Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

<<< Ausnahmezustände in der Literatur aus wissensgeschichtlicher Perspektive


 

Körperliche Ausnahmezustände und Subjektproduktion

Simon Strick (HU Berlin, Graduiertenkolleg “Geschlecht als Wissenskategorie”) [BIO]

Email: simonstrick@web.de

 


 

ABSTRACT:

Giorgio Agambens Theoretisierung des Ausnahmezustandes ist durch die Figur des "bloßen Lebens" eng verknüpft mit dem Foucaultschen Konzept der Biopolitik, welche den machtpolitischen Zugriff auf den Körper und das Lebendige bezeichnet. Im Gegensatz zu Foucault ist Agambens Argument jedoch bisher vorwiegend innerhalb der politischen Theorie gelesen worden, wobei der biopolitische Arm der Theorie oft verschwindet. Den Ausnahmezustand im Zusammenhang mit Biomacht zu denken, will der Beitrag sich auf zweierlei Weise vornehmen.

Zum einen soll thematisiert werden, wie sich das Konzept des Ausnahmezustandes innerhalb einer Körpergeschichte verwenden lassen, die von der biopolitischen Erfassung und Regulierung des Körpers in der Moderne ausgeht. Die Diskurse um körperliche Ausnahmezustände spielen hier eine gewichtige Rolle, denn in der Deutungsmacht über was ein Ausnahmezustand ist und welche Subjekte über diesen verfügen können bzw. von diesem produziert oder verworfen werden, spiegeln sich Funktionsweisen der Biomacht. Als Ansatzpunkt sollen hierbei historische und zeitgenössische Diskurse über körperlichen Schmerz angesprochen werden, in dem als Schwellenraum Aspekte der Subjektivierung und der Desubjektivierung zusammenfallen. Charakteristisch für diese Einschätzung sind die Ausführungen Elaine Scarrys, die Schmerz als zugleich vollständige Realisierung der eigenen Körperlichkeit thematisiert, als auch als Auflösung der Kohärenz des Selbst. Schmerz als somit simultan be- und entgrenzendes Phänomen kann demnach analog zur Figur des Ausnahmezustandes verstanden werden, mit dem Körper dem Zugriff biopolitischer Regime zugeführt werden. Der Schmerz zeigt sich in dieser Thematisierung als ein essentieller Ansatzpunkt subjektivierender Mechanismen, und nicht wie oft angenommen als "Riss im Diskurs" (Sarasin).

Weiterhin führt diese Thematisierung zu einer Frage, die im Anklang an Carl Schmitt erörtert, wer in der Lage ist, den Ausnahmezustand zu verhängen. Hier ist zu fragen, an welche Autoritäten und Instanzen die diskursive Konstruktion von Schmerz gebunden ist. Durch welche Mechanismen der Benennung und Deutung gewinnt der körperliche Ausnahmezustand diskurs-konstituierende Funktion? Wie steht die von Scarry definierte "Unsagbarkeit" des Schmerzes in Wechselwirkung zu seiner produktiven Funktion als Ausnahmezustand? Agambens Theorie des "Ausnahmezustandes als Konstitutivum" soll also für die Rolle körperlicher Ausnahmezustände in der diskursiven Produktion von Subjekten erläutert werden.

 


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