Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

<<< Ausnahmezustände in der Literatur aus wissensgeschichtlicher Perspektive


 

Das antike Perserreich im Ausnahmezustand. Dareios I. im Kampf gegen die „Lüge“

Sabine Müller (Leibniz-Universität Hannover, Historisches Seminar) [BIO]

Email: sabine.mueller@hist.uni-hannover.de

 


 

ABSTRACT:

Eines der bedeutendsten Zeugnisse des antiken Perserreichs ist die Inschrift Dareios I. von Behistun, Dareios, der als maßgeblicher Gestalter des Perserreichs gilt, schilderte darin seine Thronbesteigung und die Bezwingung der Aufstände gegen seine Herrschaft 522/21 v. Chr. Demnach hatte er zusammen mit sechs anderen persischen Adligen einen Usurpator gestürzt, der sich als ein verstorbenes Mitglied der persischen Königsfamilie ausgegeben hatte: als Smerdis, Sohn des Reichsgründers Kyros. Die Inschrift stellt Smerdis’ Herrschaft als Ausnahmezustand dar: das Abfallen von der göttlichen Ordnung. Der persischen Herrscherideologie nach wurde der legitime König vom höchsten Gott Auramazdah als irdischer Stellvertreter eingesetzt und stand für Wahrheit und Gerechtigkeit. Der „falsche Smerdis“ hingegen war nicht von Auramazdah auserwählt und vertrat die Lüge. Die Folgen sind symptomatisch: Die Völkerschaften gerieten aus Furcht vor Smerdis’ ungerechten Übergriffen in Unruhe. Statt ihre Tribute als Geschenke anzunehmen, beraubte er sie; statt seiner kultischen Pflicht nachzukommen, zerstörte er die Heiligtümer. Statt der Lüge bekämpfte er die Wahrheit. Statt das Reich gegen äußere Feinde zu beschützen, stiftete er inneres Chaos.

Die Inschrift charakterisiert Smerdis als Gegenbild des guten Königs, seine Herrschaft als Gegenbild der göttlichen Ordnung. Dareios figuriert als Heilskönig: von Auramazdah auserwählt, ein wahres Mitglied der Familie des Kyros, das den inneren Frieden zurückbringt.

Indes ist Dareios’ Rechtfertigungsschrift mit der konstanten Berufung auf die Gnade Auramazdahs vermutlich deswegen so plakativ ausgefallen, da er selbst massive Legitimationsprobleme hatte. Die Konzessionen an seine Mitverschwörer zeigen, dass seine Thronansprüche keineswegs vorrangig waren. Die anschließenden Revolten scheinen dies zu bestätigen. Zudem entstammte er, wenn überhaupt, nur einer Nebenlinie der Königsfamilie. Die Forschung nimmt sogar teils an, dass es sich bei dem gestürzten Smerdis nicht um einen Prätendenten, sondern um den echten Kyrossohn und legitimen Erben gehandelt hatte. Vor diesem Hintergrund ist zu überlegen, inwiefern der geschilderte Ausnahmezustand eine künstliche Kreation ist und nicht viel eher Dareios’ Machtübernahme als Ausnahmezustand zu kennzeichnen wäre.

 


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