Der Koran zwischen einer historischen und einer ahistorischen Lesart
Chancen und Herausforderungen einer interdisziplinären Annäherung an den Koran

Mouhanad Khorchide (Universität Wien)

Email: mouhanad.khorchide@univie.ac.at

 

ABSTRACT:

Die neuere Diskussion um die Lesart des Koran ist ein Teil der Frage, wie Muslime auf die Moderne reagieren sollten. Denn der Koran gilt bei den Muslimen als Hauptquelle des Islam. Es geht somit um viel mehr als nur um eine abstrakte Auseinandersetzung mit dem Koran-Text. In der Frage der Historizität des Koran haben sich in den letzten Jahren unter den muslimischen Intellektuellen zwei extreme Positionen gebildet: die erste ist die konservativ-traditionalistische und die zweite die modernistische Position. Für traditionalistische Muslime beinhaltet der Koran fertige Antworten auf alle Fragen der Menschheit. Dazu zählen auch Fragen der Moderne; seine Aussagen und Urteile haben eine universale Gültigkeit und müssen wortgetreu verstanden und angewendet werden. Mit dieser Lesart des Koran stehen Traditionalisten den neuen Fragen und den Herausforderungen der Moderne oftmals ratlos gegenüber und sehen daher nur in einem Anpassen der heutigen Bedingungen an die korangemäße Struktur, in der man die Normen des Koran anwenden kann, die einzige Möglichkeit, islamgemäß zu leben und den Willen Gottes zu verwirklichen. Nach ihren Vorstellungen geschieht dies am Besten durch eine Rückkehr zu den Bedingungen des frühen „Goldenen Zeitalters des Islam“ bzw. der „Zeit der Glückseligkeit“, also des Zeitalters des Propheten und der ersten vier Kalifen. Neue Zustände geben ihnen keinen Anlass für neue Interpretationen, ihr Hauptziel ist die Wiederherstellung der alten Zustände „der Goldenen Zeit“. Diese Lesart des Koran stellt die Muslime vor die Wahl einer Anti-Koran-Modernisierung oder einer anti-modernen Koran-Treue und macht den Koran somit unbrauchbar für die Moderne, sie bringt ihn einfach zum Schweigen.

Auf diese und andere Diskussion wird das Referat eingehen.