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Wortglauben
Hölderlins Suche nach ZeugenschaftRüdiger Görner (London)
Email: r.goerner@qmul.ac.uk
ABSTRACT:
Im poetischen Entwurf (be-)zeugt und deutet der späte Hölderlin Entstehung von sakral inspirierter Wörtlichkeit. Glauben und Wissen (ent-)setzt und verdichtet sich in dieser Art des Entwerfens, das jedoch gleichzeitig auf die Entsinnlichung des Wortes und seine Auflösung zielt. Der Entwurf Hölderlins ist somit das schlechthin Inkompatible.
Der Tübinger Seminarist Hölderlin hatte gelernt, die Offenbarung Gottes als sprachliches Phänomen zu begreifen, woraus er den Glauben an das (sakral-poetische) Wort ableitete. Dass diese Versprachlichung der Offenbarung ihre Profanisierung bedeuten könnte, wollte Hölderlin augenscheinlich nicht wahrhaben, wohl aber spürte er sie; und dagegen dichtete er an – auch um den Preis, daß man der poetischen Form, dem Wort selbst, mehr Glauben schenken könnte als seinem Gehalt.. Der “heilige Buchstab” erweist sich ihm als Zeichen des Göttlichen; seine Pflege als Auftrag. Vor diesem Hintergrund soll in diesem Beitrag Hölderlins Fragment “Was ist Gott?” gedeutet werden, das – ein undatiertes Einzelblatt – um 1800 entstanden sein dürfte, ein poetischer Fall des not testified, der aber gerade die Suche nach dem Bezeugten und Bezeugbaren illustriert.
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