Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

S E K T I O N E N

 
N.T. – New Testament / Not Testified

Sektionsleiter/Vorschläge, Abstracts an:

Martin A. Hainz (Universität Wien) [BIO]

Email: martin.hainz@univie.ac.at

 
ReferentInnen / Speakers   >>
 

ABSTRACT:

Das Kürzel N.T. ist eines, das sozusagen an sich häretisch ist, so häretisch, wie es der Text als solcher immer ist, weil er immer zu solcher Häresie bereit ist. Denn N.T. ist das geläufige Kürzel für das Neue Testament, aber auch für unbezeugte Aussagen bei Nachrichtenagenturen – not testified. So ist das Kürzel Verweis auf eine wesentliche Glaubensgrundlage der Christen, aber in verstörender Art sind die beiden Lettern auch so sehr zum Inbegriff des Ungewissen geworden, daß heute N.T. als (Zeitungs-)Ente schon die Falschmeldung bezeichnet, und zwar in mehreren Sprachen, so im Französischen, wo die canard kaum mehr auf ihren Ursprung weist. N.T. ist also Gewißheit; aber auch: „haltloses Gerücht, Falschmeldung” (Brockhaus 2005).

Schon lange gilt im Volksglauben die Ente als Hexentier. Wir aber sehen langsam, daß N.T. selbst verhext ist, ein springendes Element an so prekärer Stelle, daß die Ente, vor der sich das Mittelalter fürchten mochte, dagegen harmlos ist. Zumal dieser Konnex, den das Kürzel stiftet, kein Zufall ist, kein bloßer Kalauer – sondern etwas exakt trifft. Es ist dies der Umstand der Geschichtlichkeit und der Verklärung: Jesus als „der »erhöhte Herr« ist alles – nicht der »historische Jesus«.”(1) Das ist die Absage an die Faktizität, die als eine der Dinge an sich sozusagen im Akt der unerhörten Auferstehung ja ad absurdum geführt ist, doch ebenso weist diese Absage doch auf jene „performative Wirkung im Wort des Glaubens”(2), der also auch Dichtung ist… Und es ist der Widerstand gegen diese Bewegung, zum einen, weil das der Immanenz entstammende Wort ja damit eine gewisse Dignität beanspruchen kann – auch ist die Erhöhung keine, die das Historische negierte, denn das würde die Heilsbotschaft, sofern sie sich an Endliche, der Geschichte sich noch verhaftet Wissende wendet, zerstören.

Somit ist N.T. die Chiffre für die dem Glauben immanente Wörtlichkeit, die ihn bis in die Quelle kontaminiert – dies soll im Panel Anstoß zum Gespräch von Dichtern wie Künstlern, Literaturwissenschaftern, Philosophen und Theologen sein.


1 Franz König: Gedanken für ein erfülltes Leben, hrsg. v. Annemarie Fenzl u. Heinz Nußbaumer. Wien: Styria 2004, S.30
2 Giorgio Agamben: Die Zeit, die bleibt. Ein Kommentar zum Römerbrief, übers. v. Davide Giuriato. Frankfurt/M.: Suhrkamp Verlag 2006 (= edition suhrkamp 2453), S.146; cf. a.a.O., S.146ff.

 

 

ReferentInnen / Speakers / Orateurs

  • N.T. – New Testament / Not Testified
    Essay zu einem Kalauer, der sich als metaphysisch erweist, sowie dem Niederschlag des Problems u.a. bei Klopstock
    Martin A. Hainz (Universität Wien)
    ABSTRACT

  • Nancy théologien oder: Was heißt „Dekonstruktion des Christentums“?
    Artur R. Boelderl (Kath.-Theol. Privatuniversität Linz)
    ABSTRACT

  • Quellwörter
    Kulturelle Reproduktion des Worts als kollektiver Transformationsprozess (AT)
    Marietta Böning (Wien)
    ABSTRACT

  • Verstörung durch Virtualität
    Dagmar Burkhart (Hamburg)
    ABSTRACT

  • Wortglauben
    Hölderlins Suche nach Zeugenschaft
    Rüdiger Görner (London)
    ABSTRACT

  • Die »Poesie der Hottentotten«
    Über den Ort oraler Literaturen in der Geschichte der Weltliteratur
    Peter Goßens (Ruhr-Universität Bochum)
    ABSTRACT

  • Falsches Zeugnis, wahres Zeugnis
    Zu Friedrich Reck-Malleczewens Tagebuch eines Verzweifelten (postum 1947) im Kontext der autobiographischen Prosa über die Nazizeit
    Klaus Johann (Münster)
    ABSTRACT

  • Der Koran zwischen einer historischen und einer ahistorischen Lesart
    Chancen und Herausforderungen einer interdisziplinären Annäherung an den Koran
    Mouhanad Khorchide (Universität Wien)
    ABSTRACT

  • WÖRTLICHKEIT
    Vivian Liska (Universität Antwerpen)
    ABSTRACT

  • Das Wunder der Zeichen
    Jabès Annäherungen an das Buch: ihre theologischen, medientheoretischen und kulturwissenschaflichen Implikationen
    Wolfgang Müller-Funk (Universität Wien)
    ABSTRACT

  • Die Apokryphen als Glaubenswahrheit und Dichtung in Literatur und bildender Kunst
    Nicole M. Rass
    ABSTRACT

  • Wiederholung und Performativität – Die religiöse Rede in Celans Spätwerk
    Olga Rutecka (KU Leuven)
    ABSTRACT

  • No Thing Forever: Death, Corporeality, Language and Representation
    Daniel Watt (Loughborough University, Leicestershire, UK)
    ABSTRACT

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Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007