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<<< Ausnahmezustände in der Literatur aus wissensgeschichtlicher Perspektive
Christian Weises Masaniello (1682): Die soziale Krise als Trauerspiel
Katharina Siebenmorgen (TU Dresden / EPHE Paris) [BIO]
Email: kasieben@web.de
ABSTRACT:
Der Tagungsbeitrag thematisiert ein literarisches Krisenszenario, das vom sogenannten Masaniello-Aufstand (Neapel 1647), dem das Potential einer politischen Umwälzung eingeschrieben war, seinen Stoff bezieht. Ausgehend vom Konzept der „Krise“ respektive des „Ausnahmezustandes“, in denen Ordnung und Unordnung sozialer Gemeinwesen dynamisch und kurzfristig unentschieden aufeinander bezogen sind, soll der Tagungsbeitrag anhand von Weises Trauerspiel die inszenierende Repräsentation angesichts einer den Erwartungshorizont der Zeitgenossen sprengenden Erfahrung untersuchen, die sich im Textmedium als Projektion eines kollektiven auf ein individuelles Drama ausdrückt, das zur Misserfolgsgeschichte des maßlosen Einzelprotagonisten verdichtet wird, dem die Laufbahn des „re, reo, santo“ zugemutet wurde. Anhand des geläufigen Narrativs vom Aufstieg und Fall des maßlosen Individuums zeigt sich dieser Zugriff in einer Form, wie Geschichtsschreibung und Geschichtskonzeption im 17. Jahrhundert sie strukturiert haben: als eine auf Spektakularität setzende Beschäftigung, die beim maßhaltenden Publikum auf Neugier am extrem Guten wie extrem Schlechten setzt, auf die Bewährung der Ordnung angesichts des hereinbrechenden Chaos, das in immer gleichen Bildern der Gefährdung daherkommt: als kranker politischer Körper, Schiffbruch auf offener See, als Pferd, das seinen Reiter abwirft, als das Monströse.
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