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Architektur in China: Auf der Suche nach Identität zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Eduard Kögel (Berlin)
Email: mei.ko@snafu.de
ABSTRACT:
Bis ins 20. Jahrhundert war die Architektur in China den Handwerkskünsten zugeordnet. Die Baumeister arbeiteten nach überlieferten Handbüchern in tradierten Handwerkstypologien. Mit dem Einbruch der Moderne nach der ersten Revolution von 1911 entstanden neue Bauaufgaben, die nicht mehr mit den alten Methoden gelöst werden konnten. Aber auch das Selbstverständnis des jungen Staates verlangte nach einem neuen Ausdruck. Deshalb gingen jungen Studenten zur Ausbildung nach Europa und Amerika. Dort wurden sie mit westlichen Bautypologien und Stilfragen konfrontiert, für die es in ihrer Heimat keine Vorbilder gab.
Während in den zwanziger Jahren die chinesischen Architekturstudenten in den USA vor allem mit den formalen Grundlagen der Ecole des Beaux Arts vertraut wurden, kam in Europa der Einfluss der Moderne zum tragen. Daraus entstanden zwei Denkschulen. Die amerikanisch geprägte Beaux Arts Fraktion lokalisierte sich in Peking, Nanjing und Shanghai. Die von der Moderne in Europa inspirierte Gruppe arbeitete vor allem in Shanghai, Nanjing und Guangzhou. In beiden Diskussionslinien waren neben den jungen chinesischen Architekten auch ausländische Kollegen als Mentoren und Vorbilder in China aktiv.
Die amerikanisch geprägte Gruppe versuchte mit einer stilistischen Annäherung an die traditionelle chinesische Formensprache einen „Chinese Renaissance Style“ zu erfinden, der sich formal aus dem historischen Holzbau der Palastarchitektur ableitete. Im Gegensatz dazu, versuchten die Architekten aus den europäischen Schulen, die klimatischen und funktionalen Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wechselten die Vorbildfunktionen beider Haltungen, oft nach politisch motivierten Vorgaben.
Im Vergleich der beiden Ansätze wird deutlich, wie stark die folgende Entwicklung durch den Transfer der Ideen von außen beeinflusst wurde. Es wird jedoch auch klar, dass ein eigener kreativer Ansatz gefunden werden musste, der die Vorbilder auf die lokalen Gegebenheiten übertragbar machte und der dazu beitrug eine eigenständige zeitgenössische Architektursprache zu definieren.
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