustandes im 17. und 18. Jahrhundert
    Annette Hojer (Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, Rom)
    ABSTRACT

  • Der Normalzustand als Ausnahmezustand. Moderne, Langeweile und Krieg in Musils Mann ohne Eigenschaften
    Sebastian Hüsch (Universität Basel)
    ABSTRACT

  • Zerrissene Zeit. Ausnahmezustand als Krise der Repräsentation bei Schmitt, Agamben, Foucault und in E.L. Doctorows Ragtime
    Oliver Kohns (Université du Luxembourg)
    ABSTRACT

  • Der Autor im Ausnahmezustand in Chuck Palahniuks Haunted
    Christian J. Krampe (Universität Trier, Anglistik)
    ABSTRACT

  • Diaspora und Emergency Design: Designstrategien in den Zonen der Anomie
    Yana Milev (HfG Karlsruhe)
    ABSTRACT

  • Das antike Perserreich im Ausnahmezustand. Dareios’ I. im Kampf gegen die „Lüge“
    Sabine Müller (Leibniz-Universität Hannover)
    ABSTRACT

  • Der Zerfall Jugoslawiens: „Ausnahmezustand als permanente Struktur“
    Boris Previšić (Universität Basel, Deutsches Seminar)
    ABSTRACT

  • Kunst der Transfiguration. Gesundheit, Krankheit und Wissen
    Michaela Putzke (Universität Regensburg)
    ABSTRACT

  • Ausnahmezustand und Opferritual. Ein Vergleich zwischen René Girard, Carl Schmitt und Giorgio Agamben
    Johannes Scheu (Universität Freiburg i.Br.)
    ABSTRACT

  • Postmoderne, Post-Postmoderne, 9/11. Zu Funktionen von Gewalt und Terrorismus im amerikanischen Gegenwartsroman
    Lutz Schowalter (Universität Trier, Anglistik)
    ABSTRACT

  • Ausnahmen als Normalität des Übergangs. „Semi-Barbaren“ als Regel des transitorischen Ausnahmezustands der römischen Spätantike in geschichtsphilosophischer Perspektive
    Peter Seele (KWI Essen, Institute for Advanced Study in the Humanities)
    ABSTRACT

  • Christian Weises Masaniello (1682): Die soziale Krise als Trauerspiel
    Katharina Siebenmorgen (TU Dresden / EPHE Paris)
    ABSTRACT

  • Körperliche Ausnahmezustände und Subjektproduktion
    Simon Strick (HU Berlin)
    ABSTRACT

  • Das Ghetto im Kontext der Shoah in der polnischen Literatur
    Monika Tokarzewska (Universität Thorn)
    ABSTRACT

  • Migration als Leben in permanentem Ausnahmezustand. Zu Terézia Moras Roman Alle Tage
    Christine Wilhelm (Universität Bayreuth, Internationales Promotionsprogramm „Kulturbegegnungen“)
    ABSTRACT

  • Ausnahmezustände in frühmodernen Geschichtsdramen von Kleist, Grabbe und Büchner
    Tomislav Zelic (Columbia University / Universität Zadar)
    ABSTRACT

  • Ein Narrativ des Ausnahmezustandes in Bosnien: Jean-Luc Godards Je vous salue, Sarajevo (1993)
    Tanja Zimmermann (Universität Erfurt)
    ABSTRACT

Sous le Haut Patronnage du Président de la République, Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Savoir, créativité et
transformation des sociétés

Vienne , 6 - 9 décembre 2007