Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

<<< Ausnahmezustände in der Literatur aus wissensgeschichtlicher Perspektive


 

Neapel zwischen Vesuv und Pest: Zur Bilderwelt des permanenten Ausnahmezustandes im 17. und 18. Jahrhundert

Annette Hojer (Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, Rom)

Email: hojer@biblhertz.it

 


 

ABSTRACT:

Das Phänomen des Ausnahmezustandes hat – aus kulturgeschichtlicher Perspektive betrachtet – in der Vesuvstadt Neapel eine besondere Ausprägung erfahren: Über Jahrhunderte hinweg dominierten regelmäßig wiederkehrende Katastrophen das städtische Leben, von Pestepidemien bis hin zu Vulkanausbrüchen und Erdbeben. Diese nahezu ›permanent‹ zu nennenden Ausnahmezustände finden sich gerade im 17. und 18. Jahrhundert reflektiert in einer Flut von Bildern, darunter Gemälde von der Hand der bedeutendsten Künstler jener Zeit, etwa Luca Giordano (1634–1705) oder Francesco Solimena (1657–1747).

Als bildliche Zeugnisse für die historische Wahrnehmung von Notstandssituationen sollen diese Werke im Fokus des Tagungsbeitrages stehen. Ihre Diskussion mittels kunstwissenschaftlicher Methoden, ihre ikonographische und typologische Einordnung, hat zunächst die Klärung des ambivalenten Status zwischen Dokumentation und Fiktion zum Ziel. Überdies kann eine Bildanalyse zur theoretisch-methodischen Klärung des Konzeptes ›Ausnahmezustand‹ beitragen. Wie zu zeigen sein wird, steht die für Neapel geprägte ›Ikonographie des Ausnahmezustandes‹ unter dem Vorzeichen einer signifikanten Dichotomie: Dem städtischen Raum wird in den Gemälden die bedrohliche Natur gegenübergestellt, der intakten Gesellschaftsordnung das Chaos des Desasters. Somit thematisiert die Sprache der Bilder gerade jene topologische Figur von Innen und Außen, von Rechts- und Naturzustand, die auch die aktuelle staatstheoretische Begriffsdiskussion bestimmt.

Ein fast kanonisch gewordenes Element jener Krisenikonographie ist die Erscheinung des Stadtpatrons Januarius, der Neapel vor der Katastrophe rettet. Die durch Vesuv und Pest provozierten Notsituationen werden kontrastiert mit dem kontinuierlichen Schutz des Heiligen, der als eigentlicher Souverän der Stadt erscheint. Dieser ikonologische Befund, der unter Einbeziehung von Quellenschriften in historischen Denktraditionen und Wissenssystemen verortet werden muss, erweist sich als höchst relevant für das Problem einer Epistemologie des Ausnahmezustandes, wie es die Konferenzsektion stellt: Es sind Konzepte von Souveränität und Macht, die – ausgehend von der neapolitanischen Bilderwelt – in einem interdisziplinären Kontext zu erörtern sind.

 


Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

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Wien, 6. bis 9. Dezember 2007