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Die Apokryphen als Glaubenswahrheit und Dichtung in Literatur und bildender Kunst
Nicole M. Rass [BIO]
Email: nicolemrass@yahoo.com
ABSTRACT:
Die Apokryphen sind als religiöse Texte aus den unterschiedlichsten Gründen nicht kanonisiert, sei es, weil sie auf Grund ihres Inhalts als häretisch ausgegrenzt wurden, sei es auf Grund ihres Bekanntheitsgrades oder der Umstände und des Zeitpunkts ihrer Entstehung. Apokryphische Texte wurden bereits von christlichen Theologen des 2. Jahrhunderts nach Christus als Fälschungen abgeurteilt oder Geheimlehren zugerechnet. Dennoch werden die apokryphischen Texte als heilige Schriften geehrt und als Inspirationsquelle für Darstellungen christlicher Motive herangezogen, sei es nun die Lebensgeschichte von Maria, die Kindheitsgeschichte von Jesus Christus, Apostelgeschichten (Petrus, Paulus, Johannes, Andreas), apokalyptische Schreckensvisionen oder die Stilisierung von Lilith, der ersten Frau Adams, zur ersten femme fatale, beispielsweise durch die Mitglieder der Künstlerbrüderschaft der Präraffaeliten. Apokryphische Texte unterwandern die von kirchlicher Seite aus sanktionierte Vorstellung von christlicher Kultur in Wort und Bild, regen zu Neuschaffung biblischer Motive und Vorstellungen an und sprengen damit nicht nur den Kanon der schriftlichen und pikturalen Zeugnisse, sondern auch den der überlieferten Gottesbilder. Die Apokryphen zum Neuen Testament zeichnen sich dadurch aus, dass die ersten im 19. Jahrhundert entdeckt wurden (das Petrusevangelium 1886, die Papyri von Oxyrhynchos 1897), das Fragment des Markusevangeliums sogar erst 1958. Inwiefern diese Funde ein neues Interesse an apokryphischen Texten auslösen konnten, das Eingang in das Schaffen von Malern und Schriftstellern gefunden hat, soll anhand einiger Beispiele herausgestellt werden, wie auch die Rezeption und der künstlerische Dialog mit außerkanonischen Texten im Allgemeinen.
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